Jahresbericht 2006

TNr. 40: Zahnmedizin an den bayerischen Universitätsklinika

Der große Zuschussbedarf, die landesweit hohe Versorgungsdichte und die Überkapazität an Studienplätzen in Bayern legen es nach Ansicht des ORH nahe, auf die in Regensburg geplante Sanierung der Zahnklinik zu verzichten. Die eingesparten Baumittel von über 20 Mio € könnten anderen Bereichen zugute kommen. Lehre und Forschung sollten auf die verbleibenden drei Standorte konzentriert werden.

40.1    Gegenstand der Untersuchung

Der ORH hat schwerpunktmäßig für das Jahr 2004 die Betriebsergebnisse, Ausbildungskapazitäten und Forschungsleistungen der Kliniken für Zahnerhaltung und Parodontologie, Zahnärztliche Prothetik, Kieferorthopädie sowie Mund‑, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) der Universitäten München, Regensburg, Würzburg und Erlangen ermittelt.

Das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München verfügt ‑ bis auf die MKG ‑ über keine zahnmedizinischen Fächer und wurde daher bei dieser Untersuchung nicht berücksichtigt.

40.2    Betriebsergebnisse und Zuschussbedarf


40.2.1    Bei allen zahnmedizinischen Kliniken verbleiben nach Abzug der Erlöse aus Krankenversorgung erhebliche Defizite, die durch staatliche Mittelzuführungen gedeckt werden müssen.

Betriebsergebnisse und Zuschussbedarf

Der Kostendeckungsgrad variiert an den Standorten erheblich. Die niedrigen Erträge in München sind primär auf die MKG-Klinik in der Innenstadt mit einer Belegung von weit unter 50 % zurückzuführen. Hier ist eine Reduzierung der Bettenzahl und Verlegung nach Großhadern beabsichtigt. In Regensburg ist die Erlössituation zwar im Bereich MKG besser, dafür in den anderen drei zahnmedizinischen Fächern wegen der schwierigen Patientengewinnung deutlich unter dem Durchschnitt.

40.2.2
    Der Zuschuss des Staats für Lehre und Forschung wird für den gesamten Medizinbereich (Human- und Zahnmedizin) zugewiesen. Das jeweilige Defizit der Zahnkliniken wird hieraus in voller Höhe gedeckt.

Zuschussanteile

Auffällig ist die etwa doppelt so hohe Quote der Zahnmedizin am Staatszuschuss für das Klinikum in Regensburg. Das Staatsministerium hält einen solchen Vergleich für nicht weiterführend, da es keinen Maßstab für das finanzielle Verhältnis zwischen Human- und Zahnmedizin gibt. Nach Ansicht des ORH zeigt die Relation aber, dass an einer kleinen Hochschulklinik wie in Regensburg der Mittelanteil für die Zahnklinik besonders zulasten der anderen Fachbereiche der dortigen medizinischen Ausbildung und Forschung geht.

40.3    Drittmittel und Forschung

In seinen Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Zahnmedizin 1 kommt der Wissenschaftsrat zu dem Ergebnis, dass die zahnmedizinischen Forschungsleistungen in Deutschland im internationalen Vergleich auf relativ niedrigem quantitativen Niveau rangieren. Anerkannte Maßstäbe für die Bewertung von Forschungsaktivitäten sind die Drittmitteleinwerbungen sowie eine Analyse der Publikationsdaten (Impactfaktoren).

40.3.1    Bezogen auf die Drittmittelgeber und die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Zahnkliniken verfügen die Zahnkliniken über folgende Drittmittel:

Drittmittelaufkommen 2002 bis 2004

Bei den Zahnkliniken in Würzburg wurden die Drittmittel der Abteilung für Funktionswerkstoffe der Medizin und Zahnheilkunde, die zu etwa einem Drittel auf den Bereich Zahnmedizin entfallen, für die Aufstellung nicht berücksichtigt. Bezieht man diese Abteilung mit ein, ergibt sich für Würzburg eine Relation von 21 750 € pro Wissenschaftler.

Am besten ist die Situation bei den Zahnkliniken in München und Erlangen.

40.3.2
   Die Impactfaktoren zur Evaluierung der Publikationsleistungen werden von den Hochschulen nach den Richtlinien des Staatsministeriums für die leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM-Richtlinien) ermittelt.

Impactfaktoren

Das Maximum liegt bei der Klinik für Zahnerhaltung und Parodontologie in München und der MKG in Erlangen. Insgesamt liegen Regensburg und Würzburg zurück.

Das Staatsministerium hat darauf hingewiesen, dass die staatlichen Mittel immer stärker nach Leistungskriterien vergeben werden sollen, wodurch die Anreize zu mehr Forschungsaktivitäten jährlich verstärkt würden.

40.4    Ausbildungs- und Bedarfssituation

40.4.1    Nach einem steilen Anstieg der jährlichen Studienanfängerzahlen in der Zahnmedizin in Deutschland von 1 294 im Jahr 1975 auf 2 080 im Jahr 1985 blieb die Ausbildungskapazität bis heute fast unverändert. Von den derzeit 2 122 Studienanfängern der Zahnmedizin (Sommersemester 2005 und Wintersemester 2005/06) entfallen 402 auf die bayerischen Standorte:

Studienanfänger Zahnmedizin

Damit stellt Bayern 19 % der bundesweiten Ausbildungskapazität. In Relation zum Bevölkerungsanteil von 15,08 % müsste die bayerische Ausbildungskapazität lediglich 320 und damit 82 Studienanfänger/Jahr weniger betragen. Der Überhang an Ausbildungsplätzen in der Zahnmedizin in Bayern entspricht damit ziemlich genau den in Regensburg vorgehaltenen Ressourcen (80 Studienanfänger/Jahr).

40.4.2    Die in der Vergangenheit stark ausgeweiteten Ausbildungskapazitäten haben über die Jahre dafür gesorgt, dass der früher bestehende Nachholbedarf an Zahnärzten abgedeckt wurde und die zahnärztliche Versorgung in Deutschland ein hohes Niveau erreicht hat.

Entwicklung der Zahnarztdichte

Deutschland weist im internationalen Vergleich 2 mit 76 Zahnärzten auf 100 000 Einwohner (USA 54, Niederlande 49, Schweiz 61) die höchste Versorgungsdichte an Zahnärzten auf. In den Ballungsräumen Bayerns kommt teilweise auf 1 000 Einwohner ein Zahnarzt mit der Folge von Zulassungsstopps für weitere Zahnarztpraxen.

Nach dem Ergebnis einer Untersuchung aus dem Jahr 2004 ist bis 2020 (Prognosehorizont) kein Zahnarztmangel in Deutschland zu erwarten.3 Im Gegenteil besteht die Möglichkeit einer Überversorgung infolge der verbesserten Mundgesundheit und der demographischen Entwicklung. Hinzu kommt, dass im Gegensatz zur sonstigen Humanmedizin für approbierte Zahnärzte keine nennenswerten alternativen Arbeitsfelder vorhanden sind.

40.5    Anzahl der Standorte universitärer Zahnmedizin

Bundesweit verfügen 31 der 36 Hochschulklinika über den Fachbereich Zahnmedizin. In seinen Empfehlungen von 2005 hält der Wissenschaftsrat diese Dichte nicht für notwendig und sieht in der Schließung des Studiengangs an einzelnen Standorten keine gravierenden strukturellen Beschädigungen der Universitätsmedizin. Er rät daher, die Studienanfängerzahlen maßvoll abzusenken und Leistungszentren der medizinischen Forschung zu bilden. Ferner hat er eine Konzentration der zahnmedizinischen Ausbildung auf maximal 25 Standorte empfohlen.4

Die Gebäudesanierung der Zahnkliniken ist in Bayern mit den Umbaumaßnahmen bei der Ludwig-Maximilians-Universität weitgehend abgeschlossen. Eine Ausnahme bildet die Zahnklinik in Regensburg (Inbetriebnahme 1984), die in den nächsten Jahren umfangreiche Investitionen erfordern wird. Im Haushalt 2005/2006 ist in der Anlage S Kap. 15 22 Tit. 747 58 ab 2007 ein Ansatz von 20,7 Mio € für die Sanierung der Zahnklinik vorgesehen. Es wird erwartet, dass diese für technische Einrichtungen (Phantomarbeitsplätze, Einführung digitales Röntgen) eingeplanten Investitionsmittel nicht annähernd für die völlige Sanierung des Gebäudes ausreichen. Bislang sind lediglich Planungskosten von 200 000 € freigegeben.

40.6    Bewertung

Eine Gesamtschau aller vorstehenden Faktoren legt es nach Ansicht des ORH nahe, die in Regensburg geplante Sanierung der Zahnklinik zu unterlassen und die zahnmedizinische Ausbildung dort auf mittlere Sicht einzustellen. Lehre und Forschung in der Zahnmedizin sollten dann ggf. unter Absenkung der Studentenzahlen in Bayern auf die verbleibenden drei Standorte konzentriert werden. In der Untersuchung „Wissenschaftsland Bayern 2020“ 5wurde der Fragenkomplex Zahnmedizin trotz seiner finanziellen Bedeutung ausgespart. Unter personellen Gesichtspunkten erscheint der Zeitpunkt für eine strukturelle Entscheidung geeignet. Der Lehrstuhl für Zahnerhaltung und Parodontologie steht in Regensburg in den nächsten Jahren zur Neubesetzung an. Auch die Lehrstühle der anderen Bereiche können im Rahmen der bayernweiten Besetzungspolitik einer Lösung zugeführt werden.

Das Staatsministerium hält eine Vernichtung von rd. 80 Studienplätzen pro Jahr vor dem Hintergrund der anstehenden geburtenstarken Jahrgänge für problematisch, zumal die Absolventen im Bereich Zahnmedizin bisher ohne Weiteres auf dem Arbeitsmarkt untergekommen sind.

Der ORH sieht im Hinblick auf die Bedarfsentwicklung und die finanziellen Rahmenbedingungen einen Verzicht auf die Sanierung der Zahnklinik in Regensburg und eine Konzentration der Ausbildung auf die verbleibenden drei Standorte weiterhin für geboten.

Angesichts des hohen Investitionsbedarfs in der Humanmedizin wird es dabei sehr schwierig werden, die für die Sanierung der Zahnmedizin in Regensburg erforderlichen Mittel in einem überschaubaren Zeitraum bereitzustellen, zumal bauliche Investitionen im Hochschulbereich durch den Bund nicht mehr mitfinanziert werden.

Das Gebäude wäre aufgrund seiner baulichen Konzeption auch gut für eine Nutzung durch andere medizinische Fachbereiche geeignet.


1) Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Zahnmedizin an den Universitäten in Deutschland vom 28. Januar 2005 S. 19

2) vgl. Fußnote 7 Anhang Tabelle 2 S. 68

3) Prognose der Zahnärztezahl und des Bedarfs an zahnärztlichen Leistungen bis zum Jahr 2020, Materialenreihe Bd. 29, Herausgeber: Institut der Deutschen Zahnärzte, Köln, Dezember 2004

4) vgl. Fußnote 7, S. 57/58

5) Empfehlungen einer internationalen Expertenkommission, März 2005, http://www.stmwfk.bayern.de/downloads/hs_mittelstrass.html