Jahresbericht 2005

TNr. 35: Unterbringung und Betreuung von Aussiedlern, Asylbewerbern und sonstigen Flüchtlingen

Die Zahl der Aussiedler, Asylbewerber und sonstigen Flüchtlinge, die vom Freistaat Bayern unterzubringen sind, ist in den vergangenen zehn Jahren stark zurückgegangen. Die Unterkunftskapazitäten und das eingesetzte Personal wurden aber nicht entsprechend abgebaut. Das vom ORH ermittelte Einsparvolumen beläuft sich auf über 200 Stellen mit Personalkosten von 10 Mio € und 20 Mio € Sachkosten jährlich und kann mittelfristig umgesetzt werden.

35.1 Gegenstand der Prüfung

 

Der ORH hat zusammen mit drei Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern im Jahr 2004 die Einnahmen und Ausgaben für die staatliche Unterbringung und Betreuung der Spätaussiedler, jüdischen Emigranten, Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge geprüft.

Bei den zuständigen Behörden1 waren zum Zeitpunkt der Prüfung insgesamt rechnerisch 714 Vollzeitkräfte mit Personalvollkosten von jährlich 36,8 Mio € eingesetzt, die sonstigen Ausgaben betrugen 163,1 Mio €. Bei den Einnahmen von 22,7 Mio € handelt es sich im Wesentlichen um Unterkunftsgebühren, die zu einem erheblichen Teil von den Sozialhilfeträgern erstattet werden und deshalb ebenfalls aus öffentlichen Kassen stammen.

35.2 Wesentliche Prüfungsergebnisse

 

Der Zustrom der Spätaussiedler, jüdischen Emigranten, Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Während im Jahr 1990 insgesamt 64.201 Spätaussiedler übernommen wurden, waren es 2003 nur 10.470. Bei den Asylbewerbern ist die Entwicklung ähnlich. Hier wurde 1992 mit 59.337 zugeteilten Personen die höchste Zugangszahl erreicht; 2003 waren es nur noch 6.854 Asylbewerber und damit 88 % weniger. Die Tendenz ist in allen Bereichen weiter fallend.

Die Verwaltung hatte auf diese Entwicklung zum Zeitpunkt der Prüfung noch nicht ausreichend reagiert. Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass die Unterkunftsverwaltung durch Mietverträge gebunden ist und ggf. nur zeitverzögert auf kurzfristige Rückgänge bei den Zugangszahlen reagieren kann, wurden zu viele Unterkunftsplätze vorgehalten, die nur unzureichend ausgelastet waren.

  • Im Mai 2004 waren in den 205 Gemeinschaftsunterkünften (GU) 23.579 Plätze und in den 178 Übergangswohnheimen (ÜWH)  davon 46 Emigrantenwohnheime  18.095 Plätze verfügbar; belegt waren aber nur 15.871 GU- bzw. 12.940 ÜWH-Plätze. Dies entspricht einer Auslastung von nur 67,3 bzw. 71,5 %. Bei den drei zentralen Aufnahmeeinrichtungen lag die Auslastung im Mai 2004 unter 50 %, bei der Landesaufnahmestelle sogar unter 10 %.

    Um eine angemessene Auslastung zu erreichen, hat der ORH den Abbau von mindestens 10.000 Plätzen gefordert.
  • Aufgrund des Rückgangs der unterzubringenden Personen ist die Zahl der Verwaltungsentscheidungen (Einweisungs- und Verteilungsentscheidungen, Gebührenbescheide u.ä.) ebenfalls stark gesunken. Die Personalausstattung wurde dieser Entwicklung nicht im notwendigen Umfang angepasst.
  • An der Aufnahme der Spätaussiedler waren insgesamt vier Stellen 2 beteiligt. Es wäre möglich und wesentlich kostengünstiger gewesen, die wenigen noch nach Bayern kommenden Personen direkt in die Übergangswohnheime einzuweisen.
  • Ein Kostencontrolling hat gefehlt. Deshalb wurde auf die Entwicklung der z.T. erheblichen Unterschiede der Bewirtschaftungskosten für die Unterkünfte vielfach nicht oder zu spät reagiert.
  • Das Beschaffungswesen war nicht optimal organisiert, Wirtschaftlichkeitspotentiale blieben ungenutzt. Die erforderlichen Güter wurden weitgehend auf der Ebene der Unterkünfte in entsprechend kleinen Mengen und Stückzahlen beschafft. Soweit Ausschreibungen erfolgten, wurden diese von den jeweiligen Regierungen nur für ihren Bereich durchgeführt. Gemeinsame, landesweite Beschaffungen würden den erheblichen Verwaltungsaufwand bei Ausschreibungen verringern.
  • Die DV-Unterstützung ist unzureichend. Insbesondere fehlt eine zentrale Datenhaltung, auf die alle beteiligten Stellen und Sachbearbeiter zugreifen können. Daten müssen deshalb mehrfach erfasst werden. Dies führt zu erheblichem Mehraufwand auch bei der Datenübermittlung. Durch eine verbesserte DV-Unterstützung könnten die Verfahrensabläufe wesentlich beschleunigt, kostengünstiger gestaltet und die Gefahr von Fehlern bei der Datenerfassung und -übermittlung verringert werden.
  • Die Abrechnung der Krankheitskosten der Asylbewerber ist verwaltungsaufwendig. Trotzdem kann nicht geprüft werden, ob die im Asylbewerberleistungsgesetz festgelegten Einschränkungen der ärztlichen Versorgung beachtet werden und die abgerechneten Leistungen tatsächlich erstattungsfähig sind. Der ORH hat vorgeschlagen zu prüfen, ob die ärztliche Versorgung durch Amts- und Vertragsärzte kostengünstiger und weniger verwaltungsaufwendig erfolgen kann.

Der ORH hat bezogen auf die Verhältnisse im Jahr 2004 errechnet, dass 200 Stellen mit Personalkosten von 10 Mio € und Sachkosten von 20 Mio € jährlich eingespart werden können.

35.3 Maßnahmen und Planungen des Staatsministeriums

 

Das Staatsministerium hat die Feststellungen des ORH im Wesentlichen anerkannt und mit der Umsetzung von Maßnahmen begonnen. Der Vorschlag, die Spätaussiedler direkt in die Unterkünfte einzuweisen, wurde durch Änderung der Übernahmeverordnung zum 1. Januar 2005 vollzogen. Eine der drei Aufnahmeeinrichtungen (Würzburg) wurde zum 30. Juni 2005 geschlossen. Für die künftige Nutzung der Räumlichkeiten der Landesaufnahmestelle für die Spätaussiedler wird nach Mitteilung des Staatsministeriums gerade ein tragfähiges Nutzungskonzept entwickelt. Da bei den Unterkünften bis 2007 die Mietverträge für über 20.000 Plätze enden, hält es auch das Einsparziel des ORH von 10.000 Plätzen mittelfristig für erreichbar. So sind seit dessen Erhebungen im Mai 2004 bis Ende Juli 2005 bereits 3.350 Plätze abgebaut worden.

Zu den Forderungen eines nachhaltigen Personalabbaus hat es mitgeteilt, dass das betroffene Personal weitgehend unkündbar sei und ein Abbau nur über eine große Zeitspanne sozialverträglich im Rahmen der Fluktuation oder durch anderweitige Verwendung erfolgen könne. Es legt hierfür einen Zeitraum bis 2019 zugrunde. Das Staatsministerium geht von weiter rückläufigen Zugangszahlen aus und will ab 2006 von 712 Stellen insgesamt 500 Stellen mit Personalkosten von 20 Mio € und Sachkosten von insgesamt 85,5 Mio € einsparen.

Der ORH erwartet, dass seine Vorschläge zügig umgesetzt werden.


1) Im Wesentlichen sind dies die sieben Bezirksregierungen, außerdem (zum Zeitpunkt der Prüfung) drei dem Staatsministerium unmittelbar unterstellte Landesbeauftragte und die der Regierung von Mittelfranken nachgeordnete Landesaufnahmestelle Nürnberg, die für die zentrale Erstbetreuung der in den Freistaat übernommenen Spätaussiedler und jüdischen Emigranten zuständig ist.

 



Zur Umsetzung dieses Prüfungsergebnisses