Jahresbericht 2006

TNr. 37: Vollzug der Ausbildungsförderungsgesetze

Fehlzahlungen beim Vollzug der Ausbildungsförderungsgesetze durch die Kreisverwaltungsbehörden von mehreren Millionen Euro jährlich ließen sich bei einer weiter verbesserten IT-Unterstützung der Sachbearbeiter und dem flächendeckenden Einsatz des Dialogverfahrens vermeiden. Einsparungen könnten zudem erzielt werden, wenn der Darlehensanteil der Förderung flexibel in Anspruch genommen werden könnte, Ermittlungen zur Aufdeckung rechtsmissbräuchlicher Vermögensübertragungen statthaft wären und die Förderung beim Ausbildungsabbruch nicht bis zum Monatsende weitergewährt werden müsste.

37.1    Allgemeines

Die Länder vollziehen das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG)1 im Auftrag des Bundes. Beim Bayerischen Ausbildungsförderungsgesetz (BayAföG) handelt es sich um ein landesrechtliches Leistungsgesetz. Zuständig sind grundsätzlich die Kreisverwaltungsbehörden. Die Leistungen nach dem BAföG an Studenten werden von den Studentenwerken bewilligt.
    
Der Bund trägt die Ausgaben im Vollzug des BAföG und des AFBG zu 65 bzw. 78 %. Die verbleibenden Ausgaben und die Ausgaben für den Vollzug des BayAföG werden aus Landesmitteln finanziert. Die Ausgaben Bayerns hierfür haben von 32 Mio € im Jahr 2000 auf 75 Mio € im Jahr 2004 und damit um 137 % zugenommen. Die Anzahl der Förderfälle stieg im gleichen Zeitraum von 87 000 auf 142 000 und damit um lediglich 63 %. Der Ausgabenzuwachs geht im Wesentlichen auf die Leistungsverbesserungen beim BAföG ab 1. April 2001 und beim AFBG ab 1. Januar 2002 zurück. Zudem hat der Weiterbildungsbedarf aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit stark zugenommen.
    

37.2    Ergebnisse der Rechnungsprüfung

Der ORH und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter haben in den Jahren 2003 und 2004 anhand einer Zufallsstichprobe den Vollzug der Ausbildungsförderungsgesetze durch die Kreisverwaltungsbehörden geprüft.
    
Ermittlungs- und Festsetzungsfehler mit finanziellen Auswirkungen fanden sich bei 12 % der geprüften BAföG-/BayAföG-Fälle und bei 9 % der geprüften AFBG-Fälle. Sie betreffen überwiegend die Einkommens- und Vermögensanrechnung. Hochgerechnet auf alle Fälle betragen die jährlichen Fehlzahlungen (einschließlich des Bundesanteils) beim BAföG mehrere Millionen Euro und beim AFBG rund eine Million Euro.
    
Mit der Weiterentwicklung des inzwischen bei allen Studentenwerken und der Mehrzahl der Kreisverwaltungsbehörden eingesetzten modernen IT-Verfahrens ließen sich die meisten Mängel deutlich verringern und z.T. auch vollständig vermeiden. Das Verfahren sollte von den Kommunen, die es bislang noch nicht eingesetzt haben, möglichst bald angeschafft werden.
 
Weitere Einsparungen könnten mit den nachfolgend aufgezeigten Änderungen des BAföG und des AFBG erreicht werden.
    

37.3    Inanspruchnahme des Darlehensanteils der BAföG-Förderung

Beim Besuch von Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen sowie bei der Teilnahme an einem Praktikum, das im Zusammenhang mit dem Besuch dieser Ausbildungsstätten steht, wird die monatliche BAföG-Förderung zur Hälfte als unverzinsliches Darlehen geleistet (Ausgaben 2005: 83,5 Mio €, davon 29 Mio € aus Landesmitteln).
    
Anders als beim AFBG können BAföG-Empfänger den Darlehensanteil der Förderung derzeit nicht flexibel in Anspruch nehmen. Würde dies möglich, ließen sich nach Einschätzung des ORH Darlehensausgaben von vielen Millionen Euro jährlich sparen.
    

37.4    Rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung

Vermögenswerte sind nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auch dann dem Vermögen des Auszubildenden zuzurechnen, wenn sie rechtsmissbräuchlich übertragen worden sind. Dies ist der Fall, wenn der Auszubildende in zeitlichem Zusammenhang mit der Aufnahme der Ausbildung Teile seines Vermögens unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte, insbesondere seine Eltern oder andere Verwandte, übertragen hat. Für die Wertbestimmung des Vermögens kommt es auf den Zeitpunkt der Antragstellung an.

Um eine rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung überhaupt prüfen zu können, muss bekannt sein, welcher Vermögenswert einige Zeit vor der erstmaligen Antragstellung bestanden hat. Hierfür fehlt bisher die Rechtsgrundlage.

37.5    Rückforderung der Ausbildungsförderung nach Ausbildungsabbruch

Wird die Ausbildung aus einem vom Auszubildenden zu vertretenden Grund lediglich unterbrochen, kann die Förderung auch für einen Teil eines Kalendermonats zurückgefordert werden. Bei einem Ausbildungsabbruch endet die Förderung aber erst mit Ablauf des Monats.
 

37.6    Rückwirkende begünstigende Änderung des Bewilligungsbescheides

Entsteht aufgrund einer Änderung der Verhältnisse ein Anspruch auf höhere Ausbildungsförderung, so ist dies zugunsten des Auszubildenden vom Beginn des Monats an zu berücksichtigen, in dem die Änderung eingetreten ist, rückwirkend jedoch für bis zu drei Monate vor dem Monat, in dem sie dem Amt mitgeteilt wurde. Diese Regelung ist sehr großzügig. Zur Sicherung des Lebensunterhalts erscheint eine Rückwirkung von einem Monat ausreichend.
 

37.7    Stellungnahme des Staatsministeriums

Das Staatsministerium hat die Vollzugsbehörden in zahlreichen Rundschreiben über die festgestellten Fehler unterrichtet und Hinweise zu deren Vermeidung gegeben. Die vom ORH angeregten Gesetzesänderungen hat es an das zuständige Bundesministerium für Bildung und Forschung herangetragen. Dieses hat zugesagt, die Vorschläge im Zuge des nächsten anstehenden Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen.


1) besser bekannt unter dem Namen "Meister-BAföG"