Jahresbericht 2006

TNr. 18: Öffentlich Private Partnerschaften im Staatsstraßenbau

Straßenbau

Der Staat verwirklicht zwei Staatsstraßenprojekte über Öffentlich Private Partnerschaften. Der ORH hat bei den Investitionen keine Kostenvorteile festgestellt, die nicht auch bei konventioneller Verwirklichung erreichbar wären. Demgegenüber verteuert die private Vorfinanzierung die Maßnahmen.

18.1    Allgemeines zu den beiden Pilotvorhaben

Unter „Öffentlich Privater Partnerschaft“ (ÖPP) 1 wird eine langfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen Öffentlicher Hand und Privatwirtschaft verstanden, die sich über den gesamten Lebenszyklus öffentlicher Infrastrukturprojekte erstreckt und diese möglichst wirtschaftlich verwirklichen soll. Der Staatsstraßenhaushalt 2005/2006 enthält für zwei Pilotvorhaben Verpflichtungsermächtigungen über 55 und 25 Mio €: die Verlegung der Staatsstraße 2309 bei Miltenberg mit Bau einer Mainbrücke (St 2309) und der Bauabschnitt 4 der Staatsstraße 2580 als Flughafentangente Ost bei Erding (FTO).

In einem Fall soll die hochbelastete Ortsdurchfahrt von Miltenberg durch eine 4,8 km lange Verlegung der St 2309 entlastet werden. Dazu müssen u.a. eine neue 355 m lange Brücke über den Main sowie ein 340 m langer Tunnel gebaut werden.

Mit dem Bau der FTO soll im anderen Fall eine leistungsfähige Nord-Süd-Verbindung zwischen den Bundesautobahnen A 92 und A 94 hergestellt und die Anbindung des Münchner Flughafens aus östlicher Richtung verbessert werden. Die insgesamt 27 km lange Strecke ist in sechs Bauabschnitte unterteilt, von denen bereits drei fertiggestellt sind. Das ÖPP-Projekt bezieht sich auf den Bauabschnitt 4 mit 3,5 km Länge.

Beide Projekte unterscheiden sich darin, dass die St 2309 einen deutlich größeren Anteil an Brücken- und Tunnelbau erfordert, während der Ingenieurbau bei der FTO nur eine untergeordnete Rolle spielt.
    
Die Straßenbauverwaltung hat mit großem Aufwand und externer Beratung komplexe Verträge mit jeweils einem Generalunternehmer abgeschlossen. Die Verträge bestehen aus vier Teilen:

  • Teil A: Konventioneller Bauvertrag mit detailliertem Leistungsverzeichnis für bestimmte Teilleistungen, wie etwa Vorarbeiten, Baustelleneinrichtung, Entwässerung, Seitenstreifen, Humusierung und Begrünung, Wildschutzzäune, aber auch kreuzende Straßen, einzelne Bauwerke,
  • Teil B: Funktionsbauvertrag mit funktionaler Leistungsbeschreibung und pauschalierter Abrechnung nur für die durchgehende Fahrbahn und die Ingenieurbauwerke (Brücken, Tunnel),
  • Teil C: Bauliche Erhaltung nur des Teils B für 25 Jahre, beginnend mit dessen Abnahme,
  • Teil D: Kreditfinanzierung der Bauleistungen (Teile A und B).


Der Auftragnehmer finanziert sämtliche Bauleistungen vor. Er hat dafür einen Kreditvertrag mit einer Bank geschlossen. Während der Bauzeit werden die nachgewiesenen Bauleistungen mit einem variablen Satz verzinst. Nach Abnahme und Übergabe der Straße kann der Auftragnehmer vertragsgemäß seine Werklohnforderung gegenüber dem Staat einredefrei an die vorfinanzierende Bank abtreten (forfaitieren). Der Staat refinanziert die Bau- und Finanzierungskosten über einen Zeitraum von zehn Jahren erstmals im Jahr der Abnahme der Bauleistungen (Teile A und B).

Außerdem vergütet das Bauamt die Erhaltungsmaßnahmen nach einem festgelegten Zahlungsplan. Voraussetzung dafür ist, dass die vertraglich vereinbarten funktionalen Anforderungen (z.B. Ebenflächigkeit und Griffigkeit der Fahrbahnoberfläche) erfüllt sind. Die Qualitätsanforderungen sind z.T. weit höher als im übrigen Staatsstraßennetz.

18.2    Ziele der Pilotvorhaben

Die Straßenbauverwaltung in Bayern hatte bereits 1994 beim Bau von zwei Staatsstraßen Erfahrungen mit privater Vorfinanzierung gesammelt. In beiden Fällen hatte der ORH beträchtliche Mehrkosten festgestellt.2 Der Landtag hatte daraufhin die Staatsregierung ersucht, „... eine private Vorfinanzierung öffentlicher Investitionen auf besonders begründete Ausnahmefälle zu beschränken ...“.3
    
Vor diesem Hintergrund sieht die Straßenbauverwaltung die „besondere Begründung“ im Sinne des Landtagsbeschlusses für neue Pilotprojekte vor allem in einer Lebenszyklusbetrachtung. In folgenden Bereichen will die Verwaltung Erfahrungen sammeln:

  • Kostenvergleich zwischen konventioneller und ÖPP-Verwirklichung,
  • Innovationen durch ÖPP,
  • Risikoverteilung bei ÖPP-Projekten.


18.3    Kostenvergleich der Verwaltung

Ungeachtet des Pilotcharakters beider Straßenbauvorhaben machte die Verwaltung ihre Verwirklichung von einem positiven Wirtschaftlichkeitsvergleich abhängig. Für den Kostenvergleich hat die Verwaltung die Ausschreibungsergebnisse mit Schätzkosten für eine konventionelle Realisierung verglichen, weil das Vergaberecht eine sog. Parallelausschreibung nicht zulässt.

Kostenvergleich für die St 2309
Kostenvergleich für die FTO

Nach Berechnungen des Staatsministeriums der Finanzen wäre die unmittelbare Kreditfinanzierung durch den Staat bei der St 2309 um 2,4 Mio €, bei gleichen Baukosten sogar um 3,1 Mio € günstiger; bei der FTO läge der Vorteil bei 0,19 bzw. 0,32 Mio €. Die Verwaltung kommt dennoch in beiden Fällen zu einem positiven Ergebnis zugunsten von ÖPP.
 

18.4    Prüfung des Kostenvergleichs

Der ORH hat gemeinsam mit einem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt die Verträge geprüft und dabei den Kostenvergleich der Verwaltung untersucht.

18.4.1    Baukosten

Teil A des Vertrags besteht aus einer konventionellen Leistungsbeschreibung mit Einzelpositionen. Die Verwaltung weist für die St 2309 einen ÖPP-Vorteil von 1,7 Mio € aus. Sie begründet dies neben dem günstigen Zeitpunkt der Ausschreibung vor allem mit der Durchführung der Baumaßnahmen in einem Stück. Demgegenüber hat sie bei der herkömmlichen Errichtung wegen des knappen Haushalts eine zeitliche Streckung und eine Ausschreibung nach Fachlosen unterstellt. Mehrfache Baustelleneinrichtung und -räumung sowie ein ungünstigerer Bauablauf würden erhebliche Mehrkosten auslösen. Nach Ansicht des ORH darf aber nur Gleiches mit Gleichem verglichen werden. Hätte die Verwaltung im Rahmen ihrer Budgetbewirtschaftung für gleiche Rahmenbedingungen gesorgt, so hätte eine Ausschreibung bei der konventionellen Variante zum gleichen Ergebnis geführt.

Für Teil B als Funktionsbauvertrag geht die Verwaltung bei der St 2309 ebenfalls von beträchtlichen ÖPP-Vorteilen aus. Sie resultieren vor allem aus günstigeren Sonderbauweisen für die Bauwerke. Diese werden aber bei herkömmlichen Ausschreibungen ebenfalls häufig angeboten und beauftragt. Sie sind damit kein ÖPP-spezifischer Vorteil. Die einzige Abweichung besteht in einem etwas teureren Deckenbelag zugunsten eines erhofften geringeren Erhaltungsaufwands, der aber die Baukosten erhöht.
 
Bei der FTO unterscheiden sich geschätzte Kosten und Ausschreibungsergebnis deutlich geringer, weil die Bauverwaltung wegen des kleineren Leistungsumfangs keine verschiedenen Bauabläufe ansetzen konnte. Hinzu kommen noch zwei weitere Aspekte: Die Verwaltung hat hier bei beiden Varianten die Kosten für eine Dauerzählstelle einbezogen, obwohl diese nur bei der ÖPP-Lösung notwendig ist. Vor allem hat sie bei ÖPP die für die Bauwerke angebotene günstigere „Rahmenbauweise“ berücksichtigt. Diese wäre als Sondervorschlag bei der herkömmlichen Methode aber ebenfalls zu erwarten gewesen. Bei entsprechender Berücksichtigung ergibt sich gegenüber dem errechneten Vorteil von 120 000 € sogar ein Nachteil für ÖPP von 245 000 €. Hinzu kämen noch Mehrkosten für den teureren Kompaktasphalt, der erst in der Erhaltungsphase (Teil C) Vorteile erwarten lässt.

Fazit des ORH
    
Wären die Projekte konventionell vergleichbar und zum selben Zeitpunkt ausgeschrieben worden, so wären ähnliche Angebote zu erwarten gewesen. Die errechneten Kostenvorteile bei ÖPP sind daher unrealistisch.

18.4.2    Erhaltungskosten

Der Auftragnehmer soll gemäß Teil C des Vertrags die nach dem Teil B erstellten Fahrbahnen und Bauwerke 25 Jahre lang erhalten. Der laufende Unterhaltsdienst verbleibt dagegen beim Straßenbauamt. Für die Bewertung des baulichen Zustands schreibt der Vertrag detailliert vor, welche Inspektionen und Kontrollen in welchem Jahr zu erfüllen sind. Außerdem muss der Auftragnehmer ab dem 23. Jahr die Schutzschichten bei den Ingenieurbauten erneuern und die je nach Ergebnis der Kontrollen erforderlichen Reparaturen übernehmen.4

Für die St 2309 hat der Auftragnehmer im Streckenbau Kosten von 690 000 € angesetzt, die im Wesentlichen auf einen einmaligen Deckenbau gegen Ende des 25-Jahreszeitraums entfallen. Demgegenüber hat die Straßenbauverwaltung sowohl im 15. als auch nochmals im 25. Jahr einen Deckenbau zu je 480 000 € veranschlagt. Nur auf diese Weise ergibt der Vergleich einen Kostenvorteil für ÖPP. Als Gründe wurden die hohe Verkehrsbelastung und gestiegene Anforderungen an die Straßenoberfläche (z.B. Griffigkeit) genannt. Die eigene Praxis sieht aber anders aus: Im Bauamtsbereich erhalten die Staatsstraßen durchschnittlich alle 48 Jahre eine neue Decke.5 Selbst bei vergleichbaren Bundesstraßen wird die Decke einer Neubaustrecke nicht innerhalb von 25 Jahren zweimal erneuert. Die Straßenbauverwaltung hat aber auch für die Bauwerke (Brücke und Tunnel) zwei aufwendige Sanierungen (insgesamt 950 000 €) bei den Schätzkosten angesetzt, während die ÖPP-Variante nur von einer Sanierung mit 517 000 € ausgeht. Wenn man dies ebenso für die konventionelle Variante unterstellen würde, ergäbe sich auch hier ein rechnerischer Nachteil der ÖPP-Lösung.

Für die FTO stellt sich der Vergleich ähnlich dar, weshalb der ORH auch dort keine Kostenvorteile der ÖPP-Lösung erkennen kann.

18.4.3    Zusammenfassende Bewertung des Kostenvergleichs

Der Kostenvergleich der Verwaltung beruht auf ungleichen Annahmen. Nur deshalb ergeben sich bei den Bau- und Erhaltungskosten Vorteile für ÖPP. Bei den Finanzierungskosten hat die konventionelle Variante ohnehin einen großen Vorteil, weil sich der Staat günstiger refinanzieren kann. Insgesamt wäre die herkömmliche Verwirklichung jeweils günstiger gewesen. Dabei hat der ORH die Transaktionskosten (Beratung der Verwaltung) durch Externe nicht mitgerechnet.
    
Das Staatsministerium des Innern (StMI) hält den Wirtschaftlichkeitsvergleich dagegen für realistisch. Sein Ziel sei es, der bisherigen konventionellen Projektrealisierung die neuartige ÖPP-Variante gegenüberzustellen und zu erproben. Es sei nicht sachgerecht, bei der konventionellen Variante fiktiv Elemente aus der ÖPP-Variante zu berücksichtigen, die es dort in der Praxis regelmäßig nicht gebe wie etwa den Funktionsbauvertrag oder die Vergabe an einen Generalunternehmer. Es sei gerade charakteristisch für die Pilotprojekte, dass dort diese Elemente erst erprobt werden. Der Vorteil des Funktionsbauvertrags liege nicht nur darin, günstigere Sonderbauweisen zu fördern, sondern wesentlich im Lebenszyklusansatz. Dass der Auftragnehmer über die gesetzliche Gewährleistungszeit von fünf Jahren hinaus für den Erhaltungszeitraum von 25 Jahren Verantwortung trage, verstärke den Anreiz, dauerhaft und erhaltungsfreundlich zu bauen. Sofern sich einzelne Elemente der ÖPP-Vorhaben bewähren würden, könne die Bauverwaltung diese künftig auch bei konventioneller Finanzierung anwenden.

Diese Argumentation kann nicht überzeugen. Funktionsbauvertrag und Generalunternehmervergabe sind auch jetzt schon bei herkömmlichen Bauweisen rechtlich möglich. Um zu testen, ob beide Elemente zu kostengünstigeren Lösungen führen, hätte es nicht der teureren privaten Vorfinanzierung bedurft. Nur um diese im Wirtschaftlichkeitsvergleich rechnerisch zu kompensieren, wurden verschiedene Sachverhalte gegenübergestellt.

18.5    Innovationen bei den Pilotvorhaben

Die Straßenbauverwaltung will mit dem Pilotvorhaben auch erproben, ob und welche Anreize für Innovationen aus der Lebenszyklusbetrachtung und dem Funktionsbauvertrag entstehen. Grundsätzlich sind die Möglichkeiten aber begrenzt, weil die Straßenplanung durch Planfeststellungsbeschluss fixiert ist und die technischen Vorschriften die Varianten im Straßenaufbau weitgehend erfassen. Deshalb enthalten die Angebote - wie zu erwarten war - nur wenige Ansätze für Innovationen, die über die bisher schon üblichen Sondervorschläge bei Bauwerken hinausgehen.

Der Auftragnehmer rechnet mit einem niedrigeren Erhaltungsaufwand, wenn er qualitativ höherwertiger baut. Sollten die Erfahrungen mit den beiden Pilotprojekten dies als wirtschaftlich erweisen, so müsste die Straßenbauverwaltung künftig konsequenterweise höhere Standards planen. Ähnliches gilt für die Bereiche Bauablaufplanung und Massendisposition, in denen die Verwaltung ein größeres Innovationspotenzial sieht. Dennoch sah sie sich bisher nicht in der Lage, diese Rahmenbedingungen für konventionelle Ausschreibungen von größeren Staatsstraßenprojekten zu schaffen. Der ORH hält es für unverständlich, dass diese zweifellos bestehenden Vorteile nur über den teureren Weg der privaten Vorfinanzierung nutzbar sein sollen.

18.6    Risikoverteilung

Die langfristige, vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem privaten Partner während des Lebenszyklus eines Bauwerks 6 soll Effizienzgewinne dadurch erschließen, dass Projektrisiken jeweils derjenige Vertragspartner übernimmt, der sie effizienter tragen kann. Dies zu testen, war ein weiteres Ziel der Pilotprojekte. Die Bauverwaltung hat für die St 2309 die Risiken intern bewertet. Der ORH beurteilt das wie folgt:

Risiko von Kostensteigerungen


Das Risiko von Kostensteigerungen liegt beim Generalunternehmer. Die Zusammenfassung aller Straßen- und Ingenieurbauten in einem großen Gesamtauftrag lässt einen günstigeren Gesamtpreis erwarten als bei losweiser Vergabe. Die Beauftragung eines Generalunternehmers ist allerdings auch außerhalb von ÖPP möglich. Das StMI begründet die einseitige Wertung damit, dass sonst die Vorteile von ÖPP nicht ausreichend zum Tragen kämen.

Risiko des Projektmanagements


Da der Auftragnehmer auch die Finanzierung übernimmt, kann er über die Mittelbereitstellung den Bauablauf entsprechend den betrieblichen Verhältnissen sehr gut steuern. Die gegebene Mittelausstattung gestatte es nach Ansicht des StMI nicht, einen optimalen Bauablauf bei großen Staatsstraßenprojekten zu finanzieren, weil dann die Straßenbaumittel nicht wie bisher regional ausgewogen verteilt werden könnten. Nach Auffassung des ORH gebietet es der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz, den Bauablauf auch bei konventioneller Ausschreibung durch entsprechende Rahmenbedingungen zu optimieren. Im Übrigen engen ÖPP-Vorhaben, die zulasten künftiger Staatsstraßenhaushalte abfinanziert werden müssen, die Spielräume noch mehr ein und verschärfen damit die vom StMI geschilderte Problematik.

Insolvenzrisiko
    
Das Risiko des Bauherrn, dass ein Bauunternehmen während der Bauphase insolvent wird und damit zusätzliche Kosten entstehen, verringere sich - so die Verwaltung - aufgrund der privaten Vorfinanzierung. Der Staat müsse hier keine Zahlungen leisten.

Tatsächlich führt die private Vorfinanzierung durch Bankkredit in der Bauphase nicht zu direkten Zahlungen der Straßenbauverwaltung an den Auftragnehmer. Der Staat muss vielmehr erst nach Abnahme der Bauleistungen den abgetretenen Werklohnanspruch und die Kreditzinsen an die Bank ratenweise begleichen. Diese kann aber bei Insolvenz des Bauunternehmens verlangen, dass der Forderungskauf und die Abtretung des Werklohnanspruchs rückgängig gemacht werden. Dann besteht wieder eine ausschließliche Leistungsbeziehung zwischen Bauamt und Baufirma.
    
Das Bauamt muss im Insolvenzfall unabhängig von der Realisierungsvariante die restlichen Baumaßnahmen neu ausschreiben und vergeben. Das bedeutet Zeitverlust, Mehraufwand und erhöhte Kosten. Das StMI argumentiert, dass dieser Schaden bei der ÖPP-Variante durch Aufrechnung besser geltend gemacht werden könnte. Allerdings lässt das Insolvenzrecht Aufrechnungen generell nur eingeschränkt zu.
    
Erhaltungsrisiko

    
Das Risiko, dass bald nach Ablauf der Gewährleistungszeit Mängel auftreten und entsprechende Sanierungskosten anfallen, trägt beim Funktionsbauvertrag der Auftragnehmer. Das Erhaltungsrisiko muss ein Bieter ‑ wie jedes andere Risiko ‑ allerdings durch kalkulatorische Zuschläge berücksichtigen. Die Verwaltung geht insoweit davon aus, dass er dieses Risiko kostengünstiger beherrschen kann, wenn ihm sowohl der Bau als auch die Erhaltung obliegen. Der Auftragnehmer habe in der Erhaltungsphase eine relativ große zeitliche Dispositionsfreiheit. Der Zeitpunkt von Erhaltungsmaßnahmen könne optimal gewählt werden, während diese bei konventioneller Realisierung oftmals aufgrund knapper Haushaltsmittel verschoben werden müssen.

Nach Auffassung des ORH entfiele der Vorteil, wenn die für notwendige Erhaltungsmaßnahmen erforderlichen Haushaltsmittel so bereitstünden, wie sie die Bauverwaltung den Unternehmen in den ÖPP-Verträgen zugesichert hat. Im Übrigen wird die Projektphase Betrieb/Erhaltung ‑ anders als bei Autobahnabschnitten im Rahmen von Betreibermodellen ‑ nur eingeschränkt übertragen. So verbleibt sinnvollerweise der gesamte Betriebsdienst wegen der kurzen und innerhalb des zusammenhängenden Staatsstraßennetzes liegenden Strecke bei der Straßenbauverwaltung. Aber auch die Erhaltung wird nur teilweise übertragen: Die Abgrenzungen zwischen den Teilen A und B haben zur Folge, dass das Bauamt für Teilbereiche (Entwässerungsanlagen, Bankette, Böschungen etc.) zuständig bleibt.
    
Fazit des ORH

Im Ergebnis führt somit auch die Risikobewertung nicht zu Vorteilen für ÖPP, die die Mehrkosten aus der privaten Kreditfinanzierung ausgleichen könnten.

18.7    Eignung der Pilotvorhaben

Vor der Entscheidung, die Bauvorhaben im Rahmen eines ÖPP-Modells zu verwirklichen, hätte jeweils deren Eignung hinsichtlich der fünf Projektphasen „Planung, Bau, Finanzierung, Betrieb/Erhaltung, Verwertung“ geprüft werden müssen. Die beiden Pilotprojekte wurden jedoch im Doppelhaushalt 2005/2006 ohne einen solchen Eignungstest veranschlagt.
    
Nach Ansicht des StMI dienen die beiden Pilotprojekte dazu, praktische Erfahrungen mit ÖPP zu gewinnen. Es will auf der Grundlage dieser Erfahrungen Kriterien für einen Eignungstest entwickeln. Dieser formuliere im Wesentlichen die wirtschaftlichen Erwartungen an ein Projekt im Vorfeld einer Ausschreibung und prüfe mit dem Ziel, ob ÖPP als Beschaffungsvariante weiterzuverfolgen sei. Das sei für die beiden Vorhaben zu bejahen gewesen. In beiden Fällen hätten die Größe und Komplexität erwarten lassen, dass die systemimmanenten Vorteile von ÖPP die Nachteile der privaten Vorfinanzierung kompensieren können.

Demgegenüber hätte nach Auffassung des ORH ein vorgeschalteter Eignungstest für beide ÖPP-Projekte zu einem negativen Ergebnis führen müssen, wenn die vorgenannten Kriterien herangezogen worden wären.

18.8    Gesamtbewertung

Der ORH fasst das Ergebnis seiner Prüfungen wie folgt zusammen:

Ein realistischer Kostenvergleich lässt keine Vorteile der ÖPP-Lösung gegenüber einer herkömmlichen Verwirklichung erkennen. Kostenersparnisse entstehen, wenn ohne zeitliche Streckung gebaut werden kann. Dies wäre auch nach der konventionellen Methode möglich gewesen. Gleiches gilt für die Kostenvorteile bei der Vergabe an Generalunternehmer gegenüber einer Aufteilung in Fachlose gemäß den Mittelstandsrichtlinien.

Jedes ÖPP-Vorhaben begründet wie eine unmittelbare Kreditaufnahme auch langfristige finanzielle Belastungen für die Zukunft und engt den künftigen Handlungsspielraum entsprechend ein.

 



1) Synonym wird auch von "public Private Partnership" (PPP) gesprochen.

2) ORH-Jahresbericht 1997 TNr. 23

3) Landtagsbeschluss vom 24. April 1998 (LT-Drucksache 13/10947 Nr. 2 d)

4) Die nachfolgenden Zahlen sind absolut, ohne Diskontierung.

5) Auch dass kritisierte der ORH, s. Jahresbericht 2004 TNr. 22.

6) hier begrenzt auf 25 Jahre