Jahresbericht 2021

TNr. 57 Reisekostenwesen an Hochschulen

Zug am Bahnsteig mit Fahrgästen; Bild: ORH

Anlässlich der Prüfung des ORH im Jahr 2010 war sich das Wissenschaftsministerium mit den Hochschulen einig, dass die damaligen Schwächen des Reisekostenwesens beseitigt werden müssen. Die ins Auge gefassten Ziele wurden bei weitem nicht erreicht.


Der ORH empfiehlt den Hochschulen, die Organisation des Reisekostenwesens zu optimieren und dafür die leistungsfähigen staatlichen IT-Programme flächendeckend einzusetzen. Er hält so jährliche Einsparungen bei den Personalkosten von mindestens 1,6 Mio.€ für möglich.

Der ORH hat ab 2017 zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Regensburg das Reisekostenwesen der Hochschulen an 9 Universitäten und 17 Fachhochschulen geprüft. Prüfungsmaßstäbe waren das staatliche Haushaltsrecht, insbesondere Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie Ordnungsmäßigkeit.


57.1 Ausgangslage

Der Freistaat gibt jährlich insgesamt ca. 100 Mio.€ für Reisekosten aus[1], davon entfallen etwa 50 Mio.€ auf den Hochschulbereich. Für Reisekostenabrechnungen der Staatsverwaltung sind die vier Zentralen Abrechnungsstellen des Landesamts für Finanzen (LfF) zuständig. Die Hochschulen erledigen diese Aufgabe selbst.[2]


Das LfF setzt zur Reisekostenbearbeitung die Programme BayRMS (Bayerisches Reisemanagementsystem) und BayRKS(neu) (Bayerisches Reisekostenabrechnungssystem) ein. Beide Programme werden allgemein als Basiskomponenten einschließlich Support kostenlos vom LfF zur Verfügung gestellt.


BayRMS bildet den Workflow für den Genehmigungs- und Abrechnungsantrag ab. Die Anträge werden elektronisch auf Vollständigkeit geprüft und eröffnen die Möglichkeit, Reisemittel wie etwa Flüge, Mietwagen und Unterkünfte beim zentralen Reiseservice Bayern zu bestellen und die Kosten dafür außerhalb der Reisekostenabrechnungsstellen zu erstatten. Der Erfassungsaufwand in den Abrechnungsstellen entfällt, die Reisekostenabrechnung wird vereinfacht und beschleunigt.


BayRKS(neu) ist das automatisierte Abrechnungsprogramm der Reisekostenabrechnungsstellen zur Berechnung und Festsetzung der Reisekostenvergütung. Das Programm unterstützt die Sachbearbeitung durch neue Funktionen zur Abrechnung von Auslandsdienstreisen, Dienstreisen mit zeitlich zusammenhängenden Privatreisen sowie bei der Drittmittelverwaltung deutlich besser als das bisherige Verfahren BayRKS.


Der ORH hatte bereits 2010 das Reisekostenwesen der Hochschulen geprüft und damals festgestellt, dass dort Organisation und Personaleinsatz unwirtschaftlich waren. Die Kosten pro Abrechnung betrugen durchschnittlich 18,35€ bei den Universitäten und 29,47€ bei den Fachhochschulen. Der ORH hatte damals eine schrittweise Übertragung der Reisekostenbearbeitung auf das LfF empfohlen. Das Wissenschaftsministerium hatte das 2011 abgelehnt und im Schreiben vom 29.06.2011 mitgeteilt, es sei sich mit den Hochschulen einig, dass die vom ORH festgestellten Schwächen der Reisekostenabrechnung beseitigt werden müssten. Das Festhalten an der Zuständigkeit der Hochschulen würde es diesen ermöglichen, den Personaleinsatz durch eine Bündelung und Verschlankung der internen Prozesse effektiver zu gestalten, als das bei einer zentralisierten Abrechnung beim LfF möglich wäre. Das bestehende Einsparpotenzial zeige sich bei einer Fachhochschule, wo es gelungen sei, den rechnerischen Aufwand durch organisatorische Maßnahmen auf 9,50€ pro Fall zu senken. Dem stehe ein Kostenaufwand von etwa 14€ pro Bescheid bei zentraler Abrechnung durch das LfF gegenüber. Eine rechnerische Messzahl pro Sachbearbeiter bei den Hochschulen könne bei 4.000 Abrechnungsfällen liegen.


57.2 Feststellungen

Reisekostenabrechnungen durch Hochschulen und LfF

Die Größe der Reisekostenstellen der Hochschulen war unterschiedlich und reichte von einem Mitarbeiter mit 0,7VZK bis zu 29 Mitarbeitern mit 11,3VZK. Die Zahl der Mitarbeiter für die Reisekostenbearbeitung erhöhte sich im Zeitraum von 2009 bis 2019 um 17,7VZK (+38,7%) auf 63,5VZK. Die Zahl der Abrechnungen stieg im gleichen Zeitraum um 52.355 (+59,2%) von 88.457 auf 140.812.

Tabelle 73
Demgegenüber sank der entsprechende Personaleinsatz des LfF im selben Zeitraum um 18,4VZK (-13,7%) auf 116VZK. Die Zahl der Abrechnungen beim LfF nahm um 190.519 (+34,0%) von 559.841 auf 750.360 zu.

Tabelle 74

Personaleinsatz

Das LfF gab ab 2016 zur Personalbemessung eine Messzahl von 5.000 Abrechnungen jährlich je VZK für die staatliche Verwaltung vor. Die Zentralen Abrechnungsstellen des LfF erstellten durchschnittlich knapp 6.500 Bescheide, eine Zentrale Abrechnungsstelle mit umfassendem IT-Einsatz bearbeitete 10.000 Fälle pro Jahr.[3] Der Anteil der abgerechneten Auslandsreisen betrug beim LfF durchschnittlich 2%.


Für den Hochschulbereich bestand keine Messzahl. Die durchschnittliche bearbeitete Fallzahl je VZK betrug im Hochschulbereich 2.240 pro Jahr. Der Anteil der abgerechneten Auslandsreisen lag bei durchschnittlich 20%. Erfahrungsgemäß sind bei der Abrechnung von Auslandsreisen häufiger Rückfragen des Sachbearbeiters erforderlich. Der höhere Aufwand bei der Abrechnung von Auslandsreisen lässt sich durch entsprechende technische Unterstützung teilweise kompensieren, z.B. durch automatisierte Plausibilitätskontrollen bei Reisekostenanträgen.


Bei drei Universitäten wurden die Reisekostenabrechnungen zumindest teilweise dezentral auch auf Fakultäts-/Lehrstuhlebene bearbeitet. Dies führte zu Doppelstrukturen.


Personalkosten

Die Personalkosten pro Abrechnung reichten bei den Hochschulen von 17,14€ bis 73,89€. Sie betrugen mit durchschnittlich 32,27€ ca. das 2½-Fache der Kosten des LfF, wo sie sich auf 13,02€ beliefen. Dabei sind bei den Hochschulen weitere Kosten der Finanzbuchhaltung noch nicht vollständig berücksichtigt. Hingegen sind beim LfF alle Verfahrenskosten eingeschlossen (auch Kosten der Leitstelle, der Programmentwicklung und der Betreuung der Sachbearbeiter und Programmanwender).


Abrechnungsverfahren und -dauer

Die Bearbeitung von Reisekostenanträgen unterschied sich 2019 an Fachhochschulen von denen an Universitäten: Die Fachhochschulen setzten nach dem Vorbild des LfF zur Bearbeitung der Reisekostenanträge seit 2019 die IT-Verfahren BayRMS und BayRKS(neu) ein. Damit werden die Reisekostenprozesse Genehmigung, Abrechnung, Bescheiderteilung und Zahlung vollständig elektronisch abgebildet. Eine automatisierte Plausibilitätskontrolle lässt dabei nur vollständig ausgefüllte und in sich schlüssige Anträge zu. Die Fachhochschulen hatten zur Einführung von BayRMS und BayRKS(neu) eine Kopfstelle gebildet, die ihre fachlichen Anforderungen an die IT-Verfahren koordinierte und in der Einführungsphase zentraler Ansprechpartner des LfF war.


BayRMS und BayRKS(neu) werden derzeit bei einer Universität pilotiert. Für die Universitäten besteht bisher keine mit der o. g. Kopfstelle zur Einführung der IT-Verfahren vergleichbare Einrichtung.


Die Zeitspanne vom Eingang des Reisekostenantrags bis zur kassentechnischen Abwicklung betrug bei den Fachhochschulen meist zwischen 3,4 und 23,1 Tagen; zwei Fachhochschulen, die BayRMS und BayRKS(neu) noch nicht vollständig eingeführt hatten, benötigten länger: im Durchschnitt 79,6 bzw. 48,4 Tage. Die Universitäten brauchten z.T. deutlich länger, hier lag die Bandbreite zwischen 21,5 und 132,6 Tagen. Insgesamt lag der Durchschnitt bei allen Hochschulen bei ca. 41 Tagen. Beim LfF lag die Zeitspanne zwischen Eingang des Reisekostenantrags bis zur kassentechnischen Abwicklung mit BayRMS und BayRKS(neu) durchschnittlich bei ca. 6 Tagen; soweit noch Abrechnungsanträge in Papier eingingen, kam es zur Festsetzung innerhalb von ca. 17 Tagen.


Stand der Neuorganisation

Der ORH stellte bei seiner Prüfung fest, dass die vom Wissenschaftsministerium 2011 dargestellte Möglichkeit einer Neuorganisation nicht umgesetzt worden war. Nach Auskunft der Hochschulen hatte das Wissenschaftsministerium sie nicht über sein Schreiben vom 29.06.2011 informiert. Soweit es zu organisatorischen Veränderungen gekommen war, hatte dies auf Eigeninitiativen der Hochschulen beruht. Lediglich eine Universität, die der ORH 2014 geprüft hatte, hat daraufhin ihre bisher dezentrale Organisation mit sechs Reisekostenstellen auf eine konzentriert.


57.3 Würdigung und Empfehlungen

Das Wissenschaftsministerium hat es unterlassen, Maßnahmen zur Verbesserung des Reisekostenwesen bei den Hochschulen zu ergreifen. Die Hochschulen wussten nicht einmal von der damaligen Aussage des Ministeriums gegenüber dem ORH.


Doppelstrukturen bei der Abrechnung von Reisekosten bei den Hochschulen verursachen Zusatzaufwand, darunter erhöhten Personalaufwand, und sind unwirtschaftlich. Die Personalkosten pro Abrechnung überstiegen 2019 die gesamten Verfahrenskosten des LfF um ca. das 2½-Fache. Die vom Wissenschaftsministerium 2011 angestrebte Reduzierung der Kosten pro Abrechnung und damit auch der Personalkosten wurde weit verfehlt; die durchschnittliche Fallzahl pro VZK stieg in zehn Jahren nur gering um 300 Fälle pro Jahr. Die Dauer zwischen Antrag und Bescheid bei den Hochschulen, die etwa dreifach länger ist als beim LfF, belegt mangelnde Effizienz. Darauf weisen auch die im Vergleich zum LfF deutlich geringeren Abrechnungszahlen der Hochschulen hin. Der ORH empfiehlt deshalb, BayRMS und BayRKS(neu) schnell bei allen Hochschulen einzuführen. Dabei hat sich bei den Fachhochschulen eine Kopfstelle bewährt.


Das Wissenschaftsministerium sollte für die Reisekostenbearbeitung an den Hochschulen eine Messzahl einführen. Schon 2011 schien dem Ministerium eine Größenordnung von jährlich 4.000 Reisekostenabrechnungen pro VZK machbar, die einer Einsparung von rd. 28VZK bzw. rd. 1,6 Mio.€ entspräche. Angesichts der zwischenzeitlich wesentlich leistungsfähigeren IT-Verfahren BayRMS und BayRKS(neu) erscheint selbst bei Berücksichtigung des Arbeitsaufwands für Auslandsreisekostenabrechnungen eine deutlich höhere Messzahl realistisch. Bei jährlich 5.000 Abrechnungen je VZK ergäbe sich für die Hochschulen rechnerisch eine mögliche Personaleinsparung von 35VZK, dies entspräche einer jährlichen Einsparung von rund 2 Mio.€.


57.4 Stellungnahme der Verwaltung

Das Wissenschaftsministerium weist darauf hin, dass es die Hochschulen 2011 über seine Stellungnahme zu den Feststellungen des ORH zur damaligen Querschnittsprüfung durch Abdruck seines Schreibens vom 29.06.2011 je an die Kanzlersprecher der Universitäten und Fachhochschulen in Kenntnis gesetzt habe.


Mit der Einrichtung und Finanzierung der Kopfstelle an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden habe es den Modernisierungsprozess der fortschreitenden Digitalisierung und der Verwendung der Reisekostenabrechnungsprogramme an den Fachhochschulen koordiniert und damit den Grundstein für alle künftigen Effizienzsteigerungen gelegt. Für die Zukunft bleibe es den Hochschulen unbenommen, eine Sprecherhochschule zur Abstimmung künftiger neuer Anforderungen gegenüber dem LfF einzurichten. Auch in der Aufbauorganisation seien deutliche Verbesserungen erzielt worden. Durch die Schließung einer dezentralen Abrechnungsstelle an einer Hochschule sei der Empfehlung zur Personaleinsparung zumindest teilweise Rechnung getragen worden. Zwei weitere Universitäten hätten angekündigt, ihre dezentralen Strukturen auf eine zentrale Reisekostenabrechnung an der Hochschule umzustellen. Die Einschätzung, das Wissenschaftsministerium habe es unterlassen, Maßnahmen zur Verbesserung des Reisekostenwesens bei den Hochschulen zu ergreifen, ließe sich vor diesem Hintergrund nicht aufrechterhalten.


Eine vom ORH angenommene Messzahl von 5.000 berücksichtige nicht ausreichend die Aspekte, die mit Dienstreisen im Hochschulbereich verbunden seien und erscheine auch bei künftigem Volleinsatz von BayRMS und BayRKS(neu) als deutlich zu hoch. Das Wissenschaftsministerium verweist auf erhebliche strukturelle Unterschiede der Hochschulen zu klassischen Verwaltungsbereichen. Angeführt werden z.B. eine hohe Fluktuation des Personals, ein deutlich höherer Anteil von z.T. auch länger dauernden Auslandsdienstreisen, drittmittelfinanzierte Reisen und ein hoher Anteil an zulässiger Verbindung von Dienst- mit Privatreisen.


Das Wissenschaftsministerium geht davon aus, dass mit der vorgeschlagenen Einführung von BayRMS und BayRKS(neu) die Zahl von Abrechnungen pro VZK zu steigern sei. Eine belastbare Prognose zum künftigen quantitativen Umfang und der zu erwartenden Effizienzsteigerung könne nicht abgegeben werden. An den Hochschulen trotz hochschulspezifischen Mehraufwands die gleichen Messzahlen festzulegen, die auch für die Reisekostenbearbeitung beim LfF gelten, erscheine nicht angemessen. Wesentlich sinnvoller und aussagekräftiger erscheine ein Vergleich der einzelnen Hochschulen, unter denen es durchaus Musterbeispiele für ein hohes Maß an Effizienz gebe. Die bevorstehende Reform des Hochschulrechts werde es den Hochschulen ermöglichen, ihre Organisationsstruktur eigenverantwortlich zu bestimmen. Dabei werde lediglich ein minimaler gesetzlicher Rahmen vorgegeben werden. Es sei abzuwarten, wie sich die Hochschulen in den kommenden Jahren neu organisieren.


57.5 Schlussbemerkung

Auch nach der angekündigten Reform des Hochschulrechts und einer weitgehenden Hochschulautonomie gelten die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit für die Bearbeitung von Reisekostenabrechnungen. Eine wirtschaftlichere Bearbeitung der Reisekosten ließe sich auf der Grundlage von Zielvereinbarungen zwischen Ministerium und Hochschulen erreichen.


Eine aktive Begleitung des Wissenschaftsministeriums fand bisher kaum statt. Die Information der Kanzlersprecher der Universitäten und der Fachhochschulen über die damalige ORH-Prüfung und die sechs Jahre später finanzierte Einrichtung einer Kopfstelle für die Einführung von BayRMS bei den Fachhochschulen ist zu wenig. Zwischen 2009 und 2019 konnten die Hochschulen zudem die Zahl ihrer Reisekostenabrechnungen je VZK kaum steigern.


Der ORH empfiehlt, zur Berücksichtigung der Besonderheiten in der Reisekostenabrechnung bei den Hochschulen die deutlich erweiterten aktuellen Programme BayRMS und BayRKS(neu) flächendeckend zu nutzen; zudem bietet sich eine hochschulinterne Bündelung an, um eine entsprechende Spezialisierung in der Sachbearbeitung aufzubauen. So ließen sich nach Einschätzung des ORH wenigstens die vom Wissenschaftsministerium bereits 2011 genannten 4.000 Abrechnungen pro VZK und damit Einsparungen von mindestens 1,6 Mio.€ erreichen.

 


[1] Stand 2019, vor der Corona-Pandemie.
[2] § 4 Abs.1 Nr.3 ZustV-Bezüge.
[3] Bei dieser Abrechnungsstelle gingen sehr viele Abrechnungsanträge online über das Mitarbeiterserviceportal ein.