TNr. 26: Finanzkassen

Durch Organisationsänderungen und verbesserte IuK-Unterstützung können bei den Finanzkassen bedeutende Rationalisierungsmöglichkeiten erschlossen und kurzfristig 165 Bedienstete eingespart werden.
26.1 Allgemeines
Die Finanzkassen haben die Aufgabe, die festgesetzten Steuern und sonstigen Haushaltseinnahmen im Bereich der Steuerverwaltung rechtzeitig und vollständig zu erheben.
Derzeit sind bei 76 bayerischen Finanzämtern sowie bei 4 Außenstellen Finanzkassen eingerichtet. Für die Stadt und den Landkreis München ist das Finanzamt München-Zentral (ZFA München) zuständig. Die Aufgaben dieses Finanzamts werden derzeit auf fünf Dienststellen außerhalb des Ballungsraumes München ausgelagert. Die Finanzkassen sind organisatorisch in die Aufgabengebiete Buchführung und Zahlungsverkehr gegliedert. Für Führungsaufgaben werden Kassenleiter eingesetzt.
26.2 Prüfung durch den ORH
Der ORH hat die Organisation und den Personaleinsatz in den Finanzkassen untersucht. Bei sieben Finanzämtern hat er örtliche Erhebungen zu den Arbeitsabläufen und zur Arbeitsbelastung vorgenommen und Folgendes festgestellt:
26.2.1 Besetzung der Finanzkassen
Am 1. Januar 2008 waren die Finanzkassen insgesamt mit 812 Vollzeitkräften besetzt (am 1. März 2002: 912 Vollzeitkräfte). Gegenüber dem Personalzuteilungssoll ergibt sich 2008 eine Unterbesetzung von 5,9%, die der Personalsituation in der gesamten Steuerverwaltung entspricht.
Die Größe der einzelnen Finanzkassen ist nach der Zahl der eingesetzten Vollzeitkräfte äußerst unterschiedlich. Am 1. Januar 2008 waren in 58 Finanzkassen (72,5%) weniger als 10, in 12 Finanzkassen sogar weniger als 5 Vollzeitkräfte beschäftigt. Auf die größte Finanzkasse beim ZFA München entfielen 152 Vollzeitkräfte.
26.2.2 Entwicklung der Einzahlungen und Maßnahmen der Verwaltung
Die Einzahlungen in den Finanzkassen werden derzeit zu 87% automationsgesteuert verbucht. Die manuell zu buchenden Zahlungen verringerten sich seit 2001 um insgesamt 26%, verursacht insbesondere durch rückläufige Scheckzahlungen, mehr Lastschrifteinzugsverfahren und verbesserte elektronische Zahlungs- und Überweisungsverfahren.
Wegen der geringeren Arbeitsbelastung beauftragte das Staatsministerium 2004 eine Arbeitsgruppe, die Aufbau- und Ablauforganisation der Finanzkassen zu untersuchen und an die aktuelle Entwicklung anzupassen. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsabläufe optimiert werden können und die maschinelle Unterstützung noch stark ausbaufähig ist. Zu möglichen Arbeitsentlastungen und Personaleinsparungen nahm die Arbeitsgruppe nicht Stellung.
Im Jahre 2006 beschloss das Staatsministerium von einer Neustrukturierung der Finanzkassen abzusehen. Es sollten insbesondere Entlastungen durch eine bereits geplante verbesserte Automationsunterstützung abgewartet werden.
26.2.3 Arbeitsanfall
Der Arbeitsanfall in den Finanzkassen wird von den manuellen Buchungsvorgängen bestimmt, die automationsgesteuert nicht bzw. nicht vollständig verarbeitet werden können (z. B. Verbuchung von Bareinzahlungen, Erstattungen und Rücklastschriften sowie Umbuchungen). Aussagekräftige Statistiken hierzu liegen nicht vor. Die Personalbedarfsberechnung richtet sich im Wesentlichen nach den zu verwaltenden Konten. Sie gibt keinen Aufschluss über den tatsächlichen Arbeitsanfall. Der ORH hat deshalb die messbaren Buchungsvorgänge pro Bearbeiter analysiert. Die festgestellten Durchschnittswerte sind in den einzelnen Finanzämtern fast identisch; der durchschnittliche Arbeitsaufwand liegt bei maximal 50 % der Arbeitszeit. In der noch verbleibenden Arbeitszeit sind insbesondere telefonische Anfragen zu beantworten sowie Buchungsunterlagen zu sortieren und abzulegen.
26.3 Rationalisierungspotenzial
Der ORH sieht mehrere Möglichkeiten, die Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten und dadurch Personal abzubauen.
26.3.1 Verbesserte IuK-Unterstützung
Noch 2008 soll ein neues Verfahren eingeführt werden, durch das wesentliche Buchungsvorgänge am Bildschirm direkt eingegeben werden können. Durch dieses Verfahren wird sich das zu bewältigende Arbeitsvolumen nicht verringern. Dennoch sind deutliche Verbesserungen zu erwarten, weil die Buchungsfehler sofort erkannt und gegebenenfalls korrigiert werden können. Zudem werden Verwaltungsarbeiten und die Datenerfassung erleichtert.
Weitere Entlastungen durch eine verbesserte Automationsunterstützung hält der ORH dort für vordringlich, wo elektronisch zur Verfügung gestellte Daten auf Papier ausgegeben, manuell weiterverarbeitet und die Ausdrucke sortiert und abgelegt werden müssen.
Auch beim Kassenabschluss ist die IuK-Unterstützung zu verbessern. Bisher muss für jedes Bankkonto manuell ein Kontogegenbuch geführt werden. Die Kontogegenbücher werden anhand der postalisch zugestellten oder auch persönlich bei den Banken abzuholenden Kontoauszügen erstellt. Die Möglichkeit, Kontobewegungen wesentlich schneller und effizienter durch das Online-Banking-Verfahren zu überwachen, wird bisher nicht genutzt. Insgesamt könnte der tägliche Kassenabschluss weitgehend automatisiert erfolgen. Auch eine geringere Zahl staatlicher Bankkonten würde die Arbeit erleichtern.
26.3.2 Organisationsänderungen
Bei den Finanzkassen ist ein stark schwankender Arbeitsanfall festzustellen. Hauptursache hierfür ist das stete Bemühen, die täglich anfallenden Buchungsvorgänge am selben Tag, möglichst sogar bis zum Kassenabschluss am Mittag zu erledigen.
Dieses Ziel erfordert einen Personaleinsatz, der sich an der Spitzenbelastung orientiert, und führt zwangsläufig zu einer unzureichenden Arbeitsauslastung in den übrigen Zeiten. Die bisher festen Zuständigkeiten der Buchhalter und die taggleiche Verbuchung in Spitzenzeiten sollten aufgegeben werden. Damit könnte auch der stärkere Arbeitsanfall zu Terminzeiten besser bewältigt werden, weil Urlaubs- und Krankheitsausfälle leichter zu verkraften wären.
Ergänzend sollte geprüft werden, ob eine zentrale telefonische Servicestelle eingerichtet werden kann. Den Steuerberatern steht bereits über ElsterOnline ein elektronisches Verfahren zur Kontenabfrage zur Verfügung.
26.3.3 Zeichnungsrecht
Derzeit können z. B. der Erlass von Säumniszuschlägen und Auszahlungen auch bei Kleinstbeträgen nicht vom Buchhalter, sondern nur vom Kassenleiter abschließend gezeichnet werden. Das Zeichnungsrecht sollte den Buchhaltern eingeräumt werden, aber durch Höchstbeträge, Probezeiten und Stichproben angemessen begrenzt werden. Beim ZFA München gilt bereits ein umfassenderes Zeichnungsrecht.
26.3.4 Vergleich der Arbeitsfallzahlen
Beim ZFA München lag 2007 die Zahl der durchschnittlich erledigten Buchungsvorgänge um 11% über den Vergleichszahlen der übrigen Finanzkassen, nachdem zuvor im gleichen Umfang Personal abgebaut worden war.
Der Personalabbau hat gezeigt, dass bisher Arbeitskapazitäten frei waren. Hätten die übrigen Finanzkassen ein entsprechendes Verhältnis "Arbeitsfallzahlen zu Personalausstattung" wie das ZFA München, könnten 60 Vollzeitkräfte eingespart werden.
26.3.5 Führungskräfte
Die Leitungsspanne bei den Finanzkassen ist sehr unterschiedlich. Bei den Finanzkassen außerhalb Münchens ist ein Kassenleiter für durchschnittlich 14 Bedienstete zuständig, beim ZFA München nur für 8,5.
Der ORH hält den Anteil an Überwachungs- und Prüfungsarbeiten für zu hoch. Bei den Finanzkassen könnten bereits durch die Neuregelung des Zeichnungsrechts die Kassenleiter entlastet und die Leitungsspanne entsprechend erhöht werden. Eine Personalstärke von 20 Bediensteten pro Kassenleiter wäre angemessen.
26.3.6 Zentralisierung
Mit der Zentralisierung der Finanzkassen hat sich die Steuerverwaltung bereits befasst. Die Arbeitsgruppe "Neuorganisation der Finanzkassen" hat eine Zusammenlegung zu größeren Einheiten empfohlen.
Auch der ORH hält die Zusammenlegung von mehreren, bisher vielfach sehr kleinen Finanzkassen für notwendig, um Synergieeffekte zu nutzen und die Effizienz zu steigern. Der Personaleinsatz könnte vor allem zu Terminzeiten sowie bei urlaubs- und krankheitsbedingten Arbeitsausfällen optimiert werden. Zudem könnten durch gezielte Verlagerungen in bestimmte Regionen Probleme bei der Personalgewinnung entschärft werden. Insbesondere die jahrzehntelange Praxis mit der zentralen Finanzkasse in München hat gezeigt, dass Zusammenlegungen organisatorisch und dv-technisch möglich sind.
26.4 Einsparpotenzial
Der ORH hat durch den Vergleich mit dem ZFA München (vgl. TNr. 26.3.4) ermittelt, dass 60 Vollzeitkräfte entbehrlich sind. Darüber hinaus hält er durch seine anderen Vorschläge kurzfristig Personaleinsparungen von mindestens weiteren 75 Vollzeitkräften (10% von 751 Bearbeitern) für möglich und notwendig.
Bei einem Personalabbau auf 615 und einer Leitungsspanne von 20 Vollzeitkräften wären 31 Kassenleiter ausreichend. Damit könnten weitere 30 Vollzeitkräfte eingespart werden.
26.5 Stellungnahme der Verwaltung und Schlussbemerkung des ORH
Das Staatsministerium hat zugesichert, fast alle Empfehlungen aufzugreifen und umzusetzen. Es weist jedoch darauf hin, dass die Verbesserungen bei der IuK-Unterstützung teilweise nicht sofort umsetzbar seien. Ferner räumt das Staatsministerium der taggenauen Verbuchung der Zahlungen hohe Priorität ein, weil die fehlende Kontenaktualität zu zusätzlichem Aufwand führen würde. Die vorgeschlagenen Zentralisierungen seien nach einer Konsolidierungsphase nach der flächendeckenden Einführung der Automationsunterstützung vorgesehen.
Bereits bei der nächsten Personalverteilung sollen 60 Vollarbeitskräfte in andere Arbeitsgebiete umgesetzt werden. Vor weiteren Kürzungen seien die Auswirkungen der geplanten Einführung des einheitlichen Euro-Zahlungsraums (SEPA) abzuwarten. Derzeit sei strittig, ob das bisherige Lastschrifteinzugsverfahren fortgesetzt werden kann. Auf die Finanzkassen könnten deshalb erhebliche Arbeitsbelastungen zukommen.
Der ORH ist weiterhin der Auffassung, dass die dargestellte Personalminderung um 165 Vollzeitkräfte bereits kurzfristig möglich ist. Nach derzeitigen Erkenntnissen stellt die neue SEPA-Lastschrift vorerst nur eine Ergänzung für den europäischen Zahlungsverkehr dar. Es ist deshalb nicht vertretbar, für einen künftig vermuteten Arbeitsanfall über 100 Vollzeitkräfte vorzuhalten.