TNr. 21: Mängel bei staatlich verwalteten Stiftungen

Bei verschiedenen staatlich verwalteten Stiftungen des öffentlichen Rechts wurden erhebliche Mängel festgestellt.Der ORH fordert, Stiftungen aus der staatlichen Verwaltung zu entlassen, wenn der Stiftungszweck nicht zu den staatlichen Aufgaben gehört.
21.1 Staatlich verwaltete Stiftungen
Öffentliche Stiftungen sind die rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts, die nicht ausschließlich private Zwecke verfolgen, und die rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts. Beide unterliegen grundsätzlich nur der Rechtsaufsicht des Staates. Es gibt aber auch rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts, die vom Staat (z.B. den Regierungen) verwaltet werden.
Bei den staatlich verwalteten Stiftungen des öffentlichen Rechts prüft der ORH nach Art. 111 Abs. 1 BayHO die Haushalts- und Wirtschaftsführung, auch wenn sie keine Zuwendungen des Staates erhalten.
Das Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten sowie sicher und wirtschaftlich zu verwalten (Art. 11 BayStG). Die Mitglieder der Stiftungsorgane sind zur gewissenhaften und sparsamen Verwaltung der Stiftung verpflichtet. Die Stiftungen haben ordnungsgemäß Buch zu führen.
21.2 Feststellungen
Im Jahr 2004 hat ein Staatliches Rechnungsprüfungsamt drei staatlich verwaltete Stiftungen geprüft, deren satzungsgemäßer Zweck jeweils der Betrieb von Heimen für Schüler und Studenten bzw. die Tagesbetreuung von auswärtigen Schülern ist. Die Ursprünge dieser Stiftungen gehen auf Klöster oder kirchliche Bildungseinrichtungen zurück. Deren Schulen bzw. Internate fielen nach der Säkularisierung auf das Königreich Bayern und wurden sodann als staatlich verwaltete Stiftungen weitergeführt. Heute bieten diese Stiftungen nur noch Unterbringung bzw. Tagesbeaufsichtigung für Jugendliche an, die die umliegenden Ausbildungsstätten besuchen. Die Stiftungen werden von den Regierungen verwaltet.
Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt hat u.a. Folgendes festgestellt:
- Alle drei geprüften Stiftungen verfügen über keine aktuelle Vermögensübersicht. Sie ist Grundlage für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse und dient dem Nachweis, dass das Stiftungsvermögen ungeschmälert erhalten wurde. Eine dieser Stiftungen erstellt bereits seit 1996 keine derartige Übersicht mehr.
- Eine Stiftung legte seit mindestens 1998 erhebliche Teile ihrer Rücklagen in risikobehaftete Aktien- und Geldmarktfonds an. Wegen finanzieller Probleme in den Geschäftsjahren ab 2001/2002 war die Stiftung gezwungen, Aktien in einer Phase niedriger Kurse zu verkaufen. Allein für ein im Dezember 2002 noch vorhandenes Aktiendepot ging die Stiftungsleitung von einem Wertverlust von 20.000 € aus. Da allerdings zur Vermögensverwaltung keine ausreichenden Aufzeichnungen vorliegen, ist der Verlust nicht zu beziffern.
- Zwei Stiftungen wenden eine Buchführung an, die weder den für sie geltenden Grundsätzen der BayHO noch denen einer kaufmännischen Buchführung entspricht. Eine Überprüfung der Buchführung war deshalb für mehrere Geschäftsjahre nicht möglich.
- Die Gebäude einer Stiftung sind dringend und erheblich sanierungsbedürftig. Ohne Beschluss des Kuratoriums und ohne Abstimmung mit der Regierung gab die Stiftungsleitung Planungsleistungen für Umbau und Sanierung im Wert von 66.000 € in Auftrag. Da diese Planung nicht den Fördervoraussetzungen entsprach und überdimensioniert war, war sie wertlos. Ihre Kosten wären vermeidbar gewesen. Im Übrigen ist die Finanzierung schon des ersten Bauabschnitts nach wie vor nicht gesichert.
- Diese Stiftung nahm in einem Jahr wesentlich mehr Heimschüler auf als vorher, teilweise auch mit psychotherapeutischem Betreuungsbedarf. Damit wurden die räumlichen und pädagogischen Kapazitäten der Einrichtung erheblich überschritten. Da eine Wirtschaftlichkeitsberechnung überhaupt fehlte und außerdem die Kosten für die betreuungsintensiven Schüler unterschätzt wurden, entstand ein erhebliches finanzielles Defizit.
- Das ungünstige Bild dieser Einrichtung in der Öffentlichkeit führte in den Folgejahren zu einem erheblichen Rückgang der Schülerzahlen und brachte die Einrichtung an den Rand des Ruins. Die Stiftung erwirtschaftet seit Jahren Defizite in folgender Höhe:
Zahlenübersicht
Die Stiftung verfügte im Mai 2005 noch über liquide Mittel von ca. 100.000 € zur Abdeckung der monatlichen Defizite von ca. 10.000 €.
21.3 Auffassung des ORH
Der ORH hat gravierende Fehler insbesondere bei der zuletzt genannten Stiftung festgestellt. Er ist der Auffassung, dass es an einer ordnungsgemäßen staatlichen Verwaltung durch die Regierung mangelt und dadurch schwerwiegende Fehlentwicklungen eingetreten sind.
Der Erhalt des Stiftungsvermögens ist von großer Bedeutung, da im Falle einer Zahlungsunfähigkeit einer staatlich verwalteten Stiftung Haftungsansprüche auf den Staat zukommen können, z.B. der Arbeitnehmer auf Insolvenzgeld und Altersversorgung (vgl. § 12 Abs. 2 Insolvenzordnung i.V.m. Art. 25 AGGVG).
Der ORH ist der Auffassung, dass der Stiftungszweck - Betrieb von Schüler- und Tagesheimen - außerhalb des unmittelbaren staatlichen Aufgabenbereichs liegt. Deshalb bedarf es keiner staatlichen Verwaltung. Es sollte deshalb geprüft werden, ob die Stiftungen aus der staatlichen Verwaltung entlassen werden können.
21.4 Stellungnahme der Verwaltung
Die letztgenannte Stiftung weist darauf hin, ein früherer Stiftungsdirektor habe eine völlig heruntergewirtschaftete Einrichtung hinterlassen. Für die Zukunft würden geordnete Strukturen geschaffen, ein wirtschaftlich tragfähiger Betrieb etabliert und eine zeitgemäße Pädagogik eingeführt. Zur Sanierung der Gebäude sei eine nicht benötigte Grundstücksfläche verkauft worden, aus deren Erlös aber auch Bankschulden von ca. 1 Mio € zurückgezahlt werden müssten. Außerdem seien bereits Mittel aus dem Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ (IZBB) in Aussicht gestellt. Die Mängel hinsichtlich des Vermögensnachweises und der Buchführung würden baldmöglichst bereinigt.
Das Staatsministerium hat mitgeteilt, es werde die vom ORH festgestellten Mängel aufgreifen und die Regierungen, die seit dem 1. Januar 1996 für die staatlich verwalteten Stiftungen zuständig sind, insbesondere an ihre Pflicht, die Jahresrechnungen und die Vermögensübersicht regelmäßig zu überprüfen (Art. 25 BayStG, § 4 AVBayStG), erinnern. Das Staatsministerium sei selbstverständlich auch bereit zu prüfen, ob Stiftungen aus der staatlichen Verwaltung entlassen werden können, wenn der Stiftungszweck nicht zu den staatlichen Aufgaben gehört. Mit Blick auf die Vielzahl staatlich verwalteter Stiftungen und den damit verbundenen Besonderheiten solle zunächst festgelegt werden, welche Stiftungen in die Prüfung einbezogen werden sollen.