TNr. 46 Beschaffung einer zusätzlichen Mitteldistanzwaffe

Der ORH hat 2020/2021 mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Ansbach, Augsburg und Bayreuth beim Innenministerium und den beteiligten Polizeidienststellen den Beschaffungsvorgang zwischen 2016 und 2020 für eine zusätzliche Mitteldistanzwaffe (MDW) einschließlich deren Zubehör auf Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit geprüft. Der Bedarf einer zusätzlichen MDW war nicht Gegenstand der Prüfung.
46.1 Ausgangslage
Die Polizei ist standardmäßig seit 2018/2019 mit der Pistole HK SFP9 als Dienstwaffe ausgerüstet. Daneben hat die Polizei als ständig mitzuführende MDW die Maschinenpistole HK MP5. Das Innenministerium entschied 2017, dass aufgrund neuartiger Einsatzsituationen (insbesondere dem Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum in München) eine neue, zusätzliche MDW beschafft werden sollte. Damit hat die Polizei im allgemeinen Streifendienst drei Waffensysteme.
Entsprechend einer Länderumfrage vom 10.04.2017 verwenden alle anderen Landespolizeien mit Ausnahme von Schleswig-Holstein neben einer Pistole nur eine MDW im allgemeinen Streifendienst.
46.2 Feststellungen
Insgesamt wurde bis zum Kassenschluss 2020 für das Gesamtsystem MDW ein Betrag von 8.270.864 Euro verausgabt. Die Finanzierung erfolgte aus dem allgemeinen Polizeihaushalt. Der Ansatz für Beschaffungen ist im Polizeihaushalt so hoch, dass keine außer- oder überplanmäßigen Ausgaben für diese MDW-Beschaffungen entstanden.
46.2.1 Entscheidung für eine zusätzliche Mitteldistanzwaffe
Die Notwendigkeit der neuen, zusätzlichen MDW begründete das Innenministerium insbesondere damit, dass dadurch eine höhere Distanz zu den Tätern abgedeckt werden, die zielballistische Wirkung verbessert und die Treffsicherheit mittels optischer Zielhilfen erhöht werden könne. In diesem Zusammenhang verwarf das Innenministerium Vorschläge einer vorbereitenden Arbeitsgruppe (AG) Bewaffnung vom September 2016, die auch eine Aufrüstung der vorhandenen MP5 zum Inhalt hatten. Die Gründe hierfür waren aus den Unterlagen nicht ersichtlich.
Das Innenministerium beauftragte 2017 die Projektgruppe „Neue Dienstwaffe der Bayerischen Polizei“ (PGND) mit der Beschaffung von rd. 600 MDW einschließlich Zubehör sowie Einsatz- und Trainingsmunition. Später wurde die Zahl der Waffen auf 800, zuletzt auf 901 erhöht.
Eine haushaltsjahrübergreifende Zusammenstellung aller geplanten Kosten sowie eine darauf aufbauende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung oder Kosten-Nutzen-Analyse wurde nicht vorgelegt. Auch Folgekosten wurden nicht berücksichtigt, insbesondere:
- Personalkosten für Aus- und Fortbildung,
- Kosten für die Anmietung von Schießanlagen, da nahezu keine eigenen Schießanlagen zur Verfügung standen, auf welchen mit der MDW geschossen werden darf,
- Kosten für Waffenschränke zur Aufbewahrung und Behältnisse für einen geschützten Transport,
- Kosten für arbeitsschutzrechtlich gebotene Beschaffungen, da die MDW einen hohen Schall- und Gasdruck verursacht.
46.2.2 Vergabe
46.2.2.1 Vergabe im Paket
Waffe, Munition und Zubehör (je Waffe u.a. eine Waffentasche, drei Magazine, eine Waffenlampe, ein Trageriemen) wurden als Gesamtpaket im Mai 2018 im offenen Verfahren ausgeschrieben. Das Innenministerium begründete dies mit einer möglichen Zeitersparnis und weil eine Ausschreibung in mehreren Losen nicht möglich gewesen sei, da alle Komponenten miteinander kompatibel sein müssten. Ab dem Zeitpunkt der Empfehlung der AG Bewaffnung im September 2016 bis zur Auslieferung der ersten MDW und der Ausbildung der ersten Einsatzkräfte im Dezember 2019 vergingen mehr als drei Jahre.
Nach Anfragen von sieben Bietern ging nur ein Angebot ein. Ein Waffenhersteller begründete den Verzicht auf eine Angebotsabgabe ausdrücklich damit, dass er die erforderliche Paketausstattung nicht anbieten könne.
Die Ausschreibungsunterlagen enthielten eine Reihe von Anforderungen, einige waren jeweils als Ausschlusskriterium (A-Kriterium) gekennzeichnet. Ausdrücklich wurde vermerkt, dass das Nichterfüllen bereits eines dieser Kriterien zum Ausschluss des gesamten Angebots führe. Laut Vergabevermerk vom 18.10.2018 hielt der einzige Anbieter vier A-Kriterien nicht ein. Sein Ausschluss erfolgte nicht, da das Innenministerium - u.a. aufgrund des Fehlens anderer Bieter - von einer Heilung dieser Mängel ausging. Das einzige Angebot nahm es dann mit Zuschlag vom 07.09.2018 an.
46.2.2.2 Munition
Einsatzmunition ist mehr als dreifach so teuer wie Übungsmunition.
Bei der im Paket ausgeschriebenen Einsatzmunition von 1,316 Mio. Schuss handelte es sich um ein marktübliches Standardprodukt. Davon waren für Schulungszwecke 1,244 Mio. Schuss vorgesehen.
Aufgrund der Paketausschreibung konnte kein Munitionslieferant ein eigenständiges Angebot für Munition abgeben. Der Waffenlieferant, der den Zuschlag erhalten hatte, war zur Erfüllung des Gesamtpakets auf Munitionszukauf von Drittlieferanten angewiesen. Für die Munition ergab sich auf der Grundlage der Kostenprognose der PGND vom Mai 2018 ein Betrag von 1,316 Mio. Euro für 1,316 Mio. Schuss. Die tatsächlichen Kosten dafür lagen dann bei 3,189 Mio. Euro. Die Paketausschreibung ergab also einen Preis, der um 1,873 Mio. Euro höher lag.
Später stellten sich bei 500.000 Schuss Mängel heraus, die dazu führten, dass sie nur als Übungsmunition einsetzbar waren. Wegen der mangelhaften Lieferung kam es zu einer Preisreduzierung. Die gesamte für Übung vorgesehene Einsatzmunition von 1,244 Mio. Schuss blieb damit dreifach so teuer wie marktübliche Übungsmunition.
46.2.2.3 Transportbehältnis
Im Rahmen des Gesamtpakets wurde im Juli 2018 zunächst eine Waffentasche zum Brutto-Preis von 440 Euro pro Stück angeboten. Nach erteiltem Zuschlag im September 2018 wurde in anschließenden Vertragsverhandlungen jedoch auf eine „günstigere Variante“ zu einem Brutto-Preis von 250 Euro pro Stück zurückgegriffen. Für die 800 Waffen, die in den Inspektionen verwahrt werden, wurde eine entsprechende Anzahl von Taschen für insgesamt fast 200.000 Euro beschafft. Da für die zusätzliche MDW keine Mitführpflicht im allgemeinen Streifendienst besteht, wird sie grundsätzlich im Waffenschrank der Dienststelle gesichert verwahrt.
Die Waffentasche ist nach Auffassung der Verwaltung zumindest bei bestimmten Einsatzsituationen unsicher. Deshalb beauftragte das Innenministerium das Polizeipräsidium Unterfranken Mitte Oktober 2018, sich mit dem Thema des Verstauens und des Transports der MDW zu befassen.
Im Ergebnis wurde 2020 wegen der Notwendigkeit eines zugriffsgeschützten Transports der Auftrag erteilt, für den Transport im Streifendienst zusätzlich zur Waffentasche auch Aluminium-Waffenkoffer zum Brutto-Preis von 60 Euro pro Stück zu beschaffen.
Daher werden die Taschen kaum noch verwendet.
46.2.3 Kostenentwicklung
Für die Beschaffung von 600 MDW sowie „etwaiger weiterer Aufwendungen“ gab das Innenministerium im August 2017 zunächst einen Rahmen von 2,0 Mio. Euro im Haushaltsjahr 2018 vor.
Die PGND prognostizierte im Mai 2018 Kosten von 3,4 Mio. Euro, unter Annahme der Beschaffung von 800 MDW. Nach Zuschlagserteilung vom Oktober 2018 stieg der Betrag für das Waffensystem mit 800 Waffen samt Zubehör und Munition auf 6,8 Mio. Euro. Hintergrund dafür war auch eine Steigerung des Preises je Waffe, die zunächst 1.500 Euro/Waffe zzgl. 1.500 Euro/Anbauteile, also 3.000 Euro kosten sollte; der Preis erhöhte sich letztlich auf 5.793 Euro je Waffe samt jeweiligen Anbauteilen.
Laut einem Bericht der PGND vom Juli 2019 steigerten sich die Gesamtkosten auf 8,3 Mio. Euro; nach Berechnungen der Verwaltung betragen allein die Mehrkosten für Gehörschutz und Schutzbrillen 1 Mio. Euro, da die MDW einen hohen Schall- und Gasdruck verursacht. Da das Innenministerium im Januar 2020 die Zahl der Waffen auf insgesamt 901 anhob, steigerten sich die Gesamtkosten auf 9 Mio. Euro. Davon fielen bis Ende 2020 bisher 8,27 Mio. Euro an, da ein Teil der Waffen erst 2021 zur Auslieferung vorgesehen war. Tatsächlich erwies sich die Beschaffung des Gesamtsystems MDW damit mehr als doppelt so teuer als im Mai 2018 prognostiziert. Einschließlich Munition verdreifachten sich die Gesamtkosten seitdem fast.
Hinzu kommen wesentliche Folgekosten, die nicht berücksichtigt wurden:
- Personalkosten für Aus- und Fortbildung nach Berechnungen des ORH auf Basis des Fortbildungskonzepts der Verwaltung: für die Erstbeschulungen 7,16 Mio. Euro, für die Folgebeschulungen ab 2021 jährlich 6,78 Mio. Euro;
- Kosten für die Anmietung von Schießanlagen nach Schätzungen der Verwaltung: jährlich 500.000 Euro;
- Kosten für Waffenschränke zur Aufbewahrung.
46.3 Würdigung und Empfehlungen
46.3.1 Entscheidung für eine zusätzliche Mitteldistanzwaffe
Nach Art. 7 Abs. 1 BayHO und den dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften sind bei der Planung neuer Maßnahmen u.a. die Kosten einschließlich der Folgekosten zu untersuchen und das Ergebnis in einem Vermerk festzuhalten. Dabei sind insbesondere Ziele, Kosten und Folgekosten (Personalaufwand usw.) zu untersuchen und stets wirtschaftlichere Alternativen zu prüfen.
Bereits in der Konzipierungsphase hätte daher eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt werden müssen. Unter anderem mit Setzen von Standards zu Beginn und zeitgerechtem Einsatz des Projektcontrollings hätten vorhersehbare Änderungen des Kostenrahmens von Beginn an beachtet werden können.
Insbesondere wurden die mit der Beschaffung einer neuen MDW verbundenen massiven Folgekosten vernachlässigt bzw. unzureichend ermittelt. Die Kosten für den hohen und laufenden Aus- und Fortbildungsaufwand, der für das dritte Waffensystem zusätzlich anfällt und wertvolle Personalressourcen bindet, die damit nicht für originäre Polizeiaufgaben zur Verfügung stehen, wurden nicht ermittelt.
Die deutliche Erhöhung der Zahl der Waffen, die mit an sich bekannten taktischen und regionalen Gegebenheiten begründet wurde, ist ein Indiz dafür, dass die Bedarfs- und Kostenermittlung vor der Entscheidung über die Beschaffung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt wurde.
Der ORH empfiehlt, gerade bei kostenträchtigen Beschaffungen die Untersuchung der Wirtschaftlichkeit auch hinsichtlich Alternativen umfassend und sorgfältig durchzuführen.
46.3.2 Vergabe
46.3.2.1 Vergabe im Paket
Die Paketausschreibung war nicht zwingend notwendig. Sie führte nicht zur erhofften Zeitersparnis, verringerte den Bieterkreis und verteuerte zudem die Beschaffung des Waffensystems; dabei sind Preisaufschläge für Munition, die von Drittlieferanten bezogen wird, zu bedenken.
Getrennte Ausschreibungen von Waffe und Munition hätten zu mehr Wahlmöglichkeiten geführt und wären auch im vorliegenden Fall angesichts der marktgängigen Munition möglich gewesen.
Im Verhandlungsverfahren dürfen aufgestellte Mindestanforderungen nicht mehr verändert werden. Der Zuschlag an den Bieter, der mehrere A-Kriterien nicht erfüllte, widersprach geltendem Vergaberecht.1 Seit der Reform des Vergaberechts 2016 ist auch eine Heilung nicht mehr möglich. Nach Auffassung des ORH kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass die benannten A-Kriterien potenzielle Mitbieter von einer Angebotsabgabe abgehalten und damit den Wettbewerb eingeschränkt und letztlich die Kosten getrieben haben.
46.3.2.2 Munition
Eine Verwendung ausschließlich der deutlich teureren Einsatzmunition für die Beschulung an der Waffe, entspricht nicht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Eine frühzeitige Entscheidung, auch mit deutlich günstigerer Übungsmunition zu trainieren, wäre die weitaus kostengünstigere Alternative gewesen. Um Kosten zu verringern, sollte künftig für Ausbildung und Training mit der Waffe auch Übungsmunition verwendet werden.
Durch die Koppelung der ersten Munitionsausschreibung an die Waffe wurde ein sehr hoher Preis für die Einsatzmunition bezahlt. Begründet wurde die gemeinsame Ausschreibung von Waffe und Munition mit einer so möglichen Zeitersparnis, die jedoch am Ende nicht erreicht wurde.
46.3.2.3 Transportbehältnis
Das Transportbehältnis hätte von Anfang an ohne Weiteres separat beschafft werden können, da es für die Funktionalität der Waffe nicht entscheidend ist. Doppelbeschaffungen für den gleichen Zweck sind zu vermeiden. Aus Sicht des ORH hat die beschaffte Transporttasche nicht den Sicherheits- und Transportbedürfnissen der Polizei entsprochen, ist also überflüssig gewesen.
46.3.3 Kostenentwicklung
Die Verwaltung muss die Wirtschaftlichkeit einer derart kostenträchtigen Beschaffung umfassend und sorgfältig untersuchen. Dies war bei der Beschaffung der zusätzlichen MDW nicht der Fall. Selbst naheliegende Aspekte, wie die Zahl der Waffen, Gehörschutz und Schutzbrillen sowie sichere Transportbehältnisse wurden nicht von Anfang an und nur Zug um Zug in die Kostenbetrachtung mit einbezogen.
Das schwerwiegendste Versäumnis sieht der ORH allerdings in der Vernachlässigung der Folgekosten. So machen aufgrund des Fortbildungskonzepts der Polizei allein die Personalkosten für die Folgebeschulungen jährlich 6,78 Mio. Euro aus. Zusammen mit den Kosten der Erstbeschulung von 7,16 Mio. Euro ergeben sich für eine zwanzigjährige Nutzungsdauer rechnerisch Personalkosten von 136 Mio. Euro.
Auch wenn der Bedarf einer neuen MDW nicht infrage gestellt wird, sollten die Folgen hinsichtlich der Kosten und des personellen Aufwands schon im Vorfeld ermittelt werden. Vorrangiges Ziel sollte sein, die vorhandenen Ressourcen der Polizei effizient einzusetzen.
46.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Innenministerium sagte zu, den Einsatz der MDW laufend zu beobachten und zu evaluieren.
46.4.1 Entscheidung für eine zusätzliche Mitteldistanzwaffe
Das Innenministerium teilt die Auffassung des ORH, dass auch bei der Bearbeitung unterschiedlicher Themen in Projekt- oder Arbeitsgruppen stets eine ganzheitliche Betrachtung der Kosten vorzunehmen sei.
Die in den ORH-Prüfungsmitteilungen im Vergleich zur ursprünglichen Kostenschätzung beschriebene Kostenentwicklung sei aber kein Indiz dafür, dass hier eine solche ganzheitliche Betrachtung unterblieben wäre. Vielmehr sei diese Betrachtung wegen der Neuartigkeit und der hohen zeitlichen Priorisierung der auslösenden Ereignisse parallel zur Lageentwicklung erfolgt. Der Anschlag auf „Charlie Hebdo“ in Paris Anfang 2015, habe hierbei den Beginn einer Reihe terroristischer Angriffe in mehreren europäischen Staaten dargestellt, die eine neue Dimension des Terrors nach Europa gebracht hätten. Unter Berücksichtigung der zum Teil durch bund-länderübergreifende Polizei-Arbeitsgruppen ausgesprochenen Empfehlungen, sei auch die Beschränkung auf nur eine MDW geprüft worden. Die festgestellte Fähigkeitslücke bei der Bekämpfung skrupelloser und zum Teil ballistisch geschützter Terroristen, könne nach Auffassung des Innenministeriums jedenfalls nicht durch die nachträgliche Umrüstung der rd. 6.500 vorhandenen Maschinenpistolen geschlossen werden. Auch der vollständige Ersatz der Maschinenpistolen durch ein neues Waffensystem sei aus polizeitaktischer Sicht nicht notwendig und deshalb auch aus wirtschaftlicher Sicht abzulehnen gewesen.
46.4.2 Vergabe
Ob die Paketausschreibung der Polizei möglicherweise ursächlich für ein zurückhaltendes Interesse der Bieter gewesen sei, bleibe spekulativ. Auch wenn es letztlich aufgrund von Lieferschwierigkeiten des Waffenherstellers zu Verzögerungen beim Rollout gekommen sei, sei die Ausschreibung im Paket mit Waffe, Zubehör und Munition jedenfalls grundsätzlich geeignet gewesen, das Beschaffungsverfahren zu beschleunigen und die Risiken für das Gesamtsystem bzw. den Aufwand bei Reklamation zu minimieren.
Im vorliegenden Vergabeverfahren hätten in die Ermessensentscheidung Parameter einfließen müssen, die dazu geführt hätten, dass ausnahmsweise eine Korrektur/Heilung möglich gewesen wäre.
Die Nutzung von Einsatzmunition basiere auf der Berücksichtigung von technischen, organisatorischen und vor allem auch psychologischen Aspekten in der Einführungsphase einer neuen Munition.
In der Gesamtschau hätte nach Auffassung der Projektgruppe die Paketausschreibung gegenüber einer Einzelausschreibung der Einsatzmunition daher tatsächlich keine Mehrkosten verursacht.
Die Sicherung der Waffe gegen unbefugten Zugriff durch Dritte sei durch den Koffer geregelt worden. Die flexiblere Tragetasche decke hingegen die übrigen notwendigen Anwendungsbereiche ab.
46.4.3 Kosten
Der anfangs geschätzte Gesamtauftragswert für die Waffe samt Anbauteilen und die Munition habe ausschließlich auf Erfahrungswerten vergleichbarer Ausschreibungen bei den Spezialeinheiten basiert. Im Laufe der Projektarbeit sei diese erste Schätzung vor allem durch die notwendige Erhöhung der Zahl der benötigten Waffensysteme von 600 auf 901 Stück, wie auch durch die erforderliche Erweiterung des Zubehörs angepasst worden. Alle Anpassungen seien laut dem Innenministerium fachlich geboten gewesen. Das Training mit Maschinenpistolen sei laut Innenministerium fast ausschließlich in den polizeieigenen Raumschießanlagen erfolgt. Vor der Beschaffung der neuen MDW sei, aufgrund der geringen Zahl der Gewehr-Schützen und der Trainingseinheiten außerhalb der Spezialeinheiten, der Betrieb polizeieigener Freischießanlagen (FSA) weder erforderlich noch wirtschaftlich gewesen. Die Anmietung privater FSA und die Mitnutzung von Bundeswehrschießständen hätten sich deshalb als praktikabel erwiesen. Die Änderung der taktischen Konzepte bei sog. lebensbedrohlichen Einsatzlagen aufgrund der erhöhten Terrorgefahr, sehe künftig den bayernweiten Einsatz der neuen MDW vor. Die erforderliche Anpassung der Schießausbildung inklusive der Trainingsstätten sei vom Innenministerium sukzessive unter größtmöglicher Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Umsetzung betrieben worden. So sei zwischenzeitlich ein ortsunabhängiges, kostensparendes Lasertrainingssystem für die neue MDW eingeführt worden. Der sichere Umgang mit Schusswaffen habe einen hohen Stellenwert bei der Bayerischen Polizei. Dementsprechend werde mit jedem Waffensystem laufend ein hoher Schulungsaufwand betrieben. Die Steigerung der Personalkosten für die erforderliche Schulung mit der neuen MDW sei zu großen Teilen dem neuen Aus- und Fortbildungskonzept der Bayerischen Polizei für lebensbedrohliche Einsatzlagen geschuldet. Der Schulungsaufwand und damit die erhöhten Kosten wären somit auch nach Umrüstung der vorhandenen Maschinenpistolen oder Ersatz der Maschinenpistole durch ein neues Waffensystem in ähnlicher Höhe zu berücksichtigen.
46.5 Schlussbemerkung
Die Stellungnahme des Innenministeriums zeigt, dass die haushalts- und vergaberechtlichen Gesichtspunkte, die auch für die Polizei bindend sind, als nachrangig betrachtet worden sind. Die realistische Erfassung aller Kosten einschließlich der Folgekosten einer Beschaffung ist aus Gründen der Transparenz haushaltsrechtlich gefordert und ist auch die wesentliche Grundlage für die Wirtschaftlichkeit einer Beschaffung.
Das Vergabeverfahren ist nicht zweckmäßig gestaltet und fehlerhaft ausgeführt gewesen. Der ORH empfiehlt, künftige Vergabeverfahren rechtskonform und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte durchzuführen.
Die Munitionsbeschaffung im Rahmen der Paketausschreibung ist unwirtschaftlich gewesen. Trotz der angeführten psychologischen Gründe ist die Polizei selbst bei der zusätzlichen MDW aus gutem Grund von der Verwendung von Einsatzmunition für Übungszwecke abgekommen. Der ORH empfiehlt, für Übungszwecke mit Polizeiwaffen möglichst Übungsmunition zu verwenden.
Vor allem der zusätzliche Aufwand für Aus- und Fortbildung, der durch zwei unterschiedliche MDW auch im allgemeinen Streifendienst deutlich gesteigert wird, ist bei der Entscheidung für die zusätzliche MDW nicht ausreichend mit einbezogen worden. Der ORH empfiehlt, eine Übersicht über die Kosten, einschließlich Folgekosten, der Beschaffung der zusätzlichen MDW zu erstellen.
[1] §17 Abs. 10 VgV.