TNr. 29: Landesstiftung "Hilfe für Mutter und Kind"

Bei der staatlich verwalteten Landesstiftung "Hilfe für Mutter und Kind" wurden erhebliche Mängel festgestellt. Risikoreiche Geschäfte schmälerten das Grundstockvermögen um 4 Mio. €. Das Rechnungswesen war unvollständig und fehlerhaft. Die Landesstiftung erhielt staatliche Zuwendungen zu Unrecht. Die Verwaltungs- und Aufsichtsfunktionen sind klar zu trennen. Das Sozialministerium muss seinen Aufgaben im Rahmen der Aufsicht künftig stärker nachkommen.Das Sozialministerium und die Landesstiftung haben die Mängel eingeräumt und zum Teil aufgearbeitet.
Die Landesstiftung "Hilfe für Mutter und Kind" wurde in den Jahren 2009 und 2010 von einem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt im Auftrag des ORH geprüft. Schwerpunkte waren die Verwaltung des Stiftungsvermögens, die Vergabe von Stiftungsleistungen sowie die zweckentsprechende Verwendung der gewährten staatlichen Mittel.
29.1 Ausgangslage
Die Stiftung unterstützt mit jährlich rd. 19 Mio. € etwa 15.000 Schwangere in Not; zusätzlich wird Familien in Not geholfen (0,4 Mio. €). Die Leistungen werden durch die staatlich anerkannten Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen vergeben.
Finanziert werden diese Hilfen durch den Bund, das Land, die Kirchen, einzelne Kommunen und aus Erträgen des Grundstockvermögens der Landesstiftung. Das Grundstockvermögen beträgt derzeit rd. 60 Mio. €.
Organe der Landesstiftung sind der Stiftungsvorstand und der Stiftungsrat. Mitglieder des Stiftungsrates sind u. a. die Staatsministerin und der Staatssekretär sowie die im Ministerium zuständige Abteilungsleiterin und die Leiterin des Fachreferats. Gleichzeitig führt das Fachreferat die Aufsicht über die Landesstiftung. Verwaltet wird die Landesstiftung durch das Sozialministerium, das die Aufgabe auf die nachgeordnete Fachbehörde, das Zentrum Bayern Familie und Soziales, delegiert hat.
29.2 Prüfungsfeststellungen und Empfehlungen
29.2.1 Grundstockvermögen um 4 Mio. € geschmälert
Wesentliche Aufgabe der Stiftungsorgane ist es, das Grundstockvermögen ungeschmälert in seinem realen Wert und in seiner Ertragskraft zu erhalten.[60] Durch Grundsatzbeschluss vom 11.04.2000 beschränkte der Stiftungsrat den Erwerb von Aktien auf maximal 20% des Vermögens. Im Übrigen darf das Vermögen nur mündelsicher angelegt werden (z. B. Festgelder, Anleihen, Pfandbriefe). Die Landesstiftung bedient sich zur Verwaltung des Grundstockvermögens externer Vermögensverwalter.
Zum 31.12.2002 betrug das Grundstockvermögen 61,1 Mio. €. Obwohl dem Grundstockvermögen nach 2002 Rücklagen von 2,9 Mio. € zugeführt wurden, verringerte es sich bis zum 31.12.2008 auf 60 Mio. €. Seit 2002 ist das zu Anschaffungskosten bewertete Grundstockvermögen damit um 4 Mio. € geschmälert.
Ab dem Jahr 2004 wurde von den Vermögensverwaltern entgegen dem Grundsatzbeschluss des Stiftungsrates ein Teil des Vermögens in risikoreiche Finanzprodukte investiert. 2005 wurde die Anlagestrategie so geändert, dass Aktien und alternative Ertragskonzepte mit einem Anteil von 30% möglich waren. Im Rahmen der alternativen Ertragskonzepte mit einem Anteil von 15% konnten auch Options- und Termingeschäfte getätigt werden. Hedgefonds wurden allerdings ausdrücklich ausgeschlossen. Bei diesen Geschäften sind erhebliche Verluste entstanden.
In dem Grundstockvermögen von 60 Mio. € sind auch Wertpapiere enthalten, deren Zeitwert bei der Prüfung um 2,8 Mio. € unter dem Anschaffungswert lag. Ob tatsächlich Verluste eintreten, ist von der weiteren Marktentwicklung abhängig.
Durch den Wechsel der Anlagestrategie hat sich das Risiko von Verlusten stark erhöht. Um den Erhalt des Grundstockvermögens zu gewährleisten, sollte die Landesstiftung zu einer stärker sicherheitsorientierten Anlagestrategie zurückkehren. Die wesentlichen Grundsätze der Vermögensverwaltung sind vom Stiftungsrat vorzugeben. Die eingesetzten Vermögensverwalter sollten vom Stiftungsvorstand stärker überwacht werden.
29.2.2 Rechnungswesen unvollständig und fehlerhaft
Ein ordnungsgemäßes, aussagefähiges Rechnungswesen ist Voraussetzung für die Vermögensverwaltung, die Vergabe der Stiftungsleistungen sowie die zweckentsprechende Verwendung und den Nachweis der staatlichen Mittel.
Der ORH hat festgestellt, dass in den Haushaltsplänen nicht alle zu erwartenden Einnahmen und voraussichtlichen Ausgaben enthalten waren. Es lagen für die Haushaltsjahre 2006, 2007 und 2008 keine Genehmigungen durch das Sozialministerium vor.
Im Haushaltsvollzug 2008 wurden wesentliche Geschäftsvorgänge (insbesondere die Wertpapiergeschäfte der Vermögensverwalter) nicht bzw. fehlerhaft gebucht.
In den Jahren 1998 bis 2002 wurde das Grundstockvermögen nicht nachgewiesen. Ab 2002 wird zwar eine Übersicht "Bewertung des Grundstockvermögens" erstellt. Diese konnte jedoch nicht aus dem Rechnungswesen abgeleitet werden. Die Übersicht entspricht damit nicht dem gesetzlich geforderten Nachweis des Vermögens nach Art. 73 BayHO. Außerdem wurden einzelne Ertragskonten erst in späteren Haushaltsjahren buchhalterisch erfasst.
Der ORH hat deutliche Verbesserungen bei der Haushaltsplanung, dem Haushaltsvollzug und der Buchführung sowie bei der Erstellung der Jahresrechnung angemahnt. Die Haushaltsrechnungen 2008 und 2009 sind zu überprüfen und zu berichtigen. Für das Haushaltsjahr 2010 sind die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.
29.2.3 Stiftungsleistungen an Schwangere in Not
Die Landesstiftung reicht über die Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen jedes Jahr rd. 19 Mio. € an Stiftungsleistungen aus.
15 Beratungsstellen wurden örtlich geprüft. Bei etwa einem Drittel der Hilfegesuche war das Vorliegen der individuellen Notlage nicht ausreichend begründet bzw. dokumentiert. In diesen Fällen war nicht prüfbar, ob die Stiftungsleistungen zu Recht gezahlt wurden.
Die Bewilligungspraxis der einzelnen Stellen wird von der Stiftung bisher nicht systematisch mit dem Ziel einer sachgerechten Vergabe ausgewertet. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre fanden pro Jahr lediglich vier Vor-Ort-Prüfungen statt.
Die Stiftung sollte die Vergabe ihrer Mittel kritisch überprüfen. Als ersten Schritt hat die Landesstiftung die Beachtung der Vergabegrundsätze[61] sicherzustellen. Erforderlich sind danach u. a.
- eine ausreichende Dokumentation der Entscheidungen durchzusetzen,
- die Anrechnung gesetzlicher Leistungen sowie die Vermögensprüfung besser zu regeln sowie
- die individuelle Leistungsfähigkeit bei der Zumessung der Hilfe stärker zu berücksichtigen.
29.2.4 Die Landesstiftung hat Zuwendungen zu Unrecht erhalten
Der Freistaat gewährt der Landesstiftung jährlich Zuschüsse zwischen 3 und 4 Mio. €. Die Mittel wurden als Fehlbedarfsfinanzierung bewilligt. Das Fachreferat im Sozialministerium ist für die Bewilligung und die Verwendungsnachweisprüfung verantwortlich.
Der ORH hat festgestellt, dass die Stiftung in den Verwendungsnachweisen einen Teil ihrer Einnahmen nicht angab, nicht zuwendungsfähige Ausgaben geltend machte und die gewährten Zuwendungen nicht fristgerecht einsetzte.
Entstandene Jahresüberschüsse wurden nicht an den Freistaat zurückgezahlt, sondern ins nächste Haushaltsjahr übertragen. Der Jahresüberschuss 2008 belief sich auf rd. 2,9 Mio. €.
Seit dem Jahr 2000 wurden rd. 3,5 Mio. € als Rücklage dem Grundstockvermögen zugeführt.
Die Übertragung des Jahresüberschusses und Zuführung zu Rücklagen sind bei einer Fehlbedarfsfinanzierung unzulässig. Die Landesstiftung hat Zuwendungen in entsprechender Höhe zu Unrecht erhalten. Dies ergibt sich aus der Natur einer Fehlbedarfsfinanzierung und ist so auch im Zuwendungsbescheid festgelegt. Außerdem ergeben sich von 2006 bis 2008 Rückforderungsansprüche wegen unzutreffender Angaben in den Verwendungsnachweisen.
29.3 Stellungnahme der Landesstiftung
Die Landesstiftung hat die Feststellungen zum Rechnungswesen im Wesentlichen eingeräumt und umfassende Abhilfe zugesagt. In der Zwischenzeit sei beschlossen worden, die Buchführung ab dem Jahr 2010 extern zu vergeben und auf das kaufmännische Rechnungswesen umzustellen. Künftig sollen alle Konten erfasst und alle Geschäftsvorfälle gebucht werden. Damit würden die Grundsätze der Haushaltswahrheit und -klarheit beachtet.
Mit einer speziellen Auswertungssoftware, die auch Banken und Vermögensverwalter zur Auswertung ihrer Depots nutzen, werde künftig die Überwachung der Vermögensentwicklung unterstützt. Alternative Ertragskonzepte sollen nicht mehr verfolgt werden. Der Stiftungsrat habe einen neuen Grundsatzbeschluss zur Anlagestrategie gefasst. Danach können nur noch bis zu 20% Aktien erworben werden. Rücklagen sollen nur im zulässigen Rahmen gebildet werden.
Für das Jahr 2011 sei eine Überarbeitung der Vergabegrundsätze unter Einbeziehung der Vorschläge des ORH geplant.
29.4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Sozialministerium habe das Rechnungswesen im bisherigen Umfang akzeptiert, weil es davon ausgegangen sei, die Landesstiftung würde das Grundstockvermögen ungeschmälert erhalten. Hierzu sei es ausreichend, wenn die Einnahmen aus der Veräußerung von Wertpapieren jeweils wieder angelegt werden. Wegen der Einschaltung der externen Vermögensverwalter seien die unvollständigen Haushaltsunterlagen nicht zu beanstanden gewesen. Wenn in risikoreiche Anlageformen investiert werde, sei die Erhaltung des Grundstockvermögens erst im Nachhinein abschließend zu überprüfen.
Die zwischenzeitlich geänderte Satzung sehe vor, dass der Jahresabschluss und der Lagebericht künftig von einem Wirtschaftsprüfer zu prüfen sind.
Die Vermögensverwalter seien gewechselt worden, der Stiftungsrat habe eine neue Anlagestrategie beschlossen.
Es sei beabsichtigt, die Erstattungsansprüche, die sich bislang auf 5,8 Mio. € zuzüglich Zinsen (1,3 Mio. €) beliefen, geltend zu machen. Die Stiftungsverwaltung werde derzeit zu der beabsichtigten Rückforderung angehört.
Die Problematik nicht zurückgezahlter Jahresüberschüsse sei zurückzuführen auf die Finanzierungsart (Fehlbedarfsfinanzierung). Diese soll ab 2010 auf eine Festbetragsfinanzierung umgestellt werden.
Außerdem sei die Stiftungssatzung mittlerweile so geändert worden, dass die Zuständigkeiten für die Fachaufsicht und die Vertretung im Stiftungsrat entflochten werden.
29.5 Schlussbemerkung des ORH
Das Grundstockvermögen einschließlich der Zuführungen ist ungeschmälert zu erhalten. Nur bei Beachtung dieses Grundsatzes kann die Stiftung ihre Aufgaben auf Dauer erfüllen. Die Rückkehr zu einer sicherheitsorientierten Anlagestrategie und der Aufbau eines ordnungsgemäßen und aussagefähigen Rechnungswesens sind zentrale Voraussetzungen für eine nachhaltige Stiftungs- und Vermögensverwaltung.
Die gesamten staatlichen Erstattungsansprüche gegen die Landesstiftung wegen der Jahresüberschüsse, der Rücklagen und der unzutreffenden Verwendungsnachweise sind zeitnah und vollständig geltend zu machen.
Die Verwaltungs- und Aufsichtsfunktionen sind klar zu trennen. Die behördeninternen Zuständigkeiten sollten neu organisiert werden. Das Sozialministerium muss seinen Aufgaben im Rahmen der Aufsicht künftig stärker nachkommen.
[60]Art. 6 Abs. 2 Bayerisches Stiftungsgesetz.
[61] Vergabegrundsätze für die Gewährung von Leistungen der Landesstiftung "Hilfe für Mutter und Kind" an Schwangere in Not vom 05.12.2008 (AllMBl S. 869).