TNr. E12: Videokonferenzanlagen

In der Staatsverwaltung gibt es bei 163 Dienststellen rd. 250 Videokonferenzanlagen. Um Einsparpotenziale, insbesondere bei Reisekosten und -zeiten zu heben, empfiehlt der ORH, Videokonferenzen verstärkt zu nutzen. Zudem sollten Videokonferenzanlagen in eine ressortübergreifende Kommunikationsstrategie einbezogen werden.
Der ORH hat 2018/2019 mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Augsburg den Einsatz von Videokonferenzanlagen in der staatlichen Verwaltung geprüft.
E12.1 Ausgangslage
Seit mindestens 2002 gibt es in der Staatsverwaltung Videokonferenzanlagen. Mit deren Nutzung können u. a. Dienstreisekosten eingespart werden. Neben Videokonferenzen bestehen weitere Kommunikationsmöglichkeiten wie Telefonie, Bildschirmfreigaben, Messenger-Dienste und E-Mail. Auch über Arbeitsplatzendgeräte lassen sich mit entsprechender Software z. B. Telefon- und Videokonferenzen (z. T. nach Teilnehmerzahl eingeschränkt) durchführen.
Ein seit 2012 beim IT-Dienstleistungszentrum (IT-DLZ) eingerichtetes Videokonferenz-Vermittlungssystem ermöglicht zwischen unterschiedlichen Videokonferenzanlagen die behördenübergreifende Kommunikation. Hierüber können auch Bundesbehörden sowie weitere externe Teilnehmer eingebunden werden.
E12.2 Feststellungen
Zum Zeitpunkt der Prüfung gab es 244 mobile und fest installierte Videokonferenzanlagen unterschiedlicher Hersteller in 36 verschiedenen Modellvarianten bei 163 Dienststellen der Staatsverwaltung. 154 (63%) der Videokonferenzanlagen in 11 verschiedenen Modellvarianten stammten von einem Hersteller.
Die Sachkosten für Neu- und Ersatzbeschaffungen der Videokonferenzanlagen beliefen sich im Zeitraum von 2014 bis 2018 auf 2,7 Mio.€. Die Kosten für den Erwerb eines gängigen Modells betragen auf Grundlage gemeldeter Anschaffungskosten durchschnittlich 11.000€. Die Sachkosten des Videokonferenz-Vermittlungssystems im IT-DLZ beliefen sich seit 2012 auf 1 Mio.€.
E12.2.1 Übersicht
Das IT-DLZ führt eine aktuelle und vollständige technische Liste der Videokonferenzanlagen, wie sie für den Betrieb des zentralen Videokonferenz-Vermittlungssystems erforderlich ist. Eine behördenübergreifende Liste mit allen Videokonferenzendgeräten sowie deren Standorten im Sinne eines Verzeichnisses für Mitarbeiter existiert nicht.
Das vom IT-DLZ betriebene Videokonferenz-Vermittlungssystem stellt derzeit lediglich ein Angebot dar, das von den Behörden nicht genutzt werden muss. Einzelne Behörden verfügen daneben über eigene Vermittlungssysteme.
Es besteht zudem keine Verpflichtung, Videokonferenzanlagen und deren Standorte an eine zentrale Stelle zu melden. Informationen dazu, mit welchen Dienststellen eine Videokonferenz an welchem Ort grundsätzlich möglich ist, liegen nicht vor.
E12.2.2 Nutzung
Zur Nutzung der Videokonferenzanlagen konnten die Behörden[1] für 2018 belastbare Daten nur zum Teil angeben; verschiedentlich haben sie die Nutzungshäufigkeiten geschätzt oder aus turnusmäßig stattfindenden Videokonferenzen hochgerechnet. Die Auslastung der Anlagen lag - soweit dem ORH belastbare Daten vorgelegt werden konnten - zwischen 10 und bis zu 90 Videokonferenzen im Jahr, d. h. rechnerisch zwischen knapp einer und weniger als 8 Videokonferenzen pro Monat. Im Durchschnitt lag die Nutzung rechnerisch bei 45 Videokonferenzen je Videokonferenzanlage im Jahr, d. h. weniger als vier pro Monat.
Verschiedentlich wurde über die Anlage und ihre Nutzbarkeit behördenintern nicht informiert.
E12.3 Würdigung und Empfehlungen
Für Dienstreisen sind im Staatshaushalt 2018 knapp 60 Mio.€ bei den betreffenden Haushaltstiteln veranschlagt, hinzu kommen die Arbeitszeitkosten für Dienstreisen. Die eher geringe Nutzungsdichte von Videokonferenzanlagen lässt darauf schließen, dass sie häufiger genutzt werden könnten, um wenigstens einen Teil dieser Kosten einzusparen. Dazu müssen aber u. a. die Möglichkeiten und Standorte der Videokonferenzanlagen bekannt sein. Eine aussagekräftige, für staatliche Beschäftigte leicht zugängliche Übersicht fehlt jedoch. Das erschwert auch die behördenübergreifende Nutzung.
Obwohl sich die Staatsverwaltung seit Jahren mit Videokonferenztechnik beschäftigt, haben Behörden unkoordiniert eigene Vermittlungssysteme beschafft und damit Parallelstrukturen geschaffen. Insgesamt bleibt die Zielrichtung der Verwaltung für das Kommunikationsmedium Videokonferenz diffus.
Der ORH empfiehlt deshalb,
- Videokonferenzen als Alternative zu Dienstreisen verstärkt zu nutzen,
- eine Übersicht zu Standorten und Nutzungsmöglichkeiten der Videokonferenzanlagen zur Verfügung zu stellen,
- eine Strategie hinsichtlich des Kommunikationsmediums Videokonferenz zu entwickeln und in eine übergreifende Kommunikationsstrategie einzubeziehen.
E12.4 Stellungnahme der Verwaltung
Der ORH hat die federführend mit IuK-Themen befassten Ressorts sowie die Staatskanzlei angehört.
Das Digitalministerium hält eine übergeordnete Steuerung zu den Videokonferenzanlagen nicht für erforderlich. Dies resultiere daraus, dass es durch die stark verbreiteten Endgeräte eines bestimmten Herstellers bereits zu einer weitgehenden Standardisierung gekommen sei. Zudem sei das Videokonferenz-Vermittlungssystem herstellerunabhängig und interoperabel nutzbar. Zur Koordinierung sei das Projekt "Videokonferenzanlagen“ mehrmals in ressortübergreifenden Gremien behandelt worden.
Eine übergreifende Kommunikationsstrategie würde ggf. als Aufgabe des Digitalministeriums betrachtet.
Dem Finanzministerium zufolge obliegen die Steuerung des Einsatzes von Videokonferenzen als Mittel der Kommunikation und zur Reduzierung von Dienstreisen sowie die Steuerung der Endgerätebeschaffung grundsätzlich jeder einzelnen Behörde. Die Fortentwicklung des Videokonferenz-Vermittlungssystems zu steuern, sei Aufgabe des IT-DLZ als zentralem Dienstleister. Eine ressortübergreifende Strategie im Bereich Videofonie, Telefonie, Nutzung von Messenger-Diensten usw. sei sinnvoll, weil diese immer mehr ineinander übergingen. Diese könne das Digitalministerium im Rahmen seiner Koordinierungsaufgaben federführend in Abstimmung mit dem Finanzministerium übernehmen.
Um die Buchbarkeit der Videokonferenzanlagen gleichzeitig mit der Buchung des Besprechungsraums zu erleichtern, wäre eine entsprechende Ergänzung des zentralen Verzeichnisdienstes im Behördennetz[2] sinnvoll. Manche Verwaltungen lehnten die Veröffentlichung ihrer Videokonferenzanlage in einem gemeinsamen Verzeichnis ab.
Die Staatskanzlei unterstützt das Erarbeiten einer zukunftsgerichteten Kommunikationsstrategie, die alle Kommunikationsbeziehungen und -mittel berücksichtigt.
E12.5 Schlussbemerkung
Der ORH empfiehlt, Videokonferenzanlagen in eine ressortübergreifende Kommunikationsstrategie einzubeziehen. Zudem empfiehlt er, den Beschäftigten eine aktuelle Übersicht zu Videokonferenzanlagen der Staatsverwaltung zur Verfügung zu stellen.
Auch im Hinblick auf Behördenverlagerungen werden Videokonferenzen an Bedeutung gewinnen. Eine Reduzierung von Dienstreisen spart Reisezeit sowie Haushaltsmittel ein und trägt zum Umwelt- und Klimaschutz bei. Videokonferenzen sollten deshalb verstärkt als zeit- und kostensparende Alternative zu Dienstreisen genutzt werden.
[1] Die Nutzung von Videokonferenzanlagen der Gerichte wurde nicht geprüft.
[2] Ein zentraler Verzeichnisdienst stellt in einem Netzwerk eine zentrale Sammlung von Daten bestimmter Art zur Verfügung. Diese Daten können gesucht, erstellt, modifiziert und gelöscht werden.