TNr. 47 Elektronische Zahlungsabwicklung in der Staatsverwaltung

Die Gesamtkosten für die staatliche Basiskomponente ePayment zur elektronischen Zahlungsabwicklung von Verwaltungsleistungen belaufen sich mittlerweile auf über 3,5 Mio. Euro. Wegen der unzureichenden Nutzung kostete jeder so zwischen 2017 und 2020 vereinnahmte Euro durchschnittlich noch 58 Cent. Der ORH empfiehlt, das Angebot der elektronischen Zahlungsabwicklung deutlich auszuweiten.
Über das BayernPortal finanziert der Freistaat eine weitere ePayment-Plattform mit ähnlichen Funktionen für die Kommunen. Der ORH empfiehlt, beide IT-Verfahren abzugleichen und dabei die Standardisierung zu nur einer ePayment-Lösung zu prüfen.
Der ORH hat 2020/2021 mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Regensburg insbesondere den Einführungsstand der staatlichen zentralen Basiskomponente ePayment zur elektronischen Zahlungsabwicklung von Verwaltungsleistungen untersucht. Prüfungsmaßstab waren Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.
47.1 Ausgangslage
47.1.1 Gesetzliche Grundlagen
Gesetze wie das BayEGovG und das OZG geben den Rahmen für digital nutzbare Verwaltungsleistungen vor. So verpflichtet das OZG Bund, Länder und Kommunen, u.a. ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 digital über Verwaltungsportale verfügbar zu machen. Art. 5 Abs. 1 BayEGovG zufolge bieten die Behörden geeignete elektronische Zahlungsmöglichkeiten an. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen und einer Reihe von gebührenpflichtigen Leistungen nimmt die Bedeutung und die Dringlichkeit für die Verwaltung zu, eine elektronische Zahlungsabwicklung - das ePayment - einzuführen.
47.1.2 Staatliche Basiskomponente ePayment
Der Ministerrat beschloss am 09.07.2002 die Einführung und Weiterentwicklung ressortübergreifender Anwendungen (Basiskomponenten), um die bayerischen eGovernment-Ziele zu erreichen. Für gleich gelagerte Aufgaben innerhalb der Staatsverwaltung sollen standardisierte Lösungen eingesetzt werden.
Die Verwaltung bietet kostenpflichtige Leistungen und Produkte online etwa über Webshops an. Die Basiskomponente ePayment stellt dafür mehrere Online-Bezahlmöglichkeiten zur Verfügung, etwa die Bezahlung über gängige Kreditkarten, SEPA-Lastschriftverfahren und PayPal. Gleichzeitig besteht intern eine automatisierte Abrechnung unter Anbindung an das elektronische staatliche Haushalts- und Kassenverfahren, sodass entsprechende Onlinezahlungen unmittelbar verbucht werden können.
Das Finanzministerium ist für die Basiskomponente ePayment zuständig. Es sieht Einsparpotenzial durch den Onlinevertrieb von Verwaltungsleistungen und deren automatisierter Abwicklung. Durch den Einsatz der Basiskomponente ließen sich Effizienzgewinne, z.B. beim Personalaufwand der Betreiber von Fachverfahren und Webshops sowie der Staatsoberkasse erreichen. Ebenso könnten parallele ePayment-Lösungen abgelöst und reduziert werden sowie bessere Konditionen bei den Gebühren der verschiedenen Bezahlarten erzielt werden.
47.1.3 ePayment-Plattform für Kommunen über das BayernPortal
Neben der staatlichen Basiskomponente ePayment gibt es eine Softwarelösung des Bundes und der Länder (ePayBL), die der Freistaat den Kommunen für ePayment über das BayernPortal zur Verfügung stellt.
Bei ePayBL handelt es sich um eine im Zuge der eGovernment-Initiative „BundOnline 2005“ entstandene ePayment-Lösung des Bundes. Sie wird von einem IT-Verbund aus Bund und zehn Bundesländern weiterentwickelt, gepflegt und gewartet (Entwicklergemeinschaft). Aus Bayern nimmt dort seit 2013 die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) teil.
47.2 Feststellungen
47.2.1 Projektierung der Basiskomponente ePayment
Ende 2005 sah das Finanzministerium zunächst vor, ePayBL für die elektronische Zahlungsabwicklung der unmittelbaren Staatsverwaltung zu verwenden. Das Finanzministerium hätte dafür einmalig 85.000 Euro aufwenden müssen, davon 65.000 Euro für die Beteiligung an der Bundeslösung und ca. 20.000 Euro für die Anbindung an das staatliche Haushalts- und Kassenverfahren. ePayBL hätte das Unternehmen umsetzen sollen, das im Auftrag des Bundes die Softwarelösung entwickelt hatte.
Anfang 2007 erteilte das Finanzministerium dem Landesamt für Finanzen (LfF) den Projektauftrag zur Einführung einer ePayment-Plattform als Basiskomponente auf Grundlage der Bundeslösung. Kurz vor Beauftragung zur Umsetzung gab das Softwareentwicklungsunternehmen der Bundeslösung im Oktober 2007 bekannt, dass sie aufgrund von Kapazitätsengpässen bis voraussichtlich zum ersten Quartal 2008 keinen weiteren Auftrag übernehmen könne.
Das Finanzministerium hielt die Einführung von ePayBL in der Staatsverwaltung wegen dieser Verzögerung für nicht vertretbar. Um Zeitrisiken zu vermeiden und trotzdem eine zeitnahe Realisierung zu erreichen, wurde eine alternative ePayment-Lösung aus einer vorherigen Markterkundung geprüft; dabei wurden ähnliche Funktionalitäten festgestellt wie bei ePayBL. Das Angebot für die alternative ePayment-Lösung für ein zeitlich befristetes Pilotsystem belief sich auf 71.400 Euro. Im Februar 2008 beauftragte das Finanzministerium daraufhin die Erstellung eines Testsystems mit dieser Alternative. Die Pilotierung startete im März 2010. In deren Verlauf wurde weiterer Anpassungs- und Änderungsbedarf erkannt.
Zur späteren Überführung in den Produktivbetrieb bot der Hersteller ein Nachfolgeprodukt an. Das Finanzministerium beschloss im Dezember 2011 dessen Beschaffung und Einsatz. Für die weitere Anbindung und Bereitstellung wurde 2012 ein Preis von 76.160 Euro vereinbArt. Die Umsetzung startete im Juli 2012 und der Produktivbetrieb im November 2016. Das Projekt zur Einführung einer ePayment-Plattform als Basiskomponente wurde im Dezember 2017 offiziell beendet. Insgesamt erhielt der Hersteller für Pilot- und Produktivsystem 147.560 Euro, während für die Bundeslösung 85.000 Euro zu zahlen gewesen wären.
Im Projekt gab es keine konkreten zeitlichen Vorgaben zu dessen Dauer und auch keine darauf abgestimmte Termin- und Ressourcenplanung der Arbeitspakete. Kennzahlen zur Überwachung des Projekts wurden nicht festgelegt. Zu den zeitlichen Abläufen im Projekt wurde einerseits von massiven Problemen in der Zusammenarbeit mit dem Hersteller berichtet. Andererseits musste das Projektpersonal beim LfF immer wieder für Linienaufgaben oder andere höherpriorisierte Projekte eingesetzt werden und stand somit dem Projekt zeitweise nur mit einem geringen Anteil zur Verfügung.
Im Zeitraum von 2007 bis 2020 entstanden für die Einführung und Bereitstellung der ePayment-Basiskomponente Gesamtkosten von über 3,5 Mio. Euro. Diese umfassen neben den Herstellerkosten, die Kosten für die Einführung und den Betrieb, insbesondere auch die Personalkosten beim LfF und beim Finanzministerium. Kosten anderer Behörden für die Pilotierung und Einführung der Basiskomponente sind darin nicht enthalten. Die Gesamtkosten beliefen sich bis 2011 auf 800.000 Euro. Bis zum Produktivbetrieb im November 2016 summierten sie sich weiter auf annähernd 1,9 Mio. Euro. Seitdem kamen bis Ende 2020 Kosten von weiteren 1,6 Mio. Euro1 hinzu.
47.2.2 Nutzung
Die Basiskomponente ePayment nutzten bisher2 sechs Behördenzweige.
Seit der Produktivsetzung 2016 wurden ca. 2,7 Mio. Euro über die Basiskomponente vereinnahmt.
Als einen Grund für den derzeitigen Stand des Rollouts sieht das Finanzministerium personelle Engpässe beim LfF an. Neue Nutzer würden für die Einbindung der Basiskomponente in ihr Verfahren üblicherweise Supportleistungen benötigen. Zudem würde die Nutzerseite nicht kontinuierlich betreut, sondern meist in Etappen, was den Rollout verzögere.
47.2.3 ePayment-Plattform für Kommunen über das BayernPortal
Der Freistaat stellt den Kommunen ePayBL über das BayernPortal dauerhaft kostenfrei zur Verfügung, das neben ePayment auch weitere Dienste umfasst (BayernID, Digitaler Postkorb). Das Finanzministerium hat mit der AKDB einen Systemlieferungsvertrag für das BayernPortal abgeschlossen. Der Freistaat zahlt dafür pauschal 2 Mio. Euro jährlich. Die Kosten für die Weiterentwicklung und Pflege sowie für den Kundenservice und den Betrieb von ePayBL sind darüber abgedeckt.
Die strikte Trennung beim ePayment nach staatlichem (Basiskomponente) und kommunalem (ePayBL) Verfahren wurde von der Verwaltung nicht begründet. Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hierzu unterblieb. Letztmalig hat das Finanzministerium 2006 bei einem Abgleich der beiden Verfahren festgestellt, dass beide über ähnliche Funktionalitäten verfügten. Ob ePayBL auch für die staatlichen Verwaltungsleistungen eingesetzt werden kann oder ob eine Anbindung der kommunalen Verwaltungsverfahren an die Basiskomponente möglich ist, wurde nicht analysiert.
47.3 Würdigung und Empfehlungen
47.3.1 Projektierung der Basiskomponente ePayment
Erfahrungsgemäß dauert die Entwicklung eines neuen IT-Systems länger als die Übernahme eines bestehenden und verursacht zusätzliche Kosten. Deswegen tragen Dringlichkeitsgründe die Entscheidung gegen das vorhandene ePayBL nicht. Zudem hätten die Entscheidungsalternativen von Basiskomponente und Bundeslösung schon wegen deren sehr ähnlicher Funktionalitäten von Anfang an im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen aufgezeigt und bewertet werden müssen.
Tatsächlich brachte die Entscheidung im Februar 2008 gegen die geeignete Software des Bundes und für die Beschaffung der alternativen ePayment-Lösung statt der schnellen Lösung erhebliche Verzögerungen und Kostensteigerungen. Das lag aufseiten des Freistaates auch an der unzureichenden Projektsteuerung ohne konkrete zeitliche Vorgaben sowie an vorhersehbaren Personalengpässen. Hinzu kamen noch Probleme in der Zusammenarbeit mit dem Hersteller der Software.
Fünf Jahre nach dem Projektauftrag an das LfF von 2007 stand der Verwaltung, trotz Kosten von bis dahin knapp 800.000 Euro, immer noch kein geeignetes System für einen flächendeckenden Rollout zur Verfügung. Im Verhältnis zu den Gesamtkosten bis zur Produktivsetzung im November 2016 in Höhe von 1,9 Mio. Euro wurden somit über 41% für konzeptionelle Tätigkeiten aufgewendet. Dies erscheint überproportional hoch und unwirtschaftlich.
Der ORH empfiehlt, künftig auf ein wirksames Projektmanagement sowie Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu achten. Bei diesen sollten auch bereits bestehende Lösungen einbezogen werden.
47.3.2 Nutzung
Seit dem Start des Produktivbetriebs im November 2016 steht den Dienststellen die Basiskomponente ePayment zur Verfügung. Derzeit nutzen nur sechs Behördenzweige die Basiskomponente ePayment. Deren Rollout wurde also bislang offensichtlich vernachlässigt.
Von 2017 bis 2020 wurden nur ca. 2,7 Mio. Euro über die Basiskomponente vereinnahmt. Dem stehen in diesem Zeitraum Kosten von ca. 1,6 Mio. Euro gegenüber. Binnen vier Jahren wurden somit jährlich durchschnittlich 390.000 Euro für die Basiskomponente aufgewendet und ca. 670.000 Euro darüber vereinnahmt. In Relation entfielen also auf jeden elektronisch vereinnahmten Euro rechnerisch im Durchschnitt anteilige Gesamtkosten von 58 Cent, wobei die Spanne von 87 Cent 2017 bis 32 Cent 2020 reicht. Das Potenzial an personellen Einsparmöglichkeiten, wie beispielsweise bei der sonst manuellen Erfassung im Kassen- und Haushaltsverfahren bei jedem Verkaufsvorgang im Webshop, wird bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Der ORH bewertet all das als eindeutig unwirtschaftlich.
47.3.3 ePayment-Plattform für Kommunen über das BayernPortal
Die derzeitige Unterscheidung zwischen staatlichem und kommunalem Verwaltungsverfahren beim ePayment trägt nicht zur Vereinheitlichung der IT-Landschaft bei. Trotz ähnlicher Funktionalitäten werden beide Verfahren nebeneinander weiterentwickelt.
Da der Freistaat ePayBL den Kommunen kostenfrei anbietet, trägt er neben den Kosten für seine Basiskomponente weitere Kosten für eine zweite ePayment-Lösung mit vergleichbaren Funktionalitäten. Das verletzt den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Nach Ansicht des ORH widerspricht dies auch dem Leitgedanken der Standardisierung durch Basiskomponenten und der Konsolidierung der IT-Landschaft.
Der Einsatz und die möglichen Synergieeffekte von ePayBL oder der Basiskomponente sollten daher genau daraufhin geprüft werden, ob künftig nur ein ePayment-System ausreicht. Die wirtschaftlichste Lösung ist dann weiterzuführen.
47.4 Stellungnahme der Verwaltung
Aus Sicht des Finanzministeriums sind die Feststellungen und Empfehlungen des ORH begründet und können mitgetragen werden. Das LfF beginne Anfang 2022 mit dem Vergleich beider Verfahren. Davon erhoffe man sich im Laufe des Februars erste Erkenntnisse zu grundlegenden Informationen über die künftige Ausrichtung des ePayments in Bayern. Dabei stünde strategisch dessen langfristige Ausrichtung im Fokus.
Auf eine konsequente Projektdurchführung mit einer zielgerichteten Projektsteuerung und -planung werde in Zukunft verstärkt geachtet. Hinsichtlich der Kostenbewertung und -empfehlung bestehe Konsens. Allerdings könne die Digitalisierung der Staatsverwaltung in vielen Bereichen nicht ausschließlich monetär bewertet werden, die Investitionen seien vielmehr strategisch zu sehen. Oftmals würden sich während der Einführung neuer Technologien Bedürfnisse oder Rahmenbedingungen abzeichnen, die in der Umsetzungsphase oder im laufenden Betrieb stetig und ggf. mit zusätzlichem Aufwand umgesetzt werden müssten. Eine Amortisation in der Anfangszeit bestehe deshalb - wie hier - nicht zwangsläufig. Aus Kapazitätsgründen habe das LfF den Rollout nicht effektiv und termingerecht durchführen können. Um die Kundenzahl der Basiskomponente zu erhöhen, sei das LfF beauftragt worden, eine Akquise zu betreiben und ein Rollout-Konzept zu erarbeiten. Seit November 2021 würden Abfragen bei den Ressorts laufen. Derzeit seien für 2022 die Anbindung des Verfahrens PRIMUSS3 der Hochschulen für angewandte Wissenschaften und eines Verfahrens der Ludwig-Maximilians-Universität München geplant. Aus Kapazitätsgründen würden sich maximal drei Webshops jährlich neu an die Basiskomponente anbinden lassen.
47.5 Schlussbemerkung
Die Nutzung der staatlichen Basiskomponente ePayment liegt weit hinter den Erwartungen an einen modernen, bürgerfreundlichen und wirtschaftlichen IT-Einsatz zurück und ist dringend verbesserungsbedürftig. So sind staatliche Massenverfahren mit Zahlungen im Bereich von Polizei und Justiz nicht einbezogen.
Die Staatsregierung hat am 15.11.2021 beschlossen, die digitale Zusammenarbeit mit den Kommunen zur deutlich beschleunigten Digitalisierung der staatlichen wie der kommunalen Verwaltung neu aufzustellen. Neue eigene Strukturen, ggf. in Kooperation mit der AKDB sollen die unmittelbare Umsetzung von IT-Projekten ohne zeitaufwendige Vergabeverfahren an Externe ermöglichen. Vor diesem Hintergrund hält es der ORH erst recht für unwirtschaftlich, zwei ePayment-Lösungen anzubieten und zu bezahlen. Die Verwaltung sollte dringend die staatliche Basiskomponente ePayment mit ePayBL mit dem Ziel vergleichen, nur noch eine wirtschaftliche ePayment-Lösung vorzuhalten. Anschließend ist der Rollout-Prozess zu forcieren, um das Angebot zur elektronischen Zahlungsabwicklung deutlich auszuweiten.
[1] Gesamtkosten 2017: 415.200 Euro, 2018: 395.977 Euro, 2019: 437.334 Euro und 2020: 308.845 Euro.
[2] Stand: November 2020.
[3] Prüfungs-, Immatrikulations- und Studentenverwaltung System.