Jahresbericht 2021

TNr. 54 Veterinärkontrollen in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung

Veterinär in Schweinemastbetrieb; Bild: THANANIT - stock.adobe.com
Der ORH sieht dringenden Optimierungsbedarf bei der Kontrolle der Nutztierhaltung. So erfüllen die Veterinärbehörden im Bereich Tiergesundheit die vom Verordnungsgeber vorgesehenen Mindestkontrollen nicht vollständig. Die vom Verbraucherschutzministerium zu verantwortende Aufgabenkritik ist überfällig.

Der ORH und das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Regensburg haben 2018/2019 die Erfüllung ausgewählter Aufgaben der staatlichen Veterinärverwaltung in der Nutztierhaltung auf Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Effizienz geprüft. Dabei flossen auch die entsprechenden Hinweise aus dem Gutachten des ORH zum Veterinärwesen und zur Lebensmittelüberwachung[1] aus dem Jahre 2016 ein. Schwerpunkte der Prüfung waren u.a. die amtlichen Veterinärkontrollen zur Einhaltung tierschutz- und tiergesundheitsrechtlicher Vorschriften, der Einsatz von IT-Systemen und der Personaleinsatz in der Veterinärverwaltung. Mit Blick auf die Bedrohung durch die Afrikanische Schweinepest wurde insbesondere geprüft, ob die vorgeschriebenen Kontrollvorgaben bei den schweinehaltenden Betrieben eingehalten wurden.


54.1 Ausgangslage

Werden Kontrollen nicht ordnungsgemäß durchgeführt,

  • kommt der Staat seiner Pflicht, die Einhaltung der Vorschriften durch geeignete Maßnahmen zu überwachen, nicht ausreichend nach.
  • werden Verstöße gegen Vorschriften nicht erkannt, Einnahmen aus Sanktionen und Ordnungswidrigkeiten gehen verloren, und ggf. kommt es zu Anlastungen bzw. Sanktionen seitens der EU zulasten des Staatshaushalts.
  • können Belastungen in erheblicher Millionenhöhe entstehen; dazu zählen auch gravierende Auswirkungen auf das Steueraufkommen sowie staatliche Leistungen zugunsten der Tierseuchenkasse und Geschädigter.

Aufgaben und Zuständigkeiten der Veterinärverwaltung

Die staatliche Veterinärverwaltung ist in Bayern dreistufig aufgebaut.[2] Das Verbraucherschutzministerium ist oberste Landesbehörde. Die sieben Regierungen als Mittelbehörden sind insoweit fachlich dem Verbraucherschutzministerium nachgeordnet. Die Kreisverwaltungsbehörden (KVB) sind auch untere Veterinärbehörden, deren Tätigkeit von den Regierungen beaufsichtigt wird.


Infolge des "Bayern-Ei-Skandals“ Ende 2015 wurde die Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) gegründet, die ab 01.01.2018 zunächst für die Kontroll- und Vollzugsaufgaben komplexer Betriebe[3] im Bereich Lebensmittelproduktion und Geflügelhalter zuständig war. Sie sollte - gemäß Auskunft des Verbraucherschutzministeriums an den Landtag[4] - die KVB entlasten. Die 2019/2020 bekannt gewordenen Missstände im Bereich des Tierschutzes lösten eine Erweiterung der Zuständigkeiten der KBLV auf bestimmte rinderhaltende Betriebe zum 01.07.2020 aus.


Die Einhaltung tierschutz- und tiergesundheitsrechtlicher Bestimmungen in der Nutztierhaltung unterliegt der staatlichen Kontrolle durch die zuständigen Behörden (Veterinärämter der Landkreise bzw. kreisfreien Städte sowie der KBLV).


Aufgabe der Veterinärüberwachung ist die Ausführung und Überwachung der Vorschriften unter anderem auf dem Gebiet des Tierschutzes und der Tiergesundheit.[5]


Im Bereich Tierschutz legen europäische Rechtsvorschriften Mindeststandards für die Lebensqualität von Nutztieren fest. Die Mitgliedstaaten können strengere Vorschriften erlassen, soweit diese mit dem EU-Recht vereinbar sind.


Kontrollsysteme

Die Bekämpfung und Vorbeugung bestimmter Tierseuchenerreger sind sowohl in europäischen als auch nationalen Vorschriften geregelt.


Für die Überwachung sind auf EU-Ebene zwei Kontrollsysteme relevant, die jeweils einem eigenen Kontrollmechanismus folgen.


  • Kontrollen gemäß Verordnung VO (EG) Nr.882/2004[6]

    Die EU hat mit der Verordnung VO (EG) Nr.882/2004 einen einheitlichen Rechtsrahmen geschaffen, der in den Mitgliedstaaten unmittelbar gilt. Diese haben sicherzustellen, dass amtliche Kontrollen regelmäßig, auf Risikobasis und mit angemessener Häufigkeit durchgeführt werden (planmäßige Routinekontrollen).[7]

    In Deutschland ist die Umsetzung der VO (EG) Nr.882/2004 Aufgabe der Länder. Die Behörden der Länder legen fest, welche Kontrollen sie für ausreichend und angemessen halten. Um die europäischen Vorgaben umsetzen zu können, haben die Länder unter dem Dach der "Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz“ (LAV) Fachgremien strukturiert. In der LAV wirken die obersten Landesbehörden - in Bayern das Verbraucherschutzministerium - zusammen. In diesem Rahmen wurden auch Vollzugshinweise für eine dynamische Risikobewertung von Nutztierhaltungen unter Tierschutzaspekten erarbeitet.

  • Kontrollsystem im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik

    Als zweites Kontrollsystem steht in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU zur Verfügung. Hintergrund ist, dass die Gewährung von Zahlungen auf Basis der GAP die Subventionsempfänger verpflichtet, u.a. auch die europäischen Mindestanforderungen im Tierschutz und in bestimmten Bereichen der Tiergesundheit einzuhalten. Die Auswahl der zu kontrollierenden Betriebe im Rahmen der GAP richtet sich nach einer Risikoanalyse des Verbraucherschutzministeriums gemäß EU-rechtlicher Vorgaben.[8] Diese Analyse basiert auf verschiedenen Risikoparametern unter Berücksichtigung aller Grundanforderungen an die Betriebsführung, u.a. auch im Bereich Tierschutz und Tiergesundheit.

  • Kontrollsystem auf nationaler Ebene

    Darüber hinaus gibt es auf nationaler Ebene im Bereich Tiergesundheit für das Nutztier Schwein mit der SchHaltHygV eine weitere Kontrollvorgabe, die der Seuchenprophylaxe dient. Danach sollen mindestens 10% der Betriebe mit Stall- und Auslaufhaltung sowie alle Betriebe mit Freilandhaltung routinemäßig kontrolliert werden. Dabei hat jede KVB innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs die Mindestkontrollquoten zu erfüllen.[9]

Technische Unterstützung der Kontrolltätigkeiten

Zur Unterstützung der behördlichen Überwachung im Veterinärbereich steht bundesweit ein Softwaresystem zur Verfügung, auf dessen Basis in Bayern seit 2008 das spezifisch angepasste und erweiterte System TIZIAN verwendet wird. TIZIAN soll u.a. als Werkzeug für risikoorientierte Kontrollstrategien dienen.


Zudem werden alle Betriebe mit Rinder- und Schweinehaltung in der zentralen Informationsplattform HI-Tier[10] für die Veterinär- und Agrarverwaltung gespeichert.


ORH-Gutachten

Infolge des Bayern-Ei-Skandals legte der ORH im Jahr 2016 ein Gutachten vor. Dabei hat er im Wesentlichen organisatorische Aspekte betrachtet.[11] Zur Erhöhung der Effizienz des amtlichen Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung hat der ORH dem Verbraucherschutzministerium u.a. empfohlen, sich kritisch mit den Kontrolldefiziten im Bereich der SchHaltHygV auseinanderzusetzen und die Ursachen dafür nachhaltig zu beseitigen. Darüber hinaus sollten in regelmäßigen Abständen gemeinsam mit den Regierungen die Kontrolldaten ausgewertet werden, um eine Beurteilung der Effizienz und eine Steuerung des Verwaltungshandelns zu ermöglichen.


54.2 Feststellungen


54.2.1 Veterinärrechtliche Kontrollen auf EU-Ebene

Kontrollen gemäß Verordnung VO (EG) Nr.882/2004

Die Häufigkeit der Kontrollen nach der VO (EG) Nr.882/2004 (planmäßige Routinekontrollen) soll sich nach der Risikobewertung für den jeweiligen tierhaltenden Betrieb (risikoorientierte Überwachung) richten. In Bayern existiert keine Risikobewertung, die sich an den Vollzugshinweisen der LAV orientiert.


Kontrollsystem im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik

Planmäßige Tierschutzkontrollen werden in Bayern ausschließlich entsprechend der Risikobewertung des GAP-Kontrollsystems durchgeführt. Im Kontrollsystem der GAP sind in Bayern nicht alle Nutztierhalter erfasst. Nutztierhalter, die keine Agrarsubventionen erhalten oder unter die Kleinerzeugerregelung[12] fallen, werden hier nicht kontrolliert. Im Jahr 2018 waren dies ca. 17% der Betriebe mit Schweinehaltung und ca. 7% der Betriebe mit Rinderhaltung.


54.2.2 Kontrollen nach der Schweinehaltungshygieneverordnung

Jede KVB hat für ihren Zuständigkeitsbereich die vom Verordnungsgeber vorgesehenen Mindestkontrollquoten gemäß SchHaltHygV zu erfüllen. Der ORH hat in seinem Gutachten festgestellt, dass diese Mindestkontrollquoten im Jahr 2015 nicht erfüllt wurden. Das Verbraucherschutzministerium erklärte 2017, dass nach den Berichten der Regierungen ein deutlicher Anstieg des Erfüllungsgrads der Kontrollpflicht gegenüber dem Jahr 2015 zu verzeichnen sei.[13] Vor diesem Hintergrund hat der ORH den Erfüllungsgrad der Mindestkontrollquoten für den Zeitraum von 2016 bis 2019 bei den Landratsämtern (LRÄ)[14] geprüft, die laut Verbraucherschutzministerium Schweinehalter kontrollieren sollten.[15]


Einzelne LRÄ haben zum Teil mehr Betriebe als nach SchHaltHygV vorgeschrieben kontrolliert. Bei anderen LRÄ wurde die vom Verordnungsgeber vorgesehene Mindestkontrollquote nicht erfüllt. Neben dem Erfüllungsgrad der Mindestkontrollquote auf LRA-Ebene wurde auf betrieblicher Ebene überprüft, inwieweit die gemäß SchHaltHygV zu kontrollierenden Betriebe von der Veterinärverwaltung auch tatsächlich kontrolliert wurden.


Erfüllung der Mindestkontrollquoten auf LRA-Ebene

Tabelle 70
In den Jahren 2016 bis 2019 wurde die Mindestkontrollquote nicht von allen LRÄ erreicht. So wurden im Jahr 2019 die Stall- und Auslaufhaltungen bei 33%[16] der LRÄ und die Freilandhaltungen bei 56%[17] der LRÄ in geringerem Maß als vorgegeben kontrolliert.


Im Vergleich zum Jahr 2016 war in der Stall- und Auslaufhaltung tendenziell eine Erhöhung, hingegen in der Freilandhaltung eine Verringerung zu sehen.


Erfüllung der Kontrollquoten auf Betriebsebene

Die bayernweite betriebliche Betrachtung stellt in Tabelle 71 für 2016 bis 2019 die zu kontrollierenden Betriebe den kontrollierten Betrieben gegenüber.

Tabelle 71
Zwischen 2016 und 2019 wurde die Mindestkontrollquote weder bei den Stall- und Auslaufhaltungen noch bei den Freilandhaltungen eingehalten. So wurden 2016 von den 747 zu kontrollierenden Betrieben im Bereich der Stall- und Auslaufhaltung[18] 36% nicht kontrolliert. Im Bereich der Freilandhaltung wurden 21% der Betriebe[19] nicht kontrolliert.


Im Jahr 2019 war vorgegeben, bayernweit 656 Betriebe mit Stall- und Auslaufhaltungen zu kontrollieren. Tatsächlich wurden 20% dieser Betriebe nicht kontrolliert. Im Bereich der Freilandhaltung wurden 22% der Betriebe nicht kontrolliert.


54.2.3 Personaleinsatz und Aufgabenkritik

Im Zeitraum von 2016 bis 2019 wiesen in 6 Regierungsbezirken 27 KVB insgesamt 47-mal auf ihre Überlastung im Veterinärbereich hin: 2016 waren es 4 Überlastungsanzeigen und 2019 dann 22, davon 10 aus dem Regierungsbezirk Schwaben.


Die Personalausstattung der 2018 neu gegründeten KBLV ist von 70 Planstellen auf 125 Stellen im Haushaltsjahr 2020 angewachsen.[20] Parallel wurden 19 zusätzliche Stellen an den KVB seit 2018 geschaffen. Die veranschlagten Personalausgaben sind dadurch um 9,2 Mio.€ jährlich gestiegen. Zudem wurden an den Regierungen weitere - auf vier Jahre zeitlich befristete - 20 Stellen geschaffen, die überwiegend der Unterstützung der KVB vor Ort (sog. Springer-Stellen) dienen sollen und Ausgaben von 1,5 Mio.€ pro Jahr auslösen.[21]


Die Hinweise des ORH in seinem Gutachten aus dem Jahr 2016 zu Aufgabenanalyse und Aufgabenkritik wurden vom Verbraucherschutzministerium Anfang 2020 aufgegriffen. Mit externer Unterstützung wurde ein Projekt "Aufgabenkritik für die Veterinärverwaltung und Lebensmittelüberwachung der Landratsämter in Bayern“ begonnen. Für das Projekt wurde eine Laufzeit von zwei Jahren vorgesehen. Nicht Bestandteil des Projekts ist eine Personalbedarfsanalyse. Diese soll nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums nach Beendigung des Projekts zur Aufgabenkritik beginnen.


54.2.4 IT-Systeme

Die Datenbank TIZIAN dient der effizienten Verwaltung der veterinärrechtlichen Überwachungstätigkeiten.[22] Hierzu haben die Veterinärbehörden die Betriebs- und Kontrolldaten in TIZIAN einzugeben.


Mit Blick auf die Empfehlungen im ORH-Gutachten wurde untersucht, wie sich der Datenbestand in TIZIAN seit dem Jahr 2015 entwickelt hat. Dabei wurde festgestellt, dass TIZIAN bis heute weiterhin keine korrekte und vollständige Datenbasis über die Betriebe und die Kontrolltätigkeit der KVB abbildet.


Am Beispiel der Kontrollen nach der SchHaltHygV zeigte sich, dass die Zahlen der im Jahr 2018 in TIZIAN erfassten Kontrollen nicht mit den vom Verbraucherschutzministerium an den ORH gemeldeten Zahlen übereinstimmten. Diese wichen je nach Regierungsbezirk um bis zu 50% voneinander ab. Dem Verbraucherschutzministerium wurde im ORH-Gutachten empfohlen, Schnittstellen zu anderen Systemen, wie etwa der Datenbank HI-Tier zu schaffen, um Dokumentationspflichten in der Veterinärverwaltung zu vereinfachen. Eine umfassende automatische Schnittstelle der Datenbanken TIZIAN und HI-Tier besteht weiterhin nicht. Eine Verknüpfung zwischen HI-Tier und TIZIAN existiert zum Abgleich von Rinderkennzahlen. Auch dieser erfolgt nicht automatisch, sondern muss durch die jeweilige KVB angestoßen werden.


54.3 Würdigung


54.3.1 Veterinärrechtliche Kontrollen auf EU-Ebene

Die derzeitige Vorgehensweise bei planmäßigen Routinekontrollen im Bereich Tierschutz ist aus Sicht des ORH bedenklich, da sich sowohl für das Nutztier Schwein als auch für Rinder eine nicht unerhebliche Kontrolllücke ergibt. Der ORH empfiehlt dringend, diese Kontrolllücke zu schließen, da sich daraus ggf. auch EU-Anlastungen zulasten des Staatshaushalts ergeben könnten.


Nicht nachvollziehbar ist auch, dass sich Bayern im Rahmen der LAV an der Erarbeitung der Vollzugshinweise für eine Risikobewertung beteiligte, diese dann jedoch selbst nicht verwendete.


54.3.2 Kontrollen nach der Schweinehaltungshygieneverordnung

Die Einhaltung von Kontrollvorgaben gemäß der SchHaltHygV ist ein wichtiger Baustein für die Tiergesundheit und damit auch für die Lebensmittelsicherheit. Mit Blick auf die Bedrohung durch die Afrikanische Schweinepest sieht der ORH kritisch, dass die vom Verordnungsgeber vorgesehenen Mindestkontrollquoten nach der SchHaltHygV auch vier Jahre nach den Hinweisen im ORH-Gutachten - soweit aus den Datenbeständen erkennbar - nicht annähernd eingehalten wurden. Unverständlich ist dies insbesondere für die Jahre 2018 und 2019, weil eine Sonderbehörde geschaffen wurde, die nach Aussage des Verbraucherschutzministeriums[23] die Veterinäre an den KVB entlasten sollte.


Der ORH hält die Einhaltung des vorgegebenen Kontrollrahmens für äußerst wichtig: der Verlust des Status "seuchenfrei“ in Deutschland kann zu enormen wirtschaftlichen Einbußen führen. Wenn der Staat diese durch entsprechende Hilfsprogramme ausgleicht, wird das zu zusätzlichen Belastungen in Millionenhöhe führen.


54.3.3 Personaleinsatz und Aufgabenkritik

Angesichts des kontinuierlichen Anstiegs von Überlastungsanzeigen ist es aus Sicht des ORH nicht akzeptabel, dass erst Anfang 2020 mit dem Projekt "Aufgabenkritik“ begonnen wurde. Das Ausbringen und Verteilen von über 140 zusätzlichen Planstellen ohne vorherige Aufgabenkritik hält der ORH für unschlüssig.


Mit Ergebnissen des Projekts "Aufgabenkritik“ ist frühestens im Jahr 2022 - 6 Jahre nach dem ORH-Gutachten - zu rechnen. Da das Projekt zur Aufgabenkritik zudem den wesentlichen Punkt der Personalbedarfsanalyse vernachlässigt, fehlt bis auf Weiteres ein geeignetes Instrument zur zukünftigen Personal-Soll-Planung.


54.3.4 IT-Systeme

In TIZIAN sind alle Betriebe konsequent zu erfassen. Sowohl für die Abarbeitung des Seuchengeschehens als auch für die Planung der Kontrollen ist ein vollständiger Datenbestand unerlässlich.


Der ORH sieht es äußerst kritisch, dass bis heute die Datenbank TIZIAN keine valide Datenbasis für Auswertungen und Statistiken im Veterinärbereich abbildet, obwohl die Datenbank bereits 2008 eingeführt wurde und das ORH-Gutachten dazu diverse Vorschläge für Verbesserungen empfohlen hatte. Damit TIZIAN als Vollzugs- und Steuerungsinstrument im Interesse einer effizienten Aufgabenerledigung genutzt werden kann, ist eine vollständige und bayernweit einheitliche Erfassung aller durchgeführten Kontrollen unabdingbar.


54.4 Stellungnahme der Verwaltung

Dem Verbraucherschutzministerium liege sehr viel daran, die Strukturen und Handlungen im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes fortlaufend zu überprüfen und zu optimieren. Die Prüfung des ORH zeige Optimierungspotenzial hinsichtlich der Kontrollen der Nutztierhaltung auf. In vielen Punkten würden die Optimierungsvorschläge aufgenommen und die Beiträge genutzt, um dadurch die Veterinärkontrollen weiterzuentwickeln. Im Wesentlichen trage das Verbraucherschutzministerium die getroffenen Feststellungen mit.


Eine verpflichtende Kontrollquote sei nach der SchHaltHygV nicht definiert. In den Ausführungshinweisen zur SchHaltHygV des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sei ausgeführt, dass pro Jahr 10% der Betriebe mit Stall- und Auslaufhaltung und alle Betriebe der Freilandhaltung kontrolliert werden sollten. Diese Regelung sähe somit keinen strikten Zwang zur Erfüllung dieser Kontrollquoten vor. Im Einzelfall könne nach bestimmten Risikofestlegungen davon abgewichen werden.


Die Aufgabenkritik habe nach Umsetzung der Strukturreform mit einem Zeitkorridor begonnen, um die Erfahrungen der Strukturreform entsprechend bewerten zu können. Die Pilotphase sei bereits abgeschlossen. Derzeit erfolge eine Projektphase unter Beteiligung von Landratsämtern und kreisfreien Städten.


Verbesserungen in den IT-Systemen seien für das Verbraucherschutzministerium von besonderer Bedeutung. Dieses habe deshalb den Digitalpakt Gesundheitlicher Verbraucherschutz Bayern auf den Weg gebracht, mit dem die verschiedenen Systeme für die Anwender noch besser nutzbar gemacht werden sollen.


Für die Optimierung von TIZIAN sei die Abstimmung mit den Behörden des gesundheitlichen Verbraucherschutzes aller Länder notwendig. Mit dem bevorstehenden Plattformwechsel würde eine Erleichterung der Eingabe für die Anwender sowie eine bessere Datenqualität erreicht werden.


Das Verbraucherschutzministerium habe außerdem die Planung einer zentralen Betriebsdatenbank am LGL initiiert, mit der Daten zu landwirtschaftlichen Betrieben aus verschiedenen Datenbanken zusammengeführt werden sollen. Dies würde zur Effizienzsteigerung führen und auch die Qualität und Zuverlässigkeit der Datengrundlage verbessern.


54.5 Schlussbemerkung

Das Verbraucherschutzministerium legt keine Gründe dar, warum die Kontrollen gemäß SchHaltHygV von vielen Veterinärämtern nicht im vorgegebenen Umfang eingehalten wurden. Die dazu notwendige Risikofestlegung für die Abweichung von den Vorschriften in Ausnahmefällen gibt es nicht. Nur dann wären weniger als die vorgegebenen Kontrollen zulässig.


Der ORH empfiehlt dem Verbraucherschutzministerium dringend, die angekündigten Optimierungsschritte zeitnah umzusetzen, um die nach wie vor bestehenden Kontrolldefizite zu beseitigen. Der Prozess der Aufgabenkritik sollte beschleunigt werden, um einen effizienten Einsatz der Veterinäre sicherzustellen.

 


[1] Bayerischer Oberster Rechnungshof: Gutachten zur Struktur und Organisation des amtlichen Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung vom 12.02.2016 (abrufbar unter https://www.stmuv.bayern.de/themen/lebensmittel/sondergutachten/index.htm) - nachfolgend als ORH-Gutachten bezeichnet (abgerufen am 11.02.2021).
[2] Art.3 Abs.1 GDVG.
[3] Z. B. große Schlachtbetriebe, Molkereien, große Hersteller von Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder, große Geflügelbetriebe.
[4] LT-Drs.17/16496 vom 26.06.2017.
[5] Art.19 Abs.1 GDVG.
[6] Die Verordnung VO (EG) Nr. 882/2004 wurde mit Wirkung vom 14.12.2019 durch die neue Kontrollverordnung VO (EU) Nr.625/2017 abgelöst. Die europarechtliche Vorgabe amtliche Kontrollen regelmäßig, auf Risikobasis und mit angemessener Häufigkeit durchzuführen, ist unverändert.
[7] Art.3 Abs.1 VO (EG) Nr. 882/2004.
[8] Art.69 VO (EU) Nr.809/2014.
[9] Anhang 3 Abs.1 zu §10 der Ausführungshinweise zur SchHaltHygV.
[10] Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere.
[11] Das ORH-Gutachten bezog sich auf die damalige Struktur des bayerischen Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung, d.h. vor Errichtung der KBLV als nachgeordnete Behörde des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).
[12] Das sind Agrarsubventionen von maximal 1.250€ pro Jahr.
[13] LT-Drs.17/16496 vom 26.06.2017, Antwort Nr.4 a).
[14] 71 Landratsämter, die Schweinehaltungen gemäß SchHaltHygV kontrollieren müssen.
[15] Ohne kreisfreie Städte, da für den Prüfungszeitraum keine vergleichbaren Daten vorlagen.
[16] 23 von 70.
[17] 29 von 52.
[18] Vorgeschrieben: 10% aller Stall- und Auslaufhaltungen.
[19] Vorgeschrieben: 100% aller Freilandhaltungen.
[20] Nachtragshaushaltsplan 2018 und Nachtragshaushaltsplan 2020, Kap. 1224.
[21] Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Pressemitteilung Nr.176/19 vom 26.11.2019.
[22] Vgl. Internetseite des LGL: https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/ueberwachung/tizian/index.htm (abgerufen am 05.10.2020).
[23] LT-Drs.17/16496 vom 26.06.2017.