Jahresbericht 2022

TNr. 48 Wohnraum für Staatsbedienstete

Wohngebäude der Stadibau GmbH

Die Wohnungsfürsorge des Freistaates kann ihr Ziel immer weniger erfüllen: Im Jahr 2019 erhielten nur noch rd. 14% aller Antragsteller im S-Bahn-Bereich München eine Staatsbedienstetenwohnung. Die geplanten Neubaumaßnahmen kompensieren fast nur ausgelaufene Belegungsrechte. Es bedarf daher weiterer Anstrengungen, um Staatsbediensteten künftig ausreichend bezahlbaren und dienstortnahen Wohnraum anbieten zu können.

Ferner empfiehlt der ORH ein transparentes Belegungsmanagement mit dem Ziel, dass Wohnungen ausschließlich durch berechtigte Personen genutzt sowie in berechtigtem und damit angemessenem Umfang belegt werden.

Der ORH hat 2019/2020 gemeinsam mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Ansbach und Regensburg geprüft, in welchem Ausmaß das Ziel der Wohnungsfürsorge, Staatsbediensteten baldmöglichst eine angemessene Wohnung zuzuweisen, erreicht wird. Prüfungsmaßstab waren Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.


48.1 Ausgangslage

Der Freistaat betreibt Wohnungsfürsorge zum Zweck, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu erhalten. Damit soll insbesondere versetzten, abgeordneten oder neu eingestellten Beschäftigten geholfen werden, baldmöglichst eine ihrer Dienststellung, ihren Einkommensverhältnissen und der Größe ihrer Familie angemessene Wohnung am Dienstort einschließlich des Einzugsgebiets zu beziehen. Gleichzeitig soll so die Dauer der getrennten Haushaltsführung verkürzt und Trennungsgeld eingespart werden.1

Antragsberechtigt sind neben den Beschäftigten des Freistaates die Beschäftigten der Bayerischen Universitätsklinika und der Bayerischen Staatsforsten.2

Maßgeblich für die Zuweisung einer Wohnung ist die Dringlichkeit des Antrags (Stufen 1 bis 3).3 Zur Dringlichkeitsstufe 1 zählen insbesondere Beschäftigte, die Anspruch auf Trennungsgeld haben oder die an einen anderen Ort als den bisherigen Wohnort versetzt, abgeordnet oder dort eingestellt werden, sowie Beschäftigte mit erhöhtem Raumbedarf aufgrund der Kinderzahl. Zur Dringlichkeitsstufe 2 zählen hauptsächlich Beschäftigte, deren Wohnung nach Lage, Ausstattung, Raumzahl oder Miethöhe als nicht angemessen gilt. Der Dringlichkeitsstufe 3 werden alle sonstigen Anträge zugeordnet.

Zuständig für die Zuweisung der Wohnungen und die Überwachung der Belegungsvoraussetzungen ist die Wohnungsfürsorgestelle des Landesamts für Finanzen (LfF).4 Die Wohnungsfürsorgestelle ist weder Eigentümerin der Wohnungen noch bewirtschaftet sie diese. Sie hat daher auch keinen Einfluss auf die Zahl der Staatsbedienstetenwohnungen und die Belegungsrechte daran.

Vielmehr resultieren die Belegungsrechte des Freistaates an diesen Wohnungen im Wesentlichen aus der staatlichen Förderung von Staatsbedienstetenwohnungen. Der Freistaat gewährte bis 2002 privaten und öffentlichen Bauherren Förderdarlehen und erhielt dafür Belegungsrechte für die Dauer der Darlehenslaufzeit. Seit 2003 ist ausschließlich die Stadibau - Gesellschaft für den Staatsbedienstetenwohnungsbau in Bayern mbH (Stadibau) förderberechtigt. Alleingesellschafter der Stadibau ist der Freistaat.

Die Stadibau baut und bewirtschaftet seit 1974 Staatsbedienstetenwohnungen und unterstützt den Freistaat so bei seinen Aufgaben im Bereich der staatlichen Wohnungsfürsorge.

Aufgrund der Zuweisung durch die Wohnungsfürsorgestelle schließt der Wohnungseigentümer mit dem Antragsteller einen Mietvertrag.5 Größter Vermieter ist die Stadibau.


48.2 Feststellungen

Der Wohnungsfürsorgestelle standen insgesamt 12.927 Wohnungen6 zur Belegung zur Verfügung. Hiervon befanden sich 9.705 Wohnungen (75%) im S-Bahn-Bereich München. Die Stadibau verwaltete 7.195 Wohnungen, davon 6.780 Wohnungen (94%) im S-Bahn-Bereich München.

Der Bau von Staatsbedienstetenwohnungen ist mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden. So rechnet die Stadibau im Neubauprogramm 2020 bis 2029 für eine 70 m²-Wohnung mit Neubaukosten - ohne Grundstück - von 400.000 Euro. Die Grundstücke werden der Stadibau in der Regel vom Freistaat im Wege eines unentgeltlichen Erbbaurechts zur Verfügung gestellt.


48.2.1 Zuweisung von Staatsbedienstetenwohnungen und Belegungsrechte

Die Prüfung konzentrierte sich auf Wohnungen im S-Bahn-Bereich München, da sich dort mit 75% der weit überwiegende Anteil der Belegungsrechte befand. Gleichzeitig lagen dort die meisten Wohnungsanträge vor. Von 4.623 offenen Wohnungsanträgen im Jahr 2019 entfielen auf den S-Bahn-Bereich München 4.0647 (88%).

Die Zahl der Wohnungsanträge, der Zuweisungen und der sonstigen Erledigungen stellt sich von 2010 bis 2019 wie folgt dar:

Abbildung 23


Die Zuweisungsquote stellt die Anzahl der Zuweisungen ins Verhältnis zur Anzahl der Anträge abzüglich der sonstigen Erledigungen.8 Als sonstige Erledigungen bezeichnet die Wohnungsfürsorgestelle alle Anträge, denen innerhalb von zwei Jahren keine Wohnung zugewiesen werden konnte und daher ihre Gültigkeit verlieren,9 oder die vom Antragsteller zurückgenommen wurden. Detaillierte Zahlen lagen dazu nicht vor.

Die Zuweisungsquote war über die Jahre 2010 bis 2019 rückläufig. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der rückläufigen Zahl an Zuweisungen (von 921 auf 680) bei einer steigenden Zahl von Anträgen (von 1.913 auf 3.825). Bei den Antragstellern der Dringlichkeitsstufe 2 fiel die Zuweisungsquote über diesen Zeitraum von 35 auf 10%, bei den Antragstellern der Dringlichkeitsstufe 1 von 50 auf 26%. Insgesamt sank die Zuweisungsquote von 31 auf 14%. Somit bekamen 2019 insgesamt 86% der Antragsteller keine Wohnung zugewiesen.

Die Belegungsrechte an den Wohnungen der Stadibau stehen dem Freistaat auf Dauer zur Verfügung. In den übrigen Fällen erlischt das Belegungsrecht mit Rückzahlung des vom Freistaat gewährten Förderdarlehens. Der wohnungsfürsorgeberechtigte Mieter kann zwar in der Wohnung verbleiben; für die künftige Belegung durch die Wohnungsfürsorgestelle steht sie aber nicht mehr zur Verfügung.

2010 bis 2019 lief das Belegungsrecht an 769 Wohnungen mehr aus als neu hinzukamen. Im Neubauprogramm der Stadibau für die Jahre 2020 bis 2029 plante die Stadibau 2019 den Neubau von 1.868 Wohnungen. Für 975 Wohnungen läuft in diesem Zeitraum die Belegungsbindung aus; der Bestand wird sich also voraussichtlich um 893 Wohnungen erhöhen. Über den gesamten Zeitraum 2010 bis 2029 betrachtet, beträgt der Zuwachs an Belegungsrechten damit 124 Wohnungen.


48.2.2 Überprüfung der Belegungsberechtigungen

2019 betrug die Mietdauer der von der Stadibau verwalteten 6.780 Wohnungen im S-Bahn-Bereich München in 51% der Fälle länger als 10 Jahre. Bei 32% lag der Vertragsbeginn zwischen 11 und 20 Jahren zurück; 19% der Mietverträge bestanden mehr als 20 Jahre.

Während des Antragsverfahrens überprüft die Wohnungsfürsorgestelle die Berechtigung der Antragsteller zur Belegung einer Wohnung und lässt sich entsprechende Nachweise vorlegen. Mit Annahme des Wohnungsangebots verpflichtet sich der zukünftige Mieter, der Wohnungsfürsorgestelle jede Änderung von Dienst- und Familienverhältnissen mitzuteilen. Daneben wird die Beschäftigungsbehörde mit Übersendung eines Abdrucks der Wohnungszuweisung gebeten, solche Änderungen mitzuteilen.

Während der Mietdauer kann sich der Bedarf an Wohnraum ändern, z.B. durch Verkleinerung oder Vergrößerung der Familien, sodass die Wohnung nach den BayWoVR nicht mehr angemessen ist10 und somit ein Wohnungstausch angezeigt sein kann. Die Berechtigung zur Wohnungsnutzung kann sogar entfallen, wenn der Mieter aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist oder andere schwerwiegende Gründe vorliegen, die das Verlangen auf Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen.11

Die Wohnungsfürsorgestelle überprüft während der Mietdauer die Berechtigung in Stichproben bei einzelnen kleineren Objekten oder anlassbezogen im Einzelfall. Regelmäßige Abfragen bei den Mietern erfolgen nicht; systematische Erkenntnisse über Fehlbelegungen liegen der Wohnungsfürsorge nicht vor.


48.3 Würdigung und Empfehlungen


48.3.1 Zuweisung von Staatsbedienstetenwohnungen und Belegungsrechte

Die Wohnungsfürsorge des Freistaates kann das Ziel, versetzten, abgeordneten oder neu eingestellten Beschäftigten baldmöglichst eine angemessene Wohnung zuzuweisen und damit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu erhalten, immer weniger erfüllen. So hat sich die Zuweisungsquote binnen zehn Jahren mehr als halbiert. Selbst in der Dringlichkeitsstufe 1 bekommt nur noch jeder vierte Antragsteller eine Wohnung zugewiesen. Gründe hierfür sind der rückläufige Bestand an Belegungsrechten, bei gleichzeitig steigendem Wohnungsbedarf und einer geringen Fluktuation der Mieter.

Nach Auffassung des ORH können selbst die geplanten Neubauten nur bedingt Entlastung schaffen, denn sie kompensieren fast nur ausgelaufene Belegungsrechte. Dem steht ein prognostizierter Anstieg der Einwohnerzahl in München von 2019 bis 2030 um 7,8%12 gegenüber. Das bringt dort auch einen zusätzlichen Bedarf an Wohnraum für Staatsbedienstete mit sich. Insbesondere die Tätigkeit von Polizei-, Pflege- und Lehrkräften ist ortsgebunden und kaum im Homeoffice erbringbar.


48.3.2 Überprüfung der Belegungsberechtigungen

Staatsbedienstetenwohnungen sind für den Freistaat ein knappes und kostenintensives Gut. Die Belegungsrechte sind daher möglichst effizient zu nutzen. Ein ordnungsgemäßes und wirtschaftliches Belegungsmanagement durch die Wohnungsfürsorgestelle bedeutet daher zumindest, während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses sicherzustellen, dass die Wohnungen ausschließlich durch berechtigte Personen genutzt sowie in berechtigtem und damit angemessenem Umfang belegt werden. Bei der notwendigen Kontrolle kann sich die Wohnungsfürsorgestelle nicht vollständig auf Informationspflichten der Beschäftigungsbehörde oder der Mieter verlassen.

Aufgrund der häufig langen Dauer der Mietverhältnisse ist nicht auszuschließen, dass unberechtigte Nutzungen unerkannt bleiben. Dringend benötigte Wohnungen stehen in diesen Fällen nicht zur Vergabe an Antragsteller oder zum Tausch zur Verfügung.

Nach Auffassung des ORH sollte die Wohnungsfürsorgestelle daher regelmäßig bei den Mietern die Berechtigungsvoraussetzungen abfragen und entsprechende Nachweise anfordern, wie es z.B. bereits bei der Überprüfung der Kindergeldberechtigung durch die Familienkasse des LfF üblich ist. So lassen sich Fehlbelegungen zuverlässig ermitteln. Der ORH empfiehlt, diesen Überblick zudem zu nutzen, um - soweit die Voraussetzungen der BayWoVR vorliegen - gezielt Mietern von unterbelegten Wohnungen ein Angebot zum Tausch oder Umzug in eine kleinere Wohnung zu machen.


48.4 Stellungnahme der Verwaltung

Die staatliche Wohnungsfürsorge sei ein wichtiges Instrument zum Erhalt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung insbesondere im Ballungsraum München. Der Grad der Aufgabenerfüllung lasse sich allerdings nicht anhand der gesunkenen Zuweisungsquote messen, da sich viele Wohnungsanträge anderweitig erledigen würden. Dies werde in der allgemeineren Erledigungsquote erfasst, die den tatsächlichen Bedarf realitätsnäher wiedergebe. Die Erledigungsquote habe sich von 51% im Jahr 2010 auf 40% im Jahr 2019 und damit weniger stark als die reine Zuweisungsquote reduziert. Die geringe Fluktuation sei zwar eine Ursache für die gesunkene Zuweisungsquote, jedoch auch ein Indikator für die hohe Personalbindung und den angespannten Wohnungsmarkt.

Mit dem Neubauprogramm der Stadibau GmbH werde der Wohnungsbestand zugunsten der Wohnungsfürsorge nachhaltig und dauerhaft gestärkt. Damit werde zugleich ein Ausgleich für das Auslaufen befristeter Belegungsrechte geschaffen.

Zur Überwachung der Belegungsberechtigung weist das LfF darauf hin, dass die lange Belegungsdauer Ausdruck der gewollten Personalbindung und Folge einer steigenden Lebenserwartung sei, da Bedienstete auch nach Ruhestands- oder Renteneintritt grundsätzlich nicht aus den Mietwohnungen gekündigt würden. Die Überprüfung der Mietberechtigung erfolge im Rahmen des Vergabeverfahrens und anlassbezogen im Einzelfall. Der Hinweis auf bestehende Mitwirkungs- und Auskunftspflichten der Mieter und der Beschäftigungsbehörden bedeute nicht, dass die Überprüfung auf diese übertragen werde. Dennoch werde die Verwaltung darauf hinwirken, mithilfe des neuen IT-Verfahrens BayWOF.net mittels datenschutzkonformer VIVA-Abfrage13 verstärkt zu überprüfen, ob die Wohnungsfürsorgeberechtigung fortbestehe. In diesem Zusammenhang werde das LfF die Personalausstattung der Wohnungsfürsorgestelle prüfen.


48.5 Schlussbemerkung

Für das Ziel, Staatsbediensteten baldmöglichst eine angemessene Wohnung zuzuweisen und damit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu erhalten, kann ausschließlich die Zuweisung einer Wohnung das maßgebliche Kriterium sein und nicht die vom LfF genannte Erledigungsquote. Diese stellt in vielen Fällen nämlich auf den bloßen Zeitablauf seit dem Wohnungsantrag ab.

Die über die Jahre 2010 bis 2019 rückläufige Zuweisungsquote belegt, dass die Wohnungsfürsorge ihr Ziel immer weniger erreichen kann. So erhielten 2019 nur noch 14% aller Antragsteller im S-Bahn-Bereich München eine Wohnung.

Die geplanten Neubaumaßnahmen kompensieren fast nur ausgelaufene Belegungsrechte. Es bedarf daher weiterer Anstrengungen, um Staatsbediensteten künftig ausreichend bezahlbaren und dienstortnahen Wohnraum anbieten zu können. Dies würde zudem die Attraktivität des Freistaates als Arbeitgeber gerade für niedrige und mittlere Einkommensgruppen steigern.

Ferner empfiehlt der ORH ein transparentes Belegungsmanagement mit dem Ziel, dass Wohnungen ausschließlich durch berechtigte Personen genutzt sowie in berechtigtem und damit angemessenem Umfang belegt werden.

 


[1] Nr. 1 BayWoVR.
[2] Nr. 2 BayWoVR.
[3] Nr. 4 ff. BayWoVR.
[4] Nr. 11.1 S. 2 BayWoVR.
[5] Nr. 11.2 BayWoVR.
[6] Stand: 31.12.2019.
[7] 4.064 offene Anträge (3.825 Antragsbestand zuzüglich 2.922 Antragszugänge abzüglich 680 Zuweisungen abzüglich 2.003 sonstige Erledigungen).
[8] Zuweisungen dividiert durch den Bestand inklusive Zugänge und abzüglich Erledigungen.
[9] Nr. 11.1 Sätze 3 und 4 BayWoVR.
[10] Nr. 10 BayWoVR.
[11] Nr. 9 BayWoVR.
[12] Demografiebericht München - Teil 2 vom April 2021.
[13] Voll Integriertes Verfahren komplexer Anwendungen.