Jahresbericht 2020

TNr. E13: Insolvenzgerichte

Aktenordner Insolvenz, Insolvenzverfahren; Bild: h_lunke / stock.adobe.com
In Bayern gibt es 29 Insolvenzgerichte mit rechnerisch rd. 21 zugewiesenen Richtern; allein drei große Amtsgerichte binden davon fast die Hälfte. Der ORH empfiehlt ein Konzept zu einer Reduzierung der Insolvenzgerichte auf weniger als 21.

Der ORH hat mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Augsburg 2018 die Abwicklung von Insolvenzverfahren geprüft. Prüfungsmaßstab waren Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in Bezug auf Personaleinsatz und Organisation.


E13.1 Ausgangslage

Insolvenz ist die Unfähigkeit eines Schuldners, seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Gläubiger zu erfüllen. Ein Insolvenzverfahren kann über das Vermögen natürlicher und juristischer Personen eröffnet werden. Sein Ziel ist die bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger. Zum 01.01.1999 wurden die bisherigen Konkurs- und Vergleichsvorschriften durch die Insolvenzordnung ersetzt. Neben dem Regelinsolvenzverfahren für Unternehmen wurde zusätzlich für Privatpersonen ein vereinfachtes "Verbraucherinsolvenzverfahren“ eingeführt.

Grundsätzlich sieht die Insolvenzordnung ein Insolvenzgericht am Sitz des Landgerichts vor.[1] Für Bayern wären das 21 Insolvenzgerichte; tatsächlich gibt es 29. Das Justizministerium kann nämlich durch Rechtsverordnung andere oder zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten bestimmen, wenn dies zu einer sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren führt.[2] Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung zum 01.01.1999 haben sich bei der Zuständigkeit der Insolvenzgerichte in Bayern keine Änderungen mehr ergeben.

2009 richtete das Justizministerium zur "Stärkung des Insolvenzstandorts Bayern“ die Projektgruppe "Insolvenzgericht 21“ ein. Ziel war dabei u. a., die Anzahl der Insolvenzgerichte von 29 auf 8 zu reduzieren. Die Reformbemühungen wurden im Juli 2012 ohne nähere Begründung eingestellt.

Bei den einzelnen Amtsgerichten entscheiden die Präsidien jeweils über die konkrete Zuweisung der Geschäftsaufgaben an die unabhängigen Richter,[3] bei den Rechtspflegern die jeweilige Leitung des Gerichts.

Bereits seit 2013 gelten für Richter und Rechtspfleger in Insolvenzsachen besondere fachliche Anforderungen. So sollen Richter in Insolvenzsachen über belegbare Kenntnisse auf den Gebieten des Insolvenzrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie Grundkenntnisse des Arbeits-, Sozial- und Steuerrechts und des Rechnungswesens verfügen bzw. sich alsbald aneignen. Zudem dürfen Richter auf Probe im ersten Jahr nach ihrer Ernennung Geschäfte in Insolvenzsachen nicht wahrnehmen. Entsprechende Regelungen gelten für die Rechtspfleger.[4]


E13.2 Feststellungen


E13.2.1 Entwicklung der Verfahrenszahlen 2010 bis 2018

Die Verfahrenszahlen der Insolvenzgerichte gingen laut amtlicher Justizstatistik zwischen 2010 und 2018 bayernweit deutlich zurück. Die Zahl der Anträge auf Eröffnung von Insolvenzverfahren verringerte sich von 24.491 auf 15.914, die Zahl der eröffneten Verfahren verringerte sich von 17.223 auf 11.185. Die Rückgänge erfolgten dabei über die Jahre hinweg vergleichsweise konstant (vgl. Abbildung 23).

Abb 23


E13.2.2 Geschäftsanfall und Personalzuteilung im Jahr 2018

Bei den Insolvenzgerichten war die Personalzuteilung unterschiedlich. Richter und Rechtspfleger waren an den meisten Gerichten nur anteilig für Insolvenzsachen zugeteilt. So erreichte bei 25 von 29 Amtsgerichten dieser Anteil bei den Richtern nicht das Pensum einer Vollzeitkraft.

Tabelle 60

E13.2.3 Landesweiter Personalbedarf und Personalzuteilung

Der Personalbedarf im Geschäftsbereich des Justizministeriums wird mit dem Personalbedarfsberechnungssystem PEBB§Y auf Landesebene berechnet. Das soll eine angemessene Personalverteilung bis auf die Ebene der Mittelbehörden (Oberlandesgerichte und Generalstaatsanwaltschaften), nicht jedoch für die einzelnen Gerichte ermöglichen.

Der vom Justizministerium landesweit anhand von PEBB§Y ermittelte Personalbedarf und die Personalzuteilung von Richtern und Rechtspflegern an allen Amtsgerichten in Insolvenzsachen für den Zeitraum 2016 bis 2018 weichen voneinander ab. So übersteigt die Personalzuteilung[5] im Jahr 2018 bei den Richtern den Personalbedarf von 11,8 VZK um 7,6 VZK (+ 64 %) und den bei den Rechtspflegern von 58,4 VZK um 20,2 VZK (+ 35 %).


E13.2.4 Besondere Erfordernisse in Insolvenzsachen

Wegen der besonderen fachlichen Anforderungen an Insolvenzrichter und -rechtspfleger[6] führt die Justiz entsprechende Fortbildungsveranstaltungen durch. Aufgrund der demnächst in nationales Recht umzusetzenden EU-Restrukturierungsrichtlinie mit dem dort vorgesehenen vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren wird der Fortbildungsbedarf weiter zunehmen.

Mit der Geschäftsverteilung wird an Gerichten u. a. über eine Vertretungsregelung auch Vorsorge dafür getroffen, dass Geschäftsaufgaben bei Abwesenheit des an sich Zuständigen wahrgenommen werden. Gerade in Insolvenzsachen besteht ggf. Bedarf an Eilentscheidungen, um einen Vermögensabfluss zum Nachteil der Insolvenzgläubiger zu verhindern.[7] Dazu sind z. B. Entscheidungen über ein allgemeines Verfügungsverbot, zur Untersagung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung oder zur Anordnung einer vorläufigen Postsperre zu treffen. Auch über den Antrag eines vorläufigen Insolvenzverwalters, ob er zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt werden kann, um einen laufenden Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, sollte noch am selben Tag entschieden werden. Derartige eilbedürftige Entscheidungen können mehrmals wöchentlich anfallen.


E13.3 Würdigung und Empfehlung

Die Abweichungen zwischen Personalbedarf und -zuteilung bei Insolvenzsachen an Amtsgerichten sind seit Jahren auffallend groß. Zudem fällt die starke Zersplitterung der örtlichen Zuständigkeiten ins Auge. Sie kann eine Ursache für eine erhöhte Personalzuteilung sein.

Die Insolvenzordnung sieht im Regelfall ein Insolvenzgericht in jedem der 21 Landgerichtsbezirke vor. Sachliche Gründe, warum diese Zahl mit 29 Insolvenzgerichten deutlich überschritten wird, sind dem ORH nicht vorgetragen worden. Das Justizministerium selbst sieht die derzeitige Struktur der Insolvenzgerichte als "historisch gewachsen“.

Selbst 21 Insolvenzgerichte hält der ORH wegen rückläufiger Verfahrenszahlen und angesichts rd. 21 zugeteilter VZK Insolvenzrichter, von denen allein 9,6 Richter-VZK auf drei große Amtsgerichte entfallen, für eine zu kleinteilige Struktur. Eine Bündelung von Personal und Aufgaben bei weniger Gerichten ermöglicht es zudem, leichter das erforderliche Spezialwissen aufzubauen und auf Schwankungen bei den Verfahrenszahlen zu reagieren. Auch für Fortbildung und Vertretung in eiligen Insolvenzsachen erscheinen dem ORH weniger, dafür aber personalstärkere Insolvenzgerichte vorteilhaft.

Der ORH empfiehlt deshalb eine Bündelung der Insolvenzabwicklung bei weniger als 21 Gerichten.


E13.4 Stellungnahme der Verwaltung

Das Justizministerium führt aus, dass es die Anregung des ORH sorgfältig prüfen werde, ob sich eine Verringerung der Zahl der Insolvenzgerichte empfiehlt und wie diese auszusehen hat. Diese Prüfung sei derzeit noch nicht abgeschlossen. Es werde dabei sämtliche maßgeblichen Faktoren, insbesondere die Effektivität des Personaleinsatzes, den Erhalt der fachlichen Kompetenz und Ortskunde der Gerichte, die Bürgernähe sowie die Umsetzbarkeit in personalwirtschaftlicher und baulicher Sicht in seine Erwägungen einbeziehen.

Geringere Eingangszahlen vor Ort bedeuteten nicht automatisch einen gleich umfänglichen Rückgang des tatsächlichen Arbeitsanfalls, da es viele umfangreiche und arbeitsaufwendige Verfahren gäbe und die Insolvenzverwalter die gesunkenen Zahlen dazu nutzten, ältere Verfahren abzuschließen.

Gegen 2009/2010 entwickelte Pläne zu einer Zuständigkeitskonzentration habe es Widerstand gegeben, beispielsweise vom Verband Bayerischer Rechtspfleger e. V. Zudem sei besonders problematisch auch die Frage gewesen, welche Standorte aufgegeben werden sollten. Hierzu seien dem Justizministerium zahlreiche Stellungnahmen von Abgeordneten, Kommunalpolitikern und Rechtsanwälten zugegangen.


E13.5 Schlussbemerkung

Der ORH empfiehlt, die Pläne zu einer Reduzierung der Zahl der Insolvenzgerichte erneut aufzugreifen und die insolvenzgerichtlichen Aufgaben bei weniger als 21 Amtsgerichten zu bündeln. Hierfür sollte ein Konzept vorgelegt werden.

 


[1] § 2 Abs. 1 InsO.
[2] § 2 Abs. 2 InsO i. V. m. § 52 Abs. 2 GZVJu.
[3] § 21e Abs. 1 GVG.
[4] § 22 Abs. 6 GVG, § 18 Abs. 4 RPflG.
[5] Bereinigte Zahlen nach amtlicher Justizstatistik.
[6] § 22 Abs. 6 GVG, § 18 Abs. 4 RPflG.
[7] § 21 InsO.