Jahresbericht 2019

TNr. 40: Lohnsteuerstellen

Stempel Lohnsteuer; Bild: Gina Sanders - stock.adobe.com
Mehr als 30% der Lohnsteuer-Prüfungen werden ohne Mehrergebnis abgeschlossen. Die Auswahl der zu prüfenden Fälle sollte dringend optimiert werden.

Steigende Fallzahlen und Personalknappheit erfordern eine straffere Gesamtorganisation sowie die Optimierung von Arbeitsabläufen. Der ORH empfiehlt erneut, die Lohnsteuer-Arbeitgeberstellen und die Lohnsteuer-Außenprüfung stärker zu bündeln.

Der ORH hat den Vollzug des Lohnsteuerverfahrens durch die bayerische Steuerverwaltung untersucht. Geprüft wurden Organisation und Arbeitsweise der Lohnsteuer-Arbeitgeberstellen und der Lohnsteuer-Außenprüfung bei zwölf Finanzämtern (FÄ).


40.1 Ausgangslage

Die Lohnsteuer ist in Bayern seit Jahren die Steuer mit dem höchsten Aufkommen. Im Jahr 2017 wurden 45 Mrd. € vereinnahmt.

Arbeitgeber sind zum Einbehalt der Lohnsteuer verpflichtet. Derzeit sind in Bayern über 425.000 Arbeitgeber erfasst. Allein in den Jahren 2013 bis 2017 ist ihre Zahl um 7% angestiegen.

Die 76 FÄ haben zu überwachen, ob die Arbeitgeber ihrer Pflicht zur Anmeldung der Lohnsteuer nachkommen. Umgesetzt wird die Überwachung und Überprüfung der angemeldeten Lohnsteuer von den Bearbeitern der Lohnsteuer-Arbeitgeberstelle sowie der Lohnsteuer-Außenprüfung.

Bereits 2006[1] und 2012[2] prüfte der ORH die Lohnsteuer-Arbeitgeberstellen und die Lohnsteuer-Außenprüfung. Schon 2006 hatte der ORH empfohlen, durch eine bessere Fallauswahl und durch gezielteres Prüfen die Ergebnisse zu steigern und verwies zur Begründung auf mögliche Steuerausfälle. Er empfahl zudem in beiden Prüfungen, größere Organisationseinheiten einzurichten. Das unterstützte der Landtag mit Beschluss vom 04.06.2013.[3] Das Finanzministerium führte in seinen Stellungnahmen zur Prüfung 2012 aus, diese Empfehlung werde grundsätzlich begrüßt, aus Sicht der Verwaltung sei es aber nicht sinnvoll, isoliert organisatorische Maßnahmen für einzelne Arbeitsbereiche umzusetzen. Vielmehr sei eine Optimierung der Finanzamtsstrukturen im Rahmen eines Gesamtkonzepts anzustreben.


40.2 Feststellungen


40.2.1 Struktur der Lohnsteuerstellen an den Finanzämtern


40.2.1.1 Lohnsteuer-Arbeitgeberstellen

An jedem bayerischen Finanzamt besteht derzeit eine Lohnsteuer-Arbeitgeberstelle. Zum 01.01.2018 waren dort bayernweit 149 VZK eingesetzt. Die Personalausstattung (Ist-Besetzung zum 01.01.2018) reicht dabei von 0,4 bis 29 VZK. Bei 21 FÄ waren die Lohnsteuer-Arbeitgeberstellen mit je maximal einer, bei weiteren 37 FÄ mit je maximal zwei VZK besetzt.

Gegenüber dem von der Verwaltung berechneten Personalbedarf von insgesamt 142 VZK waren die Lohnsteuer-Arbeitgeberstellen der 76 FÄ mit 5% überbesetzt.


40.2.1.2 Lohnsteuer-Außenprüfung

Neben der Lohnsteuer-Arbeitgeberstelle verfügen alle bayerischen FÄ auch über eine Lohnsteuer-Außenprüfung. Die Lohnsteuer-Außenprüfung war zum 01.01.2018 mit 289 VZK besetzt. Die Besetzung reichte dabei von 0,75 bis 63 VZK. Bei acht FÄ waren die Lohnsteuer-Außenprüfungen mit je maximal einer und bei weiteren 26 FÄ mit je maximal zwei VZK besetzt.

Die Außenprüfung von Arbeitgebern mit mehr als 499 Arbeitnehmern ist bei 40 FÄ gebündelt.

Die FÄ waren 2017 über alle Arbeitsbereiche hinweg mit 1,5% unter dem von der Verwaltung berechneten Personalbedarf besetzt. In der Lohnsteuer-Außenprüfung betrug die durchschnittliche Unterbesetzung 18%. Bei 16 FÄ betrug die Unterbesetzung über 30%.


40.2.2 Auswahl der zu prüfenden Fälle

Für die Jahresplanung der zu prüfenden Fälle erstellt das Landesamt für Steuern (LfSt) halbjährlich maschinell Vorschlagslisten. Aus diesen Vorschlagslisten erarbeiten die FÄ manuell ihren jeweiligen Prüfungsplan der Lohnsteuer-Außenprüfung.

In die Vorschlagslisten übernimmt das LfSt unter anderem die in einer sogenannten Arbeitgeber-Kartei als "prüfungsrelevant“ gekennzeichneten Fälle. Diese speist sich aus Angaben der Lohnsteuerprüfer zur Prüfungsrelevanz, die diese aufgrund der Erkenntnisse aus der vorangegangenen Lohnsteuerprüfung generieren und die die Lohnsteuer-Arbeitgeberstelle in die Arbeitgeber-Kartei eintragen muss. Beinahe 50% der 245 vom ORH geprüften Eintragungen in der Arbeitgeber-Kartei waren unvollständig oder fehlerhaft.

Darüber hinaus orientiert sich die maschinelle Fallauswahl des LfSt an weiteren Kriterien, wie z.B. an der Zahl der Arbeitnehmer, dem zuletzt geprüften Zeitraum und dem Mehrergebnis der letzten Prüfung.

Bei den geprüften FÄ hat das LfSt 2016 von 128.000 zu prüfenden Arbeitgebern mehr als die Hälfte in die Vorschlagslisten für 2017 übernommen. Die Bandbreite der in die Vorschlagslisten der einzelnen FÄ übernommenen Fälle reichte dabei von 14 bis 66%. Die FÄ übernahmen im Wege der manuellen Fallauswahl aus den Vorschlagslisten insgesamt 3.382 Fälle (5%) in den Prüfungsplan. Die Bandbreite reichte dabei von 2 bis 38%.


40.2.3 Prüfungsdichte

Angesichts der enormen Menge von 425.000 Arbeitgebern ist nur eine Auswahl von Prüfungen möglich. Die Anzahl der von der Lohnsteuer-Außenprüfung durchgeführten Prüfungen pro Jahr hat sich von 13.443 Prüfungen 2013 um 1.856 auf 11.587 Prüfungen 2017 verringert. Die Prüfungsquote, also das Verhältnis von geprüften zu vorhandenen Fällen, sank im gleichen Zeitraum von 3,4 auf 2,7%. Im Ländervergleich nahm Bayern 2017 bei den Prüfungsquoten nach den Betriebsgrößenklassen A1 bis A4[4] jeweils den 15. bzw. 16. Platz ein. Die Prüfungsquote lag im Durchschnitt der Länder 2017 bei 3,9%, in der Spitze bei 5,7%.

In vier Jahren sollen nach der aktuellen Dienstanweisung des LfSt für die Lohnsteuer-Außenprüfung grundsätzlich die im Prüfungsplan enthaltenen Fälle mit mehr als 99 Arbeitnehmern geprüft werden, da ansonsten Steuerausfälle durch Verjährung drohen. Tatsächlich haben einzelne FÄ in vier Jahren 25% dieser Arbeitgeber geprüft.

Bei anderen FÄ wurden im selben 4-Jahreszeitraum rechnerisch bis zu 140% dieser Arbeitgeber, d.h. manche Arbeitgeber mehr als einmal geprüft. Bei Prüfungen von Arbeitgebern mit 20 bis 99 Arbeitnehmern reichte die Bandbreite in vier Jahren von 10 bis 71%, bei denen mit 6 bis 19 Arbeitnehmern von 3 bis 56%.


40.2.4 Prüfungsfälle ohne Mehrergebnis

Die Gesamtstatistik aller Länder wies 2017 für Bayern durchschnittlich 34,6% Prüfungsfälle ohne Mehrergebnis (Nullfall-Quote) aus. Bayern hatte eine um 3% höhere Nullfall-Quote als der Bundesdurchschnitt und lag damit im Ländervergleich auf dem 14. Platz. Die Bandbreite lag bei den FÄ in Bayern zwischen 4 und 68%.


40.3 Würdigung und Empfehlungen

Die Anzahl der durchgeführten Prüfungen ist vergleichsweise gering. Gerade deswegen erfordert die auffallend hohe Zahl der ausgewählten Prüfungsfälle ohne Mehrergebnis dringend eine effizientere Auswahl der zu prüfenden Arbeitgeber. Das lässt sich erreichen, wenn die maschinelle Fallauswahl optimiert wird und die manuellen Steuerungsmöglichkeiten durch die Lohnsteuer-Arbeitgeberstellen richtig genutzt werden.

Fehlerhafte oder unterlassene Eintragungen in der Arbeitgeber-Kartei führen zu Fehlsteuerungen bei der Fallauswahl. Die Fallauswahl entwickelt nur dann die gewünschte Wirkung, wenn die Arbeitgeber-Kartei systemgerecht bedient und genutzt wird. Dies ist bisher bei weitem nicht im erforderlichen Umfang der Fall. Um das Dateneingabeverhalten zu verbessern, sollten die Bearbeiter für die Wirkungsweise der einzelnen Eingabefelder stärker sensibilisiert werden.

Die Vorschlagslisten sollten zur Verbesserung der Fallauswahl um Informationen aus bereits elektronisch vorliegenden Daten ergänzt werden. Die Anzahl der enthaltenen Fälle sollte deutlich reduziert werden.

Die maschinelle Fallauswahl sollte langfristig durch den Aufbau eines elektronischen Risikomanagementsystems (RMS) unterstützt werden.

Den kleinen Lohnsteuerstellen gelingt es häufig nicht, mit gleicher oder ähnlicher Effizienz zu arbeiten wie die größeren Lohnsteuerstellen. Die großen Unterschiede beim Prüfereinsatz, den Prüfungsturnussen und den Prüfungs- sowie den Nullfallquoten könnten durch Bildung größerer Arbeitseinheiten verringert werden. So lassen sich der fachliche Austausch, die Einarbeitung neuer Prüfer, der gezielte Prüfereinsatz und die Bildung von Prüferteams sowie die Einhaltung der Korruptionsrichtlinie einfacher verwirklichen.

Der ORH empfiehlt deshalb erneut eine zeitnahe stärkere Bündelung der Lohnsteuer-Außenprüfung und der Lohnsteuer-Arbeitgeberstellen in diesem Sinne. Eine solche wäre an den FÄ mit Prüfern für Arbeitgeber mit mehr als 499 Arbeitnehmern oder an Schwerpunktfinanzämtern im Rahmen des Gesamtkonzepts zur Neustrukturierung[5] denkbar.

Die durchschnittliche Unterbesetzung aller FÄ beträgt 1,5%. Die Lohnsteuer-Außenprüfung liegt mit durchschnittlich 18% unbesetzter Stellen deutlich schlechter. Die Personalbesetzung der Lohnsteuer-Außenprüfung sollte der durchschnittlichen Besetzung der FÄ angeglichen werden.


40.4 Stellungnahme der Verwaltung

Das Finanzministerium berichtet, dass die Umsetzung mehrerer Vorschläge des ORH zur Verbesserung der Fallauswahl bereits erfolgt sei und verweist auf ein geplantes KONSENS-Verfahren[6] , mit dessen Umsetzung auch die Lohnsteuer-Außenprüfung bei Tätigkeiten zur Verwaltung der prüfungsrelevanten Fälle, zur Fallauswahl, zur Aufstellung der Prüfungspläne sowie zur Steuerung der Prüfungen unterstützt werden soll.

Zur Forderung, die Lohnsteuerstellen zu bündeln, weist das Finanzministerium erneut darauf hin, dass strukturelle Einzelmaßnahmen bei den FÄ nicht als zielführend erachtet würden. Deshalb sei es notwendig, die Finanzamtsstrukturen insgesamt zu betrachten und ein Gesamtkonzept zu entwickeln, in dessen Rahmen auch die Bündelung der Lohnsteuer-Außenprüfung und der Lohnsteuer-Arbeitgeberstellen zu berücksichtigen sei.

Die Ist-Besetzung der FÄ steige aufgrund verschiedener Personalmaßnahmen seit 01.01.2013 an. Sie habe sich seit 01.01.2012 von 14.549 auf 15.025 VZK zum 01.01.2018 erhöht.

Die zusätzlichen Kräfte hätten zu einer Verstärkung in fast allen Bereichen der Steuerverwaltung geführt. Das Finanzministerium wirke darauf hin, dass sich die personelle Besetzung, insbesondere auch in der Lohnsteuer-Außenprüfung, weiterhin positiv entwickle.


40.5 Schlussbemerkung

Die Fallauswahl hat sich seit 2006 nicht ausreichend verbessert. Die von der Verwaltung geplanten Schritte einschließlich des vom ORH empfohlenen RMS sollten umgehend umgesetzt werden.

Der ORH hält an der bereits mehrmals geäußerten und vom Landtag aufgegriffenen Empfehlung zur stärkeren Bündelung im Sinne der Bildung von größeren Arbeitseinheiten fest.

Nachdem Inhalt und zeitliche Festlegungen für das Gesamtkonzept für die Finanzamtsstrukturen nicht feststehen, empfiehlt der ORH, dass die Bündelung der Lohnsteuer-Außenprüfung und der Lohnsteuer-Arbeitgeberstellen davon losgelöst zeitnah erfolgt.

 


[1] Vgl. ORH-Bericht 2006 TNr. 25.
[2] Vgl. ORH-Bericht 2013 TNr. 18.
[3] LT-Drs. 16/16954 Nr. 2 Buchst. i.
[4] Betriebsgrößenklasse A1: > 499 Arbeitnehmer (AN), A2: 100 – 499 AN, A3: 20 – 99 AN,
A4: 6 - 19 AN.
[5] Schreiben des LfSt vom 20.11.2017 Az. O 1556.2.1-202/37 St13.
[6] Koordinierte neue Softwareentwicklung der Steuerverwaltung.