TNr. 56 Qualitätsmanagement an Hochschulen

Die Hochschulen sind seit 2006 gesetzlich verpflichtet, ein Qualitätsmanagementsystem zu entwickeln, das alle Aufgabenbereiche umfasst.
Da vier der fünf geprüften Hochschulen auch nach mehr als zehn Jahren dieser Pflicht nicht im erforderlichen Maße nachgekommen sind, sollte das Wissenschaftsministerium zukünftig darauf im Rahmen seiner Aufsicht verstärkt hinwirken.
Der ORH hat 2019/2020 mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Bayreuth an fünf staatlichen Hochschulen geprüft, ob und in welchem Umfang das gesetzlich vorgeschriebene Qualitätsmanagement eingeführt wurde. Prüfungsmaßstäbe waren Art.10 Abs.2 BayHSchG in Verbindung mit allgemein anerkannten Grundsätzen zu Qualitätsmanagementsystemen[1], die zu einem wirtschaftlichen Verhalten (Art.7 BayHO) beitragen.
56.1 Ausgangslage
56.1.1 Rechtsstellung der staatlichen Hochschulen
56.1.2 Rechtliche Grundlagen des Qualitätsmanagements an Hochschulen
Die Hochschulgesetz-Novelle 2006 in Bayern hatte u.a. die Stärkung der Autonomie und Erweiterung der Kompetenzen der Hochschulen zum Ziel. Die Hochschulen wurden nach Art. 10 Abs. 2 BayHSchG verpflichtet, in eigener Verantwortung ein "System zur Sicherung der Qualität“ zu entwickeln, um ihre Leistungen transparent zu machen und ihre Arbeit einer kontinuierlichen Qualitätskontrolle zu unterziehen.[4] Die Arbeit der Hochschulen umfasst die im Hochschulgesetz definierten Aufgaben Forschung, Studium und Lehre, Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, akademische Weiterbildung und weitere Dienstleistungen wie Wissens- und Technologietransfer.[5]
56.1.3 Qualitätsmanagement und Qualitätsmanagementsystem
Ziel von Qualitätsmanagement (QM) und Qualitätsmanagementsystemen (QMS) ist eine transparente und wirtschaftliche Aufgabenerledigung.
Qualitätssicherung bezeichnet organisatorische Maßnahmen, mit denen sichergestellt werden soll, dass Produkte/Dienstleistungen bestimmte Eigenschaften aufweisen. Mit dem Wandel hin zum präventiven Ansatz hat sich der Begriff Qualitätsmanagement durchgesetzt. Damit sollen Fehler von vornherein durch beherrschte Prozesse vermieden werden.
Wird ein QM systematisch betrieben, spricht man von einem QMS. In einem QMS werden qualitätspolitische Vorgaben systematisch, gezielt und geplant umgesetzt. Dafür werden Arbeitsprozesse erfasst, strukturiert und optimiert. Der Geltungsbereich des QM ist von der Hochschule festzulegen und bildet die Grundlage für das aufzubauende QMS.[6] Dieses ist ständig weiterzuentwickeln und soll letztendlich den gesamten Aufgabenbereich der Hochschule umfassen. Die Qualitätssicherung nimmt vor allem im frühen Stadium von Verfahrensabläufen eine besondere Bedeutung ein, denn die Beseitigung von Mängeln an dieser Stelle ist meist mit geringerem Kosten- und Zeitaufwand verbunden und trägt somit zu einem wirtschaftlichen Verhalten bei.
56.2 Feststellungen
56.2.1 Dokumentation des Qualitätsmanagements
Bei vier der fünf geprüften Hochschulen finden sich zu Qualitätspolitik und -strategie bislang in Hochschulentwicklungsplänen[7] und Leitbildern - soweit vorhanden - nur vereinzelt Aussagen. Regelungen dazu sind auf viele Dokumente und Fundstellen verteilt und häufig nicht allgemein zugänglich. So enthielten etwa Zielvereinbarungen zwischen Freistaat und Hochschulen regelmäßig vereinzelt strategische und qualitätspolitische Aspekte. Keine der geprüften Hochschulen verfügt über ein QM-Handbuch als zentrales Dokument.
56.2.2 Umfang und Ausgestaltung des Qualitätsmanagements
Ein systematisches QM war nur an einer Hochschule vollständig realisiert. An den anderen vier geprüften Hochschulen wurden zwar qualitätssichernde Maßnahmen durchgeführt und QM-Instrumente eingesetzt. Dies erfolgte jedoch größtenteils isoliert und ohne systematisches Zusammenwirken im Sinne eines Managementsystems. Ein umfassendes Geschäftsprozessmanagement war an diesen Hochschulen nicht institutionalisiert. Nur wenige Arbeitsabläufe unterlagen einem systematischen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung.
In den Zielvereinbarungen der Hochschulen mit dem Freistaat lagen die Schwerpunkte für die Entwicklung des QM überwiegend auf dem Bereich Studium und Lehre. Die weitergehenden Aufgaben wie Forschung oder Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses fanden kaum Berücksichtigung. So fokussierten sich auch vier der fünf geprüften Hochschulen beim QM auf Studium und Lehre.
56.2.3 Externe Evaluation des Qualitätsmanagementsystems
Neben dem seit 2006 bestehenden gesetzlichen Auftrag, ein System zur Sicherung der Qualität zu entwickeln, sollen die Hochschulen hierzu in angemessenen zeitlichen Abständen externe Evaluationen durchführen lassen.[8] Diese externe Evaluation des QMS fand bisher an vier der fünf geprüften Hochschulen nicht statt. Dies wurde auch damit begründet, dass ein umfassendes QMS noch nicht im Einsatz sei. Eine Hochschule hat die externe Evaluation ihres hochschulweiten QMS über ein Zertifizierungsverfahren durch ein unabhängiges Dienstleistungsunternehmen durchführen lassen. Das Wissenschaftsministerium hat Evaluationsberichte von den geprüften Hochschulen nicht angefordert.
56.3 Würdigung und Empfehlungen
Die Hochschulen sollten ihre jeweilige Strategie als wesentliche Säule eines einheitlichen institutionellen QMS erarbeiten, umsetzen und laufend fortentwickeln. Strategien können über die Hochschulentwicklungsplanung erarbeitet und weiterentwickelt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Hochschule eine Qualitätspolitik betreibt, mit der sie Maßstäbe und Leitlinien bestimmt, an denen sich die gesamte Hochschule ausrichtet.
56.3.1 Dokumentation des Qualitätsmanagements
Vereinzelte und zudem oft sehr allgemeine Aussagen in Zielvereinbarungen sind nach Ansicht des ORH nicht geeignet, die Anforderungen an die Dokumentation eines QM zu erfüllen. Das Fehlen eines QM-Handbuchs sowie Intransparenz durch nicht allgemein zugängliche Dokumente belegen eine unzureichende Dokumentation der Qualitätspolitik und -strategie.
Der ORH empfiehlt den Hochschulen,
- die Qualitätspolitik und -strategie durch die Hochschulleitung in Zusammenarbeit mit den Fakultäten klar und schriftlich festzulegen und leicht zugänglich für alle interessierten Gruppen zu kommunizieren,
- ein QM-Handbuch zu erstellen, in dem u.a. Strategien und konzeptionelle Grundlagen des QM konkret formuliert und weiterentwickelt werden und
- einen Hochschulentwicklungsplan aufzustellen und für die Weiterentwicklung des QM und damit zur Qualitätsverbesserung zu nutzen.
56.3.2 Umfang und Ausgestaltung des Qualitätsmanagements
Vier der fünf geprüften Hochschulen erfüllen die Anforderungen eines systematischen QM bisher noch nicht im erforderlichen Maße. Insbesondere das Geschäftsprozessmanagement ist bei diesen Hochschulen noch deutlich entwicklungs- und ausbaufähig. Folglich werden Potenziale, wie Transparenz bei den Aufgaben und Zuständigkeiten oder Wirtschaftlichkeit durch schlanke Prozesse, nicht erschlossen.
Die Hochschulen kommen ihrer gesetzlichen Verpflichtung, den Anwendungsbereich ihres QM sukzessive auf alle ihre Aufgaben zu erweitern, nur unzureichend nach. Wegen der meist nur im Bereich Studium und Lehre näher spezifizierten Zielvereinbarungen blieben an vier der fünf geprüften Hochschulen die weiteren Aufgabenbereiche mehr als zehn Jahre weitgehend ohne Berücksichtigung.
Der ORH empfiehlt den Hochschulen,
- ein Geschäftsprozessmanagement zu institutionalisieren und kontinuierlich zu verbessern sowie
- das QM sukzessive auf alle Aufgabenbereiche des Art. 2 BayHSchG auszudehnen.
Der ORH empfiehlt dem Wissenschaftsministerium, verstärkt die Fortentwicklung des systematischen Ansatzes bei den qualitätssichernden Maßnahmen zu unterstützen. Außerdem sollte die Institutionalisierung des Geschäftsprozessmanagements an den Hochschulen weiter gefördert und das strategische Ziel eines umfassenden QMS durch konkrete Vorgaben, z.B. in Zielvereinbarungen, verankert werden.
56.3.3 Externe Evaluation des Qualitätsmanagementsystems
Externe Evaluationen können den objektiven Status Quo aufzeigen und bei der Weiterentwicklung wichtige Hinweise für zukünftige Weichenstellungen geben. Nach Ansicht des ORH sollten daher die Hochschulen die externe Evaluation unabhängig vom Entwicklungsstand ihres QM durchführen lassen. Darüber hinaus empfiehlt der ORH den Hochschulen eine Zertifizierung, wenn sie ihr QMS nach DIN EN ISO 9001[9] ausrichten. Der ORH empfiehlt dem Wissenschaftsministerium, sich die Evaluationsberichte künftig vorlegen zu lassen.
56.4 Stellungnahme der Verwaltung
Die Erstellung und Fortschreibung von Entwicklungsplänen sei verbindlich für jede Hochschule festgeschrieben und damit aus Sicht des Wissenschaftsministeriums sichergestellt. Die Art der Umsetzung und Darstellungsform sei den Hochschulen freigestellt. Konkrete Vorgaben des Staates seien aufgrund der Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortung der Hochschulen nicht vorgesehen.
Das Etablieren von QMS sei äußerst personal- und kostenintensiv. QMS ließen sich teilweise nur über eine Anschubfinanzierung aus begrenzten Ressourcen der Innovationsfonds im Rahmen von Zielvereinbarungen schrittweise etablieren. Auch hier lasse die Autonomie der Hochschulen diesen bewusst Freiräume bei Ausgestaltung und Umfang des QMS. Hintergrund sei, dass die einzelnen Hochschulleitungen vor Ort die Verhältnisse in Forschung, Lehre, Infrastruktur und Hochschulverwaltung am besten kennen würden. Es obliege daher jeder Hochschulleitung, in einer Gesamtschau der anstehenden Aufgaben und nach deren Dringlichkeit zu entscheiden, wie verfügbare Ressourcen eingesetzt werden sollen und können. Die Fokussierung der Hochschulen auf die Entwicklung des QM im Bereich Lehre sei wegen der Vorgaben bez. Akkreditierung und weiterer bundesweiter Vorgaben verständlich. Das ministerielle "Überstülpen“ eines einheitlichen Qualitäts- und Prozessmanagementsystems über alle Hochschulen erscheine nicht sachgerecht.
Sofern es an einzelnen Hochschulen bereits gute Standards oder gar "Best-Practice-Beispiele“ gebe, könnten diese jederzeit im Rahmen der Hochschulverbünde vorgestellt und diskutiert werden. Dieses Vorgehen werde durch das Wissenschaftsministerium unterstützt.
Eine kontinuierliche Begleitung des Prozesses sowie eine Vorlagepflicht bezüglich der Evaluationsberichte sei aus Sicht des Wissenschaftsministeriums nicht zielführend und widerspräche dem Autonomiegedanken. Es gäbe dazu auch keine gesetzliche Vorgabe.
56.5 Schlussbemerkung
Nach Ansicht des ORH finden die Autonomie der Hochschulen und die Freiräume bei Ausgestaltung und Umfang des QMS ihre Grenzen in der Einhaltung der Verpflichtung des Hochschulgesetzes. Die Hochschulen haben daher effektive QMS zu etablieren und evaluieren zu lassen. Der dafür erforderliche Ressourceneinsatz ist aus Sicht des ORH wirtschaftlich. QM hilft Abläufe zu strukturieren und zu verbessern. Schwachstellen im System werden erkannt, Fehler frühzeitig aufgedeckt und behoben. Dies führt im Ergebnis zu einer transparenten und wirtschaftlichen Aufgabenerledigung.
Eine Prozessbegleitung unter regelmäßiger Einholung von Informationen, für die das Wissenschaftsministerium eine ausreichende Rechtsgrundlage hat, ist kein Widerspruch zur Hochschulautonomie. Das sichert, dass gesetzliche Vorgaben und Zielvereinbarungen nicht ins Leere laufen. Da vier der fünf geprüften Hochschulen selbst nach über zehn Jahren ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht im erforderlichen Maße nachgekommen sind, sollte das Wissenschaftsministerium zukünftig darauf im Rahmen seiner Aufsicht verstärkt hinwirken.
[1] DIN EN ISO 9001, Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen (ISO 9001:2015).
[2] Art.11 Abs.1 BayHSchG.
[3] Art.74 BayHSchG.
[4] LT-Drs.15/4396 vom 06.12.2005, S.3 und 50ff.
[5] Art.2 BayHSchG.
[6] DIN EN ISO 9001 TNr.4.3.
[7] Art.14 BayHSchG.
[8] Art.10 Abs.2 BayHSchG.
[9] Vgl.Fn.6.