Jahresbericht 2020

TNr. E25: Hochschule für Musik Würzburg

Violinspieler; Bild: Minerva Studio - stock.adobe.com

Die Lehrverpflichtungen an der Hochschule für Musik Würzburg wurden nur zum Teil erfüllt und zudem völlig unzureichend dokumentiert. Der ORH empfiehlt dringend, dass die Hochschule die Personalkapazitäten auslastet. Hochschulleitung und Wissenschaftsministerium sollten ihre Aufsicht endlich wirksam wahrnehmen.

Der ORH hat 2017/2018 mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Bayreuth bei der Hochschule für Musik Würzburg u.a. die Einhaltung der Lehrverpflichtung geprüft. Prüfungsmaßstab war die Lehrverpflichtungsverordnung (LUFV).


E25.1 Ausgangslage

Die Hochschule für Musik Würzburg ist eine der ältesten Musikausbildungsstätten Deutschlands. Das Fächerangebot ist vielfältig und umfasst u.a. Dirigieren, Komposition sowie alle Orchesterinstrumente. In den Abteilungen für Elementare Musikpädagogik, Historische Instrumente, Jazz, Kammermusik, Kirchenmusik, Musikergesundheit, Schulmusik und Populäre Musik werden besondere Schwerpunkte gesetzt.

Die Hochschule ist, wie andere Kunsthochschulen auch, nicht in Fakultäten gegliedert.[1] Daher übernimmt der Präsident die Aufgaben des Dekans[2] und hat zusammen mit dem Studiendekan dafür Sorge zu tragen, dass alle zur Lehre verpflichteten Personen ihre Lehr- und Prüfungsverpflichtungen ordnungsgemäß erfüllen.[3] Er ist damit für die Umsetzung der LUFV in der Hochschule verantwortlich[4] und ist auch Dienstvorgesetzter der Professoren, Beamten und Arbeitnehmer.[5] Einmal jährlich (für zwei Semester) soll der Präsident der Hochschule einen Bericht über die Erfüllung der Lehrverpflichtung an das Wissenschaftsministerium übermitteln.[6]

Das Wissenschaftsministerium hat die Rechts- sowie die Fachaufsicht über die Hochschule.[7]

Der ORH hatte die Lehrverpflichtung an dieser Hochschule bereits 2008 geprüft. Damals hatten bis zum Beginn der örtlichen Prüfung für das Wintersemester 2005/06 von den insgesamt 84 hauptamtlichen Lehrkräften (Lehrpersonen) 25% bis Ende Juni 2006 noch keine Nachweise über die erbrachte Lehre vorgelegt. Für das Sommersemester 2005 waren es immer noch 21% der Lehrpersonen, bei denen der Nachweis fehlte. Begründungen für Unterschreitungen des Lehrdeputats lagen in den meisten Fällen nicht vor.

Das Wissenschaftsministerium war damals aufgefordert worden, in geeigneter Form auf Vollständigkeit und zeitnahen Nachweis des erbrachten Lehrdeputats bei der Hochschule hinzuwirken. Dabei habe die Hochschulleitung dafür Sorge zu tragen, dass die Mitarbeiter ihre Deputatsverpflichtung vollständig erfüllen. Das Wissenschaftsministerium hatte die künftige Beachtung zugesichert.


E25.2 Feststellungen


E25.2.1 Verfahren beim Nachweis über die Erfüllung der Lehrverpflichtung

An der Hochschule waren im Wintersemester 2015/16 und Sommersemester 2016 jeweils 74 Lehrpersonen tätig. Der Umfang der Lehrverpflichtung richtet sich nach den Vorschriften der LUFV.

Die Lehre erfolgte an der Hochschule für Musik durch Gruppen- und Einzelunterricht. In einem Tabellenkalkulationsprogramm wurden Unterricht, die Anzahl der Lehrveranstaltungsstunden sowie bei Einzelunterricht der Name des Studierenden erfasst. Zu Beginn des Semesters erhielten die Lehrpersonen die sie betreffende Kalkulationsdatei mit den geplanten Lehrveranstaltungen, am Ende des Semesters ein Formular, mit dem sie bestätigten, dass sie die Lehre gehalten bzw. welche Änderungen sich gegenüber der Planung ergeben hatten.

Die Lehrverpflichtung sowie die erbrachte Lehre wurden abschließend nach Personen getrennt in eine Übersichtsliste eingetragen, in der das Über- bzw. Unterdeputat je Lehrperson festgestellt wurde. Für das betroffene Studienjahr übermittelte der Präsident der Hochschule diese Übersichtslisten als Bericht an das Wissenschaftsministerium.


Der ORH hat festgestellt, dass

  • weder die Kalkulationsdateien noch die Formulare für die Feststellung der erbrachten Lehre wesentliche Angaben zur Art der Lehrveranstaltung[8] enthielten,
  • für die beiden geprüften Semester im Mittel 52%[9] der Lehrpersonen die Bestätigungen über die erbrachte Lehre nicht abgegeben hatten,
  • die Übersichtslisten zum Teil nicht mit den Kalkulationsdateien für die einzelnen Lehrpersonen und/oder mit deren Bestätigung über die abgehaltene Lehre übereinstimmten.


Bereits während der Prüfung hatte der Präsident schriftlich zugesichert, die Hochschule werde zukünftig mit den Lehrpersonen Kontakt aufnehmen und diese auf ihre Lehrverpflichtung hinweisen.


E25.2.2 Unterschreitung der Lehrverpflichtung

Nach dem Bericht der Hochschule für Musik erbrachten in den beiden geprüften Semestern jeweils 20 der 74 hauptamtlichen Lehrpersonen ihre Lehre nicht im nötigen Umfang, davon 18 weder im Wintersemester 2015/16 noch im Sommersemester 2016 vollständig. Die Unterschreitungen betrugen in den beiden Semestern in der Summe 54,1 bzw. 75,3 Lehrveranstaltungsstunden je Woche der Vorlesungszeit. Dies entsprach Unterrichtsstunden im Wert von über 400.000 €[10] in einem Studienjahr.

Zudem fehlte im Bericht an das Wissenschaftsministerium eine Aussage, inwieweit von den Möglichkeiten zur Abweichung von der zu erbringenden Lehrverpflichtung Gebrauch gemacht wurde. Insbesondere war nicht erkennbar, ob Unterschreitungen bei der Lehrerfüllung in einzelnen Semestern wieder ausgeglichen wurden.[11]

Der Präsident sicherte während der Prüfung zu, die Hochschule werde zukünftig die Über- und Unterdeputate tabellarisch erfassen. Darüber hinaus würden Lehrpersonen, die ihre Lehrverpflichtung nicht erfüllt hätten, über die Verpflichtung zum Nachholen von Unterricht informiert.


E25.3 Würdigung und Empfehlungen


E25.3.1 Verfahren beim Nachweis über die Erfüllung der Lehrverpflichtung

Der aus den Übersichtslisten bestehende Bericht über die erbrachte Lehre ist offensichtlich nicht zutreffend, da die entsprechenden Dateien weder in sich stimmig sind noch alle wesentlichen Angaben enthalten. Darüber hinaus haben auffallend viele Lehrpersonen die Bestätigungen über ihre abgehaltene Lehre entgegen klarer Dienstpflicht nicht abgegeben. Eine Rücklaufquote von lediglich rd. 50% in den geprüften Semestern kann nicht akzeptiert werden.

Die Überwachung der Lehrverpflichtung durch die Hochschulleitung weist somit weiterhin erhebliche Mängel auf, entspricht also nicht gesetzlichen Pflichten. Und das, obwohl die Behebung der Mängel dem ORH schon anlässlich der Prüfung 2008 zugesichert worden war.

Der ORH empfiehlt dringend, dass die Hochschulleitung die Aufsicht über die Erfüllung der Lehrverpflichtung endlich wirksam wahrnimmt. Ein Verfahren, das den Einsatz der Arbeitskapazitäten nicht sicherstellt, ist ineffektiv.

Damit die Übersendung der Berichte an das Wissenschaftsministerium nicht ins Leere läuft, sind diese auch zu prüfen, was nur geringen Aufwand erfordert. Dies gilt erst recht, da aus der Prüfung 2008 entsprechende Mängel bekannt waren.


E25.3.2 Unterschreitung der Lehrverpflichtung

Der Bericht der Hochschule an das Wissenschaftsministerium lässt nicht erkennen, inwieweit Untererfüllungen des Lehrdeputats wieder ausgeglichen wurden. Auch dies wurde bereits 2008 vom ORH beanstandet.

Unterschreitungen des Lehrdeputats lässt die Lehrverpflichtungsverordnung insgesamt bis zur Hälfte der individuellen Lehrverpflichtung zu. Der Ausgleich von Unterschreitungen ist innerhalb der folgenden zwei Studienjahre herbeizuführen, spätestens bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses.[12]

Der ORH empfiehlt die Einführung von Konten, in denen Stundenüberhänge oder Stundenunterschreitungen festgehalten werden. Wird die Lehre anhaltend nicht erbracht, sind den Betroffenen andere geeignete Dienstaufgaben zu übertragen.


E25.4 Stellungnahmen

Zur Aufforderung des ORH an das Wissenschaftsministerium verstärkt im Rahmen der Aufsicht tätig zu werden, hat sich dieses dahingehend geäußert, dass es nur noch vollständige Berichte akzeptieren werde. Darüber hinaus fordere es nun eine Angabe bei jeder Lehrkraft, ob die Erklärung über die erbrachte Lehre abgegeben wurde. Die Berichte würden vom Wissenschaftsministerium auf Plausibilität sowie auf die Korrektheit der angegebenen Lehrdeputate überprüft. Bei festgestellten Mängeln werde bei der Hochschule nachgefragt. Künftig werde ein besonderes Augenmerk auf den Abbau von Unterdeputaten gerichtet werden.

Laut der Hochschule lasse die derzeitige Situation in der Verwaltung eine kontinuierliche Überwachung der Nachweisabgabe nicht oder nur bedingt zu. Sie erhalte trotz mehrfacher Beantragung kein zusätzliches Personal, obwohl sie einen erheblichen Aufgabenzuwachs zu verzeichnen habe, was eine Kettenreaktion hervorrufe: Überstunden in unverhältnismäßigem Maß - Überlastung - Erkrankung bzw. Wechsel von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in andere Behörden und Probleme bezüglich einer qualifizierten Wiederbesetzung. Eine Nebenwirkung sei in der aktuellen Lage die pragmatische Konzentration auf das Allernotwendigste.

In wenigen Einzelfällen könne ein Deputatsausgleich nicht innerhalb von zwei Jahren durchgeführt werden. Mit den betroffenen Lehrpersonen seien längerfristige Maßnahmen vereinbart worden bzw. würden vereinbart. In einigen Fällen hätten aufgrund von Informationsdefiziten fehlerhafte Klassenlisten zum Positiven hin korrigiert werden können. In allen anderen Fällen sei der Ausgleich von Unterdeputaten geregelt worden. Ein entsprechender weiterer Bericht an das Wissenschaftsministerium sei in Vorbereitung. Auch hier wirke sich die derzeitige Unterbesetzung im Referat Personal verzögernd aus. Die Hochschule verfolge die Angelegenheit aber weiter, bis alle Fälle geklärt seien.


E25.5 Schlussbemerkung

Der ORH nimmt zur Kenntnis, dass die Hochschule unmittelbar tätig geworden sei. Allerdings fehlt bislang eine fundierte und konkrete Stellungnahme, inwieweit Unterdeputate in Folgejahren ausgeglichen wurden.

Der ORH empfiehlt dringend, dass die Hochschule die Personalkapazitäten der 74 Lehrpersonen voll auslastet, dies revisionssicher dokumentiert und die Hochschulleitung die Aufsicht über die Erfüllung der Lehrverpflichtung wirksam wahrnimmt.

Das Wissenschaftsministerium sollte seine Aufsicht verstärkt wahrnehmen, indem es die Berichte zur Auslastung der Lehrpersonen auf Schlüssigkeit prüft und gegebenenfalls andere geeignete Einsatzmöglichkeiten aufzeigt.

 


[1] Art. 19 Abs. 3 S. 2 BayHSchG.
[2] Art. 19 Abs. 4 S. 2 i. V. m. S. 1 Nr. 1 BayHSchG.
[3] Art. 28 Abs. 4 S. 2 BayHSchG.
[4] Art. 21 Abs. 11 BayHSchG.
[5] Art. 21 Abs. 10 S. 1 BayHSchG.
[6] § 8 LUFV.
[7] Art. 74 i. V. m. Art. 12 BayHSchG.
[8] § 3 Abs. 2 LUFV.
[9] Wintersemester 2015/16  47%; Sommersemester 2016  57%.
[10] Ermittelt nach den Personaldurchschnittskosten des Freistaates Bayern für 2016 (vgl. FMS vom 07.08.2015 Gz. 23-P 1509-1/4).
[11] § 2 Abs. 2 - 4 LUFV.
[12] § 2 Abs. 4 LUFV.