TNr. E19: Bau und Betrieb der IZB Residence

Der ORH hat 2018 und 2019 die Betätigung des Freistaates bei der Fördergesellschaft IZB - Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie mbH (IZB) unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze geprüft. Schwerpunkte der Prüfung waren die Planung und Umsetzung des Projektes "Boardinghouse“ der IZB für 9,7 Mio.€ unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten.
E19.1 Ausgangslage
Die IZB ist Teil des Wissenschaftscampus Martinsried. In direkter Nachbarschaft zur IZB befinden sich das Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie, das MPI für Neurobiologie und mehrere Institute der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), München.
Ausgangspunkt für die Gründung der IZB Ende 1995 war das Vorhaben "Offensive Zukunft Bayern“ der Staatsregierung. Seitdem fördert die Gesellschaft junge Unternehmen im Bereich der Bio- und Gentechnologie sowie im Bereich Life Science. Die IZB errichtete hierzu Gebäude und betreibt darin ein Gründerzentrum. Das Gründerzentrum vermietet Labor- und Büroflächen vergünstigt an entsprechende Unternehmensgründer und berät bzw. unterstützt diese.
Der Freistaat hält 76% der Geschäftsanteile.[1] Dementsprechend verfügt der Freistaat in Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat über die Mehrheit der Stimmen. Den Vorsitz über den Aufsichtsrat führt ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums. In der Gesellschafterversammlung vertritt das Finanzministerium den Freistaat. Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung entscheiden über alle wichtigen Angelegenheiten der IZB.
Die Finanzierung der IZB erfolgt über Gesellschafterdarlehen und Zinsverzichte des Freistaates sowie über Bankdarlehen. Für seine Gesellschafterdarlehen in Höhe von über 33 Mio.€ hat der Freistaat einen Rangrücktritt erklärt. Die Zinsverzichte erfolgen gegen Besserungsschein: Weist die IZB einen Jahresüberschuss aus, hat sie Zinsen in entsprechender Höhe an den Freistaat zu bezahlen.
E19.2 Feststellungen
E19.2.1 Wirtschaftliche Verhältnisse
Die IZB wies zum Bilanzstichtag 31.12.2018 ein negatives Eigenkapital in Höhe von 10,7 Mio.€ auf. Das Jahresergebnis 2018 belief sich auf einen Jahresfehlbetrag von 63.000€. Dabei begünstigte der teilweise Zinsverzicht des Freistaates gegen Besserungsschein für 2018 in Höhe von 276.000€ das Ergebnis.
Bis Ende 2018 verzichtete der Freistaat auf Zinsen in Höhe von insgesamt 19,2 Mio.€ gegen Besserungsschein.
E19.2.2 Errichtung der IZB Residence
Die IZB stellte 2010 im Aufsichtsrat erstmals das Projekt "Boardinghouse“ vor. Laut Geschäftsführung gab es in der Umgebung nur wenige und relativ teure Hotelzimmer. Gastwissenschaftler der umliegenden Institute sowie Gäste der IZB-Mieter sollten durch das Projekt von Reisekosten entlastet und Reisezeiten minimiert werden.
Die Geschäftsführung stimmte das Projekt eng mit Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung ab. Mitte 2012 beschloss der Freistaat gemeinsam mit den Mitgesellschaftern, das Bauvorhaben durch die IZB umsetzen zu lassen.
Definitionsgemäß richtet sich ein Boardinghouse[2] meist an Langzeitnutzer. Die Zimmer sind von ihrer Ausstattung her an privaten Wohnungen ausgerichtet. Dementsprechend waren 41 Zimmer einfachen Standards geplant. Nach dem ersten Planungskonzept 2010 sollten die Investitionskosten bei 4,6 Mio.€ liegen. Die Ausschreibung vom November 2010 gab als Kostenziel 4,5 Mio.€ vor.
In 2012 am Ende der Entwurfsplanung gingen die Planer von 8,3 Mio.€ Investitionskosten für 42 Zimmer höheren Standards aus. Die IZB ließ die Entwurfsplanung gutachterlich prüfen. Laut Gutachten überschritten die Baukosten der IZB Residence die üblichen Kalkulationsansätze eines gleich großen Standard-Hotelbaus um das Doppelte. Ausgehend von 8,3 Mio.€ Investitionskosten lagen die Kosten je Zimmer bei 200.000€. Der marktübliche Ansatz für ein Standardhotelzimmer habe damals zwischen 90.000 und 100.000€ gelegen. Als Ursache hierfür benannte das Gutachten den Ausbau des Clubraums sowie die im Planungsverlauf angehobenen Qualitäten des Gebäudes hinsichtlich Zimmerstandard, Gebäudeform und Fassade.
Allgemeine Kostensteigerungen während der Bauphase führten schließlich zu Investitionskosten von 9,7 Mio.€; dies entspricht 230.000€ je Zimmer. Die IZB finanzierte die Baukosten überwiegend durch Darlehen (8,6 Mio.€).[3]
Seit 2014 beherbergt die IZB Wissenschaftler und Gäste des Campus Martinsried in der IZB Residence - CAMPUS AT HOME (IZB Residence).
Die IZB Residence präsentiert sich als Hotellerie der gehobenen Kategorie. Die IZB wirbt damit, erstmals in Europa "Design-Unterkünfte“ auf einem Wissenschaftscampus anzubieten.[4] Dem Werbeauftritt der IZB entsprechend verfügt das Bauwerk über 42 modern designte Zimmer und Suiten, eine 24-Stunden-Rezeption sowie eine gehobene Gastronomie. Außerdem gibt es komfortabel eingerichtete Empfangs-, Bar- und Loungebereiche. Im 7. Stockwerk wurde ein 170 m² großer Clubraum mit raumhoher Verglasung und Dachterrasse eingerichtet, der von den Wissenschaftlern des Campus genutzt werden kann. Allein für den Servicebereich der IZB Residence (Rezeption und Housekeeping) beschäftigt die IZB über 10 Mitarbeiter.
E19.2.3 Defizitäres Betriebskonzept der IZB
Das zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat abgestimmte Betriebskonzept der IZB sah vor, Zimmer und Suiten der IZB Residence günstig an die auf dem Campus tätigen Wissenschaftler und Gäste zu vermieten.
Gleichzeitig sollte die IZB Residence kostendeckend betrieben werden und den Cashflow des Gründerzentrums nicht belasten. Dies gaben die Vertreter des Wirtschafts- und Finanzministeriums für die grundsätzliche Zustimmung des Freistaates zum Projekt vor.
Im Jahr 2018 blieb die durchschnittliche Zimmerbelegungsquote, wie in den Vorjahren, bei unter 50%. Die Einnahmen aus der Zimmervermietung reichten nicht aus, die Investitions- und Betriebskosten der IZB Residence zu decken. Bis Ende 2018 summierten sich deren Jahresfehlbeträge auf 3,7 Mio.€.
Diese Verluste glich die IZB aus dem Cashflow des Gründerzentrums aus. In diesem Zusammenhang wurden Instandhaltungsmaßnahmen am Gebäude zurückgestellt. Aufgrund der Zahlungsmittelabflüsse für die IZB Residence geriet die IZB 2017 vorübergehend in Zahlungsschwierigkeiten.
Eine hotelfachliche Beratung holte die in der Hotellerie unerfahrene IZB während der Planungs- bzw. Umsetzungsphase nicht ein. Ende 2017 beauftragte dann das Wirtschaftsministerium eine auf die Beratung von Hotellerie-Betrieben spezialisierte Unternehmensberatung mit einer ausführlichen betriebswirtschaftlichen Analyse. Die Unternehmensberatung stellte gravierende Mängel bei der Gestaltung und Konzeption sowie der operativen Führung der IZB Residence fest. Bau- und Finanzierungskosten seien unverhältnismäßig hoch. Selbst bei dem hohen Anspruch eines 4-Sterne-Hotels hätten die Baukosten unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit 6,3 Mio.€ nicht übersteigen dürfen.
E19.3 Würdigung und Empfehlung
Die vom Freistaat als Mehrheitsgesellschafter mitgetroffene Entscheidung, eine Beherbergungsmöglichkeit für Wissenschaftler und Gäste des Campus Martinsried zu schaffen, hat die IZB nicht durch einen wirtschaftlichen Mitteleinsatz verfolgt.
Die Errichtung dieser "Design-Unterkünfte“ auf dem Wissenschaftscampus widerspricht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Die Baukosten der IZB Residence waren - selbst für den Anspruch eines 4-Sterne-Hotels - um 3,4 Mio.€ zu teuer, also unverhältnismäßig hoch. Wären kaufmännische Grundsätze ausreichend beachtet worden, hätten die Baukosten deutlich reduziert werden können und müssen.
Die Vorgabe der Vertreter des Freistaates, die IZB Residence kostendeckend zu betreiben und den Cashflow des Gründerzentrums nicht zu belasten, kann nach Ansicht des ORH kaum eingehalten werden. Die begrenzten Einnahmemöglichkeiten können die hohen Betriebs- bzw. Personalausgaben sowie den Kapitaldienst infolge überhöhter Baukosten nicht kompensieren.
Die IZB ist nachhaltig geschwächt worden, ihr Ziel zu erreichen, jungen Biotechnologieunternehmen geeignete und bezahlbare Labor- und Büroflächen dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Die IZB hat dem Gründerzentrum Mieteinnahmen entzogen, um die Verluste der IZB Residence auszugleichen. Die abgeflossenen Mieteinnahmen stehen für die Aufgaben des IZB Gründerzentrums nicht mehr zur Verfügung. Das zeigt sich beispielhaft an aufgeschobenen Maßnahmen zur Instandhaltung des Gebäudes.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der ORH, dass die Vertreter des Freistaates in den Gremien der IZB konsequent ihre Aufgaben und Pflichten wahrnehmen und insbesondere dafür sorgen, schnellstmöglich ein zukunftsfähiges Betriebskonzept für die IZB Residence erarbeitet wird.
E19.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Wirtschaftsministerium hat in Abstimmung mit dem Finanzministerium und der IZB wie folgt Stellung genommen:
IZB Gründerzentrum und IZB Residence seien ein elementarer, gemeinsamer Bestandteil eines Gesamtkonzepts zur Förderung und Stärkung von Wissenschaft und Wirtschaft im Bereich der Biotechnologie bzw. den Life Sciences am Campus Martinsried.
In Bezug auf die vom ORH kritisierten Aspekte der Wirtschaftlichkeit wird darauf hingewiesen, dass die IZB, Gründerzentrum zusammen mit IZB Residence, eine vom Freistaat Bayern geförderte Einrichtung zur Wirtschaftsförderung sei und kein privatwirtschaftlicher Betrieb.
Bei der IZB Residence handele es sich um ein Wissenschaftshotel bzw. wissenschaftliches Beherbergungsgebäude mit Übernachtungsmöglichkeiten in einer Kategorie über dem Boardinghouse. Die Rahmenbedingungen und die zu Grunde gelegten Kriterien bei der Errichtung der IZB Residence hätten sich über den Zeitablauf signifikant verändert.
Das Gründerzentrum der IZB laufe hervorragend und sei zu keinem Zeitpunkt in seiner Zielsetzung geschwächt worden, jungen Biotechnologieunternehmen geeignete und bezahlbare Flächen dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Das belege die hohe Auslastung.
Die Gremien der IZB hätten sich bereits in der Vergangenheit regelmäßig und ausführlich mit der IZB Residence befasst und zielgerichtete Maßnahmen getroffen, um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. So wäre z. B. die teilweise Öffnung der IZB Residence für externe Gäste ermöglicht worden. Im Juli 2019 wäre ein in der Hotellerie erfahrener Manager eingestellt worden. Dieser hätte ein neues Zukunftskonzept erarbeitet. Die Gremien hätten die Eckpunkte des Konzepts im November 2019 diskutiert und grundsätzlich gebilligt. Ziel des neuen Konzepts sei eine signifikante Erhöhung der Auslastung.
E19.5 Schlussbemerkung
Die Errichtung der "Design-Unterkünfte“ auf dem Wissenschaftscampus für 9,7 Mio.€ war unwirtschaftlich. Die Baukosten lagen mit 230.000€ je Zimmer mehr als doppelt so hoch wie für ein vergleichbares Standardhotelzimmer. Hotelfachliche Expertise fehlte von Anfang an. Das selbstgesetzte Ziel, die IZB Residence kostendeckend zu betreiben, ist trotz in der Vergangenheit ergriffener Maßnahmen nicht erreicht. Das entzieht dem Gründerzentrum dauerhaft finanzielle Mittel für seine eigentliche Aufgabe.
Auch eine Gesellschaft zur Wirtschaftsförderung ist zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet. Der ORH empfiehlt, dass die Vertreter des Freistaates in den Gremien der IZB konsequent auf wirtschaftliches Handeln der IZB achten. Zudem ist dafür zu sorgen, schnellstmöglich ein zukunftsfähiges Betriebskonzept für die IZB Residence vorzulegen und umzusetzen.
[1] Weitere Beteiligte sind der Landkreis München, die Gemeinde Planegg, der Landkreis Freising und die Stadt Freising.
[2] Definition nach DEHOGA (https://www.dehoga-bundesverband.de/zahlen-fakten/betriebsarten/; abgerufen am 31.01.2020).
[3] Der Freistaat gewährte zunächst ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 4 Mio.€. Ende 2017 schuldete die IZB dieses auf ein zinsgünstigeres Bankdarlehen um.
[4] https://www.izb-online.de/de/izb-residence-campus-at-home.html; abgerufen am 31.01.2020.