Jahresbericht 2005

TNr. 29: Förderungen im öffentlichen Personennahverkehr

Buslinie

Die Rechnungsprüfung hat bei den Förderungen im Bereich des ÖPNV erhebliche Fehlsteuerungen festgestellt:Eine mit 2,4 Mio € geförderte Beschleunigung einer Buslinie führte zu einer Fahrzeitverkürzung von lediglich einer Minute.Parkplätze entlang des Schienenpersonennahverkehrs, die der Staat zu 100 % bezuschusste, sind teilweise beträchtlich überdimensioniert.Fehlender Wettbewerb bei Lichtsignalanlagen und Verkehrsrechnern verhindert kostengünstigere Beschaffungen.

Der ORH und zwei Staatliche Rechnungsprüfungsämter haben den Bau von zwei Straßenbahnlinien, zwei Busbeschleunigungen und in einer Querschnittsuntersuchung den Bau von Parkplätzen an Bahnhöfen des Schienenpersonennahverkehrs geprüft.

29.1 Verfahrensdauer

 

Die wiederholt vom ORH vorgetragene Forderung nach einem zeitnahen Abschluss der Fördervorhaben (zuletzt ORH-Bericht 2004 TNr. 32) wird noch immer nicht ausreichend beachtet. Zeiträume zwischen der Inbetriebnahme und dem Schlussbescheid für zwei neu gebaute Straßenbahnlinien von sieben bzw. zehn Jahren sind für alle Beteiligten unbefriedigend. Diese lange Dauer erschwert die ordnungsgemäße Prüfung des Verwendungsnachweises und belastet zudem den Zuwendungsempfänger bei Rückforderungen mit hohen Zinsen. Eine Regierung beabsichtigt deshalb, das Verfahren bei neuen Vorhaben durch Kostenpauschalen zu beschleunigen.

29.2 Neubau von Straßenbahnlinien

 

29.2.1 Die Fördervoraussetzungen einer bau- und verkehrstechnisch einwandfreien sowie wirtschaftlichen und sparsamen Planung wurden beim Neubau einer Straßenbahnlinie teilweise nicht beachtet. Auf mangelhafter Planung basierende Ausschreibungen führten ebenso wie z.T. schwere Verstöße gegen die Vergabegrundsätze zu vermeidbaren Mehrkosten. Aufgrund dieser Feststellungen musste der Zuwendungsempfänger Fördermittel von 480.000 € und Zinsen von 100.000 € zurückzahlen.

29.2.2 Eine andere Straßenbahnneubaustrecke wurde mit knapp 1,2 Mio € gefördert. Hier hat der Zuwendungsempfänger nach den Feststellungen des ORH nicht belegte Kosten geltend gemacht. Zum Teil wichen die als zuwendungsfähig gewerteten Beträge von den einzelnen Rechnungen ab. Der Zuwendungsempfänger hat zudem Kosten für einen Teil der Maßnahme als förderfähig abgerechnet, obwohl diese bereits beim früheren, ebenfalls geförderten U-Bahnbau angefallen sind. Aufgrund dieser Feststellungen und eines schweren Verstoßes gegen das Vergaberecht hat die zuständige Regierung Fördermittel von 360.000 € zurückgefordert.

29.3 Beschleunigungsmaßnahmen

29.3.1 Nutzen-Kosten-Analyse

 

Nach dem GVFG können die Länder Beschleunigungsmaßnahmen für den ÖPNV, insbesondere rechnergestützte Betriebsleitsysteme und technische Maßnahmen zur Steuerung von Lichtsignalanlagen fördern, wenn u.a. das Vorhaben nach Art und Umfang zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse dringend erforderlich sowie bau- und verkehrstechnisch einwandfrei und wirtschaftlich und sparsam geplant ist (§§ 2, 3 GVFG). Die Förderung setzt zunächst ein positives Ergebnis einer Nutzen-Kosten-Analyse voraus.

Während die Kosten relativ sicher ermittelt werden können, lässt sich der mit einer Beschleunigungsmaßnahme erreichte Nutzen nur schwer nachvollziehbar quantifizieren. Dafür fehlen sowohl im Gesetz als auch in den Zuwendungsrichtlinien konkrete Kriterien. Einem Rundschreiben des Staatsministeriums zufolge soll bei Buslinien grundsätzlich ein Fahrzeitgewinn von mindestens 10 % erreicht werden. Unklar ist, ob ein geringerer Beschleunigungseffekt förderschädlich ist.

29.3.2 Beschleunigung einer Buslinie

 

Die zuwendungsfähigen Kosten zur Beschleunigung einer 5,8 km langen Buslinie betrugen laut Verwendungsnachweis 2,8 Mio € 1 und die Zuwendung 2,4 Mio €. Die Fahrzeit wurde von jetzt 16 Minuten (stadtauswärts) bzw. 17 Minuten (stadteinwärts) gegenüber dem früheren Zustand um eine Minute verkürzt und die Pünktlichkeit verbessert. Eine wesentliche Ursache für die nur um 6 % verkürzte Fahrzeit liegt darin, dass der Zuwendungsempfänger nach Abschluss der geförderten Busbeschleunigung eine 600 m lange Teilstrecke zur verkehrsberuhigten Zone umgebaut und durch künstliche Engstellen den Verkehrsfluss zusätzlich verlangsamt hat. Damit wurde ein Teil der mit hohem Aufwand ermöglichten Fahrzeitverkürzung zunichte gemacht. Das Staatsministerium verweist insoweit darauf, dass es mit der Bezuschussung von Beschleunigungsmaßnahmen nicht nur Fahrzeiten verkürzen, sondern auch die Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Anschlusssicherung erhöhen will. Der ORH bezweifelt dennoch, dass so geringe Fahrzeitgewinne den Einsatz von erheblichen Fördermitteln rechtfertigen können.

29.3.3 Mangelnder Wettbewerb bei der Beschaffung von Verkehrsrechnern und Lichtsignalanlagen

 

Der Einsatz frei programmierbarer Rechner als Steuergeräte von Lichtsignalanlagen und die zentrale Steuerung von Verkehrsnetzen über Verkehrsrechner ermöglichen verkehrsabhängige Schaltungen und ÖPNV-Beschleunigungen. Um Lichtsignalanlagen, Verkehrsrechner, Testplätze und andere Komponenten unabhängig voneinander öffentlich ausschreiben zu können und damit echten Wettbewerb zu ermöglichen, müssten alle äußeren und inneren Schnittstellen normiert sein. Trotz Bemühungen der Städte lehnt dies die Herstellerseite bisher ab.

So scheiterte der Versuch einer Stadt, im Rahmen einer Beschleunigungsmaßnahme eine Schnittstelle offen zu legen, um damit die Monopolstellung eines Anbieters aufzubrechen und die Lichtsignalsteuergeräte im Wettbewerb zu beschaffen. Da der Hersteller die erforderliche Entwicklungsarbeit für die Hard- und Software nicht leistete, konnten nur einfache Lichtsignalanlagen ohne ÖPNV-Beeinflussung angeschlossen werden. Damit ließ sich das Förderziel „Beschleunigung des ÖPNV“ nicht erreichen. Die Regierung hat deshalb die hierfür verwendeten Haushaltsmittel von knapp 304.000 € aufgrund der Feststellungen der Rechnungsprüfung als nicht zuwendungsfähig gewertet.

Dass die Wirtschaft hier einen echten Wettbewerb verhindert, ist schon aus ordnungspolitischen Gründen nicht akzeptabel. Fehlender Wettbewerb führt zu ungünstigeren Preisen und belastet damit auch den Steuerzahler erheblich, zumal es sich um ein wesentlich von öffentlicher Nachfrage abhängiges Marktsegment handelt. Abhilfe ist deshalb dringend notwendig.

Das Staatsministerium sieht hier den Normgeber gefordert, erwägt aber in seiner Eigenschaft als Kartellbehörde den Fall zu untersuchen.

29.4 P+R-Anlagen an Bahnhöfen des Schienenpersonennahverkehrs

 

Für die Errichtung von Parkplätzen (P+R) im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) standen von 1998 bis 2002 insgesamt 140 Mio € Fördermittel zur Verfügung. 55 Mio € entfielen auf die Zahlungen aufgrund der Rahmenverträge mit der DB AG im Bereich der großen Verkehrsverbünde und 85 Mio € auf das Schnittstellenprogramm für die übrigen Bereiche.

29.4.1 Rahmenverträge mit der DB AG

 

Das Staatsministerium hat für den Freistaat Rahmenverträge mit der DB AG u.a. über den Bau und Ausbau von P+R-Anlagen für die Gebiete der großen Verkehrsverbünde (München, Regensburg, Nürnberg, Würzburg und Augsburg) abgeschlossen. Vertragsgemäß stellt die DB AG ihre Grundstücke für die Baumaßnahmen zur Verfügung, bleibt aber Eigentümerin. Der Freistaat fördert die Baukosten zu 100 % (60 % GVFG-Mittel und 40 % nach dem BayÖPNVG) und zuzüglich 7 % für Planungskosten.2 Die Gemeinden unterhalten die fertig gestellten Anlagen.

29.4.2 Auslastung der Parkplätze

 

Ein Staatliches Rechnungsprüfungsamt hat bei einer stichprobenweisen Erhebung auf 32 Anlagen im Jahr 2003 3 Folgendes festgestellt: Insgesamt waren 772 Stellplätze belegt und damit die gesamte Kapazität von 1.624 Parkplätzen im Durchschnitt nur zu 48 % genutzt. Die meisten Anlagen (66 %) waren zu weniger als 50 %, viele (28 %) sogar unter 20 % ausgelastet. Im Regelfall hatten die Verkehrsverbünde selbst den Bedarf für die Abstellplätze und deren Umfang für die nach den Rahmenverträgen vereinbarten Ausbaumaßnahmen festgestellt.

29.4.3 Bewertung

 

Die vielfach ermittelte mangelhafte Auslastung belegt, dass über den tatsächlichen Bedarf hinaus gebaut und gefördert wurde. Wesentliche Ursache für viele Überdimensionierungen war auch ein Fördersatz von 100 % 4. Der ORH hält es für problematisch, wenn die Anlagengröße von der Wertung durch die DB AG oder den jeweiligen Verkehrsverbund abhängt, die keinen Beitrag zu den Investitionskosten leisten müssen, aber von einem Zuwachs an Fahrgästen profitieren.

29.4.4 Stellungnahme der Verwaltung

 

Nach Ansicht des Staatsministeriums ist der Bedarf mit der möglichen Sorgfalt, z.T. sogar mit wissenschaftlichen Methoden ermittelt worden. Die tatsächliche Belegung zeige aber, dass sich verlässliche Prognosen kaum treffen ließen, weil das Verhalten der potentiellen Umsteiger (vom Individualverkehr zum SPNV) nicht kalkulierbar sei. Im Übrigen habe eine Zählung im Frühjahr 2005 eine mit durchschnittlich 67 % bessere Auslastung der Plätze ergeben. Das Staatsministerium will aber bei der künftigen Förderung größerer Anlagen prüfen, ob eine Ausführung in Bauabschnitten zweckmäßig ist, um auf die Bedarfsentwicklung flexibel reagieren zu können. Eine höhere Eigenbeteiligung der DB AG über die Bereitstellung der Grundstücke und die Übernahme der restlichen Planungskosten hinaus sei nicht erreichbar gewesen. Die Bahn hätte unter anderen finanziellen Bedingungen nicht gebaut. Um den ÖPNV insgesamt attraktiver zu machen, bedürfe es aber auch ausreichender Parkplätze.

29.4.5 Abschließende Bemerkung des ORH

 

Auch wenn sich die Belegung verbessert hat, bleibt sie in vielen Bereichen dennoch unbefriedigend. Nach wie vor wird die Hälfte der erfassten 32 P+R-Plätze nur zu weniger als 50 % genutzt. Der ORH sieht in der 100 %igen Förderung die Hauptursache für bestehende Überkapazitäten. Da die höhere Attraktivität des SPNV gerade auch im Interesse der DB AG liegen muss, sollte künftig wenigstens eine Mindestbeteiligung an den Baukosten vereinbart werden.


1) Darunter 1,4 Mio € für einen Verkehrsrechner, der auch spätere Beschleunigungsmaßnahmen ermöglicht hat.

2) Ausnahme insoweit im Gebiet des RVV Regensburg.

3) Untersucht wurden P+R-Plätze in der Oberpfalz, in Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken.

4) zuzüglich 7 % für Planungskosten und die Unterhaltslast der Gemeinden.

 



Zur Umsetzung dieses Prüfungsergebnisses