Jahresbericht 2005

TNr. 38: Altlastensanierung eines Industriegeländes

Zellstofffabrik

Für die Altlastensanierung einer ehemaligen Zellstofffabrik hat der Staat 15 Mio € aufgewendet. Die Wertsteigerung der wieder nutzbaren Gewerbefläche kommt einer kommunalen Entwicklungsgesellschaft zugute, ohne dass der Staat daran beteiligt ist.

38.1 Ausgangslage

 

Auf einem ca. 40 ha großen Gelände einer in Insolvenz gegangenen Zellstofffabrik mussten in den Jahren 1998 bis 2001 umfangreiche Altlasten mit einem Gesamtaufwand von 16 Mio € beseitigt werden. Bei einer Ersatzvornahme müssen die Landkreise die Kosten für die Sanierung der Altlasten tragen, erhalten dafür aber vom Staat ergänzende Finanzzuweisungen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Kosten nicht von Dritten, insbesondere vom Störer ersetzt werden können (Art. 7 Abs. 4 FAG). Auf dieser Grundlage hat der Staat einem Landkreis 15 Mio € erstattet.

38.2 Feststellungen des ORH

 

Vor Beginn der Altlastensanierung haben der Landkreis und die Stadt, in der das Industriegelände liegt, sowie die Kreissparkasse eine Entwicklungsgesellschaft als GmbH gegründet und diese mit einem Eigenkapital von 500.000 € ausgestattet. Aus dem Verkauf beweglicher Anlagegüter durch den Insolvenzverwalter floss der kommunalen Entwicklungsgesellschaft ein Anteil von 1,25 Mio € zu. Grundlage dafür war eine Abmachung zwischen der Staatsregierung und den Gläubigerbanken. Die GmbH hat das gesamte Gelände der insolventen Firma zum symbolischen Preis von 1 DM abgekauft. Im Kaufvertrag wurde vereinbart, dass das Eigentum erst nach abgeschlossener Altlastensanierung übergeht. Diese Vertragsgestaltung hatte das Staatsministerium den Beteiligten in einer Besprechung sogar nahe gelegt. Die Vereinbarungen hatten zur Folge, dass der Landkreis Anspruch auf ergänzende Finanzzuweisungen nach Art. 7 Abs. 4 FAG hatte. Denn während der Sanierungsphase blieb das vermögenslose Industrieunternehmen Eigentümerin der kontaminierten Flächen. Weil es als Störer insolvent und nicht leistungsfähig war, musste das Landratsamt im Wege der Ersatzvornahme die Sanierungsarbeiten in Auftrag geben und finanzieren. Nach Abschluss der Sanierung im Jahr 2001 wurde die kommunale Entwicklungsgesellschaft als Eigentümerin der Grundstücke in das Grundbuch eingetragen.

Das früher mit Schadstoffen belastete Gelände ist im Flächennutzungsplan teilweise als Gewerbegebiet, teilweise als Sonder- und als Mischgebiet ausgewiesen. Es hat durch die Sanierung, die im Wesentlichen der Staat finanzierte, einen beachtlichen Verkehrswert erreicht. Davon profitiert allerdings nunmehr ausschließlich die Entwicklungsgesellschaft. Diese preist auf ihren Internetseiten 38,5 ha als Wirtschaftsraum an, auf dem sich bereits sechs Unternehmen und der Tourismusverband des Landkreises angesiedelt haben. Ihre Bilanz weist zum 31. Dezember 2003 insgesamt mehr als 3,2 ha verkaufte Flächen und einen Veräußerungsgewinn für die Zeit von 1999 bis 2003 von insgesamt 2,5 Mio € aus. Dazu kommen noch Gewinne von knapp 2 Mio €, die ein Tochterunternehmen beim Verkauf von Werkswohnungen auf dem sanierten Gelände erzielt hat.

Die Altlastensanierung enthielt im Wesentlichen fünf Schwerpunkte, die das Landratsamt anordnete. Dabei hat es zwei Bescheide vor dem 1. März 1999 erlassen, drei später. Erst mit Wirkung ab dem 1. März 1999 ermöglichen BBodSchG1 und Wasserrecht einheitlich einen Wertausgleich. Vor diesem Zeitpunkt regelte das Wasserrecht bei öffentlich finanzierten Sanierungen das Erheben von Kostenbeiträgen vom Grundeigentümer. In beiden Fällen handelt es sich um öffentliche Lasten, die vorrangig auf den Grundstücken ruhen. Trotz des hohen Wertzuwachses infolge der Altlastensanierung wurden im geprüften Fall weder Kostenbeiträge erhoben noch wurde ein Wertausgleich zugunsten des Staates durchgeführt.

38.3 Stellungnahme der Verwaltung

 

Das Staatsministerium hält den Sanierungsfall für modellhaft gelungen. Gerade mit der vom ORH gerügten Konstellation habe man erreicht, dass nicht nur die von den Kontaminationen ausgehenden Gefahren beseitigt wurden, sondern zugleich auch ein brachliegender Standort wieder genutzt werden konnte. Für ein solches Flächenrecycling, dem angesichts der zunehmenden Versiegelung der Landschaft große Bedeutung zukäme, bedürfe es Entwicklungsgesellschaften, die mit eigenen Mitteln die Lücke zwischen sanierter Industriebrache und baureifen Gewerbeflächen schließen. Dagegen hätte es eine solche Gesellschaft mit dem Ziel, kontaminierte Flächen zu erwerben und auf eigene Kosten zu sanieren, nie gegeben.

Die bis 28. Februar 1999 bestehende Möglichkeit, nach der damaligen Fassung des Bayerischen Wassergesetzes Kostenbeiträge zu erheben, habe tatsächlich nicht bestanden, weil die beiden fraglichen Bescheide nicht auf dem Wasserrecht, sondern auf dem BImSchG2 beruhten, das keinen dem Wasserrecht vergleichbaren Wertausgleich kenne. Für drei, unter geänderter Rechtslage ergangene Sanierungsanordnungen sei zwar ein hierauf beschränkter Wertausgleich möglich. Da Gewerbebetriebe auf den sanierten Flächen angesiedelt werden sollen und die Erhebung eines Ausgleichsbeitrags das Erreichen dieses Ziels gefährden würde, habe die Verwaltung aber vom Wertausgleich absehen können. Das Ermessen sei zudem zugunsten einer von der öffentlichen Hand mitgetragenen Gesellschaft ausgeübt worden.

38.4 Abschließende Bemerkung des ORH

 

Der ORH teilt die Einschätzung des Staatsministeriums, dass idealerweise von Altlasten befreite Gewerbe- und Industrieflächen wieder entsprechend genutzt werden sollten. Er sieht auch, dass die Entscheidungsträger damals angesichts der Umweltgefahren, die von den Altlasten ausgingen, und der Größenordnung des Sanierungsfalls unter einem gewissen Erwartungsdruck handeln mussten. Aus heutiger Sicht bleibt aber das finanzielle Gesamtergebnis unbefriedigend. Die kommunale Entwicklungsgesellschaft, die durchaus in bestimmtem Umfang liquid war, erwarb zu einem symbolischen Kaufpreis im Wesentlichen auf Kosten des Staates sanierte Industrieflächen; sie hatte eine gesicherte Anwartschaft, ohne sich an der Altlastensanierung beteiligen zu müssen. Der Staat musste hierfür 15 Mio € und damit 94 % der 16 Mio € Gesamtkosten aufbringen.

Der ORH kann die Ansicht, ein Wertausgleich würde die Ansiedlung von Gewerbebetrieben gefährden und habe deshalb im öffentlichen Interesse unterbleiben können, nicht nachvollziehen. Denn der Ausgleichsbetrag hätte zunächst die kommunale Entwicklungsgesellschaft als Eigentümerin der sanierten Flächen belastet. Sie hätte den Ausgleich jeweils aus den Erlösen bei Weiterveräußerungen bestreiten und damit die auf den verkauften Grundstücken ruhende öffentliche Last tilgen können. Auf diese Weise wäre der Staat am Wertzuwachs der Flächen beteiligt, die im Wesentlichen erst durch seine Leistungen wieder einen Verkehrswert erlangt haben. Der ORH hält es jedenfalls für erforderlich, bestehende Ansprüche auf Wertausgleich künftig nicht nur abzusichern, sondern auch durchzusetzen.


 

1) Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz)

2) Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigung, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz)

 



Zur Umsetzung dieses Prüfungsergebnisses