TNr. 29: Ämter für Landwirtschaft und Forsten, Sachgebiete Tierzucht

Der ORH fordert, die staatliche Betätigung in der Verbandsarbeit einzustellen. Im Bereich der Tierzucht sieht er weitere Einsparmöglichkeiten von bis zu 79 Stellen, wenn die Staatsaufgaben konsequent auf die Kernbereiche konzentriert werden.
29.1 Allgemeines
Ziele der Tierzucht sind
- Erhalt und Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Tiere unter Berücksichtigung der Vitalität,
- Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, insbesondere Wettbewerbsfähigkeit der tierischen Erzeugung,
- Sicherstellung der qualitativen Anforderungen an die von den Tieren gewonnenen Erzeugnisse und
- Erhalt der genetischen Vielfalt.
Nach dem bisherigen Tierzuchtrecht hatte der Staat bestimmte Pflichtaufgaben, die zum Teil auf Verbände und Selbsthilfeeinrichtungen übertragen wurden. Die neue Rechtslage (gültig seit 28.12.2006) sieht vor, dass ein erheblicher Teil der bisherigen Staatsaufgaben (z. B. Leistungsprüfung) originär den Zuchtverbänden obliegt. Der Staat hat aber die Möglichkeit, die Aufgaben wieder an sich zu ziehen.
Der ORH prüfte in den Jahren 2005/2006 die Aufgaben und die Zuständigkeiten der staatlichen Tierzuchtberatung bei den Ämtern für Landwirtschaft und Forsten, Sachgebiete Tierzucht, in den Bereichen
- Rinderzucht,
- Schweinezucht und -haltung,
- Schafe und Kleintiere - Zucht und Haltung.
Ziel der Prüfung war, den konkreten Personalbedarf zu ermitteln.
29.2 Strukturreform der Tierzuchtsachgebiete
Zum 01.07.2005 waren in den Tierzuchtsachgebieten bei den Ämtern für Landwirtschaft und Forsten 159,5 in Vollzeitkräfte umgerechnete Beschäftigte vorhanden. Im Rahmen der Reform „Verwaltung 21“ begann die Landwirtschaftsverwaltung ab Herbst 2005 die Tierzuchtsachgebiete neu zu strukturieren. Die Umsetzung soll bis zum 31.12.2007 abgeschlossen sein. Bis dann sollen 28 Stellen eingespart werden. Dies führt zu Minderausgaben von jährlich 2,1 Mio €.
29.3 Aufgabenteilung zwischen Staat und Zuchtverbänden
29.3.1 Voraussetzung für die staatliche Anerkennung einer Zuchtorganisation ist ein für die Zuchtarbeit Verantwortlicher. In Bayern stellt der Staat den Zuchtorganisationen Beamte des höheren Dienstes der Landwirtschaftsverwaltung für die Zuchtleitung zur Verfügung. Sie nehmen diese Aufgabe im Hauptamt wahr.
Aus der staatlichen Anerkennung der Zuchtorganisationen folgt keine Rechtspflicht für den Staat, die Zuchtverbände mit einem Zuchtleiter auszustatten. Ein „staatlicher Zuchtleiter“ bei den Zuchtorganisationen ist im Tierzuchtrecht nicht vorgesehen. Er kann auch nicht mit den Aufgaben einer „angemessenen Beratung“ begründet werden. Er ist eine Schöpfung der Landwirtschaftsverwaltung.
Bei konsequenter Beachtung der Grundsätze der Reform „Verwaltung 21“ (Reduzierung auf Kernaufgaben) besteht aus Sicht des ORH keine Notwendigkeit, Beamte als Zuchtleiter einzusetzen.
Der ORH fordert, die Ausstattung der Zuchtverbände mit einem staatlichen Zuchtleiter zu beenden.
29.3.2 Die starke Einbindung eines Beamten als Zuchtleiter in das Verbandsgeschehen der Rinderzuchtverbände dokumentiert sich vor allem in den Satzungen, Sitzungsniederschriften und dem Schriftverkehr dieser Verbände. Faktisch übernimmt er die Aufgaben eines „Verbandsgeschäftsführers“. So entscheidet zum Beispiel der Zuchtleiter in den überwiegenden Fällen über die Anträge auf Erwerb der Vereinsmitgliedschaft.
Der ORH hat festgestellt, dass neben den Zuchtleitern weitere Beamte für die Zuchtverbände tätig sind. So befassen sich Beamte als Berater oder Fachberater z. B. mit der Auswahl von Zuchttieren für den Export und mit Ausstellungen (Zusammenstellung von Katalogen, Organisation des Ablaufs, Auf- und Abbau). Der ORH sieht hierin eine originäre Aufgabe der Zuchtverbände, was in den Satzungen der Verbände so auch geregelt ist.
Der ORH fordert, die staatliche Betätigung in der Verbandsarbeit einzustellen.
29.3.3 Zudem verursacht die Vielzahl der Rinderzuchtverbände in Bayern hohe Kosten. Von daher sollten bei den Rinderzuchtverbänden die staatlichen Anstrengungen weiter verstärkt werden, auf eine Fusionierung hinzuwirken.
Das Staatsministerium hat erklärt, die Zuchtverbände zu mehr Kooperation bzw. zu Zusammenschlüssen anzuhalten.
29.4 Staat - Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e. V. (LKV)
Zu den satzungsgemäßen und vom Staat übertragenen Aufgaben des LKV zählen im Wesentlichen die Durchführung der Milchleistungs- und der Fleischleistungsprüfung.
Das LKV wird als Selbsthilfeeinrichtung vom Staat mit 20 Mio € (2005) gefördert. Darüber hinaus ist staatliches Personal eng in die Geschäftsabläufe eingebunden (u. a. bis hin zur Genehmigung von Urlaubsanträgen der Beschäftigten).
Der ORH hält die Einbindung staatlichen Personals in die Vereinsarbeit nicht für vertretbar. Das Staatsministerium hat die Beendigung dieser Aktivitäten inzwischen zugesichert.
29.5 Gesamtergebnis der Prüfung
Die Prüfung hat gezeigt, dass die Beschäftigten in den Tierzuchtsachgebieten in erheblichem Umfang Verbandsarbeit leisten.
Über die bisherigen Reformen hinaus sind zusätzliche Personaleinsparungen bei den Ämtern für Landwirtschaft und Forsten von bis zu 79 Vollzeitkräften möglich. Dies entspricht einem jährlichen Einsparvolumen von 6 Mio €. Damit würden immer noch 52,5 Stellen für die Tierzucht verbleiben.
29.6 Rechtslage nach Neufassung des Tierzuchtgesetzes
Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage sind mit der Neufassung des Tierzuchtgesetzes die anerkannten Zuchtorganisationen für die Durchführung der Leistungsprüfungen und der Zuchtwertschätzung zuständig. Bisher oblag diese Aufgabe den Staatsbehörden, die sie aber delegieren konnten.
Nach Auffassung des ORH sollte von der Ermächtigung im Tierzuchtgesetz (n. F.), die Leistungsprüfungen und die Zuchtwertschätzung weiterhin von den zuständigen Staatsbehörden durchführen zu lassen, nicht Gebrauch gemacht werden.
Mit der staatlichen Anerkennung von Zuchtvereinigungen wird deren Fachkompetenz hinreichend dokumentiert. Diese Kompetenz und der hohe Organisationsgrad in der Rinderzucht bieten Gewähr, dass die Zuchtvereinigungen die Leistungsprüfungen und die Zuchtwertschätzung nach den Maßstäben des Tierzuchtrechts durchführen. In gleichem Maße kann sich der Staat aus diesen Tätigkeiten zurückziehen.
29.7 Stellungnahme der Verwaltung
Das Staatsministerium hat auf Folgendes hingewiesen:
In den vergangenen Jahren seien im Tierzuchtbereich weitreichende Reformen und massive Stelleneinsparungen durchgeführt worden. Allein in der Rinderzucht habe man im Zeitraum von 1990 bis 2004 die Stellen von 153 auf 88,5 reduziert. Im Rahmen der Reform „Verwaltung 21“ würden im Bereich der Rinderzucht derzeit weitere 18 Stellen abgebaut, sodass nach Umsetzung der Reform allein im Bereich der Rinderzucht 82,5 von ursprünglich 153 Stellen entfallen würden. Gleichzeitig sei die finanzielle Förderung der im Zuchtbereich tätigen Selbsthilfeeinrichtungen deutlich gekürzt worden. So habe sich der Haushaltsansatz für die Tierzuchtförderung von 3,4 Mio € im Jahr 2000 auf 1,4 Mio € im Jahr 2007 vermindert. Die Förderung des LKV sei von 32,5 Mio € im Jahr 1994 auf 19,4 Mio € im Jahr 2007 reduziert worden.
Bayern habe sich bei der Beratung des TierZG nachdrücklich für die staatliche Verantwortung für neutrale Leistungsprüfungen und eine objektive Zuchtwertschätzung eingesetzt, weil diese für eine bäuerlich geprägte Tierzucht unverzichtbar sei. Auf die Ausstattung der Zuchtverbände mit staatlichen Zuchtleitern könne aus Sicht des Staatsministeriums nicht verzichtet werden. Mit der Reduzierung der Zahl der Rinderzuchtsachgebiete an den Ämtern für Landwirtschaft und Forsten im Rahmen der Reform „Verwaltung 21“ von 15 auf 10 habe das Staatsministerium jedoch eine Straffung der staatlichen Strukturen vorgenommen, der die Zuchtverbände mit ihren 22.000 Betrieben und 725.000 Zuchttieren nach Möglichkeit folgen sollten.
Die staatlichen Berater seien nur insoweit in die Verbandsarbeit eingebunden, als es ihrem Aufgabenbereich als Zuchtleiter entspreche. Vom ORH vereinzelt festgestellte nicht zulässige Tätigkeiten würden künftig strikt unterbunden. Gleichzeitig werde das Staatsministerium im Zuge der Umsetzung des Bayerischen Agrarwirtschaftsgesetzes eine neue Aufgabenbeschreibung für die staatlichen Berater erstellen sowie die Einbindung von staatlichem Personal in die internen und organisatorischen Geschäftsabläufe der Erzeugerringe des LKV beenden.
Die staatliche Beratung an den Ämtern für Landwirtschaft und Forsten für die Tierzucht sei mit den Entscheidungen der Reform „Verwaltung 21“ auf einen angemessenen Umfang von insgesamt 131,5 Stellen reduziert worden. Das Staatsministerium gehe davon aus, dass die Personalausstattung bei den Ämtern für Landwirtschaft und Forsten im Rahmen der fachlichen Erfordernisse und entsprechend der personalrechtlichen Möglichkeiten in den kommenden Jahren auf 113 Stellen zurückgeführt werden könne, was einer Einsparung von weiteren 18,75 Stellen entspreche. Dagegen seien die vom ORH gesehenen Einsparmöglichkeiten von bis zu 79 Vollzeitarbeitskräften im Bereich der Tierzucht nicht zu realisieren, weil sonst die Funktionsfähigkeit des staatlichen Beratungsangebotes sowie der Hoheitsvollzug insgesamt gefährdet würden.
29.8 Auffassung des ORH
Bei den Tierhaltern und Züchtern sind hohe Fachkompetenz und langjährige Erfahrung vorhanden. Der Staat sollte daher nur die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zuchtarbeit schaffen (z. B. Aufsicht) und eine angemessene Beratung bereitstellen. Damit würde die Tätigkeit auf die Kernaufgabe des Staates reduziert.
Der ORH erkennt an, dass das Staatsministerium die Zuchtverbände auffordern wird, ihre Satzungen hinsichtlich des Einsatzes von Beamten anzupassen. Die auch in Zukunft beabsichtigte Ausstattung der Zuchtverbände mit staatlichen Zuchtleitern ist allerdings nicht mehr zeitgemäß und geht über eine „Beratung“ weit hinaus.
Die Absicht der Verwaltung, die Einbindung von staatlichem Personal in die internen und organisatorischen Geschäftsabläufe der Erzeugerringe des LKV zu beenden, ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die vom Staatsministerium vorgesehenen zusätzlichen Personalreduzierungen sind angesichts der vom ORH vorgenommenen Analyse und Bewertung der einzelnen von Beamten wahrgenommenen Aufgaben, die weder mit dem gesetzlichen Auftrag der Beratung noch mit Hoheitsaufgaben begründet werden können, nicht ausreichend.