Jahresbericht 2009

TNr. 22: Zukunft der staatlichen Spielbanken

Spieltisch mit Karten und Jetons

Die neun staatlichen Spielbanken verzeichnen seit 2008 massive Ergebniseinbrüche. Die Spielbanken Bad Steben und Bad Kötz­ting sollten geschlossen werden, da sie seit ihrer Eröffnung nur Verluste machen. Die Bekämpfung der Spielsucht kann nicht so weit gehen, defizitäre Spielbanken auf Staatskosten zu betreiben. Die übrigen Spielbanken arbeiten derzeit ebenfalls überwiegend mit Verlust; sie sollten daher umgehend organisatorisch neu aus­gerichtet werden.Darüber hinaus hält der ORH auch Maßnahmen gegen die Expan­sion gewerblicher Spielhallen in Bayern für notwendig.

Aufgrund der tiefgreifenden Veränderungen im gesamten Glücksspielbereich kam es zu dramatischen Ergebniseinbrüchen bei den bayerischen Spielbanken. Daher hat der ORH die neun bayerischen Spielbanken in Garmisch-Partenkirchen, Bad Kis­singen, Lindau, Bad Reichenhall, Bad Wiessee, Bad Füssing, Bad Kötzting, Feucht­wangen und Bad Steben geprüft, um Ursachen festzustellen und mögliche Konse­quenzen zu empfehlen.

22.1             Allgemeines

Die bayerischen Spielbanken sind neun eigenständige Staatsbetriebe (Art. 26 BayHO). Sie werden von der Staatlichen Lotterieverwaltung (SLV) zentral geleitet. Wesentliche Entscheidungen zum Spielbetrieb, über Investitionen und personelle Maßnahmen werden dort getroffen. Die SLV ist selbst ein Staatsbetrieb und untersteht unmittelbar dem Finanzministerium.

Eine Spielbank darf in Bayern nur vom Staat betrieben werden (Spielbankmonopol; Art. 2 SpielbG). Das BVerfG[64] hat 2007 die Verfassungsmäßigkeit des bayerischen Spielbankmonopols bestätigt. Bereits 2006 hat das BVerfG[65] festgestellt, dass staat­liche Glücksspielmonopole dann verfassungsmäßig sind, wenn sie konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet sind. Um den verfassungs­rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, haben die Länder zum 1. Januar 2008 einen neuen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland geschlossen. Die­ser verpflichtet die Spielbanken u. a., ihre Marketingaktivitäten stark einzuschränken und erweiterte Zugangskontrollen einzuführen.

22.2             Wirtschaftliche Entwicklung

Die Einnahmen des Staates aus dem Betrieb der Spielbanken sind seit Jahren rück­läufig und im Jahr 2008 dramatisch eingebrochen. Sie setzen sich zusammen aus der Spielbankabgabe (Pauschalabgeltungssteuer) und der Gewinnabführung.

Folgende Zahlen verdeutlichen die Entwicklung:

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In allen neun bayerischen Spielbanken wird sowohl das Große Spiel (Roulette, Black Jack, Poker) als auch das Kleine Spiel (Geldspielautomaten) angeboten. Das Große Spiel ist bereits seit 2003 kontinuierlich rückläufig. Auch beim Kleinen Spiel sind seit 2008 massive Einbrüche zu verzeichnen. Deutlich wird dies insbesondere beim Rück­gang des Bruttospielertrags. Der Bruttospielertrag ist die Summe der Spieleinsätze nach Abzug der Gewinne.

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Wesentliche Ursachen für den Rückgang sind:

  • Weitgehendes Werbeverbot aufgrund des Glücksspielstaatsvertrags.
  • Starke Konkurrenz für das Kleine Spiel durch gewerbliche Spielhallen mit Geld­spielautomaten. Seit Inkrafttreten der neuen Spielverordnung des Bundes zum 1. Januar 2006 hat sich das Angebot der Spielhallen dem Kleinen Spiel in den Spielbanken weitgehend angenähert. Sie unterliegen allerdings nicht den strengen Auflagen, die für die Spielbanken gelten (z. B. Zugangskontrollen). Die Zahl der gewerblichen Spielhallen hat insbesondere in Ballungsgebieten stark zugenom­men.
  • Verschärfte Zugangskontrollen aufgrund des Glücksspielstaatsvertrags (Ausweis­pflicht im Kleinen Spiel).
  • Gesetzliches Rauchverbot.
  • Immer stärkere Konkurrenz aus den benachbarten Ländern aufgrund der "Rand­lage" der bayerischen Spielbanken. Tschechische und österreichische Spielban­ken bieten attraktive Angebote und haben weniger strenge Auflagen, z. B. bei der Zugangskontrolle.
  • Zunahme des (illegalen) Spiels im Internet.

Aufgrund des starken Rückgangs des Bruttospielertrags in 2008 um rd. 28% muss­ten alle bayerischen Spielbanken zusammen erstmals einen Jahresfehlbetrag auswei­sen. Positive Ergebnisse konnten nur noch die Spielbanken in Bad Wiessee und Feuchtwangen beisteuern. Besonders negativ sind die Ergebnisse der Spielbanken in Bad Steben und Bad Kötzting, bei denen sowohl das Große als auch das Kleine Spiel Verluste aufweist:

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22.3             Vorschläge des ORH

22.3.1          Zusammenführung der Spielbanken zu einem einheitlichen Betrieb

Der ORH empfiehlt, die neun Spielbanken zusammenzulegen und als einheitlichen Betrieb zu führen. Dieser sollte dann in einer privaten Rechtsform geführt werden. Damit würde ein deutlich flexibleres unternehmerisches Handeln ermöglicht. Bei einer Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen wäre es dann z. B. auch möglich, an Private Konzessionen zu vergeben.

Ferner hätte ein einheitlicher Betrieb folgende Vorteile:

  • Bei der SLV sind in der Abteilung Spielbanken 35 Mitarbeiter beschäftigt. Weiter gibt es in den Spielbanken 761 Beschäftigte. Bisher sind aufwendige Abstimmun­gen zwischen SLV und den einzelnen Spielbanken z. B. bei Einstellungen und Kün­digungen von Mitarbeitern der Spielbanken notwendig. Diese könnten bei einem einheitlichen Betrieb Spielbanken entfallen. Aufgaben der SLV müssten auf den neuen Staatsbetrieb delegiert werden. Dadurch würden auch bei der SLV Einspar­potenziale entstehen.
  • Es könnte ein Personalpool gebildet werden, der einen flexibleren und damit auch kostengünstigeren Einsatz des Spielpersonals in den einzelnen Spielbanken er­möglicht.

Das Finanzministerium lehnt die Zusammenführung zu einem einheitlichen Betrieb ab, da es keine zusätzlichen Synergieeffekte sehe. In den Jahren 2002 bis 2008 seien bereits 111 Stellen abgebaut worden, in den nächsten Jahren sei eine weitere Reduzierung geplant. Bereits jetzt würden die Spielbanken unter einer einheitlichen Leitung straff geführt. Zudem würden weitere Bündelungseffekte laufend geprüft, so dass zusätzliche Einsparpotenziale derzeit nicht gesehen würden.

Ein Wechsel hin zu einer privaten Rechtsform wäre aus Sicht des Ministeriums ein falsches Signal für die Sicherung des Staatsmonopols im gesamten Glücksspielbe­reich und könnte als erster Schritt hin zu einer Liberalisierung gesehen werden. Die Festschreibung der Spielbanken als Staatsbetrieb sei Ausfluss der inneren (ord­nungs- und sicherheitsrechtlichen) Rechtfertigung der Veranstaltung von Glücksspie­len durch den Staat. Auch würde die Wahrnehmung der Aufsicht bei einer privaten Rechtsform erheblich erschwert.

Der ORH teilt diese Befürchtungen nicht. Er empfiehlt weiterhin die Zusammenlegung der Spielbanken zu einem einheitlichen Staatsbetrieb in privater Rechtsform wie in anderen Ländern auch.

22.3.2          Schließung der Spielbanken in Bad Kötzting und Bad Steben

Die Spielbanken in Bad Kötzting und Bad Steben wurden 2000 und 2001 eröffnet. Seit ihrer Eröffnung haben diese beiden Spielbanken nur Verluste ‑ zuletzt mit stei­gender Tendenz ‑ erwirtschaftet.

Der ORH hatte 1993[66] die Errichtung einer neuen Spielbank in räumlicher Nähe zum Ballungsgebiet Nürnberg/Fürth/Erlangen vorgeschlagen. Die Staatsregierung hat sich stattdessen im Rahmen einer sog. Ringlösung für die Gründung von vier neuen Spiel­banken in Bad Füssing, Feuchtwangen, Bad Kötzting und Bad Steben entschieden.

Die Standorte Bad Steben und Bad Kötzting werden nach Auffassung des ORH auch bei Ausschöpfung aller Optimierungsmaßnahmen die Verlustzone nicht verlassen können. Daher ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Schließung unumgänglich. Die Bekämpfung der Spielsucht kann nicht so weit gehen, defizitäre Spielbanken auf Staatskosten zu betreiben.

Das Finanzministerium hält eine Schließung der Spielbanken schon aus verfassungs­rechtlichen Gründen für nicht möglich. Der Staat müsse mit einem begrenzten Glücks­spielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete Bahnen lenken. Deswegen sei ein flächendeckendes Angebot vorzuhalten, um den Bürgern in vertret­barer Entfernung rechtmäßige Casinospiele anzubieten. Gerade auch das Betreiben von nicht durchwegs profitablen Spielbanken belege die Umsetzung des vom Gesetz­geber verfolgten primären Regelungszwecks des Spielbankmonopols, das eben nicht in der Einnahmeerzielung liege.

Die Spielbanken wären aber auch bemüht, betriebswirtschaftlichen Belangen soweit wie möglich Rechnung zu tragen. So seien in Bad Steben und Bad Kötzting Mitte 2009 folgende Maßnahmen umgesetzt worden:

  • Das Große und Kleine Spiel wurden in einem Spielsaal zusammengelegt.
  • Der Französische Roulettetisch wurde durch American Roulette ersetzt.
  • Der Spielbeginn in Bad Steben für das Große Spiel wurde von 15 auf 19 Uhr und die Schlusszeit an beiden Standorten am Freitag und Samstag von 3 auf 2 Uhr ver­legt.

Dadurch ließen sich an beiden Standorten jeweils 12 der 52 bzw. 56 Stellen abbauen, was zu Kosteneinsparungen von 500.000 € pro Jahr führe.

Der ORH begrüßt die ergriffenen Maßnahmen, hält sie allerdings für unzureichend. Zudem verkennt das Ministerium, dass das BVerfG das bayerische Spielbankmono­pol unter der Prämisse als verfassungsgemäß angesehen hat, dass die Spielsucht bekämpft und in geordnete Bahnen gelenkt wird. Nicht festgestellt hat das BVerfG dagegen, dass der Staat deswegen verpflichtet sei, eine bestimmte Anzahl von Spiel­banken zu betreiben.

22.3.3          Organisatorische Neuausrichtung der weiteren sieben Spielbanken

Die ordnungspolitischen Vorgaben, wie z. B. das Werbeverbot, erlauben den staat­lichen Spielbanken keine offensive Vermarktungsstrategie. Die Betriebsergebnisse können daher nur über organisatorische Maßnahmen verbessert werden.

Aus Sicht des ORH sollten umgehend z. B. folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Umstellung vom Französischen Roulette auf American Roulette. Pro Tisch wären damit anstatt vier nur noch zwei Mitarbeiter erforderlich.
  • Die Verkürzung und Veränderung der Öffnungszeiten. Allein bei einer Verschie­bung der Öffnungszeiten im Großen Spiel von 15 auf 19 Uhr könnten jährlich rd. 1,3 Mio. € eingespart werden.
  • Senkung der Personalkosten durch Personalabbau.

Das Große Spiel ist sehr personalintensiv und daher derzeit bei fast allen Spielban­ken defizitär. Sollten sich beim Großen Spiel auch nach Ausschöpfung aller Einspar­potenziale weiterhin deutliche Verluste ergeben, muss auch eine vollständige Aufgabe dieses Angebots bei den betroffenen Spielbanken geprüft werden.

Das Ministerium weist darauf hin, dass in den letzten Jahren bereits umfangreich vom Französischen auf American Roulette umgestellt worden sei. Eine Abschaffung sämt­licher französischen Tische würde der Nachfragesituation widersprechen.

Die Öffnungszeiten seien an die Besuchernachfrage angepasst. Dabei seien auch die Öffnungszeiten der privaten Spielhallen (bis zu 23 Stunden) sowie der Spielban­ken im Ausland zu beachten.

Eine vollständige Schließung des Großen Spiels an einzelnen Standorten lehnt das Ministerium ab. Dies würde die ordnungsrechtlichen Aufgaben des Spielbankmono­pols außer Acht lassen.

Zum Personalabbau weist das Ministerium darauf hin, dass bis Ende 2011 weitere 28 Stellen abgebaut werden sollen, davon mindestens 15 bereits bis Ende 2009. Ein noch weiter gehender Personalabbau wäre nur durch entsprechende Umgestaltung des Spielbetriebs und der Öffnungszeiten möglich. Dazu sollen aber zunächst die Auswirkungen der Maßnahmen in Bad Steben und Bad Kötzting abgewartet werden.

Der ORH hält nach wie vor deutlich einschneidendere Maßnahmen und eine raschere Umsetzung für zwingend erforderlich. Die ordnungspolitische Aufgabe des Spielbank­monopols sieht er dabei nicht tangiert.

22.3.4          Maßnahmen gegen die Zunahme gewerblicher Spielhallen

Das mit dem Betrieb der staatlichen Spielbanken verfolgte Ziel der Suchtprävention wird durch die steigende Zahl gewerblicher Spielhallen konterkariert. Den Rückgän­gen im Kleinen Spiel stehen immer mehr gewerbliche Spielhallen mit deutlichen Um­satzsteigerungen gegenüber.

Das gewerbliche Automatenspiel gilt nicht als Glücksspiel und unterliegt nicht dem Ordnungsrecht der Länder, sondern dem Bundesrecht (Gewerbeordnung). Die Staats­regierung sollte deshalb eine Gesetzesinitiative im Bundesrat zur Eindämmung der gewerblichen Spielhallen ergreifen.

Das Finanzministerium weist hierzu ‑ in Abstimmung mit dem Innen-, Wirtschafts- und Gesundheitsministerium ‑ auf Folgendes hin: Das gewerbliche Spiel unterliege seit jeher strengem gewerberechtlichen Reglement. Daran habe sich auch durch die Novellierung der Spieleverordnung zum 1. Januar 2006 dem Grundsatz nach nichts geändert. Zwar seien die Rahmenbedingungen für Geldspielgeräte moderat erweitert und flexiblere Spielgestaltungen ermöglicht worden. Dem gewerblichen Spiel seien aber auch weiterhin enge Grenzen gesetzt und zusätzliche, teilweise einschneidende Maßnahmen zum Spielerschutz und zur Reduktion von Spielanreizen geschaffen wor­den.

Die Gesundheitsministerkonferenz habe die Bundesregierung im Juni 2009 zu Ge­setzesänderungen aufgefordert, um das hohe Suchtpotenzial von Geldspielgeräten zu unterbinden und das Bundeswirtschaftsministerium habe eine Studie zur Proble­matik des pathologischen Glücksspiels in Auftrag gegeben, die Ende 2009 vorliegen solle. Auf dieser fundierten Basis könne dann entschieden werden, ob und ggf. wel­che Änderungen veranlasst sind. Unabhängig davon werde auch künftig auf einen konsequenten Vollzug der spielrechtlichen Bestimmungen geachtet.

Der ORH sieht weiterhin einen deutlichen Widerspruch zwischen der starken Zunahme gewerblicher Spielhallen und dem staatlichen Ziel der Spielsuchtbekämpfung. Er plä­diert daher nach wie vor für eine entsprechende Gesetzesinitiative im Bundesrat.


[64] BVerfG, Beschluss vom 26. März 2007, 1 BvR 2228/02.
[65] BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, 1 BvR 1054/01.
[66] ORH-Bericht 1993 TNr. 25.