Jahresbericht 2007

TNr. 28: Verbände für Ländliche Entwicklung

Ländliche Entwicklung

Das Staatsministerium gewährte in den Jahren 2004 und 2005 den Verbänden für Ländliche Entwicklung Zuschüsse aus Investitionsmitteln von 7,5 Mio €, obwohl die Verbände über hohes Vermögen verfügten.

Daneben legten die Verbände vom Staat zinslos ausgereichte Landerwerbsdarlehen zum Teil als Festgeld am Kapitalmarkt an und setzten die Mittel so zum Vermögensaufbau ein. Auf die Forderung des ORH hin erhebt das Staatsministerium derzeit das erwirtschaftete Eigenvermögen der Verbände. Die Mittel sind an den Staatshaushalt zurückzuführen.

28.1    Sachverhalt


Die Neuordnung von ländlichem Grundbesitz (Flurbereinigung) wird in einem behördlich geleiteten Verfahren durch die Ämter für Ländliche Entwicklung unter Beteiligung der Grundstückseigentümer (Teilnehmer am Verfahren) durchgeführt. Für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten aller Teilnehmer (z. B. Kontoführung) ist die Teilnehmergemeinschaft zuständig. Die Teilnehmergemeinschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Zu ihren Aufgaben gehören insbesondere die Planung und Ausführung von Maßnahmen zur Flurneuordnung und Dorferneuerung wie die Erstellung von Wegen, Straßen und sonstiger Anlagen, die der gemeinschaftlichen Nutzung dienen.

Zur Durchführung dieser Aufgaben haben sich die Teilnehmergemeinschaften innerhalb des Dienstbezirks eines Amts für Ländliche Entwicklung zu einem Verband für Ländliche Entwicklung (VLE) zusammengeschlossen. Der VLE ist ebenfalls eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und übernimmt für die Teilnehmergemeinschaften insbesondere die Kassenführung, die Ausschreibung von Baumaßnahmen und die Bauleitung.

Hierzu wurde in den sieben Regierungsbezirken je ein VLE an den Standorten der Ämter für Ländliche Entwicklung eingerichtet. Darüber hinaus gibt es für gemeinsame und übergeordnete Verbandsaufgaben in München einen Landesverband für Ländliche Entwicklung.

28.2    Feststellungen des ORH

28.2.1    Finanzierung der Verbände


Die VLE finanzieren ihre Verwaltungskosten (vor allem Personalausgaben) im Wesentlichen aus einer Umlage von 12 % aus den Baukosten der Teilnehmergemeinschaften. Da das Bauvolumen stark rückläufig war, entstand ein Defizit bei den VLE. Um eine Erhöhung der Umlage bei den Teilnehmergemeinschaften zu vermeiden, begrenzte die Verwaltung die Umlage und gewährte einen Defizitausgleich. Deshalb wurden in den Haushaltsjahren 2004 und 2005 zusätzliche Zuschüsse für Verwaltungskosten zulasten der Investitionsmittel von 7,5 Mio € gewährt.

Das bei den Verbänden erwirtschaftete Eigenvermögen wurde nicht zur Finanzierung der Fehlbeträge herangezogen. Die zusätzlichen Zuschüsse wären nicht erforderlich gewesen.

28.2.2    Personelle Ausstattung


Im landesweiten Vergleich bearbeitete im Haushaltsjahr 2000 jeder Beschäftigte in den Bereichen Planung/Ausbau und Landschaftspflege im Durchschnitt eine Bausumme von 609.000 €. Das betreute Bauvolumen sank bis zum Haushaltsjahr 2005 um 43 % auf 348.000 €.

Der ORH hält es für unumgänglich, das Personal bei allen VLE auf einen zur Aufrechterhaltung des Betriebs erforderlichen Umfang zurückzuführen. Etwaige Arbeitsspitzen könnten an private Ingenieurbüros vergeben werden.

Grundsätzlich sollten daher die freien und künftig frei werdenden Stellen nicht wieder besetzt und ein sozialverträglicher Personalabbau angestrebt werden.

28.2.3    Vermögen der Verbände


Im Rahmen von Flurneuordnungsverfahren werden zum Zwecke der Verfahrensabwicklung Grundstücke erworben. Zur Finanzierung des Landerwerbs erhielten die Verbände in den 80er-Jahren zinslose öffentliche Darlehen.

Diese Darlehen überschritten den Finanzierungsbedarf bei Weitem. Die nicht benötigten Mittel wurden am Kapitalmarkt als Festgeld angelegt. So waren zum 06.08.2001 von den ausgereichten öffentlichen Darlehen (48,7 Mio €) mindestens 14,6 Mio € auf Festgeldkonten angelegt.

Beim Verkauf von Grundstücken am Ende eines Flurbereinigungsverfahrens (Landzwischenerwerb) wurde häufig ein Gewinn erwirtschaftet. Mit Hilfe zinsloser Darlehen erzielte „Mehrerlöse“ wurden zum Teil nicht an die Staatskasse abgeführt, sondern bei den Verbänden vereinnahmt.

Das auf diese Weise erwirtschaftete Vermögen ist nach Auffassung des ORH an den Staatshaushalt zurückzuführen.

Das Staatsministerium veranlasste aufgrund dieser Feststellungen eine Überprüfung der Kassenführung aller VLE mit dem Ziel, das aus staatlichen Mitteln erwirtschaftete Vermögen aktuell zu ermitteln.

28.3    Stellungnahme des Staatsministeriums


Das Staatsministerium räumt ein, dass bei der Ausreichung der Zuschüsse an die VLE von 2,5 Mio € für das VLE-Haushaltsjahr 2004 und von 5 Mio € für das VLE-Haushaltsjahr 2005 die Vermögenssituation der VLE nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Die für die Finanzierung der Verbände in den beiden Jahren eingesetzten Fördermittel würden deshalb nunmehr - entsprechend der Mittelsituation der Verbände - durch Rücklagen der Verbände ersetzt und für die Förderung von Verfahren der Ländlichen Entwicklung verwendet. Gleichzeitig werde das Staatsministerium sicherstellen, dass das erwirtschaftete Eigenvermögen der VLE auf ein für die Erfüllung der Aufgaben der VLE erforderliches Niveau reduziert werde. Hinsichtlich der personellen Ausstattung teilt das Staatsministerium die Auffassung des ORH, dass der Personalbestand der VLE zurückgeführt werden müsse. Die Ämter für Ländliche Entwicklung seien vom Staatsministerium bereits angewiesen worden, frei werdende Stellen bei den VLE bis auf Weiteres nicht wieder zu besetzen. Das Staatsministerium weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass bereits in den zurückliegenden Jahren erhebliche Anstrengungen zur Einsparung von Personal unternommen worden seien. So habe der Personalstand der VLE 1996 noch 293,5 Stellen umfasst. Bis 2006 sei er auf 197,9 Stellen reduziert worden.

Im Zusammenhang mit der Verwendung öffentlicher Mittel weist das Staatsministerium darauf hin, dass

  • es bereits Ende 2002 die vorzeitige Tilgung von öffentlichen Darlehen veranlasst habe und in den Jahren 2003 und 2004 von den Verbänden öffentliche Darlehen von insgesamt 16,3 Mio € zurückgezahlt worden seien. Die bei den Verbänden verbliebenen öffentlichen Darlehen würden - sofern eine zweckentsprechende Verwendung nicht mehr gegeben sei - ebenfalls zurückgezahlt,
  • das aus den öffentlichen Darlehen erwirtschaftete Eigenvermögen der Verbände derzeit erhoben und in gebotenem Umfang an den Staatshaushalt abgeführt werde,
  • das aus den öffentlichen Darlehen erwirtschaftete Eigenvermögen der Verbände letztlich den Teilnehmergemeinschaften zugute gekommen sei, denn das Eigenvermögen habe dazu beigetragen, den Prozentsatz der Umlage zu stabilisieren und die Zwischenfinanzierung der Maßnahmen der Teilnehmergemeinschaften zu erleichtern.


28.4    Auffassung des ORH


Unbestritten ist, dass staatliche Zuschüsse von 7,5 Mio € gewährt wurden, ohne die Vermögenssituation der VLE und damit die Erforderlichkeit zu prüfen. Der ORH fordert, dass das Vermögen der VLE transparent gemacht wird. Das Staatsministerium muss zügig das aus öffentlichen Darlehen erwirtschaftete Eigenvermögen (Zinserträge und Gewinne aus Landzwischenerwerb) ermitteln. Der ORH fordert, daraus die notwendigen förderrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Dies wird zu einer Entlastung des Staatshaushalts führen.

Um eine defizitfreie Finanzierung und die Leistungsfähigkeit der Verbände auch bei sinkenden Fördermitteln für den ländlichen Raum zu gewährleisten, ist eine deutliche Reduzierung der Verwaltungsausgaben erforderlich. Nennenswerte Einsparungen müssen deshalb im Bereich der Organisation der Verbände ansetzen. Zur nachhaltigen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation hält der ORH deshalb die Rückführung des Personalbestands und eine damit einhergehende Neuorganisation für vordringlich. Der ORH empfiehlt daher, weitere grundlegende organisatorische Maßnahmen (z. B. Zusammenlegungen) zu prüfen.