Jahresbericht 2019

TNr. 39: Veranlagungsstellen für Körperschaften

Körperschaftsteuer; Bild: Thomas Aumann - stock.adobe.com
Bereits 2009 hat der ORH eine Neustrukturierung der Körperschaftsteuerstellen gefordert. Er empfiehlt erneut, die Körperschaftsteuerstellen stärker zu bündeln. Durch gezielten Einsatz von Risikomanagementsystemen sowie verbesserte organisatorische und IT-technische Rahmenbedingungen ließe sich der Personalbedarf deutlich reduzieren. Der Einsatz dieses Personals etwa bei der Betriebsprüfung ließe ein erhebliches steuerliches Mehrergebnis erwarten.

Der ORH hat 2017/2018 die Organisation und Arbeitsweise der Körperschaftsteuer-Veranlagungsstellen (KSt-Stellen) untersucht. Hierfür hat er bei sechs Finanzämtern örtliche Erhebungen durchgeführt und bayernweit Veranlagungsdaten der Veranlagungszeiträume (VZ) 2013 bis 2015 ausgewertet.


39.1 Ausgangslage

Für Körperschaften, also juristische Personen (z.B. GmbH, AG, Genossenschaften, eingetragene Vereine), Personenvereinigungen und Vermögensmassen wurden im VZ 2015 bayernweit fast 245.000 Veranlagungen durchgeführt und über 6,9 Mrd. € Körperschaftsteuer (KSt) festgesetzt.

Die vom ORH im Jahre 2009 geforderte[1] Neustrukturierung der KSt-Stellen (ein Bearbeiter 3. QE und zwei Bearbeiter 2. QE wie bei den allgemeinen Veranlagungsstellen) wurde zuletzt mit Hinweis auf Überlegungen zur Planung eines Selbstveranlagungsverfahrens ausgesetzt.

Bei der Veranlagung von Körperschaften wird bislang kein Risikomanagementsystem (RMS) eingesetzt. Derzeit arbeitet im Rahmen von KONSENS[2] eine Unterfachgruppe der Finanzverwaltung von Bund und Ländern unter Projektleitung von Nordrhein-Westfalen und Bayern an der Entwicklung solcher Regeln.


39.2 Prüfungsumfang

Prüfungsschwerpunkt war die materiell-rechtliche Qualität und das damit verbundene Steuerausfallrisiko der von den KSt-Stellen abschließend bearbeiteten Steuerfälle.

Die Betriebsprüfung (Bp) prüft vor Ort Steuerpflichtige aller Rechtsformen, also auch Körperschaften. Bei Großbetrieben und Steuerfällen im Konzernverbund führt die Bp in der Regel Anschlussprüfungen durch, sodass keine prüfungsfreien Jahre entstehen.

Die Großbetriebe und Steuerfälle im Konzernverbund waren daher nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

Der ORH überprüfte insgesamt 1.075 Steuerfälle.


39.3 Feststellungen


39.3.1 Personaleinsatz

In Bayern arbeiteten zum Prüfungszeitpunkt rd. 455 VZK als Sachgebietsleiter und Bearbeiter in 38 KSt-Stellen. Die Ist-Besetzung lag um rd. 30 VZK, also um 6,5% über dem Personalzuteilungssoll.

Die KSt-Stellen waren unterschiedlich groß. Ihre Besetzung lag zum 01.01.2017 zwischen 3,11 und 110,51 VZK. 16 KSt-Stellen hatten weniger als sechs und drei weniger als vier VZK.


39.3.2 Anzahl der Veranlagungsfälle und festgesetzte Körperschaftsteuer

In den VZ 2013 bis 2015 wurden zwischen 234.820 und 244.335 Veranlagungen durchgeführt.

Rund 60% der Fälle führten zu Steuerfestsetzungen von 0 €; in weiteren rd. 21% kam es zu Steuerfestsetzungen bis 3.000 €, in 19% der Fälle zu Steuerfestsetzungen von über 3.000 €.

Bei 63.313 Körperschaften (rd. 26% der Fälle) war eine Anschlussprüfung durch die Bp vorgesehen. Auf diese Fälle entfielen zwischen 92% (VZ 2015) und 94% (so jeweils VZ 2014 und 2013) der insgesamt festgesetzten KSt, also zwischen 5,4 und 6,4 Mrd. €.


39.3.3 Mehrergebnisse der KSt-Stellen

Die KSt-Stellen erzielten bei Erstveranlagungen in den VZ 2013 bis 2015 - ohne Beteiligung der Bp - durch Abweichen von den erklärten Daten Mehrergebnisse bei folgender Zahl von Fällen:

Tabelle 52

Bei rd. 50% der Fälle betrug das Mehrergebnis nicht mehr als 1.000 €.

Die durch die KSt-Stellen jährlich erzielten Mehrergebnisse[3] waren in den VZ 2013 bis 2015 rückläufig: Von 5,8 Mio. € im VZ 2013 verringerte sich das Ergebnis im VZ 2015 auf 4,8 Mio. € (- 17%).

Tabelle 53

Aus den VZ 2013 bis 2015 untersuchte der ORH 216 Fälle, bei denen die KSt-Stellen ein Mehrergebnis von zusammen rd. 8,0 Mio. € erzielten. Das waren 51% des gesamten von den bayerischen KSt-Stellen erreichten Mehrergebnisses von 15,6 Mio. € im selben Zeitraum. Die Prüfung zeigte, dass das Mehrergebnis sehr stark von Einzelfällen geprägt wurde. In den VZ 2013 bis 2015 führten 71 Fälle mit einem Mehrergebnis von jeweils mehr als 10.000 € zu einem Gesamt-Mehrergebnis von 4,3 Mio. €. Das entspricht 28% des von den KSt-Stellen erzielten Gesamtmehrergebnisses in diesem Zeitraum.

Bei seiner Untersuchung stellte der ORH fest, dass Mehrergebnisse für die KSt-Stellen oft mit einfachen Prüfungshandlungen erzielbar waren: In 114 Fällen (53%) mit einem Volumen von insgesamt 5,7 Mio. € wären diese Abweichungen auch mithilfe eines RMS zu ermitteln gewesen. Dies sind 71% des dabei untersuchten Mehrergebnisses. Der weitaus überwiegende Teil entfällt dabei auf lediglich drei Abweichungsgründe.[4]


39.4 Würdigung und Empfehlungen

Die Möglichkeiten zur Überprüfung der erklärten Besteuerungsgrundlagen sind für die KSt-Stellen im Rahmen der KSt-Veranlagung begrenzt. Nur in wenigen Fällen sind Positionen in der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für sie so auffällig, dass sich ihnen eine Überprüfung aufdrängt und sie diese in eigener Zuständigkeit effizient durchführen können.

Die Mehrergebnisse sind nicht nur von Einzelfällen geprägt, sondern innerhalb dieser auch von wenigen typischen Sachverhalten. So betraf etwa die Hälfte der - ohnehin geringen - Abweichungen Sachverhalte, die von den KSt-Stellen mithilfe eines RMS einfach zu filtern bzw. zu überprüfen wären.

Bei der Veranlagung wird von den KSt-Stellen nur selten von der Erklärung abgewichen. Die Fälle der Abweichungen sind trotz stetig steigenden KSt-Aufkommens sowohl in Anzahl als auch hinsichtlich des Mehrertrags rückläufig; ihr Mehrergebnis macht im VZ 2015 gerade einmal 0,7 Promille des KSt-Gesamtaufkommens aus.

Die bei der Veranlagung von den KSt-Stellen festgesetzten Mehrergebnisse sind nach Ansicht des ORH marginal und stehen in keinem Verhältnis zum Personaleinsatz von bayernweit über 450 VZK. Das durchschnittliche Mehrergebnis der KSt-Stellen pro VZK betrug rd. 10.000 € pro Jahr.

In diesem Zusammenhang verweist der ORH darauf, dass das durchschnittliche Mehrergebnis pro Betriebsprüfer im Zeitraum 2007 bis 2011 jährlich 543.000 € in München bzw. 405.000 € bei den Klein- und Mittelbetrieben betrug.[5]

Die Ermittlung steuerlich bedeutsamer Sachverhalte durch die Betriebsprüfung erscheint dem ORH effizienter als die Bearbeitung durch die KSt-Stelle. Häufigere Betriebsprüfungen tragen auch zur Prävention gegen Steuerverkürzung bei.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der ORH, einen Abbau der Personalausstattung der KSt-Stellen, insbesondere in der 3. QE, zugunsten einer Verstärkung der Bp zu prüfen.

Bei KSt-Stellen mit bis zu sechs Kräften ist eine Schwerpunktbildung schwierig. Aus Gründen der Effizienzsteigerung, des Wissensmanagements und sinnvoller Vertretungsmöglichkeiten sowohl auf Sachgebietsleiter- als auch auf Bearbeiter-Ebene ist eine stärkere Bündelung empfehlenswert.


39.5 Stellungnahme der Verwaltung

Nach Auffassung des Finanzministeriums bestehe die rein rechnerisch ermittelte Überbesetzung nicht. Es teilt mit, dass ohne eine Änderung der Strukturen und Prozesse Personalreduzierungen und -umschichtungen in die Außendienste nicht möglich seien. Davon abgesehen könne die Arbeit der KSt-Stellen nicht nur nach den dort erzielten Mehrergebnissen beurteilt werden. Die vorhandenen Steuerfälle seien unabhängig vom erzielbaren Mehrergebnis jährlich zu veranlagen. Dabei fielen auch Arbeiten an, die für Zwecke der Besteuerung der Anteilseigner auszuführen seien und die nicht in den KSt-Stellen, sondern ggf. in den übrigen Veranlagungsstellen zu Mehrergebnissen führten. Darüber hinaus gebe es in den KSt-Stellen Sonderbereiche, wie die Gemeinnützigkeit, das Umwandlungssteuerrecht oder die Besteuerung der öffentlichen Hand, in denen die Erzielung von Mehrsteuern gerade nicht vorrangiger Zweck sei, die aber einen bedeutenden qualifizierten Personaleinsatz erfordern würden.

Bis zu einem flächendeckenden Einsatz eines RMS in den KSt-Stellen werde noch geraume Zeit vergehen. Eine belastbare Aussage, ob und inwieweit die Einführung eines maschinellen RMS zu einer Veränderung der Personalstruktur führt und inwiefern eine damit verbundene Umstrukturierung der KSt-Stellen gestaltet werden kann, sei derzeit nicht möglich. Mit einer schnellen Lösung, die schon jetzt eine Einschätzung der organisatorischen und personellen Auswirkungen erlauben würde, sei nicht zu rechnen.

Eine stärkere Konzentration der KSt-Stellen wird sowohl aus fachlicher als auch aus organisatorischer Sicht befürwortet. Dazu sei es aber notwendig, die Finanzamtsstrukturen insgesamt zu betrachten und ein Gesamtkonzept zu entwickeln, dessen Umsetzung in beträchtlichem Maß organisatorische, personelle und IT-technische Unterstützungsleistungen erfordern werde.


39.6 Schlussbemerkung

Der ORH sieht neben der Einführung eines RMS einen erheblichen Optimierungsbedarf bei den KSt-Stellen sowohl in personeller, IT-technischer als auch in organisatorischer Hinsicht. Dadurch ließe sich der Personalbedarf deutlich reduzieren. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der ORH, einen Abbau der Personalausstattung der KSt-Stellen zugunsten einer Verstärkung anderer Arbeitsbereiche, insbesondere der Bp, zu beginnen. Ein weiteres Zuwarten auf das längst überfällige Gesamtkonzept zur Neuausrichtung der Finanzverwaltung ist aus Sicht des ORH nicht hinnehmbar.

 


[1] ORH-Bericht 2009 TNr. 26.
[2] Koordinierte neue Softwareentwicklung der Steuerverwaltung.
[3] Einschließlich Auswirkungen durch Steueranrechnungsbeträge, z. B. die Kapitalertragsteuer - KapESt.
[4] Versagung Anrechnung KapESt (36 %), Abgleich Steuererklärung mit E-Bilanz (33 %), Investitionsabzugsbetrag (26 %).
[5] ORH-Bericht 2013 TNr. 19.