TNr. 23: Zukunft der Staatsbäder

Die Reform der Staatsbäder hat ihr Ziel, die Belastung für den Staatshaushalt zu verringern, nicht erreicht. Sie haben den Haushalt seit 1997 mit annähernd 200 Mio. € belastet.Der Betrieb von Staatsbädern ist keine staatliche Aufgabe mehr. Der Staat sollte seine Beteiligung vollständig aufgeben.
Der ORH hat in den vergangenen Jahren die wirtschaftliche Entwicklung der fünf bayerischen Staatsbädergeprüft. Ziel war es festzustellen, ob die ab 1995 durchgeführten Reformen erfolgreich waren.
23.1 Vorbemerkung
In Bayern gibt es fünf Staatsbäder in Bad Bocklet, Bad Kissingen, Bad Steben, Bad Reichenhall und Bad Brückenau. Deren Ursprünge reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück.
Die Staatsbäder sind Kurbetriebe. Zum Kurbetrieb gehören z. B. die Verabreichung von Kurmitteln (z. B. medizinische Massagen und Bäder, Rehamaßnahmen), Kurkonzerte und die Pflege der Kurparks. Ursprünglich wurden die Staatsbäder als Staatsbetriebe nach Art. 26 BayHO geführt. Der Staat ist Eigentümer fast aller Liegenschaften der Staatsbäder.
23.2 Ausgangslage
Der ORH hat bereits im Jahresbericht 1995[67] "auf die aus seiner Sicht unverzichtbar notwendige Änderung der Aufgabenstellung bei den bayerischen Staatsbädern" hingewiesen und Folgendes gefordert:
- Eine angemessene Kostenbeteiligung von Kommunen und Privaten
- Einschneidende Reduzierung der staatlichen Leistungen
Schon damals wies der laufende Betrieb der Staatsbäder hohe Verluste auf.
Der Landtag hat die Anregungen des ORH aufgegriffen und in seinem Beschluss vom 19. April 1996[68] gefordert, mit den betroffenen Kommunen Verhandlungen über deren Beteiligung aufzunehmen. Beim Scheitern der Verhandlungen sollten die staatlichen Leistungen auf das unumgängliche Maß zurückgeführt werden.
Das Finanzministerium hat ein Reformkonzept erarbeitet. Kernpunkte waren die Gründung von gemeinsamen Betriebsgesellschaften mit den Kommunen und die Ausgliederung bzw. Privatisierung des operativen Geschäfts (z. B. Kurmittelabgabe, Gastronomie). Ziel war es, die Wirtschaftlichkeit deutlich zu verbessern. Das Reformkonzept wurde ab 1995 umgesetzt.
23.3 Organisation der Staatsbäder nach der Reform
Das Finanzministerium konnte keine einheitliche Lösung bei der Neuorganisation durchsetzen, da es von der Kooperationsbereitschaft der Kommunen abhängig war. Die Gemeinden sind nun in sehr unterschiedlichem Maße am Betrieb der Staatsbäder und an den finanziellen Lasten beteiligt:
- Bei den Staatsbädern in Bad Kissingen und Bad Reichenhall wird der Kurbetrieb jeweils von einer gemeinsamen Kur-Betriebsgesellschaft in Form einer GmbH geführt. Die Kommunen sind an den Gesellschaften mit 40 bzw. 38% beteiligt. In Bad Steben war die Gemeinde ursprünglich mit 26% an der dortigen Kurbetriebsgesellschaft beteiligt. Sie ist zwischenzeitlich aber ‑ was vertraglich zulässig war ‑ wieder ausgeschieden.
Die staatlichen Liegenschaften werden weiterhin vom Staatsbetrieb Immobilien Freistaat Bayern verwaltet. Gleiches gilt für den Staatsanteil an den Kur-Betriebsgesellschaften. - In Bad Brückenau wird das Bad weiterhin als Staatsbetrieb geführt. Lediglich die Kurmittel werden seit 2002 von einem Privaten angeboten.
- In Bad Bocklet hat die Gemeinde seit 2001 das gesamte operative Kurgeschäft übernommen. Der Staat hat seine Liegenschaften verpachtet.
Das Personal der ehemaligen Staatsbetriebe stellt der Staat den Kur-Betriebsgesellschaften gegen Kostenerstattung zur Verfügung. Daneben beschäftigen die Gesellschaften mittlerweile auch eigenes Personal.
23.4 Wirtschaftliche Entwicklung/Belastung des Staatshaushalts nach der Reform
Die Belastung des Staatshaushalts durch die Staatsbäder ist trotz der Reform nicht geringer geworden. In den Jahren 1997 bis 2007 hat der Freistaat Bayern insgesamt 191 Mio € für die Staatsbäder aufgewandt. Dies waren 78 Mio. € bzw. 70% mehr als im Vergleichszeitraum 1986 bis 1996 mit 113 Mio. €.
Zum Teil wurden diese Mittel als Darlehen ausgereicht. Aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation waren die Staatsbäder allerdings nicht in der Lage, die gewährten Darlehen zurückzubezahlen. Daher hat das Finanzministerium diese spätestens bei Fälligkeit in Eigenkapital umgewandelt. Ab dem Doppelhaushalt 2009/2010 werden aus dem Staatsbäderetat keine Darlehen mehr ausgereicht, sondern ausschließlich Zuschüsse gegeben und Eigenkapital zugeführt.
23.5 Wertung und Forderung des ORH
Das Hauptziel der Reform, die Belastungen für den Staatshaushalt zu reduzieren, wurde nicht erreicht.
Insbesondere in folgenden Bereichen bestehen nach wie vor erhebliche Defizite:
23.5.1 Abgabe von Liegenschaften
In den Staatsbadkommunen befinden sich zahlreiche Grundstücke und Bauten im staatlichen Eigentum, die zum Betrieb der Staatsbäder nicht (mehr) notwendig sind. Diese Liegenschaften verursachen laufend hohe Unterhaltskosten. Die Verwaltung ist zwar seit Jahren bemüht, diese zu veräußern, war aber bislang nur in wenigen Fällen erfolgreich.
Diese Bemühungen müssen forciert werden.
23.5.2 Auslagerung von Aufgaben
Die Staatsbäder erledigen zahlreiche Aufgaben in eigener Regie, die problemlos von Privaten übernommen werden könnten. Dazu zählt nicht nur der Betrieb von Gastronomieeinrichtungen, sondern letztlich auch das Anbieten von Kurmitteln. Letztere werden teilweise sogar unter den Selbstkosten angeboten.
Dies sollte eingestellt werden. Damit lassen sich auch die Betriebsrisiken deutlich senken.
23.5.3 Kostenrechnung
Die Kostenrechnung der einzelnen Staatsbäder ist auch 14 Jahre nach Beginn der Reform durchweg mangelhaft. Mit den derzeitigen Systemen können oftmals nicht die Kosten einzelner Leistungen ermittelt werden. Das führt z. B. dazu, dass teilweise Kurmittel nicht kostendeckend angeboten werden. Die Overheadkosten und die den Staatsbädern zufließenden Einnahmen aus der Kurtaxe können, da geeignete Verteilungsschlüssel fehlen, nicht den einzelnen Teilbereichen zugeordnet werden. Zwar wurden teilweise Profit-Center eingerichtet. Aus den vorgenannten Gründen sind deren Ergebnisse aber kaum aussagekräftig.
Aufgrund der fehlenden einheitlichen und systematischen Datenbasis ist darüber hinaus auch kein Vergleich der einzelnen Staatsbäder unter wirtschaftlichen Aspekten möglich (Benchmarking, best-practice). Den Geschäftsführungen und der Beteiligungsverwaltung fehlt damit ein entscheidendes Steuerungsinstrument zur zielorientierten Betriebssteuerung.
Der ORH fordert, unverzüglich eine einheitliche und leistungsfähige Kostenrechnung bei den Staatsbädern einzurichten.
23.6 Staatliches Engagement
Das Wirtschaftsministerium hat zwischen 1998 und 2007 in den 46 Kurorten ohne staatliche Bäder für Kureinrichtungen rd. 132 Mio. € an Investitionsförderungen gewährt. Die fünf Staatsbäder erhielten im selben Zeitraum etwa 129 Mio. € für Investitionen und damit fast gleich viel wie die anderen 46 Kurorte zusammen aus der Wirtschaftsförderung.
Der klassische Kur- bzw. Rehabilitationsgast wird zunehmend vom Gesundheits‑/ Wellness-Urlauber abgelöst. Dem tragen die Staatsbäder mit dem verstärkten Bau von Wellness-Einrichtungen Rechnung. Von den staatlichen Mitteln, die zwischen 1998 und 2007 bewilligt wurden, wurden rd. 50 Mio. € in den Bau von Thermen investiert. Die Leistungen der Staatsbäder werden ebenso von privaten oder kommunalen Bädern angeboten. Die Staatsbäder wenden sich damit immer mehr von ihren klassischen Kuraufgaben ab und konkurrieren um dieselben Gäste wie jeder andere Urlaubsort auch.
Der Betrieb von Bädern ist keine staatliche Aufgabe mehr. Der Staat sollte sich auf seine Kernaufgaben beschränken. Die Staatsbäder sollten vollständig kommunalisiert oder privatisiert werden. Wenn dies nicht möglich ist, sollte auch eine Schließung einzelner Bäder in Betracht gezogen werden.
23.7 Stellungnahme der Verwaltung
Das Finanzministerium teilt die Auffassung des ORH, dass der Betrieb von Staatsbädern nicht zu den Kernaufgaben des Staates gehört. Die Tatsache, dass die weit überwiegende Zahl der Heilbäder und Kurorte in privater und kommunaler Regie geführt wird, zeige, dass diese die Aufgaben grundsätzlich ebenso erfüllen können. Die Teilkommunalisierung der Staatsbäder sei daher erklärtes Ziel. Eine vollständige Kommunalisierung sei allerdings nicht erreichbar, da die Staatsbadkommunen die Folgelasten insbesondere im Immobilienbereich nicht tragen könnten. Die für den Kurbetrieb unentbehrlichen Immobilien müssten daher weiterhin im Eigentum des Freistaats verbleiben, zumal die Staatsbäder auch in strukturschwachen Regionen lägen.
Das hohe staatliche Engagement sieht das Finanzministerium vor allem der historischen Verantwortung des Staates für die Staatsbäder mit ihren zahlreichen denkmalgeschützten Liegenschaften geschuldet. Zudem musste durch die Investition in Thermen ein marktgängiges Badeangebot geschaffen werden, damit die Staatsbäder den Anschluss an andere renommierte Bäder nicht verlieren würden. Die Staatsbadkommunen hätten sich an der Finanzierung der Wellness-Einrichtungen im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten beteiligt.
In der Kurmittelabgabe sieht das Finanzministerium eine der klassischen Leistungen eines Kurortes. Nach Möglichkeit werden diese Leistungen allerdings durch die Kurverwaltungen mittlerweile aufgegeben. Lediglich in Bad Kissingen und Bad Steben gebe es noch Kurmittelhäuser mangels ausreichender privater Alternativen vor Ort. Dass dabei einzelne Kurmittel unter Selbstkosten abgegeben werden, läge letztlich am Preisdiktat der Krankenkassen. Trotzdem könnten die Kurmittelabgaben nicht beliebig eingestellt werden, um die Kurorte nicht weiter zu schwächen. Im Übrigen werde aber weiterhin versucht, Teile des operativen Geschäfts an die Kommunen abzugeben bzw. auch in die freie Wirtschaft zu verlagern.
Die Einschätzung des ORH, dass eine Anpassung des Controllinginstrumentariums nötig sei, wird geteilt. Trotz Anstrengungen wie z. B. der Einführung von Servicecenterrechnungen sei der Stand der Kostenrechnungssysteme in den einzelnen Staatsbädern nicht einheitlich. Die Kostenrechnung werde daher optimiert; auch auf eine Vergleichbarkeit der Staatsbäder werde dabei geachtet. Dass die Kostenrechnungssysteme durchweg als mangelhaft zu bezeichnen seien, entspräche aber nicht der Realität.
23.8 Schlussbemerkung des ORH
Die Reform der Staatsbäder hat ihr Ziel nicht erreicht. Fast eineinhalb Jahrzehnte nach Beginn der Reform sind die Belastungen für den Staatshaushalt höher als zuvor. Die Einbindung der Kommunen in die Verantwortung ist nur sehr unzureichend gelungen.
Nicht für den Kurbetrieb notwendige Liegenschaften müssen schnellstmöglich verwertet, Aufgaben ausgelagert und eine funktionierende Kostenrechnung eingeführt werden.
Der ORH bleibt bei seiner Auffassung, dass der Freistaat seine Beteiligung am Betrieb von Bädern vollständig aufgeben sollte. Eine Teilkommunalisierung ist nicht ausreichend.
[67] ORH-Bericht 1995 TNr. 30.
[68] LT-Drucksache 13/4685 Nr. 2 i.