TNr. 35: Personalkosten im ärztlichen Dienst der Universitätsklinika

Bei der Untersuchung der Personalkosten des ärztlichen Dienstes an den fünf Universitätsklinika wurden erhebliche Unterschiede festgestellt. Der ORH sieht Wirtschaftlichkeitsreserven und empfiehlt verschiedene Verbesserungsmaßnahmen.
Der ORH hat sich in den vergangenen Jahren schwerpunktmäßig mit den Personalkosten der Hochschulklinika befasst, da es sich hierbei um den größten Kostenblock dieses Bereichs handelt. In den ORH-Berichten 2004 bis 2006 wurden die Querschnittsprüfungen für die Bereiche Verwaltung, Pflegedienst und medizinisch-technischer Dienst dargestellt.1 Im Jahr 2006 waren die Kosten des ärztlichen Dienstes, in dem etwa 24,7 % (272 Mio €) der gesamten Personalaufwendungen entstehen, Gegenstand einer vergleichenden Untersuchung. Als Stichtag wurde der 31.12.2005 ausgewählt, da in diesem Zeitpunkt die kostenrelevante Abschaffung des Ausbildungsabschnitts „Arzt im Praktikum“ vollzogen war und auch keine Beeinflussung durch Streiks erfolgt ist.
Wie in den o. g. ORH-Berichten bereits näher ausgeführt, befinden sich die Hochschulklinika wegen des eingeführten und ab 01.01.2009 in vollem Umfang verbindlichen neuen Vergütungssystems (DRG2) in einer finanziell schwierigen Situation.
Ab 2007 kamen als weitere belastende Einflussfaktoren hinzu:
- Mehrkosten aus den Tarifabschlüssen mit ver.di und Marburger Bund,
- Mehrwertsteuererhöhungen im Sachkostenbereich,
- Beteiligung an der Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung,
- Ablauf der Übergangsfristen des Arbeitszeitgesetzes und
- Anstieg der Energiekosten.
Allein beim Klinikum der LMU wird die dadurch entstehende Mehrbelastung auf über 30 Mio € geschätzt. Die gesetzlich vorgesehene Veränderungsrate für 2007 von + 0,28 % deckt von diesen Mehrkosten nur 0,8 Mio € ab. Inwieweit die Mehrkosten in die DRG-Kalkulation späterer Jahre einfließen werden, ist derzeit völlig offen.
Die Universitätsklinika müssen daher alle Optimierungsmöglichkeiten nutzen, um künftig ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen.
35.1 Gegenstand der Querschnittsuntersuchung
Der Personaleinsatz und die Personalkosten des ärztlichen Dienstes an den fünf Universitätsklinika wurden in Form eines Benchmarking gegenübergestellt. Die Ärzte der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie waren nicht Gegenstand dieser Untersuchung, da dieser Bereich bereits früher durch den ORH untersucht wurde.3 Eine Aufteilung der Personalkosten auf die verschiedenen Aufgabenbereiche der Ärzte (Krankenversorgung, Forschung und Lehre) erfolgte nicht, da die Trennungsrechnung noch nicht bei allen Hochschulkrankenhäusern so weit fortgeschritten ist. Erfasst wurde ferner das ärztliche Drittmittelpersonal.
35.2 Personalsituation
Gegenstand der Erhebungen waren die tatsächlichen Personalkosten des ärztlichen Dienstes für das Jahr 2005. Angesetzt wurden auch die Kosten für fremde Dienstleistungen im ärztlichen Bereich (Klinikum LMU/Augustinum). Die Personalkostenerstattungen anderer Krankenhäuser für die Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen der Hochschulklinika wurden in Abzug gebracht (Klinikum LMU). Nicht berücksichtigt wurden die Ärzte, die aufgrund von Kooperationsvereinbarungen zwar vom Universitätsklinikum bezahlt werden, aber ihre Arbeitsleistung im kooperierenden Krankenhaus erbringen (Klinika Regensburg und Erlangen).
Im Interesse einer einheitlichen Vergleichsbasis blieben ferner ärztliche Mitarbeiter der Institute für Humangenetik, für Medizinische Informatik, des Instituts Arbeits‑ und Umweltmedizin und der Abteilungen Krebs‑/Tumorzentrum sowie Ärzte, die als Medizincontroller bzw. im betriebsärztlichen Dienst arbeiten, unberücksichtigt. Diese Abteilungen und Mitarbeiter sind nicht einheitlich den Universitätsklinika bzw. dem ärztlichen Dienst zugeordnet.
Die tatsächlichen Personalkosten (einschließlich Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung und 30%iger Versorgungszuschlag für Beamte) für den ärztlichen Dienst betrugen 2005 insgesamt 292 Mio €. Sie gliedern sich wie folgt auf:
In den Hochschulklinika waren zum Stichtag 31.12.2005 umgerechnet insgesamt 3.979 Vollzeitkräfte im ärztlichen Dienst beschäftigt.
Bei den nachfolgenden Vergleichen bleiben die aus Drittmitteln finanzierten Ärzte außer Betracht.
35.3 Personalaufwandsquoten
Wegen der unterschiedlichen Größe der Hochschulkrankenhäuser ist ein unmittelbarer Vergleich nicht möglich. Um eine Gewichtung zu erreichen, werden heute die tatsächlichen Personalkosten zu den Erlösen aus stationären und ambulanten Leistungen sowie dem Staatszuschuss für Forschung und Lehre in Relation gesetzt. Unter Einbeziehung der Anzahl der Ärzte ergeben sich weitere Benchmarks wie Lohnniveau und Arbeitsproduktivität.
35.4 Überstunden/Mehrarbeit
Im Rahmen dieser Querschnittsuntersuchung wurden nur die angeordneten und bezahlten Überstunden erfasst. Hinsichtlich eventuell geleisteter, aber nicht vergüteter Überstunden, auf die gerade von Ärzten im Beamtenverhältnis immer wieder hingewiesen wird, verfügen die Klinika über keine Aufzeichnungen.
Der Vergleich der Kosten von Überstunden mit dem Hauptbezug zeigt auch hier deutliche Abweichungen von mehr als 60%. Eine Beeinflussung der Überstundenzahl erfolgt durch unterschiedliche Wochenarbeitszeiten bei Angestellten und Beamten sowie durch die Begrenzung der Mehrarbeit bei Beamten. Der ORH hat bereits 1993 auf die Überstundenproblematik im ärztlichen Bereich hingewiesen.4
Die Zahl der Überstunden wird mit Ausnahme von Erlangen vom Leiter der Klinik oder dessen Beauftragten bestätigt und ohne weitere Prüfung von der Verwaltung übernommen. Nur beim Hochschulklinikum Erlangengibt es eine elektronische Zeiterfassung für die Ärzte.
35.5 Personaleinsatz je Fall
Bei der Überprüfung des Personaleinsatzes wurden sowohl voll- und teilstationäre als auch ambulante Fälle unter Beachtung der Fallschwere verglichen.
Unter Berücksichtigung der Fallschwere ergibt sich beim Klinikum der TUM der zweithöchste Personaleinsatz beim niedrigsten Case-Mix-Index. Bezieht man die vorhergehenden Vergleiche mit ein, so hat dieses Universitätsklinikum die höchste Personalaufwands‑ und Überstundenquote bei geringstem Fallschweregrad.
35.6 Personalbemessung
Im Gegensatz zum Pflegedienst gibt es beim ärztlichen Dienst mit Ausnahme der Psychiatrie-Personalverordnung kein allgemein gültiges Personalbemessungssystem. Die Arztstellen wurden bisher nach der Bettenzahl zugeteilt. Eine Änderung erfolgte nur bei Leistungsausweitung und Strukturveränderungen. Ansonsten wurde die Zahl der ärztlichen Mitarbeiter nur mit dem Vorjahr verglichen. Im Rahmen der Querschnittsuntersuchung ergab sich, dass einige Hochschulkrankenhäuser eigene Personalbedarfsberechnungen erstellt bzw. Gutachter zur Ermittlung des Personalbedarfs beauftragt haben. Eine Umsetzung des dabei errechneten Personalbedarfs erfolgte mit Ausnahme von Erlangen aber nicht.
35.7 Potenzial für Wirtschaftlichkeitsverbesserungen
Legt man die Erlöse als maßgeblichen Leistungsparameter zugrunde und vergleicht man mit dem Besten, so ergäbe sich insgesamt ein Optimierungsvolumen von 34 Mio € bei den Personalkosten des ärztlichen Dienstes. Orientiert man sich nur am Mittelwert, führt dies zu Wirtschaftlichkeitspotenzialen bei den Klinika der TUM von 8,8 Mio € und der LMU von 1,9 Mio €.
35.8 Empfehlungen des ORH
35.8.1 Entlastung der Ärzte
Wegen der Einführung des DRG-Systems zur Abrechnung von stationären Leistungen in den Krankenhäusern nimmt die Dokumentationsarbeit immer mehr zu. Überwiegend wird diese Tätigkeit durch das ärztliche Personal erledigt. Zur Entlastung der Ärzte von Dokumentationsarbeit empfiehlt der ORH, bei den Kliniken Kodierkräfte und Dokumentationsassistenten einzusetzen. Diese sollten zentral dem Medizinischen Controlling oder der Patientenverwaltung zugeordnet werden.
Wird die Dokumentationsarbeit bei den Ärzten angesiedelt, ist der Schulungsbedarf durch den häufigen Wechsel in der Ärzteschaft sehr hoch. Ferner müsste auf die Schichtdienste Rücksicht genommen werden. Die Arbeitsstunde von Kodierkräften ist zudem erheblich kostengünstiger als die von Medizinern. Die ärztlichen Mitarbeiter könnten sich außerdem ihren originären Aufgaben widmen.
35.8.2 Zeiterfassung der Ärzte
Der ORH schlägt die Einführung der elektronischen Zeiterfassung für die ärztlichen Mitarbeiter vor.
Eine Kontrolle der Arbeitszeit und damit auch der Überstunden seitens der Verwaltung oder Dritter war nur in Erlangen möglich, da dort eine elektronische Zeiterfassung auch für die Ärzte existiert. Hierbei muss die Mehrarbeit unter Angabe des Zeitraums und des Grunds im Voraus angeordnet werden. Überstunden wären vorrangig durch Freizeitausgleich abzubauen. Nach Auffassung des ORH sind das Zeiterfassungssystem und die Vorgehensweise hinsichtlich der Überstunden ursächlich für die niedrige Quote beim Vergleich Mehrarbeit/Überstunden zum Hauptbezug in Erlangen.
35.8.3 Leistungsorientierte Erlösbudgetierung
Das Universitätsklinikum Erlangen führte Ende 2004 die leistungsorientierte Erlösbudgetierung für die Krankenversorgung ein (Erlanger Modell).5 Danach verfügt der jeweilige Klinikleiter über die selbst erwirtschafteten Krankenhauserlöse abzüglich diverser Gemeinkostenanteile und Kosten der internen Leistungsverrechnung.
Mittlerweile ist die leistungsorientierte Erlösbudgetierung am Klinikum Erlangen so weit fortgeschritten, dass sämtliche Erlöse aus Krankenversorgung, Forschung und Lehre den einzelnen Kliniken nach bestimmten Leistungsparametern zugeordnet werden können. Der Klinikdirektor entscheidet im Rahmen seiner Ausgabebefugnis auch darüber, wie viele Ärzte in seiner Abteilung eingesetzt und wie viele Überstunden geleistet werden.
Der ORH sieht in dem „Erlanger Modell“ eine Regelung, die auch von den anderen Hochschulkrankenhäusern übernommen werden könnte.
1) Vgl. ORH-Bericht 2004 TNr. 40, 2005 TNr. 40 und 2006 TNr. 39.
2) Diagnosis Related Groups.
4) ORH-Bericht 1993 TNr. 34.
5) Näher dargestellt in der Fachzeitschrift "Krankenhaus Umschau" 6 und 7/2007.