TNr. 38: „LEADER-Förderprogramm“: Zielerreichung bei nichtstaatlichen Museen

38.1 Ausgangslage
Mit dem Programm LEADER soll die nachhaltige Entwicklung ländlicher Regionen in Bayern unterstützt werden. Unter anderem wurden 102 Museumsprojekte mit einem Gesamtvolumen von 19,3 Mio. € mit LEADER-Mitteln gefördert. Die EU beteiligt sich mit max. 50% der förderfähigen öffentlichen Ausgaben.[2] Der andere Teil der öffentlichen Ausgaben wird aus Landesmitteln oder sonstigen öffentlichen Mitteln (einschließlich kommunaler Mittel) erbracht. Die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) wickeln das gesamte Förderverfahren ab und reichen die europäischen Mittel sowie ggf. ergänzende Landesmittel aus.Im Jahr 2008 hatte der ORH einzelne Museumsprojekte aus der LEADER-Programmperiode 2000 bis 2006 geprüft.
Aufgrund seiner Prüfung hatte er dem Landwirtschaftsministerium u.a. empfohlen:
- Umsetzung der Förderziele und der Absichtserklärungen hinsichtlich Besucherzahlen, Öffentlichkeitsarbeit, Marketingkonzepten und Museumskooperationen.
- Unmittelbare und rechtzeitige Abstimmung zwischen dem örtlich zuständigen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) und der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern (LST) bei der Förderung von Museumsprojekten.
38.2 Einbindung der Landesstelle
38.2.1 Feststellungen
Die LST ist eine Abteilung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. Sie wird als Fachgutachterstelle für diverse EU-Förderprogramme im Bereich der nichtstaatlichen Museen tätig. Die LST verwaltet und vergibt darüber hinaus staatliche Fördermittel an nichtstaatliche Museen nach eigenen museumsfachlichen Zuwendungsrichtlinien.[3] Dabei prüft sie die Projekte aus fachlicher Sicht ebenso wie die sachgerechte Mittelverwendung.Die museumsfachlichen Kriterien der Zuwendungsrichtlinien sind für die Förderung musealer Projekte nach LEADER nicht verbindlich. Diese Projekte werden vielmehr allein nach der LEADER-Förderrichtlinie abgewickelt, die allerdings selbst keine museumsspezifischen Kriterien beinhaltet (wie z.B. Anzahl der Besucher, regelmäßige Öffnungszeiten oder Folgekosten). Nach einer internen Verwaltungsanweisung des Landwirtschaftsministeriums ist aber auf eine frühzeitige und regelmäßige Einbeziehung der LST zu achten.
Dazu hat der ORH für die Programmperiode 2000 bis 2006 festgestellt, dass in 71% der 34 geprüften Förderfälle keine Stellungnahme der LST vorlag. Aus der Programmperiode 2007 bis 2013 bezog er zusätzlich zu den zunächst geprüften 4 Projekten weitere 19 Projekte ein; bei 25% dieser 23 Projekte lag keine Stellungnahme vor.
Allerdings war auch bei der Programmperiode 2007 bis 2013 festzustellen, dass in einigen Fällen die Entscheidung über den Antrag zeitlich vor der Stellungnahme der LST erfolgte, sodass diese nicht mehr berücksichtigungsfähig war.
38.2.2 Würdigung
Der ORH hatte bereits mit Rechnungsprüfung 2008 eine generelle Beteiligung der LST im Vorfeld der Antragstellung gefordert, um so eine einheitliche, an museumsfachlichen Kriterien ausgerichtete Förderung zu gewährleisten. Zwar ist bei der neuerlichen Prüfung eine deutliche Verbesserung feststellbar. Die Einbindung der LST erfolgte aber dennoch nicht im notwendigen Umfang. Deswegen besteht die Gefahr, dass die Landwirtschaftsverwaltung eine eigene Museumsförderung aufbaut, ohne das Fachwissen der LST ausreichend einzubeziehen.Die LST sollte deshalb bei allen LEADER-Museumsprojekten so frühzeitig beteiligt werden, dass ihre Stellungnahme und fachliche Expertise noch bei den Beschlüssen über Projektanträge einfließen kann.
38.3 Dauerhafte Basis für Museen
38.3.1 Feststellungen
Die Verwaltung darf gem. Art. 44 BayHO, der auch beim Einsatz der LEADER-Mittel gilt, nur Vorhaben fördern, deren Gesamtfinanzierung gesichert ist. Dabei muss der Empfänger auch in finanzieller Hinsicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Verwendung und dauerhafte Unterhaltung der Anlagen bieten.[4] Erforderlich ist ein verbindlicher Kosten- und Finanzierungsplan, der sämtliche Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Folgekosten umfasst. Wesentliche Voraussetzung für die Gewährung von Zuwendungen ist die Prüfung und Bewertung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Zuwendungsempfängers. Maßstab dieser Bewertung sollte sein, ob er in der Lage ist, das Museumsprojekt durchzuführen und die Unterhaltskosten dafür dauerhaft aufzubringen, ohne sich zu überschulden. Bei den geprüften Fällen wurden häufig die zu erwartenden Einnahmen aus dem Museumsbetrieb (z.B. Eintrittsgebühren) zu hoch sowie Aufwand und Kosten zu niedrig angesetzt.Der Fördersatz ist entsprechend Eigeninteresse und Leistungskraft des Zuwendungsempfängers festzulegen;[5] der Höchstfördersatz sollte nur in begründeten Ausnahmefällen gewährt werden. Bei 97% der geprüften Projekte wurde der Höchstfördersatz bewilligt. Eine Differenzierung unterblieb; die erforderlichen Begründungen lagen nicht vor.
Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen wird bei LEADER-Förderungen für Museumsprojekte nicht geprüft und von der LST gutachtlich nicht bewertet. Bei 24 Kommunen mit geförderten Museen ergaben sich im Haushaltsjahr 2014 Defizite aus dem Museumsbereich. Bei wenigen (kleineren) Kommunen lagen diese zwischen 150.000 und 200.000 €.
38.3.2 Würdigung
Der kontinuierliche und nachhaltige Betrieb eines Museums ist nur dann gesichert, wenn nicht nur die Errichtung, sondern auch die Folgekosten dauerhaft vom Träger erbracht werden können. Bisher wurden in den Förderanträgen häufig unrealistische Angaben zur Finanzierung vorgelegt; die Finanzkraft ist damit nicht nachgewiesen.Der nahezu in allen geprüften Fällen gewährte Höchstfördersatz differenzierte nicht nach der Leistungskraft der Antragsteller. Bedingt durch die hohen Fördersätze ist der Anreiz groß, Projekte zu beantragen und durchzuführen. Kommunen werden ggf. zu Investitionen verleitet, die zu erheblichen Betriebs- und Unterhaltskosten führen.[6] Wenn zum Zeitpunkt der Förderung Defizite in einer Größenordnung absehbar sind, die bei der Kommune zur Vernachlässigung von Pflichtaufgaben führen können, ist die Gesamtfinanzierung nicht gesichert. Dies ist aber zwingende Fördervoraussetzung. Das entspricht auch der Zielrichtung von LEADER, dauerhaft überlebensfähige Projekte zu fördern.
38.4 Öffnungszeiten und Besucherzahlen
38.4.1 Feststellungen
Der breit formulierte Ansatz von LEADER will zur nachhaltigen Nutzung vorhandener Potenziale und zur Steigerung der Attraktivität der jeweiligen Region beitragen. Museen sind ihrem Wesen nach auf Öffentlichkeit angelegt. Dies kommt beispielsweise im Museumsentwicklungsprogramm der Bayerischen Staatsregierung[7] zum Ausdruck. Zu dessen Grundsätzen gehören auch regelmäßige Öffnungszeiten von mindestens 100 Tagen im Jahr. Insbesondere "kleine" Museen sollten an "mindestens zwei Tagen der Woche (darunter an mindestens einem arbeitsfreien Tag) für etwa 4 Stunden pro Tag geöffnet sein, möglichst auch an einem Abend".Mit Öffnungszeiten von unter 100 Tagen im Jahr blieben 14 Museen unter diesen Standards. Die geringsten Öffnungszeiten lagen bei 7 Tagen mit insgesamt 21 Stunden pro Jahr, 8 Tagen mit insgesamt 29 Stunden pro Jahr. Im Jahr 2014 waren bei 3 geförderten Museen weniger als 300 Besucher gezählt worden. Ein Ausstellungsprojekt war für ein geplantes Museum gefördert, dann aber nach 2 Ausstellungen für 7 Jahre eingelagert worden. Das Museum ist bis heute nicht errichtet, weil die Kommune dazu finanziell nicht in der Lage war.
38.4.2 Würdigung
Nicht zuletzt wegen der hohen Unterhaltskosten beschränken geförderte Museen ihre Öffnungszeiten teilweise sehr stark. Sie sollten jedenfalls besucherfreundlich gestaltet werden, insbesondere an Wochenenden und Feiertagen. Hierauf ist bei der Antragsprüfung genauso zu achten ebenso wie auf realistische Prognosen für Besucherzahlen. Beide Faktoren sollten Zielindikatoren für eine Erfolgskontrolle sein.38.5 Zielindikatoren
38.5.1 Feststellungen
Nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit staatlichen Handelns ist auf eine Steigerung der Effektivität des staatlichen Mitteleinsatzes u.a. durch Erfolgskontrollen hinzuwirken.[8]Bereits 1990 hat der Landtag die Staatsregierung ersucht, "das Instrument der Erfolgskontrolle zur Gewährleistung wirtschaftlichen Handelns des Staats verstärkt zu nutzen und insbesondere bei Maßnahmen von finanziellem Gewicht grundsätzlich Erfolgskontrollen durchzuführen. Hierauf soll schon bei der Einleitung von Maßnahmen durch klare Zieldefinitionen und Sammlung notwendiger Daten Rücksicht genommen werden."[9]
Tatsächlich war in der Programmperiode 2000 bis 2006 bei 8 der geprüften Museumsprojekte die "Anzahl zusätzlicher Besucher" als Indikator für den Bewilligungsbescheid ausgewählt. Dabei hatten manche Zuwendungsempfänger sehr hohe zusätzliche Besucherzahlen prognostiziert, z.B. 5.000 Besucher pro Tag. In einem Museumsprojekt wurden laut Antrag 1.346 zusätzliche Besucher pro Öffnungstag erwartet; das hätte etwa 300.000 pro Jahr entsprochen. Tatsächlich kamen 2014 rd. 53.000 Besucher. Die Prognosewerte wurden in keinem geprüften Förderfall erreicht. In anderen Fällen ließ die Zahlenprognose offen, für welchen Zeitraum sie überhaupt galt.
In der Programmperiode 2007 bis 2013 war für alle Förderfälle ein Zielindikator "Anzahl zusätzlicher Besucher" festgelegt. Häufig wurden aber im Verwendungsnachweis keine Angaben zu den tatsächlichen Besucherzahlen gemacht.
Die Verwaltung akzeptierte bei der Museumsförderung auch Zielindikatoren wie z.B. "Anzahl der erhaltenen und aufgewerteten Projekte" oder die "Länge der aufgewerteten Wege (Radwege in km)".
Die ÄELF bestätigten bei der Prüfung der Verwendungsnachweise ausnahmslos, dass die Ziele erreicht seien.
38.5.2 Würdigung
Die Zielindikatoren sind bisher nicht oder nur in geringem Maße auf museale Projekte abgestimmt. Sachfremde oder unrealistisch gewählte Zielindikatoren sollten bereits bei Antragstellung von der Bewilligungsbehörde bereinigt werden.Der Landwirtschaftsverwaltung fehlt in weiten Teilen die Grundlage für einen Soll-/Ist-Vergleich. Somit bleibt offen, ob die mit der Förderung angestrebten Ziele erreicht sind, also ob ein Museumsprojekt überhaupt erfolgreich war. Eine systematische Erfolgskontrolle ermöglichen die bisherigen Indikatoren nicht oder nur eingeschränkt, weil sie für Museen gänzlich fehlgehen (z.B. Indikator Radwege) oder weil sie sich nur darauf beziehen, ob das Projekt tatsächlich fertiggestellt ist.
38.6 Stellungnahme der Verwaltung
Das Landwirtschaftsministerium weist darauf hin, dass in der neuen Förderperiode 2014 bis 2020 keine Höchstfördersätze mehr festgelegt worden seien, sondern nach regionaler Bedürftigkeit differenzierte Regelfördersätze.Die LST sei in der Periode 2007 bis 2013 bei 21 von 23 geprüften Projekten einbezogen worden; künftig werde ihre Stellungnahme obligatorisch eingeholt.
In der neuen Förderperiode müsse nach der Richtlinie ein Konzept zur nachhaltigen finanziellen Tragbarkeit des Projektes vorliegen. Die Prüf- und Nachweispflichten seien nach einer Intensivierung gegenüber der letzten Förderperiode jetzt ausreichend. Eine Einbindung der Kommunalaufsicht zur Bewertung der kommunalen Finanzlage sei darüber hinaus unverhältnismäßig aufwendig. Allerdings könne sich die Verwendungsnachweisprüfung nur auf die tatsächliche und antragsgemäße Fertigstellung eines Projekts beziehen. Weitergehende Feststellungen könnten zu diesem Zeitpunkt nicht getroffen werden.
Die Forderung, bereits bei Antragstellung besucherorientierte Öffnungszeiten einzufordern und als Zielindikator in eine Erfolgskontrolle aufzunehmen, erscheine sinnvoll. Für die Förderperiode 2014 bis 2020 seien die Erfolgskontrollen intensiviert worden; insofern sei der Empfehlung des ORH Rechnung getragen worden.
Wissenschaftsministerium und LST weisen darauf hin, dass sich die Förderpraxis seit 2014 verbessert habe. So sei die LST seither mit einer Ausnahme als Museumsfachbehörde rechtzeitig in jedes Projekt eingebunden worden. Sinnvoll sei jedenfalls eine gesicherte Trägerschaft und eine auskömmliche Personal- und Finanzausstattung, sie sei gerade bei der Neugründung von Museen zu prüfen.
38.7 Schlussbemerkung
Die rechtzeitige Einbindung der LST stellt eine an fachlichen Aspekten orientierte Museumsförderung sicher. Keinesfalls sollte über LEADER-Mittel eine "Museumsförderung Light" ermöglicht werden.Die Einbindung der Kommunalaufsicht im Rahmen der Förderentscheidung zur Bewertung der Finanzlage einzelner Kommunen ist zumindest in den Fällen erforderlich, bei denen die Erfüllung der Pflichtaufgaben gefährdet erscheint.
Der ORH hält es für geboten, geeignete Zielindikatoren zu definieren, um die geförderten musealen Projekte einer Evaluation unterziehen zu können. Belastbare Kriterien bei Museen sind beispielsweise Öffnungszeiten und Besucherzahlen. Nur so lässt sich im Einzelfall hinterfragen, ob gerade die Museumsförderung der richtige Weg zur Entwicklung des ländlichen Raums ist. Ein selten geöffnetes Museum mit geringer Besucherzahl trägt kaum zur Attraktivität des ländlichen Raums bei. Gegebenenfalls sollten die zur Verfügung stehenden Mittel für geeignetere Projekte eingesetzt werden.
[1] LEADER: „Liaison entre actions de développement de l'économie rurale", („Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft").
[2] Vgl. Nr. 3.3.1 der LEADER-Förderrichtlinie zur Umsetzung der Entwicklungsstrategie außerhalb der Hauptmaßnahmen im Rahmen der Maßnahmenbeschreibung LEADER gem. Art. 61 bis 65 der VO (EG) Nr. 1698/2005 des Rates und Art. 37 bis 39 der VO (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission für den Zeitraum 2007 bis 2013 vom 07.12.2009, i. d. F. vom 01.08.2012; Az. E3/a-7020.2-1/120.
[3] Richtlinien zur Vergabe staatlicher Zuschüsse der LST an nichtstaatliche Museen in Bayern (Stand Februar 2011), genehmigt mit WFKS vom 18.02.2011 Nr. B 3-K 4900-12a/24 291/10.
[4] Nr. 1.2 VV/VVK zu Art. 44 BayHO.
[5] Nr. 2.4 VV/VVK zu Art. 44 BayHO.
[6] Vgl. ORH-Bericht 2007 TNr. 38.
[7] Herausgegeben vom damaligen Staatsministerium für Unterricht und Kultus im Jahr 1979, RB-Nr. 05/79/02.
[8] VV Nr. 1 S. 2 zu Art. 7 BayHO.
[9] LT-Drucksache 12/2638 Nr. 2 a.