Jahresbericht 2007

TNr. 31: Verpflegung und Betreuung von Aussiedlern, Asylbewerbern und sonstigen Flüchtlingen

Leerer Schlafsaal

Bei der Verpflegung und Bewachung der Unterkünfte hat die Verwaltung auf die stark rückläufigen Zahlen an Aussiedlern, Asylbewerbern und sonstigen Flüchtlingen nicht ausreichend reagiert. Seit Jahren blieben auch Vergabevorschriften unbeachtet. Insgesamt entstanden dadurch vermeidbare Mehrkosten in Millionenhöhe.

31.1    Allgemeines

Die Landesaufnahmestelle in Nürnberg war von Juli 1994 bis Ende 2004 für die zentrale Erstbetreuung aller nach Bayern verteilten 182.000 Spätaussiedler zuständig. Seit 2005 weist die Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes im Grenzdurchgangslager Friedland die Spätaussiedler unmittelbar in die Übergangswohnheime ein.

Zur Unterbringung der Asylbewerber und sonstigen Flüchtlinge nutzt der Freistaat die Aufnahmeeinrichtungen in Zirndorf (Zentrale), München und Würzburg sowie landesweit 175 staatliche Gemeinschaftsunterkünfte.

Der ORH hatte 2004 die Unterbringung und Betreuung von Aussiedlern, Asylbewerbern und sonstigen Flüchtlingen querschnittsmäßig geprüft. Im Anschluss daran hat ein Staatliches Rechnungsprüfungsamt die Ausgaben für Verpflegung und Betreuung bei den Regierungen, der Landesaufnahmestelle des Freistaats Bayern in Nürnberg und der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Zirndorf näher untersucht. Von den Ausgaben der Jahre 1998 bis 2005 von insgesamt mehr als 200 Mio € entfielen 158,7 Mio € auf Verpflegung und 36,8 Mio € auf die externen Pforten- und Bewachungsdienste.

31.2    Prüfungsergebnisse

Die Rechnungsprüfung hat schwerwiegende Mängel im Vergabewesen, insbesondere fehlenden Wettbewerb, festgestellt. Ausgaben waren zum Teil nicht notwendig. Der Bedarf an Essenspaketen wurde nur unzureichend ermittelt.

31.2.1    Vergaberechtliche Mängel

31.2.1.1    Allgemeines

Nach Haushalts- und Vergaberecht muss dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen eine Öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit erfordern regelmäßig Beschaffungen unter Wettbewerbsbedingungen. Selbst wenn ausnahmsweise eine Freihändige Vergabe zulässig ist, müssen mehrere Vergleichsangebote eingeholt werden.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hat die Verwaltung seit 1982 Ausgaben in hohem Umfang außerhalb jeden Wettbewerbs geleistet. Zwingende europarechtliche und nationale Vergabevorschriften blieben über Jahre unbeachtet. Drei von neun Vergabestellen haben die Ausgaben für die Verpflegungsleistungen erst ab 2004 bzw. 2005 EU-weit ausgeschrieben.

Die Dokumentation der Vergabeverfahren war mangelhaft, oftmals fehlte der vorgeschriebene Vergabevermerk.

31.2.1.2    Einzelfälle

Bis 2002 bezog eine große Einrichtung die Verpflegung vom jeweiligen Pächter ihrer Kantine. Der Preis wurde ohne Ausschreibung und ohne Vergleichsangebote so bemessen, dass dem Pächter eine „Handelsspanne“ von 35 % verblieb. Auf dieser Grundlage wurden von 1996 bis 2002 jährlich zwischen 120.800 € (1999) und 81.900 € (2001) bezahlt. Seit 2003 hat die Verwaltung die Lieferungen im Wettbewerb vergeben und dadurch 20.000 € jährlich eingespart.

Zwei Regierungen erteilten jeweils den Zuschlag für Pforten- und Bewachungsdienste nicht an den preisgünstigsten Bieter. Sachliche Gründe hierfür waren den Vergabeunterlagen nicht zu entnehmen. Unabhängig von den sonstigen vergaberechtlichen Mängeln entstanden in einem Fall Mehrkosten von über 324.000 € (1998 bis 2005), in einem anderen Fall von rd. 1 Mio € (1993 bis 2007).

Eine Regierung gab jährlich über 1 Mio € für den Erwerb von Hygieneartikeln und für Reinigungskosten aus, ohne diese Beschaffungen öffentlich bzw. EU-weit auszuschreiben.

Für Pforten- und Bewachungsdienste wendeten zwei Regierungen allein von 1998 bis 2005 insgesamt 14,2 Mio € auf, ohne bei der Vergabe der Leistungen die Vorschriften ausreichend zu beachten.

31.2.2    Unnötige Ausgaben

31.2.2.1    Pforten- und Bewachungsdienst bei der Landesaufnahmestelle

Im Jahr 1997 kamen 21.200 Personen bei der Landesaufnahmestelle an; 2004 waren es 10.600, 2005 lediglich 850. Im Jahr 2006 trafen sogar nur noch 187 Personen in der Landesaufnahmestelle ein,1 davon lediglich 33 außerhalb der regulären Dienstzeit.

Diese Entwicklung war vorhersehbar. Sie hat den bisherigen Umfang des extern vergebenen Pforten- und Bewachungsdienstes weitgehend entbehrlich werden lassen. Auch das eigene staatliche Personal war immer weniger ausgelastet, sodass es bereits seit 2005 für den Pfortendienst hätte eingesetzt werden können. Die externen Dienste haben faktisch leere Betten und Büroräume „bewacht“.

Die Landesaufnahmestelle hat es versäumt, die Verträge mit Dritten entsprechend anzupassen bzw. zu kündigen. Sie zahlte 2005 mehr als 780.000 € und 2006 knapp 620.000 € an Firmen für deren überwiegend unnötige Leistungen aus.

31.2.2.2    Essensausgabe durch Fremdfirmen

Durch die deutlich rückläufige Zahl an Asylbewerbern war vielfach staatliches Personal nicht mehr voll ausgelastet. Die meisten Einrichtungen haben deshalb das vorhandene Personal für die Essensausgabe eingesetzt. In zwei Städten wurden hierfür Fremdfirmen beauftragt, obgleich auch hier freie Kapazitäten vorhanden waren. Dies führte 2006 zu vermeidbaren Mehrausgaben von 69.000 €.

31.2.3    Mangelnde Überwachung des Verbrauchs

Bei mehreren Regierungen war die Überwachung der angelieferten, ausgereichten und überzähligen Essenspakete nicht geregelt. Deshalb war oft nicht feststellbar, ob bzw. in welchem Umfang Asylbewerber die vom Staat bezahlten Essenspakete in Anspruch genommen hatten. Diese Regierungen konnten deshalb auch keine bedarfsgemäßen Verträge mit den Essenslieferanten abschließen.

31.3    Stellungnahme der Verwaltung


Das Staatsministerium weist darauf hin, dass es bereits jetzt durch den konsequenten Abbau nicht mehr benötigter Unterbringungskapazitäten sowie die Schließung von Unterkünften die notwendigen Konsequenzen aus den rückläufigen Zugangszahlen ziehe. Soweit im Rahmen bestehender Verträge möglich, werde die Auflösung nicht mehr benötigter Unterkünfte weiterhin mit Nachdruck betrieben.

31.4    Schlussbemerkung des ORH

Die Verwaltung hat auf die festgestellten Mängel bisher nur zum Teil reagiert. Hinsichtlich der Beschaffung von Lebensmitteln hat sie erste Schritte zu mehr Wettbewerb eingeleitet, teilweise Verträge über Pforten- und Bewachungsdienste gekündigt bzw. ganz darauf verzichtet. Der ORH hält es für dringend erforderlich, dass die Verwaltung umfassend die gebotenen Folgerungen aus den aufgezeigten Mängeln zieht. Insbesondere muss sie die zwingenden europarechtlichen und nationalen Vergabevorschriften in allen Beschaffungsfällen beachten und umsetzen.


1) Es handelte sich um jüdische Zuwanderer sowie um Spätaussiedler, die der Landesaufnahmestelle vorübergehend zugewiesen wurden.