Jahresbericht 2020

TNr. E20: Landwirtschaftsschulen - Abteilung Hauswirtschaft

Schild Landwirtschaftsschule; Bild: ORH
Trotz der seit 2013 tendenziell rückläufigen Studierendenzahl ist die von der Staatsregierung vor 15 Jahren benannte Zielgröße von 40 Landwirtschaftsschulen mit Abteilung Hauswirtschaft nicht umgesetzt. Dabei könnten rechnerisch 1,1 Mio.€ pro Semester eingespart werden. Ein bayernweites zukunftsfähiges Gesamtkonzept ist überfällig.

Der ORH hat 2018/2019 gemeinsam mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Augsburg, Regensburg und Würzburg die Landwirtschaftsschulen (LWS), Abteilung Hauswirtschaft, untersucht. Diese bieten Studiengänge in ein[1] -, zwei[2] - und dreisemestriger[3] Form. Schwerpunkt der Prüfung war der einsemestrige Studiengang, dessen Teilzeitform fast 90% der Studierenden wählen.

In Bezug auf ein bedarfsorientiertes Berufsausbildungs- und Fortbildungsangebot stand die aktuelle Entwicklung der Studierendenzahl, die Auslastung der Schulstandorte sowie deren Verteilung und die Effizienz des Ressourceneinsatzes besonders im Blick. Prüfungsmaßstab war die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit.


E20.1 Ausgangslage

Die LWS, die jeweils Abteilungen Landwirtschaft und Hauswirtschaft, zum Teil auch nur eine dieser Abteilungen haben, sind an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) angesiedelt. Diese Schulen haben kein eigenes Personal; sie werden in Personalunion vom jeweiligen AELF geführt, den Unterricht leisten dessen Beschäftigte. Sachaufwandsträger für die Landwirtschaftsschulen sind die Landkreise, in deren Gebiet die Schulen ihren Sitz haben.

Die LWS sind selbstständige Behörden im Bereich der staatlichen Landwirtschaftsverwaltung. Die LWS unterstanden zum Prüfzeitpunkt dem Landwirtschaftsministerium als Schulaufsichtsbehörde.

Als Fachschulen sollen die LWS der vertieften beruflichen Fortbildung oder Umschulung dienen und die Allgemeinbildung fördern. Bis September 2014 regelte die vom Landwirtschaftsministerium vorgegebene Schulordnung (LwSO), dass der einsemestrige Studiengang "künftige Bäuerinnen mit außerhauswirtschaftlicher Berufsausbildung und Berufserfahrung auf die Tätigkeit im landwirtschaftlichen Haushalt und Betrieb vorbereiten“ soll. Er sollte auch der Umschulung für den Ausbildungsberuf Hauswirtschafter/Hauswirtschafterin dienen und für die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereiche qualifizieren. Ab Herbst 2014 wurden die Ausbildungsziele der LwSO über den landwirtschaftlichen Bereich hinaus auf die Übernahme hauswirtschaftlicher Versorgungs- und Betreuungsleistungen im ländlichen Raum erweitert.

Das Landwirtschaftsministerium erweiterte in der im Herbst 2019 novellierten Schulordnung die Ausbildungsziele um neue Tätigkeitsfelder. Die Studierenden sollen hiernach u.a. Kompetenzen für eine qualifizierte Tätigkeit im Bereich hauswirtschaftliche Dienstleistungen erwerben, insbesondere zur hauswirtschaftlichen Betreuung, Versorgung und Alltagsbegleitung von Personen und Personengruppen unterschiedlicher Altersstufen.

Der Unterricht im einsemestrigen Studiengang findet überwiegend berufsbegleitend und zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Teilzeitform statt; die Semesterdauer soll 20 Monate nicht überschreiten.

Die Schulordnung legt fest, dass ein Semester nur bei mindestens 16 Studierenden (Mindeststudierendenzahl) eröffnet wird. In Ausnahmefällen kann das Landwirtschaftsministerium Abweichungen zulassen und ist in diesen Fällen für Ausnahmegenehmigungen zuständig.

Zur Aufnahme in den einsemestrigen Studiengang sind ein Schulabschluss und zusätzlich ein außerhauswirtschaftlicher Berufsabschluss mit daran anschließender Berufserfahrung nachzuweisen. In Ausnahmefällen können seitens der Verwaltung im Rahmen noch verfügbarer Studienplätze die Bewerber von einzelnen Aufnahmevoraussetzungen befreit werden (sog. Sonderzulassungen).

Die Staatsregierung hatte im Jahr 2004 ("Verwaltung 21 - Reform für ein modernes Bayern“) vorgegeben, die Zahl der LWS-Standorte mit Abteilung Hauswirtschaft von seinerzeit 49 auf insgesamt 40 (Zielgröße) unter Berücksichtigung der Auslastung zu reduzieren. Dieser Standortüberlegung lag bayernweit eine Zahl von 1.000 Studierenden pro Jahr im einsemestrigen Studiengang Hauswirtschaft zugrunde. So sollte künftig eine deutlich bessere und wirtschaftlich vertretbare Auslastung mit einer Klassenstärke von 20 Studierenden (Zielgröße) erreicht werden.


E20.2 Feststellungen


E20.2.1 Standort- und Studierendenentwicklung

2018 war Studierenden der Besuch folgender hauswirtschaftlicher Studiengänge an insgesamt 48 LWS-Standorten möglich: An einem Standort findet ausschließlich der zweisemestrige Studiengang statt. An den übrigen 47 Standorten wird der einsemestrige Studiengang angeboten, davon an 45 Standorten in Teilzeit, an zwei in Vollzeit. Im Jahr 2015 war der Schulbetrieb an zwei Standorten für den einsemestrigen Studiengang in Teilzeit aufgenommen worden. An einem Standort fand parallel zum einsemestrigen auch der dreisemestrige Studiengang statt. Das Landwirtschaftsministerium verfügte über kein Standortkonzept für die LWS mit Abteilung Hauswirtschaft.

Die Studierendenzahl entwickelte sich im einsemestrigen Studiengang Hauswirtschaft im Zeitraum von 2004 bis 2018 wie folgt:

Abb 24

Der einsemestrige Studiengang Hauswirtschaft (Voll- und Teilzeit) wies im Jahr 2018 insgesamt 884 Studierende aus. Dies lag rd. 12% unter der Anzahl von 1.000 Studierenden, von der die Staatsregierung im Jahr 2004 für ihre Standortüberlegung ausgegangen war.

Über 90% der Studierenden im einsemestrigen Studiengang absolvieren die Teilzeitform. Die Studierendenzahl für diese Form des einsemestrigen Studiengangs lag 2005 bei 956 und schwankt seitdem. Nach einem Tiefpunkt 2008 mit 836 Studierenden war ein Anstieg auf 937 bis 2013 zu verzeichnen. Seit 2013 ist die Studierendenzahl tendenziell wieder rückläufig; dabei wurde im Jahr 2018 der bisherige Tiefststand mit 820 Studierenden erreicht.


E20.2.2 Studierende zu Semesterbeginn

Im Jahr 2018 absolvierten durchschnittlich jeweils rd. 18 Studierende den einsemestrigen Studiengang in Teilzeitform an den 45 Schulstandorten.[4]
Für die Einzelstandorte zeigt sich ein differenziertes Bild: Der ORH wertete hierzu die Schulakten von einer Stichprobe von insgesamt 75 Semestern (Teilzeit) im Zeitraum ab 2013 aus. Dabei wurde geprüft, inwieweit die Mindeststudierendenzahl zum Semesterbeginn erreicht wurde und inwieweit Bewerber in den Studiengang aufgenommen wurden, ohne dass sie die Zulassungsvoraussetzungen der LwSO erfüllten.

Insgesamt lag bei 4 von 75 Semestern die Mindeststudierendenzahl nach der LwSO zu Semesterbeginn nicht vor. Das Landwirtschaftsministerium hat für drei dieser vier Semester keine Ausnahmegenehmigung erteilt.

Es wurden auch 50 Bewerber aufgenommen, ohne dass sie die Zulassungsvoraussetzungen erfüllten bzw. nachgewiesen hatten. Sonderzulassungen wurden in diesen Fällen nicht erteilt.


E20.2.3 Zielgruppen und Abbrecherzahlen des Studiengangs

Die Auswertung zur Tätigkeit von 876 Studierenden ergab ein regional zu differenzierendes Bild: Bayernweit ist rd. ein Drittel der Studierenden in einem landwirtschaftlichen Betrieb/Haushalt tätig bzw. strebt dies an; in bestimmten Regionen, wie z.B.. in Oberfranken[5], reduziert sich dieser Anteil auf 15%.

Neben der Studierendenzahl zu Semesterbeginn hat der ORH auch die Abbrecherzahlen während der ersten drei Monate ausgewertet. Dabei wurden alle 71 Semester erfasst, die von Beginn an über der Mindeststudierendenzahl lagen. Im Ergebnis hatten 11 Semester (15%) 3 Monate nach Semesterbeginn weniger als 16 Studierende. Der Anteil dieser Semester nimmt seit 2013 zu.


E20.2.4 Personalkosten des einsemestrigen Studiengangs

Für die Unterrichtsleistung beim einsemestrigen Studiengang (Teil- und Vollzeit) an 47 Standorten ergeben sich rechnerisch Personalkosten von insgesamt 6,8 Mio.€ für die 47 Semester, die im Zeitraum 2015 - 2018 mit durchschnittlich 937 Studierenden pro Jahr abgehalten wurden.

Die Personalkosten je Standort und Semester variierten zwischen 109.000 und 186.000€, im Durchschnitt lagen sie bei 145.000€, das entspricht 7.300€ je Studierendem. Begrenzt auf die 45 Standorte mit dem einsemestrigen Studiengang (Teilzeit) betragen die Personalkosten 6,5 Mio.€, also 7.100€ je Studierendem.

Als Zielgröße ging die Staatsregierung 2004 von 40 LWS-Standorten für alle hauswirtschaftlichen Studiengänge aus. Für den einsemestrigen Studiengang nahm die Staatsregierung eine jährliche Nachfrage von 1.000 Studierenden an. Zum damaligen Zeitpunkt gab es bereits einen Standort allein für den zweisemestrigen Studiengang; demnach verblieben 39 Zielstandorte nur für den einsemestrigen Studiengang. Würde der einsemestrige Studiengang (Voll- und Teilzeit) an 39 Standorten angeboten, lägen die Personalkosten rechnerisch bei 5,7 Mio.€, also gegenüber dem Stand von 2018 um 17% bzw. 1,1 Mio.€ niedriger. Je Studierendem lägen dann die anteiligen Personalkosten rechnerisch bei 5.700€. Bei dieser Modellrechnung wurde unterstellt, dass die Parameter für die Ermittlung der Unterrichtsleistung unverändert bleiben; ebenso wurden keine Einspareffekte unterstellt, die sich ergeben würden, wenn grundsätzlich an den Schulstandorten mehrere Studiengänge parallel angeboten würden.


E20.3 Würdigung

Die von der Staatsregierung vorgegebene Zielgröße von 40 LWS-Standorten mit Abteilung Hauswirtschaft war nach 15 Jahren noch nicht umgesetzt. Trotz Erweiterung der Ausbildungsziele in der LwSO im Laufe des Jahres 2014 und der teilweisen Nichtbeachtung der Zulassungsvoraussetzungen seitens der Schulleitungen ist die Zahl der Studierenden im einsemestrigen Studiengang bayernweit zurückgegangen, in der Teilzeitform um 10%; die Erweiterung der Ausbildungsziele führte auch nicht zu einer besseren Auslastung der 45 Standorte.

Bei 20% der geprüften LWS wurde die Mindeststudierendenzahl von Beginn an nicht erreicht bzw. der Semesterbetrieb letztlich unterhalb der Mindeststudierendenzahl aufrechterhalten. Wäre die Zielsetzung des Ministerrats von 2004 umgesetzt worden, müssten bayernweit insgesamt 1,1 Mio.€ pro Semester weniger aufgewendet werden.

Der ORH nimmt dies auch unter Aspekten der Wirtschaftlichkeit zum Anlass, für den einsemestrigen Studiengang (Teilzeit) die Entwicklung einer grundlegenden Neukonzeption und eines Standortkonzepts zu empfehlen.


E20.4 Stellungnahme der Verwaltung

Aufgrund der strukturellen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen in der Landwirtschaft, aber auch im Zuge der allgemeinen gesellschaftlichen und demografischen Entwicklungen, werde dieser Fortbildung vonseiten des Landwirtschaftsministeriums ebenso wie vonseiten der jeweiligen Sachaufwandsträger eine große Bedeutung beigemessen. Die Fachschulen würden hochaktuelle gesellschaftspolitische Zielsetzungen umsetzen und gewährleisten.

Ein hoher Innovationsgrad sei Basis einer florierenden, ressourcenschonenden und wirtschaftlich breit aufgestellten Landwirtschaft. Auch hier setze die Schule an, denn in der Praxis zeige sich, dass insbesondere Frauen als Unternehmerinnen einen wesentlichen Teil zum Innovationsgeschehen beitragen.

Im Jahr 2004 wäre die rückläufige Zahl von Auszubildenden im Ausbildungsberuf Hauswirtschaft infolge der zunehmenden Konkurrenzsituation auf dem Ausbildungssektor weder in Dimension noch Ausprägung vorherzusehen gewesen.

Es sei daher erklärtes Ziel des Landwirtschaftsministeriums, möglichst viele Personen mit dieser Bildungsmaßnahme zu erreichen. Ein flächendeckender und insbesondere für Frauen im ländlichen Raum neben Betrieb, Beruf und Familie niedrigschwellig zu erreichender Zugang zur Fachschule sei heute umso wichtiger, um den demografischen, gesellschaftlichen und agrarpolitischen Herausforderungen begegnen zu können. Die Schule solle daher explizit bedarfsgerecht in der Fläche erhalten bleiben.

Geteilt werde die Forderung des ORH nach einer konzeptionellen Anpassung des einsemestrigen Studienganges. Daher werde der einsemestrige Studiengang konzeptionell weiterentwickelt und zukunftsfähig aufgestellt.

Im Bildungsbereich der Landwirtschaftsverwaltung würden bereits diverse Reformüberlegungen diskutiert. Im Zuge der turnusmäßig anstehenden Personal-Sollplanung würden grundsätzliche strukturelle Überlegungen angestellt. Daraus würde auch für die Abteilung Hauswirtschaft der Landwirtschaftsschulen ein weiterer Verbesserungsprozess angestoßen. So würden beispielsweise Möglichkeiten erörtert, personelle Strukturen für die Schulen standortübergreifend zu bündeln, ohne die Flächenpräsenz der Schulen und den Zugang zur Bildungsmaßnahme zu gefährden.

Darüber hinaus verwies das Landwirtschaftsministerium darauf, dass mit Errichtung des Bereichs 6 "Ernährung und Landwirtschaft“ an den Regierungen im Jahr 2019 diese mit der Schulaufsicht beauftragt wurden. Die Feststellungen des ORH seien hierzu hilfreich und würden bei der Ausgestaltung der Schulaufsicht herangezogen. So würden die Zulassungspraxis und insbesondere deren Dokumentation sowie die Standortkoordination in Zukunft durch die Schulaufsicht besser überwacht und gesichert.


E20.5 Schlussbemerkung

Ausbildungszahlen im einsemestrigen Studiengang der Hauswirtschaftsschulen sind seit 2013 tendenziell rückläufig, eine Trendumkehr - insbesondere bei Studierenden mit landwirtschaftlichem Hintergrund - ist nicht ersichtlich. Die von der Staatsregierung vor 15 Jahren benannte Zielgröße von 40 Landwirtschaftsschulen ist nicht erreicht. Würde diese Zielsetzung umgesetzt, könnten bayernweit rechnerisch insgesamt 1,1 Mio.€ pro Semester eingespart werden.

Daher empfiehlt der ORH dringend, ein zukunftsfähiges bayernweites Gesamtkonzept für den einsemestrigen Studiengang Hauswirtschaft umzusetzen, das auch einem effizienten Personaleinsatz gerecht wird.

 


[1] Fortbildung zur Fachkraft für Ernährung und Haushaltsführung.
[2] Ausbildung zur/m Staatlich geprüften Dorfhelfer/-in.
[3] Fortbildung zur/m Meister/-in der Hauswirtschaft.
[4] Berechnung: 820 Studierende/45 Standorte.
[5] Betrachtete LWS: Bamberg, Coburg und Kulmbach mit Semesterbeginn in 2017 bzw. 2018.