TNr. E26: Förderung nichtstaatlicher Theater

Der ORH hat 2017 und 2018 zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Bayreuth in einer Querschnittsuntersuchung den transparenten und wirtschaftlichen Einsatz der staatlichen Mittel für nichtstaatliche Theater und andere Einrichtungen der darstellenden Kunst (z. B. freie Theatergruppen ohne eigene feste Spielstätte) für die Bewilligungsjahre 2015 bis 2017 geprüft. Bei drei kommunalen und zwei privaten Einrichtungen wurde vor Ort geprüft (zum Teil ab Bewilligungsjahr 2013).
E26.1 Ausgangslage
Der ORH hatte schon 2006 nach Prüfung von drei staatlichen und acht staatlich geförderten Theatern festgestellt, dass in den verwaltungsinternen Fördergrundsätzen ("Grundsätze") des Kunstministeriums vom 01.07.1999 Bestimmungen zu Zielsetzung und Umfang der Förderung fehlten. Für die Zukunft hatte er empfohlen, neben einer Grundförderung einen Teilbetrag nach leistungsbezogenen Kriterien auszureichen, wie z. B. Anzahl der Inszenierungen, Vorstellungs- und Besucherzahlen sowie Einspielergebnisse der Bühnen.[1]
Der Landtag hatte die Staatsregierung daraufhin im April 2007 ersucht, bei der Bemessung der staatlichen Förderung künftig auch leistungsbezogene sowie regionale und strukturelle Kriterien heranzuziehen.[2] Eine dann vom Kunstministerium eingesetzte Expertenkommission kam u. a. zu dem Ergebnis, dass zunächst ein Grundzuschuss zur Existenzsicherung erforderlich sei. Dieser sei von der Erfüllung eines vorgegebenen Rahmens zum Spielbetrieb abhängig zu machen (z. B. Repertoire- und Ensemblebetrieb, Beibehaltung von Sparten oder Bespielung bestimmter Spielstätten). Für die Bemessung sollten regionale und strukturelle Besonderheiten (z. B. im Raum) berücksichtigt werden. Das Kunstministerium führte in der Folge als Zielgröße staatliche Anteile am Betriebskostenfehlbetrag von 30% bei Schauspielbühnen, 40% bei Musik- und Mehrspartentheatern und 50% bei sog. Landesbühnen ein. Dies entsprach einer aus der Sicht der Theater wünschenswerten Grundfinanzierung. Wenn zusätzliche Haushaltsmittel bereitgestellt würden, wären leistungsbezogene Kriterien heranziehbar.
Diese wären z. B. Besucherzahlen, Eigeneinnahmen oder die Anzahl von Inszenierungen und Vorstellungen.
Mit Beschluss vom 11.06.2008 hatte der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen die Staatsregierung bei einer erneuten Behandlung des Themas ersucht, die "Grundsätze" zu aktualisieren und anzupassen. Zudem sollten zusätzliche Fördermittel ab dem Haushalt 2009/2010 nach leistungsbezogenen Kriterien vergeben werden.
Das Kunstministerium hatte daraufhin zum 01.03.2010 die "Grundsätze" fortgeschrieben. Nach diesen fördert der Freistaat nichtstaatliche Theater und andere Einrichtungen auf dem Gebiet der darstellenden Kunst. Diese müssen über ein eigenes Ensemble verfügen und einen professionellen Spielbetrieb nachweisen. Die Zuwendung soll als institutionelle Förderung im Wege der Festbetragsfinanzierung erfolgen.
Das Kunstministerium kündigte 2012 gegenüber dem ORH an, ab 2015 Einrichtungen nicht mehr zu fördern, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Zum 01.04.2015 schrieb es erneut die "Grundsätze" fort. Bei Theatern in privater Trägerschaft sind jetzt dazu in der Regel mindestens zwei Neuproduktionen und 100 eigene Vorstellungen pro Jahr zu erbringen. Von Kinder- und Jugendtheatern mit theaterpädagogischem Angebot ist jährlich mindestens eine Neuproduktion aufzuführen. Im Einzelfall können Ausnahmen wegen überregionaler Bedeutung oder spezieller Schwerpunktsetzung zugelassen werden. Laienbühnen und -gruppen werden nicht gefördert. Die "Grundsätze" schließen eine Förderung von Bühnen oder Einrichtungen mit Sitz in München aus, sofern diese nicht überwiegend einen Spielbetrieb außerhalb Münchens erbringen. Grundsätzlich sollten geförderte Theaterbetriebe auch von kommunaler Seite eine angemessene Förderung erhalten bzw. sich die Kommunen entsprechend beteiligen.
Der Geltungszeitraum der "Grundsätze" ist zum 31.12.2018 ausgelaufen. Das Kunstministerium wandte sie auch 2019 noch an und machte sie zum Bestandteil der Zuwendungsbescheide.
E26.2 Feststellungen
E26.2.1 Entwicklung der Haushaltsmittel
Die Anzahl der geförderten Einrichtungen hat sich von 2010 bis 2016 von 76 auf 75 verringert. Gleichzeitig hat sich die jährliche Fördersumme von 36,4 auf 42,2 Mio.€ (um 5,8 Mio.€; + 16%) erhöht.
E26.2.2 Fördervollzug
Die Förderhöhe richtete sich dabei allein nach den zuwendungsfähigen Ausgaben unter Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit der einzelnen Einrichtung. Die Zuwendungsbescheide beinhalteten keine verbindlichen Maßgaben zum Spielbetrieb oder zur Ensemblegröße. Die Erhöhungen der Fördersummen seit 2010 dienten allein der Fortschreibung der Grundfinanzierung. Bei der Bemessung der Förderbeträge fanden allgemeine leistungsbezogene Kriterien nach wie vor keine Berücksichtigung. Nur in Einzelfällen erhielten Einrichtungen aufgrund besonderer zusätzlicher Leistungen im Spielbetrieb in einzelnen Jahren weitere Mittel.
Das Kunstministerium fördert die nichtstaatlichen Theater selbst, während es die Förderung der anderen Einrichtungen der darstellenden Kunst in der Regel den Regierungen überträgt und ihnen hierfür Mittel zuweist. Die Rechts- und Fachaufsicht verbleibt beim Kunstministerium. Im Jahr 2016 reichte es selbst 41,2 Mio.€ an 48 Theater aus, während die Regierungen 27 andere Einrichtungen mit 1,0 Mio.€ förderten.
Von den 75 unter die "Grundsätze" fallenden Zuwendungsempfängern konnten im Jahr 2016 21 Einrichtungen (28%) die Mindestvoraussetzungen für einen professionellen Spielbetrieb (Anzahl von Neuproduktionen und eigener Vorstellungen) nicht nachweisen. Daran hatten die von den Regierungen geförderten 27 Einrichtungen einen Anteil von 90% (19 von 21).
Definierte Tatbestände für mögliche Ausnahmen enthalten die "Grundsätze" nicht. Ausnahmen wurden von den Regierungen unterschiedlich und häufig ohne konkrete Begründung gemacht.
Bei Bescheiden von Regierungen waren erhebliche zuwendungsrechtliche Mängel festzustellen; so fehlten in der Regel erforderliche Angaben zu den zuwendungsfähigen Ausgaben. Auflagenverstöße wurden nicht gewürdigt.
Zwei Theater erhielten noch 2016 Zuwendungen, obwohl dies den "Grundsätzen" widersprach. In einem weiteren Fall bestanden Zweifel, ob das Theater das Kriterium der Professionalität erfüllte.
Sowohl hinsichtlich des von Kinder- und Jugendtheatern (mit nur einer jährlichen Neuproduktion) zu erbringenden theaterpädagogischen Angebots als auch der erforderlichen angemessenen Förderung/Beteiligung von kommunaler Seite fehlten klare Vorgaben in den "Grundsätzen" wie in den Bescheiden.
E26.2.3 Einzelfeststellungen
Im Rahmen der fünf Einzelprüfungen bei kommunalen und privaten Theatern ergab sich:- Die in den Zuwendungsbescheiden festgelegten Eigenleistungen wurden von zwei kommunalen Theatern in einzelnen Bewilligungszeiträumen nicht vollständig erbracht.
- Ein privates Theater konnte nur wegen überwiegend von Laien gespielter Produktionen die erforderlichen Vorstellungszahlen erreichen. Auch einem kommunalen Theater rechnete das Kunstministerium Vorstellungen in Einzelfällen an, die von Laien gespielt wurden.
- Bei einem kommunalen Theater konnte in zwei Jahren die Mindestanzahl an Vorstellungen nur aufgrund von Veranstaltungen in Schulen (sog. "Klassenzimmerstücke") erreicht werden, während die Hauptbühne überwiegend fremdbespielt wurde.
- Ein privates Theater erhielt von einer Regierung in den Jahren 2013 bis 2016 jährlich Zuwendungen in Höhe von 190.000 bis 198.000€. Allerdings erließ die Regierung die Zuwendungsbescheide bis einschließlich 2015 mit zum Teil unzutreffender Adressierung. Die Förderungen wurden zudem an das Theater ausbezahlt, obwohl dessen Verbindlichkeiten sein Vermögen deutlich überstiegen und die Bilanzen ein negatives Eigenkapital auswiesen. Selbst als sich im Jahr 2014 ein Gesellschafter zurückzog und das negative Eigenkapital nur noch von dem verbliebenen Einzelunternehmer getragen wurde, verzichtete die Regierung auf den Nachweis einer gesicherten Gesamtfinanzierung.
Die Regierung ließ zudem unter zuwendungsrechtlichen Aspekten ungewürdigt, ob
- das Theater in den Jahren 2015 und 2016 die nach den "Grundsätzen" erforderlichen Neuproduktionszahlen erfüllte;
- das Theater trotz negativen Eigenkapitals auf Forderungen in Höhe von 46.000€ gegenüber einer Gesellschaft verzichten durfte, deren Geschäftsführer und Gesellschafter gleichzeitig der Inhaber des geförderten Theaters war;
- der Inhaber für sich aus dem Betrieb Beträge u. a. für Unternehmerlohn, Tantiemen und Vergütungen für erbrachte Leistungen in bestimmter Höhe entnehmen durfte;
- die Stellenpläne Zahlungen vorsahen, die womöglich gegen das Besserstellungsverbot verstießen;
- das Theater Vergaberecht beachtete; betroffen waren auch Aufträge an ein Unternehmen der Ehefrau des Inhabers.
E26.3 Würdigung
E26.3.1 Förderkriterien und Bewilligungsverfahren
Den "Grundsätzen" fehlen nach wie vor klare Maßgaben für den Verwaltungsvollzug. Es ist auf dieser Basis kaum möglich, die Förderung landesweit einheitlich durchzuführen. Der Beschluss des Landtags zur Vergabe zusätzlicher staatlicher Fördermittel nach leistungsbezogenen Kriterien ist nach wie vor nicht umgesetzt worden. Für einen effektiven Einsatz staatlicher Mittel sind insbesondere konkrete Zielvorgaben maßgeblich.[3] Diese Ziele können mithilfe leistungsbezogener Kriterien zur Realisierung des kulturpolitischen Auftrags genauer definiert werden. Der ORH empfiehlt dem Kunstministerium, zeitnah die "Grundsätze" zu überarbeiten oder Förderrichtlinien nach Maßgabe der BayHO zu erlassen. Dabei sollten klare Festlegungen z. B. im Hinblick auf ein ggf. nachzuweisendes theaterpädagogisches Angebot oder zur notwendigen kommunalen Beteiligung getroffen werden. Ausnahmetatbestände sind zu regeln. So kann eine transparente, sachlich begründete und ermessensfehlerfreie Behandlung aller Einrichtungen sichergestellt werden.
Die andauernde Förderung von Theatern, die nicht die Fördervoraussetzungen der "Grundsätze" erfüllen, widerspricht der Ankündigung des Kunstministeriums, ab 2015 derartige Einrichtungen nicht mehr zu fördern. Der ORH empfiehlt, solche Förderungen einzustellen.
Eine Förderung ohne Nachweis einer gesicherten Gesamtfinanzierung verstößt gegen die BayHO.[4] Unwirtschaftlicher Verwaltungsaufwand des Zuwendungsempfängers und erhebliche Auflagenverstöße, insbesondere Verstöße gegen das Besserstellungsverbot und das Vergaberecht, sind förderrechtlich zu würdigen.
E26.3.2 Rechts- und Fachaufsicht des Kunstministeriums
Der hohe Anteil von Ausnahmen im Bereich der von den Regierungen geförderten Einrichtungen und die Mängel bei den Zuwendungsverfahren zeigen auf, dass eine verstärkte Fachaufsicht seitens des Kunstministeriums erforderlich ist. Eine transparente und sachgerecht begründete Förderung ist zu gewährleisten, nicht zuletzt durch klare Maßgaben in den "Grundsätzen".
E26.4 Stellungnahmen
E26.4.1 Stellungnahme der Verwaltung
Das Kunstministerium hat die tatsächlichen Feststellungen des ORH zur Abwicklung der Förderung größtenteils bestätigt. Für die festgestellten formalen Mängel hat es Abhilfe zugesagt.
Es beabsichtige, die "Grundsätze" zu überarbeiten und hierzu eine Arbeitsgruppe einzuberufen. Eine Bemessung der Förderungen nach leistungsbezogenen Kriterien sehe das Kunstministerium derzeit lediglich dem Grunde nach als Mindestkriterium für die Aufnahme in die staatliche Förderung insoweit vor, als zur Beurteilung für einen professionellen und überregional bedeutsamen Theaterbetrieb jährlich mindestens 100 eigenproduzierte Theateraufführungen sowie mindestens zwei Neuproduktionen bei privaten und vier Neuproduktionen bei kommunalen Theatern geleistet werden müssen. Eine darüber hinausgehende Bemessung der Förderhöhe nach weiteren leistungsbezogenen Kriterien sehe es derzeit nicht vor, da es zum einen trotz gestiegener Fördersummen eine ausreichende Grundfinanzierung der Zuwendungsempfänger als noch nicht erreicht ansehe und zum anderen die enorme Bandbreite der in Bayern zu fördernden Einrichtungen eine rein schematische Berechnung der Zuschusshöhen nach über die Förderrichtlinien hinausgehenden weiteren Leistungszahlen wie z. B. Anzahl der Aufführungen, Besucherzahlen, Neuproduktionszahlen oder Auslastungen nicht als zielführend erachte. Zur Bemessung der Förderung würden daher weiterhin Anteile am Betriebskostenfehlbetrag von 30% bei Schauspielbühnen, 40% bei Musik- und Mehrspartentheatern und 50% bei sog. Landesbühnen angestrebt. Die Entwicklung der Haushaltszahlen habe nach Auffassung des Kunstministeriums bislang die Erreichung dieser Zielgrößen für alle geförderten Einrichtungen noch nicht zugelassen.
Es werde erwogen, künftig jährliche Dienstbesprechungen mit den Regierungen abzuhalten, um einen einheitlichen Vollzug zu gewährleisten.
Das Kunstministerium habe 2016 die Förderung eines der Theater eingestellt, das die Kriterien der "Grundsätze" nicht erfüllte. Für das weitere Theater mit dem fraglichen professionellen Spielbetrieb werde die Einstellung der Förderung weiterhin geprüft. Bei einem Theater, dessen Förderung nach den "Grundsätzen" ausgeschlossen ist, dauere die Förderung an. Der Förderumfang habe sich jedoch verringert und das Kunstministerium beabsichtige eine weitere schrittweise Zurückführung.
E26.4.2 Stellungnahme eines Zuwendungsempfängers
Einem Zuwendungsempfänger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Er räumt ein, dass in einem Jahr die vorgesehene Anzahl von Neuproduktionen nicht erreicht worden sei, sieht dies aber durch einen in den "Grundsätzen" vorgesehenen Ausnahmetatbestand gedeckt. Ansonsten sehe er keine Auflagenverstöße, die ihm als Zuwendungsempfänger anzulasten seien.
E26.5 Schlussbemerkung
Die Einwendungen des Zuwendungsempfängers unterstreichen die Haltung des ORH, dass die Verwaltung die zuwendungsrechtlichen Sachverhalte sorgfältig zu erheben und zutreffend zu würdigen hat.
Die Ankündigung des Kunstministeriums, Einrichtungen nicht mehr zu fördern, welche die Kriterien der "Grundsätze" nicht erfüllen, ist umzusetzen.
Die jährliche Fördersumme für nichtstaatliche Theater und andere Einrichtungen ist von 2010 bis 2016 um rund 16% gestiegen; die zusätzlichen Mittel wurden aber nicht leistungsbezogen ausgereicht. Der ORH hält die Entscheidung des Kunstministeriums, die "Grundsätze" erneut zu überarbeiten, für überfällig. Aus Sicht des ORH ist es allerdings nicht ausreichend, weiterhin lediglich inhaltliche Mindestanforderungen an die nichtstaatlichen Theater und anderen Einrichtungen der darstellenden Kunst aufzunehmen. Vielmehr sollten unterschiedliche Bemessungen des Grundzuschusses auch anhand transparenter leistungsbezogener Kriterien festgelegt werden.
Der über zehn Jahre alte Landtagsbeschluss ist endlich umzusetzen.
[1] ORH-Bericht 2006 TNr. 38.
[2] Beschluss des Bayerischen Landtags vom 17.04.2007 (LT-Drs. 15/7950 Nr. 2s).
[3] Nr. 1.4 der Grundsätze für die Ordnung staatlicher Förderprogramme, Anlage 1 zu den OR.
[4] VV Nr. 1.2 Satz 3 und Nr. 3.3.5 zu Art. 44 BayHO.