TNr. 24: Umsatzsteuer-Sonderprüfung

Die derzeitige Mehrergebnisstatistik der Umsatzsteuer-Prüfungsstellen ist für eine effiziente Arbeitssteuerung nicht differenziert genug und führt zu Fehlsteuerungen. Die Zahl der Prüfungen, die keine oder nur geringe Mehreinnahmen erbringen, muss verringert werden.Die Prüfungsdichte ist insgesamt zu erhöhen. Die von der Verwaltung beabsichtigte Personalverstärkung sollte möglichst bald erfolgen.
24.1 Allgemeines
Neben der Lohnsteuer ist die Umsatzsteuer die bedeutendste Einnahmequelle für die Haushalte von Bund und Ländern. Im Jahr 2004 wurden von den Finanzämtern in Bayern 14,7 Mrd € an Umsatzsteuern vereinnahmt.
Die Umsatzsteuer wird vom Unternehmer selbst berechnet und beim Finanzamt angemeldet. Dabei können sich systembedingt hohe (Vorsteuer-)Erstattungsansprüche ergeben. Diese Konstellation sowie die teilweise schwierigen oder unübersichtlichen Sachverhalte, die der Besteuerung zugrunde liegen, erfordern eine permanente und zeitnahe Überwachung der Fälle, die der Innendienst nur begrenzt leisten kann. Für kurzfristig notwendige Ermittlungen vor Ort sind bei 41 Finanzämtern besondere Umsatzsteuer-Prüfungsstellen eingerichtet. Der ORH hat die Organisation, Arbeitsweise und Effektivität dieser Stellen untersucht.
24.2 Leistungs- und Erfolgsmessung/Arbeitssteuerung
Zur Leistungs- und Erfolgsmessung werden bundeseinheitliche Statistiken über den Personaleinsatz, die Fallzahlen und die finanziellen Gesamtergebnisse der Prüfungen erstellt. Sie bilden die Grundlage für die Arbeitssteuerung.
In der Mehrergebnisstatistik werden auch Prüfungsergebnisse erfasst, die zu keinen zusätzlichen Steuereinnahmen führen (unechte Mehrergebnisse). So werden kaum oder nicht realisierbare Mehrsteuern aus Insolvenzen voll berücksichtigt. Das gleiche gilt für Steuern, bei denen lediglich der Fälligkeitszeitpunkt vorgezogen wird. Steuererhöhungen, die systembedingt entsprechende Erstattungsansprüche (Vorsteuerabzug) zur Folge haben, sind ebenfalls in voller Höhe enthalten.
Bei seiner Untersuchung der statistischen Prüfungsergebnisse 2004 hat der ORH festgestellt, dass von der Gesamtsumme von 442 Mio € nach überschlägiger Berechnung nur rd. 150 Mio € echte Mehrergebnisse für den Staatshaushalt darstellen. Diese liegen damit wie in anderen Ländern bei rd. einem Drittel des statistisch ausgewiesenen Mehrergebnisses.
Wegen des großen Unterschieds zwischen dem statistischen Ergebnis und den tatsächlichen Mehreinnahmen ist die aktuelle Ergebnismessung für eine effiziente Arbeitssteuerung ungeeignet. Die fiskalisch bedeutsamen echten Mehreinnahmen werden bisher nicht gesondert ausgewiesen.
Die derzeitige Statistik führt aufgrund der undifferenzierten Erfassung von Mehrergebnissen zu deutlichen Fehlsteuerungen. Sie fordert geradezu ein Prüfungsverhalten heraus, das auf eine möglichst hohe Fallzahl und ein möglichst hohes statistisches Ergebnis ausgerichtet ist. So wurden Fälle zur Statistikverbesserung bevorzugt geprüft, die ein hohes, aber unechtes Mehrergebnis erbrachten. In einigen Finanzämtern wurden sogar 50 % der Gesamtergebnisse aus der Prüfung von Insolvenzfällen erzielt, wo die Steuernachforderungen kaum realisierbar sind.
Nach Auffassung des ORH sollten die Statistikgrundsätze möglichst auf Bundesebene so angepasst werden, dass die für eine risikoorientierte Arbeitssteuerung erforderliche Transparenz und Aussagekraft entsteht. Hierfür ist eine Unterscheidung zwischen lediglich statistischen und echten Mehrsteuern erforderlich. Letztere können für die Statistik anhand von Fallgruppen pauschal ermittelt werden. Auf diese Weise ist mit geringem Aufwand eine wesentlich größere Aussagekraft zu erreichen.
Die notwendigen Änderungen sollten bereits jetzt bei der bundesweiten Überarbeitung der Statistikgrundsätze berücksichtigt werden. Falls dies nicht möglich ist, ist es für die praktische Arbeit zwingend geboten, die Mehrergebnisse jedenfalls für Bayern zu untergliedern.
24.3 Effizienz der Prüfungen
Die Umsatzsteuer ist komplex und betrugsanfällig. Bei 950 000 in Bayern erfassten Unternehmern kommt einer effektiven Fallauswahl unter Risikogesichtspunkten entscheidende Bedeutung zu. Hierdurch wird auch die Präventivwirkung der Prüfungen noch gesteigert. Um Anhaltspunkte für mögliche Verbesserungen zu gewinnen, hat der ORH die Prüfungsergebnisse näher untersucht und Folgendes festgestellt:
Das Gesamtergebnis wird von relativ wenigen Großfällen geprägt. Bei 5 % der Fälle wird ein Ergebnis von mehr als 50 000 € erzielt; sie erbringen zusammen fast 90 % des gesamten statistischen Ergebnisses. Allerdings ist bei diesen Fällen mit hohen Mehrsteuern auch der Anteil der unechten Mehrergebnisse höher. Bei rd. der Hälfte der Prüfungen, die teilweise auf Einzelpunkte beschränkt sind, werden statistische Mehrsteuern von weniger als 500 € erzielt, bei etwa 40 % der Prüfungen ergibt sich überhaupt kein Mehrergebnis.
Insgesamt erreichen die Stellen aber einen beachtlichen Wirtschaftlichkeitsgrad. Überschlägig gerechnet stehen den 150 Mio € echten Mehreinnahmen Personalkosten von rd. 13 Mio € gegenüber.
Ein gewisser Anteil von Prüfungen ohne oder mit nur geringem Ergebnis lässt sich systembedingt nicht vermeiden. So stellen hohe Erstattungsansprüche ein Risikofeld für den Fiskus dar und müssen vor der Auszahlung zeitnah überprüft werden, obwohl sich häufig keine Beanstandungen ergeben. Dennoch sollten weitere Verbesserungen angestrebt werden. Dass dies möglich ist, zeigt schon die Bandbreite der geprüften acht Stellen, bei denen 2004 zwischen 20 und 50 % der Fälle ohne Mehrergebnis waren.
Nach Ansicht des ORH ist für eine effiziente Fallauswahl und -bearbeitung die Betrachtung der bisherigen Mehrergebnisse unverzichtbar. Eine betragsmäßige Schichtung der Ergebnisse kann wichtige Erkenntnisse liefern und das Bewusstsein für eine nicht nur an der Fallzahl, sondern am Steuerausfallrisiko orientierte Arbeitsweise erhöhen. Zumindest die Fälle ohne oder mit nur geringem Mehrergebnis müssen hierzu gesondert ausgewiesen werden. Auch dies ist mit geringem Aufwand möglich.
24.4 IT-Einsatz
Für die Verwaltungsarbeiten im Prüfungsdienst werden die IT-Möglichkeiten noch zu wenig genutzt. Das sog. Auftragsbuch, aus dem u.a. der Stand und das Ergebnis der einzelnen Prüfungsverfahren ersichtlich sind, wird noch in Papierform geführt. Die aktuelle Arbeitslage ist aus dem Auftragsbuch nicht ohne weiteres erkennbar. Eine sachgerechte Arbeitssteuerung und ein modernes Qualitätsmanagement erfordern aber einen ständigen Überblick über den jeweiligen Arbeitsstand. Dazu ist es dringend notwendig, dass das Auftragsbuch in elektronischer Form geführt wird.
24.5 Personaleinsatz
Die im Verhältnis zur Zahl der steuerlich erfassten Unternehmer gemessene Prüfungsdichte ist in Bayern geringer als im Bundesdurchschnitt. Die im Jahr 2004 von der Verwaltung beschlossene Personalverstärkung um rd. 50 auf 290 Prüfer ist bislang nur z.T. erfolgt. Der ORH empfiehlt, das Personal mindestens im vorgesehenen Umfang aufzustocken.
24.6 Sonderprüfgruppen
Im Jahr 2003 wurde auch bei zwei bayerischen Finanzämtern eine Sondergruppe eingerichtet, die unter der Koordination des Bundesamtes für Finanzen besondere überörtliche Sachverhalte prüfen soll. Damit wurde ein zwischen Bund und Ländern vereinbartes Konzept für die Prüfungen überregionaler und grenzüberschreitender Sachverhalte in Betrugsverdachtsfällen umgesetzt. Dazu hat der ORH festgestellt, dass die Arbeitsweise des Verbundes noch nicht ausgereift ist. Die Ablauforganisation und die Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Fallbearbeitung sollte verbessert werden. Darüber hinaus hält der ORH zur Erhöhung der Effizienz eine möglichst bundesweite Evaluierung für erforderlich.
24.7 Stellungnahme der Verwaltung und Schlussbemerkung des ORH
Das Staatsministerium hat mitgeteilt, dass es die Empfehlungen des ORH - soweit noch nicht geschehen - aufgreifen wird.
Die Finanzminister streben einen grundsätzlichen Systemwechsel bei der Umsatzsteuer an, der den organisierten Umsatzsteuerbetrug weitgehend verhindern soll. Unabhängig davon kann die Steuerverwaltung aber auch künftig nicht auf auf eine effektive Fallauswahl unter Risikogesichtspunkten verzichten. Der ORH wird die weitere Entwicklung beobachten.