Jahresbericht 2022

TNr. 50 Steuerrechtliche Aufarbeitung von Cum/Ex- und Cum/Cum-Fällen

Grafik Cum-Ex-Gestaltung
Steuerpflichtige versuchten mittels Cum/Ex- und Cum/Cum-Gestaltungen in Bayern unrechtmäßige Steuervorteile von mindestens 865 Mio. Euro zu erlangen. Davon sind 390 Mio. Euro noch nicht wieder zurückgezahlt worden. Um zukünftigen Herausforderungen adäquat entgegenzutreten, empfiehlt der ORH dringend, die Prüfung von Kreditinstituten stärker zu zentralisieren und damit Spezialwissen zu bündeln.

Der ORH hat 2020 in einer Querschnittsuntersuchung die steuerrechtliche Aufarbeitung von Cum/Ex- und Cum/Cum-Fällen geprüft. Dazu führte er örtliche Erhebungen beim Landesamt für Steuern (LfSt) sowie bei den Finanzämtern (FÄ) München und Nürnberg-Zentral durch. Im Fokus der Erhebungen standen die für die Aufarbeitung von Cum/Ex- bzw. Cum/Cum-Gestaltungen zuständigen Sonderstellen.


50.1 Ausgangslage


Durch Cum/Ex-Gestaltungen wird eine einmal abgeführte Kapitalertragsteuer (KapESt) mehrfach erstattet oder angerechnet. Diese Vorgänge liefen von der Grundstruktur wie folgt ab:1 Kurz vor dem Dividendentermin veräußerte ein Leerverkäufer2 Aktien mit (cum) Dividendenanspruch an einen (Leer-)Käufer. Tatsächlich erwarb der Leerverkäufer die Aktien selbst erst nach dem Dividendentermin vom ursprünglichen Aktieninhaber und lieferte sie sodann ohne Dividendenanspruch (ex) an den Leerkäufer zzgl. einer Kompensation in Höhe der Netto-Dividende. Die Depotbanken des Leerkäufers und des Aktieninhabers bescheinigten jeweils den Einbehalt der KapESt. So erhielten sowohl der ursprüngliche Aktieninhaber als auch der Leerkäufer eine Steuergutschrift, obwohl die KapESt (grundsätzlich 25%) nur einmal abgeführt worden war. Den so entstandenen „Gewinn“ teilten die Beteiligten untereinander auf.

Abbildung 26


Durch Cum/Cum-Gestaltungen umgingen ausländische Inhaber von Aktien die Verpflichtung, KapESt in Höhe von 15% der Dividendenerträge abzuführen, indem sie ihre Aktien über den Dividendentermin kurzfristig an voll KapESt-Anrechnungsberechtigte inländische Steuerpflichtige übertrugen.3 Nach dem Dividendenstichtag wurden die Aktien wieder zurückübertragen.

Abbildung 27


Der Bundesverband deutscher Banken informierte das Bundesfinanzministerium (BMF) 2002 darüber, dass am Finanzmarkt Cum/Ex-Geschäfte mit Leerverkäufen getätigt werden.4 Der Bund versuchte derartige Gestaltungen durch Gesetzesänderungen sowie BMF-Schreiben einzudämmen bzw. zu verhindern:

Das Jahressteuergesetz 20075 enthielt Regelungen zur Vermeidung von Steuerausfällen, die bei der Abwicklung von Aktiengeschäften in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Gewinnverteilungsbeschluss entstehen können. Trotzdem kam es weiterhin zu Steuerausfällen, wenn sich Leerverkäufer einer ausländischen Depotbank bedienten. Zum 01.01.2012 wurde durch das sog. OGAW-IV-Umsetzungsgesetz die Verpflichtung zum Einbehalt der KapESt auf die die Kapitalerträge auszahlenden Stellen verlagert. Diese Änderung beendete das Auseinanderfallen von der KapESt-abführenden Stelle einerseits und der die Steuerbescheinigung ausstellenden Stelle andererseits. Cum/Ex-Geschäfte sollten damit endgültig verhindert werden.

Cum/Cum-Geschäfte sollten mit Einführung des §36a EStG im Jahr 2016, der die Anrechenbarkeit von KapESt beschränkt, wirksam unterbunden werden.


50.2 Feststellungen


50.2.1 KapESt-Volumen in Bayern

Die Gestaltungmodelle mit Aktien führten zu einer ungerechtfertigten Erstattung oder Anrechnung von KapESt. Prinzipiell kann nur KapESt erstattet bzw. angerechnet werden, die auch gezahlt wurde. Das KapESt-Steueraufkommen betrug in Bayern in den Jahren 2011 bis 2018 zwischen 4,1 und 6,5 Mrd. Euro. Bis einschließlich 2013 überstieg in Bayern der Betrag für Erstattung/Anrechnung das Steueraufkommen für die KapESt. Da Abführung und Erstattung/Anrechnung der KapESt nicht im selben Bundesland vorgenommen werden müssen, können weitergehendere Erkenntnisse nur durch einen Abgleich auf Bundesebene gewonnen werden. Eine bundesweite zentrale Erfassung und ggf. Analyse dieser beiden Werte gab es bis zum Ende der örtlichen Erhebungen des ORH nicht. Schlussfolgerungen auf Cum/Ex-Geschäfte waren deshalb nicht möglich.


50.2.2 Cum/Ex


50.2.2.1 Betriebsprüfungsstellen

In allen Cum/Ex-Fällen waren Kreditinstitute - direkt oder als Depotbanken für Investmentfonds oder sonstige Kapitalgesellschaften - beteiligt. Cum/Ex-Gestaltungen konnten grundsätzlich im Rahmen einer Betriebsprüfung (Bp) bei Kreditinstituten entdeckt werden. Dies setzt aber entsprechende Sensibilität und Spezialkenntnisse der Prüfer voraus. Spätestens 2010 waren zumindest einzelnen Bp-Stellen aus einem internen Prüfungsleitfaden Hinweise auf Cum/Ex-Gestaltungen im Bundesgebiet bekannt. In Bayern lag die Zuständigkeit zunächst dezentral bei den 40 Bp-Stellen. Für die Prüfung von Kreditinstituten waren an einigen FÄ nur einzelne Betriebsprüfer zuständig, denen am eigenen FA regelmäßig kein Ansprechpartner für den fachlichen Austausch zur Verfügung stand. Ein landesweiter Erfahrungsaustausch zur Prüfung von Kreditinstituten fand 2017 bislang eintägig mit 94 Teilnehmern statt.6


50.2.2.2 Sonderstellen

Mit Bekanntwerden der ersten bayerischen Cum/Ex-Gestaltungsfälle 2013 gründete die Steuerfahndungsstelle des FA München im Oktober 2013 eine Ermittlungsgruppe zur steuerstrafrechtlichen Aufarbeitung dieser Fälle.

Im Bereich der Bp gründete das LfSt im Auftrag des Finanzministeriums beim FA München 2015 eine zentrale Sondereinheit (Task-Force) für die Aufarbeitung von Cum/Ex-Gestaltungsfällen. Die Task-Force erhielt die Kompetenz, bayernweit eigenständig nach weiteren Verdachtsfällen zu suchen und diese zu prüfen.


50.2.2.3 Bezifferbare Steuerausfallrisiken

Zum Ende der örtlichen Erhebungen des ORH stellten sich die Steuerausfallrisiken wie folgt dar:

Tabelle 72


In 15 Steuerfällen wurden 733 Mio. Euro KapESt zu Unrecht erstattet/angerechnet. In 7 Fällen sind 447 Mio. Euro wieder zurückgezahlt bzw. eine Auszahlung verweigert worden; davon sind in 5 Fällen mit einem KapESt-Volumen von 324 Mio. Euro noch Einsprüche gegen die Steuerbescheide anhängig. 286 Mio. Euro aus 8 Fällen sind bisher noch nicht zurückgezahlt. Bei 7 weiteren7 (Verdachts-)Fällen mit einem Volumen von 9 Mio. Euro wurde kein Strafverfahren mehr geführt, nachdem aufgrund der geringen Transaktionsvolumina keine Aussicht bestand, die Lieferketten der Cum/Ex-Trades nachverfolgen zu können.

Mit über 583 Mio. Euro entfällt der Großteil der aufgedeckten Steuerausfallrisiken auf offene Investmentfonds8. Diese bestanden nur für kurze Zeit. Noch bevor die Veranlagung durch das FA stattfinden konnte, wurden die Fonds aufgelöst. Die Steuerbeträge wurden von den Depotbanken zurückgefordert.


50.2.2.4 Neuer Verdachtsfall

Der ORH wurde im Rahmen seiner Untersuchung auf einen Steuerfall aufmerksam, in dem ein Kreditinstitut 2010 verdächtige Aktiengeschäfte mit einem Volumen von knapp 800 Mio. Euro getätigt hatte. Auf Anregung des ORH wurde der Fall von der Steuerfahndungsstelle geprüft und Kontrollmitteilungen (KM) versandt.


50.2.2.5 Kontrollmitteilungen

Vor der Gründung der Sonderstellen erhielt die bayerische Steuerverwaltung KM zu möglichen Cum/Ex-Gestaltungen aus anderen Bundesländern. Die Prüfung der KM wurde von den Veranlagungsstellen für Zwecke der Bp zunächst zurückgestellt. Ein Fall wurde auf Anfrage durch die Veranlagungsstelle von der Bp-Stelle als nicht prüfungswürdig eingestuft. Erst nach Prüfung durch die Sonderstellen wurden in vier Fällen Haftungsbescheide erlassen. Dadurch erfolgte die Zahlung von 14,2 Mio. Euro durch einen Steuerpflichtigen. Drei Fälle mit einem Gesamtvolumen von ebenfalls 14,2 Mio. Euro befanden sich im Einspruchsverfahren.

Nach Gründung der Sonderstellen ermittelten bayerische Finanzbeamte eigenständig Leerverkäufe in Lieferketten von Aktien. Im Rahmen dieser Ermittlungen entdeckten die Bearbeiter auch außerbayerische Cum/Ex-Fälle. In den Jahren 2016 bis 2018 wurden 27 KM an diverse Länder versandt, aufgrund derer sich ein Steuerausfallrisiko von 116 Mio. Euro beziffern lässt.


50.2.3 Cum/Cum

Ab 2015 arbeiteten einzelne Bp-Stellen dezentral verdächtige Cum/Cum-Transaktionen auf.


50.2.3.1 Zentralstelle

Zum 01.10.2018 errichtete das LfSt die Zentralstelle für Cum/Cum-Gestaltungen (Zentralstelle), für die eine eigenständige Suche und Prüfung von Gestaltungsfällen nicht vorgesehen war. Wesentliche Aufgabe war die Unterstützung der FÄ durch rechtliche Hilfestellung, Fachinformationen über rechtliche Entwicklungen sowie die Organisation von Schulungen und Workshops. Die FÄ meldeten seit Gründung der Zentralstelle zwei abgeschlossene Fälle, bei denen sich der Verdacht auf Cum/Cum-Gestaltungen nicht erhärtete. Seit dem Veranlagungszeitraum 2016 sind durch die Einführung des §36a EStG derartige Cum/Cum-Gestaltungen ausgeschlossen.


50.2.3.2 Steuerausfallrisiken

Tabelle 73


Von den zu Beginn der örtlichen Erhebungen des ORH bekannten und noch bestehenden Steuerausfallrisiken (133 Mio. Euro aus 9 Steuerfällen) konnten der Staatskasse bisher knapp 25 Mio. Euro wieder zugeführt werden. Von den ausständigen 108 Mio. Euro entfielen 102 Mio. Euro auf Fälle, die zum Zeitpunkt der ORH-Prüfung noch nicht abgeschlossen waren; ein Fall mit knapp 6 Mio. Euro Streitwert war verjährt. Parallel zu den Cum/Ex-Fällen entfiel der Großteil der Steuerausfallrisiken mit fast 98 Mio. Euro der bekannten Cum/Cum-Gestaltungen auf offene Investmentfonds.

Der ORH sichtete weitere 9 Cum/Cum-Verdachtsfälle mit einem KapESt-Volumen von 176 Mio. Euro. Ein Verdachtsfall war bereits verjährt; in den 8 weiteren Fällen war eine Bp bereits abgeschlossen. Der ORH regte dazu im Lichte neuer Erkenntnisse zeitnahe Ermittlungen durch die Zentralstelle an.


50.2.4 Ähnliche Gestaltungsmodelle

Neben Cum/Ex- und Cum/Cum-Gestaltungen im engeren Sinne wurden weitere, ähnliche Gestaltungsmodelle mit KapESt von 477 Mio. Euro aufgedeckt, die dazu dienten, die ordnungsgemäße Besteuerung von Dividenden zu umgehen. Zum Beispiel verhalf eine in Bayern ansässige Depotbank einem Kunden dazu, KapESt zu hinterziehen. Der Kunde erhielt vom FA eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung, weil er sich als gemeinnützige Unternehmergesellschaft ausgab. Diese Bescheinigung war für Erträge, die in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb anfallen, unzulässig.9 Obwohl die Gesellschaft 2016 und 2017 mit Aktien im Umfang von 3,75 Mrd. Euro handelte, behielt die Depotbank darauf keine KapESt ein. Da die Depotbank in Insolvenz ging, entstand ein voraussichtlicher Steuerausfall von 35,3 Mio. Euro.


50.3 Würdigung und Empfehlungen

Die Steuerverwaltung könnte missbräuchliche Gestaltungsmodelle zeitnäher entdecken, wenn abgeführte und erstattete/angerechnete KapESt auf Bundesebene in einer zentralen Stelle analysiert würden. Dafür sollten die Voraussetzungen für eine maschinelle Auswertung der KapESt-Anmeldungen von Depotbanken sowie der Steuererklärungen von offenen Investmentfonds geschaffen werden.

Cum/Ex- und Cum/Cum-Gestaltungen haben gezeigt, dass ohne spezielles Fachwissen eine effektive Bp von Kreditinstituten - die direkt oder als Depotbanken für Investmentfonds oder sonstige Kapitalgesellschaften wirkten - nicht möglich ist. Die ohnehin komplexe Materie bei gleichzeitig hoher steuerlicher Auswirkung stellt die Prüfer vor große Herausforderungen. Neue Gestaltungsmodelle zeigen, dass Steuerpflichtige weiter versuchen, eine ordnungsgemäße Besteuerung von Aktienerträgen zu umgehen. Insbesondere den Betriebsprüfern von Kreditinstituten wird auch zukünftig die Aufgabe zukommen, komplexe Gestaltungsmodelle mit KapESt aufzudecken und zu prüfen. Hierfür ist auch fundiertes steuerrechtliches Spezialwissen erforderlich. Für Betriebsprüfer von Kreditinstituten gehörte die Aufarbeitung solcher Gestaltungsmodelle nicht zum üblichen Prüfungsgeschäft. Sie konnten derartige Aufgaben oft nicht ohne spezielle steuerrechtliche wie auch technische Unterstützung bewältigen. Die dezentrale Organisation der Prüfung von Kreditinstituten erschwert zudem einen laufenden persönlichen Erfahrungsaustausch. Gerade kleinere Bp-Stellen können solch tiefgehende Prüfungen nicht bewältigen.

Eine zentralisierte Aufarbeitung der Cum/Ex- und Cum/Cum-Gestaltungen hat sich nach Auffassung des ORH grundsätzlich bewährt. Um aber den Herausforderungen der Prüfung von Kreditinstituten und insbesondere komplexen Gestaltungsmodellen auf dem Kapitalmarkt künftig angemessen begegnen zu können, sollte weiter Fachwissen gebündelt und arbeitsteilig Spezialwissen aufgebaut werden. Nur so können frühzeitig neue Gestaltungsmodelle entdeckt und geprüft werden.

Der ORH empfiehlt deshalb, die Prüfung von Kreditinstituten in wenigen Bp-Stellen zu zentralisieren.


50.4 Stellungnahme der Verwaltung

Das Finanzministerium teilt mit, dass bereits zum 01.03.2020 beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) das Informations- und Analysezentrum Kapitalertragsteuer (IAZ) eingerichtet worden sei, das eine Vielzahl von Daten zur KapESt untersuchen und analysieren solle, um weitere missbräuchliche Gestaltungsmodelle zu verhindern. Durch die Zusammenführung und Analyse von Informationen bei dieser Stelle könne erreicht werden, dass die komplexen und nur mit Spezialwissen zu Finanztransaktionen bewertbaren Sachverhalte schneller erfasst, geprüft und bewertet werden.

Die bayerische Steuerverwaltung gehe jedem Hinweis auf missbräuchliche Gestaltungen am Kapitalmarkt mit Nachdruck nach, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen. Die herausragende Arbeit der Steuerfahndung München werde auch dadurch verdeutlicht, dass die Staatsanwaltschaft Köln diese aufgrund ihrer Spezialkenntnisse auch bei Ermittlungsarbeiten zu dortigen Fällen miteinbeziehen wolle. Die bayerische Steuerverwaltung sei diesem Wunsch nachgekommen. Die Prüfung der vom ORH benannten neuen Cum/Cum-Verdachtsfälle10 laufe; missbräuchliche Cum/Cum-Gestaltungen ließen sich voraussichtlich nicht zweifelsfrei bestätigen. Ebenso hätten die Untersuchungen der bayerischen Steuerfahndung und auch der Staatsanwaltschaft zu dem neuen Cum/Ex-Verdachtsfall11 den Verdacht nach aktuellem Stand nicht bestätigen können; die Ermittlungen dauerten aber noch an.

Der Vorschlag des ORH zur Zentralisierung der Prüfung von Kreditinstituten solle nicht aufgegriffen werden: Die früher bestehende Sonderzuständigkeit für die Prüfung von Kreditinstituten sei zum 01.01.2006 aufgehoben worden. Ziel der Neustrukturierung sei gewesen, Aufgaben möglichst dort zu erledigen, wo sie anfallen. Die Prüfung der großen Banken sei ohnehin bei den zentral zuständigen FÄ München und Nürnberg-Zentral verblieben. Es seien Maßnahmen ergriffen worden, um einen Erfahrungsaustausch der Bankenprüfer zu gewährleisten. So fänden neben bayernweiten Erfahrungsaustauschen auch regelmäßig regionale Dienstbesprechungen und Tagungen in anderen Ländern bzw. beim BZSt statt. Zudem seien für die Bankenprüfer spezifische Fortbildungsmaßnahmen entwickelt und eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, welche rechtliche und prüfungspraktische Herausforderungen bespreche und dazu konkrete Handlungsempfehlungen mitteile. Zudem sei die Zentralstelle des LfSt weiterhin auch für zukünftige Gestaltungsmodelle am Kapitalmarkt zuständig und unterstütze die FÄ bei der rechtlichen Aufarbeitung. Der Ausbau und die Festigung von Fachwissen würden somit bereits auf vielseitige Art und Weise unterstützt.

Zur lückenlosen Aufarbeitung von derart komplexen Gestaltungen seien ferner regelmäßig die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten der Steuerfahndung als strafrechtliches Ermittlungsorgan (z.B. zur Vernehmung von beteiligten Personen) sowie ein hinreichender (Anfangs-)Verdacht auf eine Steuerstraftat vonnöten. Hierfür reichten die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten der Bp nicht aus, sodass in der Folge auch eine Zentralisierung der Bankenprüfung keinen wesentlichen Vorteil bei der Aufarbeitung von missbräuchlichen Gestaltungsmodellen am Kapitalmarkt biete. Da insbesondere auch Steuerausländer als Inhaber von inländischen Aktien eine wesentliche Rolle bei missbräuchlichen Gestaltungsmodellen am Kapitalmarkt spielen, komme zudem dem IAZ mit seinen bundesweiten Abruf- und Analysemöglichkeiten eine zentrale Rolle bei der künftigen Prävention von missbräuchlichen Gestaltungsmodellen zu. Aus Sicht der Steuerverwaltung seien die ergriffenen organisatorischen Maßnahmen, nämlich das Einrichten der Task-Force und einer Ermittlungsgruppe sowie die Bildung der Zentralstelle beim LfSt, zielführend und effektiv.


50.5 Schlussbemerkung

Angesichts der enormen Steuerausfallrisiken von mindestens 865 Mio. Euro überzeugt die Argumentation des Finanzministeriums nicht. Die Bündelung von anspruchsvollen Spezialkenntnissen hat sich gerade am Beispiel der Cum/Ex-Gestaltungen als adäquate Maßnahme gegen steuerliche Gestaltungsmodelle auf dem Finanzsektor erwiesen. Erst durch die von der Verwaltung speziell eingerichteten, zentralisierten Stellen in Steuerfahndung und Bp konnten derart komplexe Gestaltungen effektiv aufgedeckt werden.

Um künftigen Herausforderungen angemessen entgegenzutreten, empfiehlt der ORH daher dringend eine stärkere Bündelung der Prüfung von Kreditinstituten. Allein mit turnusmäßigen Erfahrungsaustauschen kann die Sicherung von Spezialkenntnissen nicht ausreichend gewährleistet werden. Die Vorteile von zentralisiertem Spezialwissen in diesem Bereich überwiegen die Nachteile einer etwas ortsferneren Prüfung aus Sicht des ORH deutlich.

 


[1] LT-Drs. 18/3546 vom 01.11.2019.
[2] Als Leerverkauf wird ein Handelsgeschäft bezeichnet, bei dem der Verkäufer zum Zeitpunkt des Handelsabschlusses (noch) nicht Eigentümer des zum Verkauf stehenden Handelsguts ist.
[3] LT-Drs. 18/3556 vom 18.10.2019.
[4] Sachverständigengutachten für den 4. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode von Prof. Dr. Christoph Spengel vom 28.07.2016 TNr. 2.2.2, abrufbar unter https://www.bundestag.de/webarchiv/Ausschuesse/ausschuesse18/ua/4untersuchungsausschuss/gutachten/gutachten-inhalt-438662.
[5] BGBl.I 2006, S.2878.
[6] Ein 2020 geplanter Erfahrungsaustausch entfiel pandemiebedingt.
[7] Nicht in Tabelle 72 enthalten.
[8] Bei offenen Investmentfonds werden ohne Begrenzung neue Anteile am Investmentvermögen an die Anleger verkauft und in weiteres Sondervermögen investiert.
[9] §44a Abs. 4 Satz 5 EStG.
[10] TNr. 50.2.3.2.
[11] TNr. 50.2.2.4.