Jahresbericht 2005

TNr. 41: Leistungsbezogene Mittelverwendung an den staatlichen Museen und Sammlungen

Bayerisches Nationalmuseum

Der ORH empfiehlt, künftig neben einer Basisfinanzierung einen Teil der Staatsfinanzen für die Staatlichen Museen und Sammlungen nach Leistungskriterien zu verteilen, um Wirtschaftlichkeitsreserven besser zu erschließen.

Der ORH hat die Finanzierung, Leistungsstruktur und Organisation aller Staatlichen Museen und Sammlungen untersucht und hieraus eine Reihe von Empfehlungen abgeleitet.

41.1 Wirtschaftliche Situation der Staatlichen Museen und Sammlungen

 

41.1.1 Eine Gesamtbetrachtung der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung vermittelt folgendes Bild:

Zahlenübersicht_1

Von 2001 bis 2004 sind die Einnahmen um 34,5 %, die Ausgaben um 19,3 % angestiegen; der Zuschuss des Staates musste um 16,8 % erhöht werden. Der Deckungsanteil der Einnahmen ist von 14 auf 15,8 % gestiegen. Allerdings ist diese Entwicklung im Wesentlichen auf den mit einem Investitionsvolumen von 110 Mio € im September 2002 eröffneten Neubau der Pinakothek der Moderne zurückzuführen, der zu einer starken Zunahme der Besucherzahlen führte:

Zahlenübersicht_2

Wie die rückläufige Besucherzahl in der Pinakothek der Moderne von 678.000 in den ersten 3 ½ Monaten nach Eröffnung im Jahr 2002 auf 627.000 im Jahr 2004 zeigt, dürfte sich in den nächsten Jahren durch einen deutlichen Rückgang der Einnahmen bei weitgehend gleichbleibenden Betriebskosten eine erhebliche Verschlechterung der finanziellen Situation ergeben. Gleiches gilt für das 2001 eröffnete Museum Kunst+Design in Nürnberg. Hier hat sich die Besucherzahl innerhalb von vier Jahren bereits um 40 % reduziert. Auch bei allen anderen Museen und Sammlungen sind zum Teil deutlich rückläufige Besucherzahlen zu verzeichnen.

Voraussichtlich ab 2007 werden die Ausstellungsflächen durch die Fertigstellung des Textilmuseums in Augsburg (Hauptnutzfläche ca. 3.500 m²) und des Museums Brandhorst in München (Hauptnutzfläche 5.318 m²) kräftig steigen. Nach den Erfahrungen bei der Pinakothek der Moderne erwartet die Verwaltung allein für das Museum Brandhorst zusätzliche laufende Personalausgaben von 2,1 Mio € (53 Stellen, davon 40 für Aufsicht und Sicherheit) sowie Hausbewirtschaftungskosten von rd. 700.000 € jährlich. Selbst wenn beim Museum Brandhorst ein vergleichbarer „Anfangserfolg“ wie bei der Pinakothek der Moderne eintreten sollte, werden allenfalls 35 % dieser Mehrkosten durch zusätzliche Einnahmen finanziert werden können. Schon hierdurch zeichnet sich ab 2007 ein zusätzlicher Zuschussbedarf von ca. 1,8 Mio € ab. Dabei sind eventuelle Tariferhöhungen nicht eingerechnet.

Die Einnahmen z.B. aus Eintrittsgeldern, Publikationen und Spenden, die 2004 einen Deckungsanteil von 15,8 % des Etats erreichten, werden diese Ausgabensteigerungen nicht ausgleichen können. Andererseits werden auch die Staatlichen Museen und Sammlungen in Zukunft ihren Beitrag zur Sanierung des Haushalts und zum Abbau der Staatsverschuldung erbringen müssen.

41.2 Empfehlungen des ORH

 

Angesichts dieser Situation hält es der ORH für erforderlich, rechtzeitig Maßnahmen zur Verringerung der Kosten und Verbesserung der Einnahmen zu ergreifen. Er hat hierzu folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

41.2.1 Leistungsbezogene Vergabe der staatlichen Mittel

 

Der Staatszuschuss für die Staatlichen Museen und Sammlungen richtet sich bislang nach den „historisch gewachsenen“ Haushaltsansätzen. Wirtschaftlichkeitsreserven müssen im Wesentlichen durch interne Maßnahmen der einzelnen Häuser erschlossen werden. Hierzu sollte künftig neben einer Basisfinanzierung der Häuser ein Teil des bisherigen Zuschussvolumens nach Leistungskriterien verteilt werden. Vergleichbares wurde vor einigen Jahren bei den Hochschulen (Art. 7 BayHSchG) eingeführt. In diesem Bereich orientiert sich die Höhe eines Teils der staatlichen Mittel u.a. an eingeworbenen Drittmitteln, Absolventenzahlen und Erfolgen der Nachwuchsförderung. Auch bei den Universitätsklinika werden inzwischen 10 bis 15 % des Gesamtzuschusses leistungsbezogen vergeben; für die nähere Zukunft sind in allen Ländern stark steigende Quoten vorgesehen.

Überträgt man dieses Modell auf die Museen und Sammlungen, so sind als leistungsbezogene Kriterien denkbar z.B.

  • die Zahl der Besucher,
  • eingeworbene Sponsoren- und Spendengelder,
  • sonstige Drittmittel für Forschungszwecke und
  • der Anteil der Eigeneinnahmen.

Zusätzlich sollten die Museen ihre Leistungsfähigkeit mit einem standardisierten Kennziffernsystem messen, das neben dem Leistungsvergleich auch interne Zielvorgaben und eine darauf aufbauende Steuerung erlaubt. Zu nennen sind hier z.B. Zuschuss pro Besucher, Deckungsbeiträge der Besuchereinnahmen, Erlöse aus den Museumsshops pro Besucher, Krankheitsquoten des Personals. Die vom ORH bei seiner Querschnittsuntersuchung festgestellten erheblichen Defizite bei der Datenlage würden damit - schon aus eigenem Interesse der Häuser - bald abgebaut werden.

Bei der Basisfinanzierung müssten begründete Personal- und Sachausstattungen, die Betriebskosten, der Umfang der Sammlungen und Depots sowie die zusätzlichen Leistungen (z.B. Einrichtung und Betreuung von Zweigmuseen, Forschung, Zahl der wissenschaftlichen Volontäre, Publikationen) berücksichtigt werden.

Das Staatsministerium hat hierzu ausgeführt, dass ein standardisiertes Kennziffernsystem das Erkennen von Problemen und Schwachstellen im Einzelfall zwar erleichtern würde, ein „Messen oder gar Vergleich“ der Leistungsfähigkeit der einzelnen Museen oder Sammlungen jedoch auf der Basis eines solchen Systems nicht möglich sei. Bei einem „Wettbewerb“ um staatliche Ausgabemittel hätten kleinere Museen keine Chance gegen das erdrückende Übergewicht der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Benchmarking sei als Instrument des Museumsmanagements nur dann erfolgversprechend, wenn es sich um halbwegs vergleichbare Institutionen handle. Dies sei bei den völlig unterschiedlichen staatlichen Museen und Sammlungen gerade nicht der Fall. Das Staatsministerium stimmt jedoch dem ORH zu, dass Leistungsanreize bei der staatlichen Mittelvergabe zu einer Effizienzsteigerung führen können.

Der ORH hält eine leistungsbezogene Vergabe eines Teils der staatlichen Mittel an die Museen und Sammlungen weiterhin für notwendig. Trotz aller Unterschiede ist es in den letzten Jahren in dem stark diversifizierten Hochschulbereich gelungen, entsprechende einheitliche Verteilungskriterien festzulegen. Auch im Kultur- und Museumsmanagement wurden in den letzten Jahren Methoden des Benchmarking verstärkt eingeführt.1 Der ORH sieht darin eine Möglichkeit, bei sinkender finanzieller Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand Verbesserungspotentiale aufzufinden und auszuschöpfen. Nur so können die Museen bei sinkender finanzieller Ausstattung noch gewisse Gestaltungsspielräume erhalten.

41.2.2 Vergabe der Mittel für Sonderausstellungen im Wettbewerb; zeitweiser Verzicht auf Neuerwerbungen

 

Für Sonderausstellungen und für Neuerwerbungen werden den Museen separat Mittel zugewiesen. Im Nachtragshaushalt 2004 wurden die Mittel für Sonderausstellungen um 500.000 €, im Haushalt 2005/2006 um weitere 300.000 € auf nunmehr 1,37 Mio € gekürzt. Mit diesen Mitteln können aber auch Neuerwerbungen getätigt werden. So haben die Staatlichen Museen und Sammlungen 2004 rd. 44,5 % der Mittel für Sonderausstellungen für Erwerbungen ausgegeben.

Sonderausstellungen sind von großer Bedeutung für den Publikumszuspruch. Die Einnahmen aus Eintrittsgeldern für die regulären Dauerausstellungen sind erfahrungsgemäß nach einem wenige Jahre dauernden Boom nach der Neueröffnung eines Museums stark rückläufig.

Sonderausstellungen sichern ferner, dass ein Museum als erfolgreiche „Marke“ im Veranstaltungssektor etabliert bleibt. Darüber hinaus sind sie meist auch finanziell erfolgreicher als Dauerausstellungen, wie ein Ausgabendeckungsgrad von durchschnittlich 64,6 % in den Jahren 2001 bis 2004 belegt.

Angesichts knapper Mittel werden Sonderausstellungen künftig verstärkt mit vorhandenen Objekten durchgeführt werden müssen. Dies kann trotzdem zu finanziell erfolgreichen Ausstellungen führen (z.B. „Die Geburt des Theaters“ im Deutschen Theatermuseum, Rubens „Löwenjagd“ in der Neuen Pinakothek).

Nach Ansicht des ORH ist es erforderlich, die vorhandenen Mittel künftig auf (einnahmewirksame) Sonderausstellungen zu konzentrieren und Erwerbungen für einen gewissen Zeitraum auszusetzen. Ferner sollte ein Wettbewerb der Häuser um die Mittel vorgesehen werden, um unter den eingereichten Vorschlägen die erfolgversprechendsten auswählen und die noch verfügbaren Gelder auf kreative und publikumswirksame Vorschläge konzentrieren zu können. Der ORH sieht hier gerade für Ausstellungskonzeptionen kleinerer Häuser besondere Chancen.

Das Staatsministerium hat mitgeteilt, es stimme nachdrücklich der Empfehlung des ORH im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage zu, dass die Staatlichen Museen und Sammlungen Sonderausstellungen künftig verstärkt mit eigenen Objekten und ggf. in Zusammenarbeit mit anderen Museen durchführen müssen.

41.2.3 Abstimmung von Besuchernachfrage und Öffnungszeiten

 

Der ORH hat im Rahmen seiner Untersuchung die Öffnungszeiten der Museen mit der Zahl der Besucher verglichen.

Zahlenübersicht_3

Wie Zahlenübersicht 3 zeigt, liegt in über der Hälfte der Staatlichen Museen und Sammlungen die Besucherzahl je Stunde unter 25.

Museen werden, außer durch Schulklassen, von der Bevölkerung meist in der Freizeit besucht. Trotzdem korrespondieren die Öffnungszeiten der Häuser nicht mit der Hauptfreizeit (Wochenenden, Ferienzeiten und Abendstunden). Die meisten Museen öffnen wochentags entsprechend den Dienststunden von Behörden.

Hier sollten nach Ansicht des ORH das Nachfrageprofil der verschiedenen Nutzergruppen ermittelt und die Öffnungszeiten entsprechend angepasst, ggf. auch reduziert werden. Hinzu kommt, dass als Folge des vermehrten Ganztagsunterrichts auch Schulklassen künftig weniger auf den Vormittag angewiesen sein dürften. Eine Kennziffer für entsprechende Überlegungen wäre z.B., die Einnahmen aus Eintrittsgeldern je Stunde mit den Kosten des Aufsichtspersonals in Relation zu setzen.

Bei einer Optimierung von Öffnungszeiten und Kosten/Erlösen sollte auch überlegt werden, ob künftig an nachfrageschwachen Tagen ein Nachlass gewährt und in den Hauptbesuchszeiten ein Zuschlag erhoben werden sollte.

Das Staatsministerium hat mitgeteilt, es befinde sich zur Eindämmung der Kosten seit Jahren im Dialog mit den Häusern, um Möglichkeiten zu eruieren, das Aufsichtspersonal - ggf. durch Verkürzung der Öffnungszeiten - zu reduzieren. Es werde weiterhin bemüht sein, Einsparpotentiale durch eine besucherverträgliche Anpassung der Öffnungszeiten zu erschließen.

41.2.4 Sponsoring

 

Die erheblichen Spenden der Bevölkerung für Museumsneubauten zeigen, dass eine grundsätzliche Unterstützungsbereitschaft für diese Institutionen besteht. Die Spenden sind aber meist mit einzelnen Vorhaben (z.B. Erwerbungen, Sonderausstellungen) verbunden. Außerdem ist für die Akquisition von Sponsoren eine individuelle Ansprache erforderlich. Ein Förderkreis allein reicht nicht aus. Auch die Themenauswahl von Sonderausstellungen spricht spendenbereite Unternehmen und Personen unterschiedlich stark an. Die verschiedenen Segmente potentieller Unterstützer müssten daher gezielt erschlossen werden. Eine Möglichkeit für privates Engagement zur Förderung und finanziellen Unterstützung eines Museums hat z.B. das Metropolitan Museum of Art entwickelt und auch im Internet angeboten.2 Im Theaterbereich geht man erfolgreich den Weg, Mäzenen besondere Vorteile und Betreuungen zukommen zu lassen (z.B. Premium-Circle-Modell der Staatsoper, Einnahmen aus Sponsoring über 1 Mio €/Jahr). Der ORH sieht auch bei den Museen gute Entwicklungsmöglichkeiten, zumal im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2004 über 50 % der Spenden allein auf die Staatsgemäldesammlungen entfallen, der Anteil der übrigen Häuser dagegen nur zwischen 0 und 12,7 % liegt.

Das Staatsministerium hat mitgeteilt, es werde die Staatlichen Museen und Sammlungen verstärkt anhalten, Spenden einzuwerben. Bei den Staatsgemäldesammlungen sei eine Stelle befristet zur Sponsorengewinnung geschaffen worden. Nach einem Jahr soll anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse entschieden werden, ob dieser Weg erfolgversprechend ist und weiter verfolgt werden soll.


1) vgl. z.B. Benchmarking im Museum (Band 69 der Zeitschrift Museumskunde, 2004) und Sächsischer Rechnungshof: Neustrukturierung der staatlichen Museen und Kultureinrichtungen in Sachsen (August 2004)

2) The Metropolitan Museum of Art - Membership


Foto: Bayerisches Nationalmuseum

 



Zur Umsetzung dieses Prüfungsergebnisses