Jahresbericht 2009

TNr. 23: Zukunft der Staatsbäder

Wasserstrahl aus Dusche

Die Reform der Staatsbäder hat ihr Ziel, die Belastung für den Staats­haushalt zu verringern, nicht erreicht. Sie haben den Haushalt seit 1997 mit annähernd 200 Mio. € belastet.Der Betrieb von Staatsbädern ist keine staatliche Aufgabe mehr. Der Staat sollte seine Beteiligung vollständig aufgeben.

Der ORH hat in den vergangenen Jahren die wirtschaftliche Entwicklung der fünf bayerischen Staatsbädergeprüft. Ziel war es festzustellen, ob die ab 1995 durchge­führten Reformen erfolgreich waren.

23.1             Vorbemerkung

In Bayern gibt es fünf Staatsbäder in Bad Bocklet, Bad Kissingen, Bad Steben, Bad Reichenhall und Bad Brückenau. Deren Ursprünge reichen bis in das 19. Jahrhun­dert zurück.

Die Staatsbäder sind Kurbetriebe. Zum Kurbetrieb gehören z. B. die Verabreichung von Kurmitteln (z. B. medizinische Massagen und Bäder, Rehamaßnahmen), Kurkon­zerte und die Pflege der Kurparks. Ursprünglich wurden die Staatsbäder als Staats­betriebe nach Art. 26 BayHO geführt. Der Staat ist Eigentümer fast aller Liegenschaf­ten der Staatsbäder.

23.2             Ausgangslage

Der ORH hat bereits im Jahresbericht 1995[67] "auf die aus seiner Sicht unverzichtbar notwendige Änderung der Aufgabenstellung bei den bayerischen Staatsbädern" hin­gewiesen und Folgendes gefordert:

  • Eine angemessene Kostenbeteiligung von Kommunen und Privaten
  • Einschneidende Reduzierung der staatlichen Leistungen

Schon damals wies der laufende Betrieb der Staatsbäder hohe Verluste auf.

Der Landtag hat die Anregungen des ORH aufgegriffen und in seinem Beschluss vom 19. April 1996[68] gefordert, mit den betroffenen Kommunen Verhandlungen über deren Beteiligung aufzunehmen. Beim Scheitern der Verhandlungen sollten die staat­lichen Leistungen auf das unumgängliche Maß zurückgeführt werden.

Das Finanzministerium hat ein Reformkonzept erarbeitet. Kernpunkte waren die Grün­dung von gemeinsamen Betriebsgesellschaften mit den Kommunen und die Ausglie­derung bzw. Privatisierung des operativen Geschäfts (z. B. Kurmittelabgabe, Gastro­nomie). Ziel war es, die Wirtschaftlichkeit deutlich zu verbessern. Das Reformkonzept wurde ab 1995 umgesetzt.

23.3             Organisation der Staatsbäder nach der Reform

Das Finanzministerium konnte keine einheitliche Lösung bei der Neuorganisation durchsetzen, da es von der Kooperationsbereitschaft der Kommunen abhängig war. Die Gemeinden sind nun in sehr unterschiedlichem Maße am Betrieb der Staats­bäder und an den finanziellen Lasten beteiligt:

  • Bei den Staatsbädern in Bad Kissingen und Bad Reichenhall wird der Kurbetrieb jeweils von einer gemeinsamen Kur-Betriebsgesellschaft in Form einer GmbH ge­führt. Die Kommunen sind an den Gesellschaften mit 40 bzw. 38% beteiligt. In Bad Steben war die Gemeinde ursprünglich mit 26% an der dortigen Kurbetriebs­gesellschaft beteiligt. Sie ist zwischenzeitlich aber ‑ was vertraglich zulässig war ‑ wieder ausgeschieden.

    Die staatlichen Liegenschaften werden weiterhin vom Staatsbetrieb Immobilien Freistaat Bayern verwaltet. Gleiches gilt für den Staatsanteil an den Kur-Betriebs­gesellschaften.
  • In Bad Brückenau wird das Bad weiterhin als Staatsbetrieb geführt. Lediglich die Kurmittel werden seit 2002 von einem Privaten angeboten.
  • In Bad Bocklet hat die Gemeinde seit 2001 das gesamte operative Kurgeschäft übernommen. Der Staat hat seine Liegenschaften verpachtet.

Das Personal der ehemaligen Staatsbetriebe stellt der Staat den Kur-Betriebsgesell­schaften gegen Kostenerstattung zur Verfügung. Daneben beschäftigen die Gesell­schaften mittlerweile auch eigenes Personal.

23.4             Wirtschaftliche Entwicklung/Belastung des Staatshaushalts nach der Reform

Die Belastung des Staatshaushalts durch die Staatsbäder ist trotz der Reform nicht geringer geworden. In den Jahren 1997 bis 2007 hat der Freistaat Bayern insgesamt 191 Mio € für die Staatsbäder aufgewandt. Dies waren 78 Mio. € bzw. 70% mehr als im Vergleichszeitraum 1986 bis 1996 mit 113 Mio. €.

Zum Teil wurden diese Mittel als Darlehen ausgereicht. Aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation waren die Staatsbäder allerdings nicht in der Lage, die ge­währten Darlehen zurückzubezahlen. Daher hat das Finanzministerium diese spätes­tens bei Fälligkeit in Eigenkapital umgewandelt. Ab dem Doppelhaushalt 2009/2010 werden aus dem Staatsbäderetat keine Darlehen mehr ausgereicht, sondern aus­schließlich Zuschüsse gegeben und Eigenkapital zugeführt.

23.5             Wertung und Forderung des ORH

Das Hauptziel der Reform, die Belastungen für den Staatshaushalt zu reduzieren, wurde nicht erreicht.

Insbesondere in folgenden Bereichen bestehen nach wie vor erhebliche Defizite:

23.5.1          Abgabe von Liegenschaften

In den Staatsbadkommunen befinden sich zahlreiche Grundstücke und Bauten im staatlichen Eigentum, die zum Betrieb der Staatsbäder nicht (mehr) notwendig sind. Diese Liegenschaften verursachen laufend hohe Unterhaltskosten. Die Verwaltung ist zwar seit Jahren bemüht, diese zu veräußern, war aber bislang nur in wenigen Fällen erfolgreich.

Diese Bemühungen müssen forciert werden.

23.5.2          Auslagerung von Aufgaben

Die Staatsbäder erledigen zahlreiche Aufgaben in eigener Regie, die problemlos von Privaten übernommen werden könnten. Dazu zählt nicht nur der Betrieb von Gastro­nomieeinrichtungen, sondern letztlich auch das Anbieten von Kurmitteln. Letztere werden teilweise sogar unter den Selbstkosten angeboten.

Dies sollte eingestellt werden. Damit lassen sich auch die Betriebsrisiken deutlich senken.

23.5.3          Kostenrechnung

Die Kostenrechnung der einzelnen Staatsbäder ist auch 14 Jahre nach Beginn der Reform durchweg mangelhaft. Mit den derzeitigen Systemen können oftmals nicht die Kosten einzelner Leistungen ermittelt werden. Das führt z. B. dazu, dass teilweise Kurmittel nicht kostendeckend angeboten werden. Die Overheadkosten und die den Staatsbädern zufließenden Einnahmen aus der Kurtaxe können, da geeignete Ver­teilungsschlüssel fehlen, nicht den einzelnen Teilbereichen zugeordnet werden. Zwar wurden teilweise Profit-Center eingerichtet. Aus den vorgenannten Gründen sind deren Ergebnisse aber kaum aussagekräftig.

Aufgrund der fehlenden einheitlichen und systematischen Datenbasis ist darüber hinaus auch kein Vergleich der einzelnen Staatsbäder unter wirtschaftlichen Aspekten möglich (Benchmarking, best-practice). Den Geschäftsführungen und der Beteili­gungsverwaltung fehlt damit ein entscheidendes Steuerungsinstrument zur zielorien­tierten Betriebssteuerung.

Der ORH fordert, unverzüglich eine einheitliche und leistungsfähige Kostenrechnung bei den Staatsbädern einzurichten.

23.6             Staatliches Engagement

Das Wirtschaftsministerium hat zwischen 1998 und 2007 in den 46 Kurorten ohne staatliche Bäder für Kureinrichtungen rd. 132 Mio. € an Investitionsförderungen ge­währt. Die fünf Staatsbäder erhielten im selben Zeitraum etwa 129 Mio. € für Investi­tionen und damit fast gleich viel wie die anderen 46 Kurorte zusammen aus der Wirt­schaftsförderung.

Der klassische Kur- bzw. Rehabilitationsgast wird zunehmend vom Gesundheits‑/ Wellness-Urlauber abgelöst. Dem tragen die Staatsbäder mit dem verstärkten Bau von Wellness-Einrichtungen Rechnung. Von den staatlichen Mitteln, die zwischen 1998 und 2007 bewilligt wurden, wurden rd. 50 Mio. € in den Bau von Thermen inves­tiert. Die Leistungen der Staatsbäder werden ebenso von privaten oder kommunalen Bädern angeboten. Die Staatsbäder wenden sich damit immer mehr von ihren klassi­schen Kuraufgaben ab und konkurrieren um dieselben Gäste wie jeder andere Urlaubs­ort auch.

Der Betrieb von Bädern ist keine staatliche Aufgabe mehr. Der Staat sollte sich auf seine Kernaufgaben beschränken. Die Staatsbäder sollten vollständig kommunalisiert oder privatisiert werden. Wenn dies nicht möglich ist, sollte auch eine Schließung ein­zelner Bäder in Betracht gezogen werden.

23.7             Stellungnahme der Verwaltung

Das Finanzministerium teilt die Auffassung des ORH, dass der Betrieb von Staats­bädern nicht zu den Kernaufgaben des Staates gehört. Die Tatsache, dass die weit überwiegende Zahl der Heilbäder und Kurorte in privater und kommunaler Regie geführt wird, zeige, dass diese die Aufgaben grundsätzlich ebenso erfüllen können. Die Teilkommunalisierung der Staatsbäder sei daher erklärtes Ziel. Eine vollständige Kommunalisierung sei allerdings nicht erreichbar, da die Staatsbadkommunen die Folgelasten insbesondere im Immobilienbereich nicht tragen könnten. Die für den Kurbetrieb unentbehrlichen Immobilien müssten daher weiterhin im Eigentum des Freistaats verbleiben, zumal die Staatsbäder auch in strukturschwachen Regionen lägen.

Das hohe staatliche Engagement sieht das Finanzministerium vor allem der histori­schen Verantwortung des Staates für die Staatsbäder mit ihren zahlreichen denkmal­geschützten Liegenschaften geschuldet. Zudem musste durch die Investition in Ther­men ein marktgängiges Badeangebot geschaffen werden, damit die Staatsbäder den Anschluss an andere renommierte Bäder nicht verlieren würden. Die Staatsbad­kommunen hätten sich an der Finanzierung der Wellness-Einrichtungen im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten beteiligt.

In der Kurmittelabgabe sieht das Finanzministerium eine der klassischen Leistungen eines Kurortes. Nach Möglichkeit werden diese Leistungen allerdings durch die Kur­verwaltungen mittlerweile aufgegeben. Lediglich in Bad Kissingen und Bad Steben gebe es noch Kurmittelhäuser mangels ausreichender privater Alternativen vor Ort. Dass dabei einzelne Kurmittel unter Selbstkosten abgegeben werden, läge letztlich am Preisdiktat der Krankenkassen. Trotzdem könnten die Kurmittelabgaben nicht beliebig eingestellt werden, um die Kurorte nicht weiter zu schwächen. Im Übrigen werde aber weiterhin versucht, Teile des operativen Geschäfts an die Kommunen abzugeben bzw. auch in die freie Wirtschaft zu verlagern.

Die Einschätzung des ORH, dass eine Anpassung des Controllinginstrumentariums nötig sei, wird geteilt. Trotz Anstrengungen wie z. B. der Einführung von Servicecen­terrechnungen sei der Stand der Kostenrechnungssysteme in den einzelnen Staats­bädern nicht einheitlich. Die Kostenrechnung werde daher optimiert; auch auf eine Vergleichbarkeit der Staatsbäder werde dabei geachtet. Dass die Kostenrechnungs­systeme durchweg als mangelhaft zu bezeichnen seien, entspräche aber nicht der Realität.

23.8             Schlussbemerkung des ORH

Die Reform der Staatsbäder hat ihr Ziel nicht erreicht. Fast eineinhalb Jahrzehnte nach Beginn der Reform sind die Belastungen für den Staatshaushalt höher als zu­vor. Die Einbindung der Kommunen in die Verantwortung ist nur sehr unzureichend gelungen.

Nicht für den Kurbetrieb notwendige Liegenschaften müssen schnellstmöglich ver­wertet, Aufgaben ausgelagert und eine funktionierende Kostenrechnung eingeführt werden.

Der ORH bleibt bei seiner Auffassung, dass der Freistaat seine Beteiligung am Be­trieb von Bädern vollständig aufgeben sollte. Eine Teilkommunalisierung ist nicht aus­reichend.


[67] ORH-Bericht 1995 TNr. 30.
[68] LT-Drucksache 13/4685 Nr. 2 i.