Jahresbericht 2020

TNr. E23: Initiative „Gesund.Leben.Bayern.“

Obst- und Gemüsestand; Bild: JackF / stock.adobe.com
Das seit 2005 bestehende Förderprogramm "Gesund.Leben.Bayern.“ hatte der ORH im Jahr 2008 erstmals geprüft. Die damals festgestellten Mängel hat das Gesundheitsministerium trotz Zusicherung seit 10 Jahren nicht abgestellt. Die Verpflichtung, den Fördervollzug korrekt zu gestalten und den effizienten Einsatz von Haushaltsmitteln sicherzustellen, wurde damit nicht erfüllt.

Der ORH hat mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Regensburg das staatliche Förderprogramm Initiative "Gesund.Leben.Bayern.“ geprüft. Dabei hat er u. a. alle 49 in den Jahren 2012 bis 2016 gewährten Förderungen für Maßnahmen privater und öffentlicher Zuwendungsempfänger gesichtet und davon 14 vor Ort vertieft geprüft.

Die Prüfung schließt an die bereits im Jahr 2008 erfolgte Prüfung des Förderprogramms durch den ORH an. Maßstab ist erneut die Ordnungsmäßigkeit des Fördervollzugs. Insbesondere wurde geprüft, ob die aufgrund der letzten Prüfung vom Ministerium zugesagten Änderungen umgesetzt wurden.


E23.1 Ausgangslage

Im Rahmen der Initiative "Gesund.Leben.Bayern.“ fördert das Gesundheitsministerium[1] seit 2005 "wegweisende Projekte“ im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung.[2]

Die Förderung erfolgt nach der BayHO. Spezielle, auf das Programm abgestimmte, Förderrichtlinien existieren nicht. Es bestehen nach den Antragshinweisen[3] des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) keine fixen Vorgaben zur finanziellen Höchstförderung. Die Förderentscheidung trifft das Gesundheitsministerium selbst. Die weitere Abwicklung des Förderverfahrens obliegt dem LGL, insbesondere der Erlass der Bewilligungsbescheide und die Prüfung der Verwendungsnachweise.

Für die Jahre 2012 bis 2016 waren im Haushalt bei Kap. 14 05[4] jährlich 2,6 Mio. € für das Förderprogramm eingestellt, in diesen fünf Jahren also 13 Mio. €, von denen tatsächlich 5,6 Mio. € für das eigentliche Förderprogramm eingesetzt wurden.

Der ORH hatte 2008 u. a. festgestellt, dass die Verwendungsnachweise nicht geprüft wurden. Darüber hinaus hatte es die Verwaltung versäumt zu überwachen, ob die Zuwendungsempfänger das Vergaberecht eingehalten hatten. Da zudem der verwaltungsrechtliche Fördervollzug durch wissenschaftliches Fachpersonal nur unvollständig erfüllt wurde, hatte der ORH dessen Übertragung auf Verwaltungspersonal der 3. Qualifikationsebene (QE) mit Kenntnissen in Haushalts-, Zuwendungs- und Vertragsrecht empfohlen.

Das damals zuständige Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (StMUG) hatte daraufhin 2009 zugesichert, dass die erforderliche Unterstützung im Verwaltungs- und Haushaltsrecht im LGL vom Rechtssachgebiet Forschungskoordination und vom Sachgebiet Haushalt geleistet werden und im Rahmen einer Neuorganisation eine dauerhafte Übertragung auf das Sachgebiet Forschungskoordination erfolgen solle.


E23.2 Feststellungen


E23.2.1 Prüfung von Verwendungsnachweisen

Das LGL hatte die Prüfung der Verwendungsnachweise bei 45 aller insgesamt vom ORH gesichteten 49 Förderungen für Maßnahmen privater und öffentlicher Zuwendungsempfänger der Jahre 2012 bis 2016 bestätigt.

Nach Haushaltsrecht[5] sind alle Verwendungsnachweise unverzüglich nach Eingang daraufhin zu untersuchen, ob nach den darin enthaltenen Angaben Anhaltspunkte für die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gegeben sind. Dabei sind insbesondere der Sachbericht und der zahlenmäßige Nachweis auf Schlüssigkeit zu überprüfen und mit dem Finanzierungsplan abzugleichen. Das LGL forderte keine Korrektur von offensichtlich fehlerhaft ausgefüllten Verwendungsnachweisen.

Über diese kursorische Prüfung hinaus soll nach Haushaltsrecht eine stichprobenweise Auswahl von Zuwendungsfällen vertieft geprüft werden. Auf diese verzichtete das LGL in allen von ihm abschließend behandelten Verwendungsnachweisen, die 92% aller im Zeitraum 2012 bis 2016 geförderten Maßnahmen privater und kommunaler Träger entsprechen. Bei keinem Verwendungsnachweis forderte das LGL wenigstens stichprobenartig Belege bei den Zuwendungsempfängern an. Belegkopien fanden sich ausschließlich in denjenigen Akten, in denen die Zuwendungsempfänger diese unaufgefordert dem Verwendungsnachweis beigelegt hatten. Ob das LGL diese prüfte, konnte den Förderakten ebenfalls nicht entnommen werden. Es befand sich weder ein Prüfzeichen auf den Belegen noch dokumentierten Prüfungsvermerke ein Ergebnis. Alle 45 abschließend behandelten Verwendungsnachweise wurden mit der Bemerkung abgeschlossen, dass die fachtechnische Prüfung keine Beanstandung ergeben hätte und die staatliche Zuwendung ordnungsgemäß verwendet worden wäre. Weitergehende Ausführungen oder Erläuterungen fehlten in allen Förderakten.

Die vertiefte Prüfung des ORH von 14 Maßnahmen ergab bei 5 Maßnahmen im Detail fehlerhaft ausgefüllte Verwendungsnachweise, insbesondere fehlten korrekte Angaben der Gesamtausgaben. In einem Fall waren Einnahmepositionen als Ausgaben deklariert worden.

Die Verwendungsnachweisprüfung des LGL erfolgte nach wie vor durch wissenschaftliches Fachpersonal im LGL. Die im Jahr 2009 zugesagte Unterstützung und dauerhafte Aufgabenübertragung auf Verwaltungspersonal fand bislang nicht statt.


E23.2.2 Einhaltung des Vergaberechts

Das LGL verpflichtete alle privaten und kommunalen Zuwendungsempfänger im Zuwendungsbescheid zur Beachtung der Vergabevorschriften. Das LGL prüfte bisher nicht, ob diese von den Zuwendungsempfängern eingehalten wurden. Bei keiner der 49 vom ORH gesichteten Fördermaßnahmen forderte es bei den Projektträgern Vergabeunterlagen an.

Die örtlichen Erhebungen des ORH ergaben zahlreiche Vergabeverstöße der Zuwendungsempfänger. Beispielsweise wurde ein Druckauftrag über 14.000 € ohne die vorige Einholung von weiteren Vergleichsangeboten erteilt. In einem Fall wurde eine IT-Dienstleistung über 49.100 € ohne Ausschreibung in Auftrag gegeben, obwohl der Schwellenwert (25.000 €) für die förmliche Ausschreibungspflicht deutlich überschritten war. Es fehlten zudem die erforderlichen Vergabedokumentationen[6]


E23.2.3 Förderung von Personalausgaben

Nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit setzt die Förderung von Personalausgaben voraus, dass das Personal die fachlichen Voraussetzungen für die Tätigkeit im Rahmen des geförderten Projekts erfüllt. Außerdem müssen der Arbeitsaufwand und die vereinbarte Vergütung für die geförderte Tätigkeit angemessen sein.

Bei 9 der 14 vom ORH vertieft geprüften Förderungen für Maßnahmen nichtstaatlicher Träger förderte das LGL deren Personalausgaben; deren Höhe betrug lt. Kosten- und Finanzierungsplänen der Förderempfänger in der Summe über 620.000 €. Die Personalausgaben waren jeweils als Summe im Finanzierungsplan des Antrags angegeben. Die von den Antragstellern angegebenen Personalausgaben wurden jeweils als zuwendungsfähig in den Bewilligungsbescheid übernommen. Eine Überprüfung der Personalausgaben erfolgte lt. Akten nicht. Eine Festlegung, welches Personal mit welcher Vergütung in welchem zeitlichen Umfang gefördert wurde, erfolgte weder im Bewilligungsbescheid noch im Prüfvermerk.


E23.3 Würdigung


E23.3.1 Prüfung von Verwendungsnachweisen

Eine sorgfältige und zeitnahe Prüfung von Verwendungsnachweisen dient dazu, dass Fördermittel zweckentsprechend verwendet werden und ist Voraussetzung dafür, Schwachstellen im Vollzug zu erkennen. Die in allen Fällen vorgeschriebene kursorische und stichprobenweise vertiefte Prüfung hatte das LGL zwar formal bestätigt, aber inhaltlich nicht durchgeführt. Der ORH hatte in einer anderen Prüfung schon früher festgestellt, dass das LGL pflichtwidrig jegliche Verwendungsnachweisprüfung unterlassen hat.[7] Der ORH sieht darin einen wiederholten Pflichtverstoß.

Das StMUG hatte 2009 mitgeteilt, dass die Verwendungsnachweise künftig vom Rechtssachgebiet des LGL geprüft werden. Die Prüfung ist jedoch beim Fachsachgebiet und seinem wissenschaftlichen Personal verblieben. Diese Bearbeitung stellte sich bei der aktuellen Prüfung des ORH unverändert als unzureichend dar, entsprach also nicht den geltenden zuwendungsrechtlichen Vorschriften.


E23.3.2 Einhaltung des Vergaberechts

Mit der Verpflichtung, die Vergabebestimmungen einzuhalten, soll größtmöglicher Wettbewerb erreicht und damit entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit das bestmögliche Angebot erzielt werden. Die Nichtbeachtung der VOL/A und die Anwendung des falschen Vergabeverfahrens können schwere Vergabeverstöße darstellen, bei denen grundsätzlich ein Widerruf des Zuwendungsbescheids und die Neufestsetzung (Kürzung) der Zuwendung vorzunehmen ist.[8] Das LGL hat das in keinem Fall geprüft.

Auch die unterbliebene Kontrolle der Einhaltung des Vergaberechts war bereits Thema in der ORH-Prüfung 2008. Obwohl die Prüfung des Vergaberechts vom StMUG zugesichert worden war, hat das LGL dies über 10 Jahre nicht umgesetzt.


E23.3.3 Personalausgaben

Aufgrund der unterbliebenen Prüfung der Personalausgaben war nicht sichergestellt, dass alle beantragten Ausgaben den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen und zuwendungsfähig sind. Daher war auch nicht gesichert, ob die Zuwendungen zu Recht gewährt worden sind.


E23.4 Stellungnahme der Verwaltung

Dem LGL sei aufgrund fehlender personeller Ressourcen bei gleichzeitigem Aufgabenzuwachs eine frühere Umsetzung der ORH-Vorgaben nicht möglich gewesen.

Derzeit werde generell an einer Neuausrichtung der Förderverfahren am LGL gearbeitet. Die Initiative "Gesund.Leben.Bayern.“ werde ebenso wie alle anderen Förderprogramme nunmehr zentral im Sachgebiet für allgemeine Rechtsangelegenheiten angesiedelt. Dort sollten alle administrativen und rechtlichen Tätigkeiten im Förderwesen zusammengeführt werden. Für den neuen Förderbereich, der mit 14 Stellen ausgestattet sei, hätten bereits erste Stellenausschreibungen und -besetzungen stattgefunden. Hierunter befänden sich 7 Planstellen, von denen 5 für Verwaltungsbeamte der 3. QE vorgesehen sind. Eine komplette Übernahme der Federführung der Förderverfahren erscheine dann Ende 2019 realistisch.

Durch die Integration des zentralen Förderbereichs in das Sachgebiet für allgemeine Rechtsangelegenheiten würden die zukünftige Prüfung der Verwendungsnachweise sowie die Vergabeprüfung optimiert werden.


E23.5 Schlussbemerkung

Die schon in der ORH-Prüfung im Jahr 2008 festgestellten Mängel der zuwendungsrechtlichen Sachbearbeitung sind selbst nach fast 10 Jahren nicht abgestellt, obwohl dies zugesichert war. Zuwendungsrechtlich zwingende Vorgaben wurden damit seit Bestehen des Förderprogramms 2005 wiederholt nicht beachtet. Die Verpflichtung, den Fördervollzug korrekt zu gestalten und den effizienten Einsatz von Haushaltsmitteln sicherzustellen, wurde damit nicht erfüllt. Das Gesundheitsministerium muss dafür Sorge tragen, dass die vom LGL nach verschiedenen ORH-Prüfungen nun begonnenen Verbesserungen der Organisationsstruktur zur Behebung dieser Mängel baldmöglichst abgeschlossen werden.

Der ORH empfiehlt dringend, die festgestellten Mängel - soweit noch nicht geschehen - umgehend abzustellen.

 


[1] Gemäß StRGVV: StMUG; ab 11.10.2013: StMGP.
[2] Webseite des LGL: https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/praevention/bayerisches_praeventionsprogramm/gesund_leben_bayern.htm; abgerufen am 07.05.2018.
[3] https://www.lgl.bayern.de/downloads/gesundheit/praevention/doc/hinweise_fuer_antragsteller.pdf.
[4] 2012/2013: Kap. 12 08; 2014: Kap. 14 03 (Anm.: Die jeweiligen Titel blieben gleich).
[5] VV Nr. 11 zu Art. 44 BayHO.
[6] § 20 VOL/A.
[7] ORH-Bericht 2018 TNr. 56.
[8] Nr. 5 i. V. m. Nrn. 3.2 und 4 der Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen (FMBek vom 23.11.2006, StAnz. Nr. 49, AllMBl. S. 709, FMBl. S. 228, geändert durch § 4 der FMBek vom 02.01.2017, FMBl. S. 38).