TNr. 47: Kampagnen im Bereich Energie

Basierend auf der Prüfung "Energiewende“[1] hat der ORH 2017 gemeinsam mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Augsburg zwei Werbekampagnen des Wirtschaftsministeriums im Energiebereich geprüft. Zentrale Kriterien für die Prüfung waren Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Mittelverwendung.
47.1 Ausgangslage
Die bayerische Energieagentur "Energie Innovativ“, eine Organisationseinheit des Wirtschaftsministeriums,[2] hat die Kampagne "Stromsparen rockt!“ initiiert und 2012 bis 2013 durchgeführt. Mit dieser Kampagne sollten die Bürger Bayerns für das Thema Energiesparen sensibilisiert werden.
2014 bis 2016 hat das Wirtschaftsministerium eine Informationskampagne über Energie-Infrastrukturprojekte sowie den Umbau der Energieversorgung durchgeführt. Sie erfolgte in Form einer Messebeteiligung anstelle der ursprünglich geplanten bayernweiten "Roadshow“.
Eine dritte im Anschluss geplante Kampagne "Energiesparen Wärme“ wurde nicht mehr realisiert.
47.2 "Stromsparen rockt!“
47.2.1 Feststellungen
Von der ersten Planung im Oktober 2011 bis zum Abschluss der Kampagne im Mai 2013 wurde der Kostenansatz von 500.000 auf 2,8 Mio. € erhöht; er hat sich damit mehr als verfünffacht. Eine detailliert aufgeschlüsselte Gesamtkostenübersicht und eine Begründung für die Kostensteigerung waren weder in den Akten der Energieagentur noch im Abschlussvermerk zur Kampagne enthalten. Ein Teil der Akten war nicht auffindbar.
Größten Handlungs- und Informationsbedarf beschrieb das Wirtschaftsministerium zunächst bei der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen. Später sah es als primäre Zielgruppe Menschen im Alter von 40 Jahren und älter.[3] Letztendlich wurden alle Bürger Bayerns als Zielgruppe festgelegt.
Den Wechsel der Zielgruppe begründete das Wirtschaftsministerium damit, dass so mehr als 64 Mio. "Kontakte“ durch die Kampagne generiert worden seien. Jeder Bürger Bayerns wäre damit im Schnitt mindestens fünf Mal mit der Kampagne in Berührung gekommen. Ein Nachweis hierfür existiert nicht. Außerdem hatte das Wirtschaftsministerium keine zielgruppenspezifischen bzw. messbaren Ziele für die Kampagne festgelegt.
Hinsichtlich der Planung und Durchführung wurde festgestellt:
- Die Kosten der Auftaktveranstaltung, zu der das Wirtschaftsministerium zwei Tage vorher eingeladen hatte, erhöhten sich von ursprünglich 20.000 auf mehr als 36.000 €. Eine Begründung der Kostensteigerung fehlte in den Akten. Wer und wie viele der geladenen Teilnehmer tatsächlich an der Auftaktveranstaltung teilgenommen haben, war dem Wirtschaftsministerium nicht bekannt; es geht von rd. 90 Gästen aus. Die Kosten für das Catering betrugen fast 7.900 €.
- Für Werbepostkarten hat das Wirtschaftsministerium mehr als 230.000 € ausgegeben; für Traubenzucker als Werbegeschenke 26.000 €.
- Die vom Wirtschaftsministerium übermittelte Kostenaufstellung beläuft sich auf 2,5 Mio. €, während die Kosten gemäß Abschlussvermerk 2,8 Mio. € betragen. Die Differenz von 300.000 € konnte das Wirtschaftsministerium nicht aufklären.
47.2.2 Würdigung
Schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Transparenz sind bereits bei der Planung von Kampagnen messbare Ziele, eine klar definierte Zielgruppe sowie ein realistisches Budget festzulegen.
Der ORH teilt die Auffassung des Wirtschaftsministeriums, dass der Umbau der Energieversorgung nur mit einer aktiven Beteiligung der Bürger gelingen kann.[4] Das Wirtschaftsministerium versäumte aber, Erfolgskontrollen[5] durchzuführen. Der ORH hatte bereits 2013 in seiner Prüfung "Öffentlichkeitsarbeit des Wirtschaftsministeriums“ auf die Notwendigkeit solcher Kontrollen hingewiesen. Inwieweit die Bürger mit der Kampagne "Stromsparen rockt!“ somit tatsächlich für das Thema Energiesparen sensibilisiert werden konnten, bleibt mangels jeder Rückmeldungsinstrumente offen. Der Erfolg der Kampagne ist auch aufgrund der nicht näher definierten Zielgruppe schwer zu belegen. Ausgaben von 2,8 Mio. € erscheinen dem ORH angesichts des nicht nachweisbaren Erfolgs fragwürdig.
47.3 "Roadshow“ als Messetour
47.3.1 Feststellungen
Das Wirtschaftsministerium hat 2013 die Konzeption und Umsetzung einer Roadshow europaweit ausgeschrieben. Vorgesehen war laut Leistungsbeschreibung der Einsatz eines Roadmobils, das bayernweit in 25 kleineren und mittleren Städten Station machen sollte. Noch vor Zuschlagserteilung entschied das Wirtschaftsministerium, dass die "Roadshow“ in Form von Messeteilnahmen mit einem modularen Messestand durchgeführt werden sollte. Eine sachliche Begründung für die Änderung des Konzepts war nicht dokumentiert. Das Vergabeverfahren wurde nicht aufgehoben, sondern der Zuschlag auf das ursprüngliche Angebot erteilt. Eine auf die Messetour angepasste Kalkulation hat das Wirtschaftsministerium ein halbes Jahr (14.05.2014) nach Zuschlagserteilung (29.11.2013) erhalten.
Aufgrund der neuen Konzeption kam es zu einer Reduzierung auf acht Messeteilnahmen in sechs Städten, davon drei in München. Außerdem führte die Messetour zu einer Konzentration im Wesentlichen auf große Städte wie München, Augsburg und Nürnberg; der gesamte Regierungsbezirk Oberfranken wurde nicht berücksichtigt.
Die Evaluationen der einzelnen Messen durch das beauftragte Unternehmen und der Abschlussbericht des Wirtschaftsministeriums enthielten kaum konkrete Hinweise zum Erfolg der Kampagne. Das Wirtschaftsministerium stellte zu den Zielgruppen beispielsweise dar, dass rd. 50 Schulen pro Regierungsbezirk angeschrieben worden seien. Tatsächlich besuchten laut Unterlagen gut 230 Schüler aus ganz Bayern den Messestand.
Infolge der Entscheidung für eine Messebeteiligung erhöhten sich die Ausgaben. Das ursprüngliche Angebot für die Roadshow lag bei knapp 1,25 Mio. €. Dazu kam ein Nebenangebot für zehn zusätzliche Stopps für die Roadshow über 240.000 €. Die tatsächlichen Ausgaben beliefen sich letztlich auf 1,75 Mio. €. Es kam also zu Mehrausgaben gegenüber der ursprünglichen Planung von 500.000 €, dies entspricht 40,0 %.
47.3.2 Würdigung
Das Wirtschaftsministerium hat noch vor Abschluss des Vergabeverfahrens die wesentlichen Eckdaten der Kampagne verändert. Der neue Auftrag wies damit wesentlich andere Merkmale auf als der ursprüngliche. Trotzdem hat das Wirtschaftsministerium den Zuschlag auf das ursprüngliche Angebot erteilt. Wären die Eckdaten der Messebeteiligung bereits im ursprünglichen Vergabeverfahren enthalten gewesen, hätten andere Bieter zugelassen werden können. Möglicherweise hätte dann ein anderer Bieter den Zuschlag bekommen. Das Wirtschaftsministerium, das innerhalb der Staatsregierung für Vergabethemen zuständig ist, hat erheblich gegen das vergaberechtliche Transparenz-, Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgebot verstoßen.
Das ursprüngliche Ziel, die Kampagne bayernweit in die Regionen zu tragen, war wegen der Konzentration auf Messestandorte in Ballungsräumen nicht zu erreichen.
47.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Wirtschaftsministerium ist der Ansicht, es habe die Kampagnen professionell umgesetzt.
Die Kampagne "Stromsparen rockt!“ sei zu Beginn mit einer Laufzeit von etwa einem halben Jahr konzipiert worden. Erst nachdem sich herausgestellt habe, dass die Kampagne wahrgenommen werde und Wirkung zeige, seien die Fortführung geplant und realisiert sowie die Mittel erhöht worden. Die Kampagne sei bewusst mit relativ geringen Mitteln gestartet worden, um sie im Erfolgsfall modular weiterentwickeln zu können. Diese Vorgehensweise habe sich als effizient erwiesen. Die Umsetzung sei immer wieder hinterfragt und weiterentwickelt worden. Da es Anliegen aller Bürger Bayerns sei, Strom zu sparen, habe das Wirtschaftsministerium diese als Zielgruppe gesehen. Die Verschiebung des Schwerpunkts bei der Altersstruktur der Zielgruppe sei nach den ersten Erfahrungen mit der Kampagne erfolgt. Die Teilnehmer und die Teilnehmerzahl der Auftaktveranstaltung seien nicht mehr feststellbar, da Teile der Dokumentation hierzu in Verstoß geraten seien. Zur systematischen Erfolgskontrolle von Maßnahmen habe das Wirtschaftsministerium Grundsätze aufgestellt, die von allen Abteilungen zu beachten seien. Diese seien bei der Kampagne "Stromsparen rockt!“ eingehalten worden. Als Erfolgskontrolle habe insbesondere die Messung der Zahl der Kontakte gedient.
Bei der Kampagne "Roadshow“ stelle die Fokussierung auf Messen keine so wesentliche Änderung dar, die eine neue Angebotseinholung bzw. eine Neuausschreibung erfordert hätte. Die Bewertung, ob es sich um eine wesentliche Auftragsänderung handele, ergebe sich aufgrund einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die wesentlichen Aspekte der Kampagne "Ziele“, "Zielgruppen“, "Kommunikationsziele“, "Botschaften“ und "Kommunikationsstrategie“ unverändert geblieben seien und die tatsächliche Steigerung des konkreten Auftragswertes lediglich 0,7 % betragen habe. Der ursprüngliche Auftragswert gemäß dem Angebot, das den Zuschlag erhalten habe, habe bei 1.487.391,75€ gelegen. Das tatsächlich an den Auftragnehmer gezahlte Entgelt habe 1.497.429,51€ betragen.
Sonstige Mehrkosten für die Kampagne außerhalb des Vertrags ergäben sich aus der Anmietung von Messeflächen bei Messeveranstaltern durch das Wirtschaftsministerium und die Beschaffung weiterer Werbemittel, die neben der Werbetour auch bei anderweitigen Veranstaltungen des Hauses und der Staatsregierung eingesetzt worden seien.
47.5 Schlussbemerkung
Das Wirtschaftsministerium hat für beide Kampagnen mehr als 4,5 Mio. € ausgegeben. Insbesondere vor dem Hintergrund de facto fehlender Erfolgskontrollen war keine Aussage über den tatsächlichen Erfolg möglich.
Der Erfolg der Kampagne "Stromsparen rockt!“ wurde nicht auf Basis tatsächlicher, sondern allein anhand der von der beauftragten Agentur prognostizierten Kontakte gewertet. Erst nach Abschluss der Kampagne "Stromsparen rockt!“ und der Prüfung "Öffentlichkeitsarbeit des Wirtschaftsministeriums“ 2013 hatte das Wirtschaftsministerium zugesagt, auf Basis einer Kosten-Nutzen-Analyse zu prüfen, ob künftig bei integrierten Kommunikationsmaßnahmen (z. B. Kampagnen) geeignete Evaluationsinstrumente vorzusehen sind. Im Anschluss legte das Wirtschaftsministerium Grundsätze zur systematischen Erfolgskontrolle von Maßnahmen fest. Der ORH empfiehlt, diese jedenfalls künftig konsequent einzuhalten.
Das ursprüngliche Angebot auf die Ausschreibung für die "Roadshow“ lag bei rd. 1,25 Mio. €. Zwar wurden die Kosten des Hauptangebots annähernd eingehalten. Nach der geänderten Konzeption kamen aber im engen Zusammenhang damit weitere Kosten gemäß "Nebenangebot“ (240.000 €) und für Messeflächen (220.000 €) sowie für zusätzliche Kommunikationsmittel (40.000 €) hinzu; insgesamt ergibt dies eine erhebliche Steigerung der Ausgaben um 40,0 %. Der ORH bleibt deshalb bei seiner Ansicht, dass durch den Wechsel von einer "Roadshow“ zu Messeauftritten ohne neue Ausschreibung gegen Vergaberecht und gegen Haushaltsrecht (Art. 55 BayHO) verstoßen worden ist.
[1] ORH-Bericht 2018 TNr. 48.
[2] Aufgelöst im Zuge der Umressortierung 2013; LT-Drs. 17/9 Nr. 2.5 vom 10.10.2013; Ministerratsbeschluss vom 28.01.2014; § 7 Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung (StRGVV) vom 28.01.2014, GVBl. S. 31.
[3] Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie vom 26.10.2012 auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thorsten Glauber (Freie Wähler) zur Kampagne "Stromsparen rockt“ (LT-Drs. 16/14507 vom 21.12.2012).
[4] Vgl. Fn. 3.
[5] VV Nr. 6 zu Art. 7 BayHO.