TNr. 27: Förderungen im Rahmen der Verbraucherinitiative

Das Staatsministerium hat für zwei Förderprogramme im Rahmen der Verbraucherinitiative 46 Mio € aufgewendet. Ein konkreter Nutzen für die Verbraucher war kaum feststellbar.
27.1 Allgemeines
Als Antwort auf die BSE-Krise Ende 2000/Anfang 2001 startete die Staatsregierung mit der Verbraucherinitiative ein umfangreiches Maßnahmenpaket. Ziel war u. a., das verloren gegangene Vertrauen der Verbraucher in sichere und gesunde Lebensmittel wiederherzustellen.
Der ORH prüfte zusammen mit zwei Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern zwei verbraucherschutzbezogene Förderprogramme des Staatsministeriums:
- Förderung der Erst- und Folgezertifizierungen landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen des Programms „Geprüfte Qualität - Bayern“ GQ (bewilligte Mittel: 7,5 Mio €),
- Förderung nach dem Bayerischen Umstellungsprogramm für artgerechte Tierhaltung ByPaT (bewilligte Mittel: 38,6 Mio €).
27.2 Programm „Geprüfte Qualität - Bayern“ (GQ)
27.2.1 Programmbeschreibung
Bereits 1985 wurde für Erzeugnisse der bayerischen Land- und Ernährungswirtschaft das Programm „Qualität aus Bayern - Garantierte Herkunft“ (QHB) aufgelegt und das rechtlich geschützte Zeichen für die Benutzung freigegeben. Das Qualitäts- und Herkunftszeichen sollte dazu beitragen, Vertrauen in Herkunft und Qualität von Produkten der bayerischen Agrar- und Ernährungswirtschaft zu erhalten und zu festigen. Von 1994 bis 1998 wurden für diese Förderung 8,7 Mio € aufgewendet. Nach der BSE-Krise im Jahr 2000 wurde auf die weitere Verwendung des Qualitäts- und Herkunftszeichens (QHB) verzichtet.
Das neue Programm GQ startete 2002 im Produktbereich Rindfleisch. Zwischenzeitlich wurde das Programm um 27 weitere Produkte (Eier, Getreide, Gemüse usw.) ausgedehnt.
Das Programm GQ ist ein Qualitätssicherungssystem mit regionalem Herkunftsnachweis, das auf eine lückenlose und durchgängige Sicherung und Information entlang der Lebensmittelherstellungskette von der Urproduktion bis zur Ladentheke abzielt. Für den Verbraucher sollte das System beim Einkauf durch das Prüfzeichen sichtbar sein.
Entwickler und Träger des Qualitätssicherungssystems ist das Staatsministerium. Die Teilnahme am Qualitätssicherungssystem ist freiwillig.
Das Zeichen zielt auf die Erfüllung von Qualitätsanforderungen, die deutlich über den gesetzlichen Standards liegen. Beispielsweise bei Rindfleisch sind dies u. a.
- genereller Verzicht auf antibiotisch wirksame Leistungsförderer,
- Verbot der Ausbringung von Klärschlamm und privaten Fäkalschlämmen auf den Betriebsflächen,
- Anwendung von innovativen Schlachttechniken (Absaugen des Rückenmarks vor der Spaltung des Schlachtkörpers),
- Ausschluss von DFD-Fleisch (dark, firm, dry - dunkel, fest, trocken).
Die Förderung der am Programm teilnehmenden Landwirte sollte bewirken, dass den Metzgereien und dem Lebensmitteleinzelhandel möglichst zeitnah Rindfleisch mit dem Prüfzeichen GQ zur Verfügung gestellt werden kann.
27.2.2 Förderung
Als Anreiz für die Landwirte, am Programm teilzunehmen, werden die Kosten der Erst- und Folgezertifizierungen gefördert. Die Förderung ist degressiv konzipiert. Sie beträgt 80 % bei der Zertifizierung im ersten Jahr und reduziert sich in den Folgejahren über 60, 50, 40 auf 30 %. Bis zum 31.12.2006 wurden für die Förderung 4,6 Mio € aufgewendet. Die Gesamtförderung ist auf 7,5 Mio € begrenzt. Der Bewilligungszeitraum endet am 31.12.2007. Ob das Programm fortgesetzt wird, ist noch nicht entschieden.
27.2.3 Feststellungen
Trotz Förderung war die Akzeptanz und die Teilnahme der landwirtschaftlichen Betriebe sehr zögerlich. Von den prognostizierten 40.000 Betrieben mit Rinderhaltung waren bis zum 31.12.2004 nur 12.598 (31,5 %) dem Programm beigetreten und zertifiziert. Die Anzahl der Betriebe erhöhte sich mittlerweile auf über 26.000 und lag damit bei 65 % der Prognose.
Im Bereich der nachgelagerten Verarbeitungs- und Vermarktungsstufen (vor allem Metzgereien, Lebensmitteleinzelhandel) war die Akzeptanz des Programms noch wesentlich schlechter. Im Zeitpunkt der Prüfung waren 37 Betriebe (hauptsächlich Schlacht- und Zerlegebetriebe mit rd. 80 % des Schlachtaufkommens an Rindfleisch) durch einen aktuellen GQ-Vertrag gebunden und damit berechtigt, das Prüfzeichen „Geprüfte Qualität ‑ Bayern“ (GQ) auch für Werbezwecke zu nutzen.
Wegen fehlender Akzeptanz und unzureichender Zeichennutzung zur Außendarstellung ist das Programm und Prüfzeichen GQ im Lebensmitteleinzelhandel kaum präsent und damit dem Verbraucher relativ unbekannt.
Eine von der Fachhochschule Weihenstephan durchgeführte Befragung von Landwirten und weiteren marktbeteiligten Gruppen ergab, dass von den Experten und Landwirten eine Angleichung der Qualitätssicherungssysteme auf Bundesebene gefordert wird.
Der ORH weist darauf hin, dass neben dem staatlichen Programm GQ auch von der Agrar- und Ernährungswirtschaft Qualitätssicherungsprogramme entwickelt wurden, die bundesweit zugänglich sind. Im Produktbereich Fleisch und Fleischerzeugnisse hat sich nach den Feststellungen des ORH das Qualitätssicherungssystem „Qualität und Sicherheit“ mit dem Prüfzeichen QS im Lebensmitteleinzelhandel durchsetzen können. Das Prüfzeichen wurde intensiv beworben. Dieses Programm wird von der Handelsvereinigung für Marktwirtschaft und dem Bundesverband der deutschen Fleischwarenindustrie sowie der Qualität und Sicherheit GmbH getragen und finanziert sich ohne staatliche Unterstützung.
Der ORH fordert, das Förderprogramm auslaufen zu lassen.
27.2.4 Stellungnahme der Verwaltung
Das Staatsministerium weist darauf hin, dass mit dem Programm „Geprüfte Qualität - Bayern“ (GQ) der Zielsetzung der Verbraucherinitiative sowohl für die bayerischen landwirtschaftlichen Betriebe als auch für den Verbraucher Rechnung getragen werde. Weil sich das Programm GQ im Gegensatz zu dem bundesweiten Programm QS nicht nur als Qualitäts- sondern auch als Herkunftssicherungsprogramm verstehe, unterstütze GQ gezielt die landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern und erfülle gleichzeitig den Wunsch des Verbrauchers nach einer regionalen Herkunft der Produkte.
Das Programm GQ sei dabei, sich immer stärker auf dem Markt zu etablieren und alle Verarbeitungs- und Vermarktungsstufen zu durchdringen. Die Anzahl der vom Einzelhandel verwendeten und entsprechend gekennzeichneten GQ-Produkte nehme kontinuierlich zu.
Durch die degressive Ausgestaltung der Fördersätze werde der Aufbau des Programms GQ unterstützt und gleichzeitig sichergestellt, dass der Staat sich mit zunehmender Etablierung des Programms aus der Förderung der Zertifizierung zurückziehen werde.
27.2.5 Auffassung des ORH
Programm und Prüfzeichen „Geprüfte Qualität - Bayern“ (GQ) sind im Lebensmittelhandel kaum präsent. Produkte aus Betrieben, die nach GQ gefördert werden, werden auch über das bundesweite QS-System ohne staatliche Subventionen vermarktet. Dieses Nebeneinander von Prüfzeichen legt es nach Ansicht des ORH nahe, die staatliche Förderung baldmöglichst zu beenden.
27.3 Bayerisches Umstellungsprogramm für artgerechte Tierhaltung (ByPaT)
27.3.1 Förderziele
Mit ByPaT sollten bestehende Haltungssysteme tier- und artgerecht ausgestattet und Verbesserungen beim Tierschutz, der Tierhygiene und beim Umweltschutz erreicht werden. Damit sollte das Vertrauen der Verbraucher in die einheimische Nahrungsmittelproduktion wiedergewonnen werden. Das Programm war befristet und ist zwischenzeitlich ausgelaufen.
27.3.2 Feststellungen
Die Haltungsbedingungen für die Tiere wurden kaum verbessert. Lediglich 2 % der Milchkühe bekamen mit Hilfe von ByPaT einen verbesserten Tierplatz. Trotz ByPaT haben noch immer 70 % der bayerischen Landwirte ihre Milchkühe in Anbindeställen stehen. Die Milch der Kühe mit verbesserten Haltungsbedingungen wurde nicht separat erfasst, untersucht und vermarktet, sondern mit der Milch von 98 % der Kühe vermischt. Somit war kein Nutzen für den Verbraucher erkennbar.
Finanziell leistungsfähige Unternehmen waren nach der Richtlinie nicht förderfähig. Weil das Programm nur zögerlich angenommen wurde, hat das Staatsministerium auch leistungsfähige Betriebe gefördert. Der ORH fand bei seiner Prüfung 30 besonders leistungsfähige Betriebe mit Vermögen von bis zu 1,5 Mio €. Diese hätten nach der Richtlinie Zuwendungen von 770.000 € nicht erhalten dürfen.
27.3.3 Stellungnahme der Verwaltung
Das Staatsministerium weist darauf hin, dass
- während der Laufzeit des ByPaT im Bereich der Milchviehhaltung im Jahre 2002 48 % und im Jahre 2003 74 % aller Maßnahmen der investiven Förderungen über ByPaT abgewickelt worden seien,
- die mit dem ByPaT ausgearbeiteten fachlichen Leitlinien für die besonders artgerechte Tierhaltung ab Sommer 2002 auf Bundesebene im Wesentlichen inhaltsgleich Eingang in die Investitionsförderung nach der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ gefunden hätten und
- damit dauerhaft eine Anreizförderung für über die allgemeinen Anforderungen des Tierschutzes und der Tierhygiene hinausgehende besonders tiergerechte Haltungsformen initiiert worden sei.
27.3.4 Auffassung des ORH
Für ein zeitlich befristetes zusätzliches Förderprogramm bestand aus der Sicht des ORH kein Bedarf. Die Investitionen hätten auch mit den bestehenden Investitionsförderprogrammen unterstützt werden können. Kurz nach Veröffentlichung des ByPaT bot der Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ eine erhöhte Förderung für besonders tiergerechte Haltungsverfahren an.
Das bayerische Programm für artgerechte Tierhaltung hatte für den Verbraucher keinen konkreten Nutzen, da die Produkte nicht als solche aus artgerechter Tierhaltung gekennzeichnet waren.