Jahresbericht 2010

TNr. 23: ABS-Portfolio der Bayerischen Landesbank

Eingang Bayerische Landesbank, ©ORH

Ursprünglich waren der Freistaat und der Sparkassenverband je zur Hälfte an der BayernLB beteiligt. Aber die insgesamt 10 Mrd. € zur Rettung der Bank brachte der Staat alleine auf. Darüber hinaus hat er eine Garantie von bis zu 4,8 Mrd. € zur Absicherung des sog. ABS-Portfolio übernommen. Zunächst wurde damit gerechnet, dass der Staat aus dieser Garantie tatsächlich mit 1,6 Mrd. € in Anspruch genommen wird. Inzwischen hat sich die Bewertung der ABS-Wertpapiere signifikant verschlechtert. Der Anteil der akut ausfallgefährdeten Wertpapiere (vor allem immobilienbesicherte Wertpapiere des US-Marktes) hat sich von 7,4 auf 30,3% erhöht. Zudem hat sich die Laufzeiterwartung des Portfolios wegen ungünstiger Marktentwicklungen deutlich verlängert. Es droht somit eine deutlich höhere Belastung als ursprünglich angenommen. Für den Haushalt sind dies noch große finanzielle Risiken, auch wenn die Garantie wohl erst im Lauf des Jahres 2014 in Anspruch genommen werden wird.

Der ORH hat 2009 bei den Aufsicht führenden Ministerien, dem Finanz- und dem Innenministerium, die Auswirkungen der dramatischen Verluste bei der BayernLB auf den Staatshaushalt geprüft und hierüber demLandtag berichtet.[53] 2010 hat er seine örtlichen Erhebungen bei der Bank fortgesetzt. Prüfungsschwerpunkt war u. a. das durch eine staatliche Garantie abgesicherte ABS-Portfolio (Asset Backed Securities) und das daraus für den Staatshaushalt bestehende Risiko.

 

23.1 Vorbemerkung


Die finanzielle Sanierung der BayernLB hat - wie bereits im Jahresbericht 2009 dar­gestellt - allein der Freistaat getragen. Er hat hierzu mit 7 Mrd. € das Eigenkapital der BayernLB-Holding erhöht, die diese Mittel an die BayernLB weitergeleitet hat, sowie eine stille Einlage von 3 Mrd. € bei der Bank geleistet. Darüber hinaus hat der Freistaat mit Vertrag vom 19.12.2008 für das ABS-Portfolio eine Garantie von bis zu 4,8 Mrd. € übernommen.

Die einseitigen Stützungsmaßnahmen des Freistaates führten zu einer grundlegen­den Änderung der ursprünglichen Beteiligungsverhältnisse von je 50%: Im neuesten Bewertungsgutachten vom Januar 2010 wurde unter Einbeziehung der vorgenann­ten Leistungen eine Beteiligung des Staates an der BayernLB in Höhe von 95,82% und des Sparkassenverbandes von 4,18% errechnet. Der Sparkassenverband hat diesem Ergebnis bereits im Februar 2010 zugestimmt. Der ORH hat dem Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen des Landtags zu den Beratungen über den ORH-Bericht 2009 im April 2010 ergänzend mitgeteilt, dass der Freistaat seiner Auffassung nach bei den neu ermittelten Beteiligungsquoten erheblich benachteiligt werde. So wurden im Bewertungsgutachten u. a. nicht alle Verluste im Zusammen­hang mit der Veräußerung der Anteile an der Hypo Group Alpe Adria (HGAA) be­rücksichtigt. Der Landtag hat deshalb mit Beschluss vom 19.05.2010[54] die Staats­regierung ersucht, mit dem Sparkassenverband einen Ausgleich für die einseitig vom Freistaat durchgeführten Stützungsmaßnahmen bei der BayernLB zu vereinbaren und hierzu sowie auch über den Sachstand und den Abschluss des laufenden EU-Verfahrens bis zum 30.11.2010 zu berichten. Inhalt des EU-Verfahrens ist insbeson­dere die Zulässigkeit der staatlichen Stützungsmaßnahmen und das künftige Ge­schäftsmodell der BayernLB.

 

23.2 Staatliche Garantie für das ABS-Portfolio


Zweck der staatlichen Garantie von bis zu 4,8 Mrd. € ist, das ABS-Portfolio bis zur vollständigen Veräußerung bzw. Abwicklung abzusichern und Verluste der BayernLB über den vereinbarten Selbstbehalt von 1,2 Mrd. € hinaus bis zu einem Höchstbetrag von 6 Mrd. € auszugleichen. Verluste im Sinne der Garantie sind nur tatsächlich rea­lisierte Verluste, nicht rein bilanzielle Wertminderungen oder Wertberichtigungen.

Der Nominalwert des abgesicherten ABS-Portfolios der BayernLB ist von Ende 2008 auf Ende 2009 von 19,6 auf 17 Mrd. € zurückgegangen (Basis: Währungskurse zum 31.12.2008 bzw. 31.12.2009). Dies ist in erster Linie auf Tilgungen bei den Wertpa­pieren mit der besten Bonität zurückzuführen. Die tatsächliche Laufzeit der Garantie ist nicht begrenzt, sondern auf den Zeitpunkt des vollständigen Abbaus gemäß der wirtschaftlichen Laufzeit der Wertpapiere bzw. des Verkaufs des unter die Garantie fallenden Portfolios terminiert. Dem lag die Annahme zugrunde, dass das ABS-Port­folio bis Ende 2014 auf knapp 5 Mrd. € abgeschmolzen sein wird (vgl. TNr. 23.2.3). Anschließend sollte das verbleibende ABS-Portfolio zeitnah veräußert werden.

Im 2. NHG 2008 wurden für mögliche Verluste aus der Risikoabschirmung des ABS- Portfolios eine Verpflichtungsermächtigung von 1,625 Mrd. € sowie eine Garantieer­mächtigung von 3,175 Mrd. € eingestellt. Der Verpflichtungsermächtigung wurde die tatsächliche Ausfallerwartung in einem mittleren Ausfallszenario (Base Case) von 2,825 Mrd. € zugrunde gelegt, die in Höhe von 1,2 Mrd. € von der BayernLB zu tragen ist.

Der Freistaat erhält für den Garantiehöchstbetrag derzeit noch eine Bürgschaftsge­bühr von 0,5%, das sind jährlich 24 Mio. €. Die EU-Kommission fordert allerdings eine deutliche Erhöhung des Gebührensatzes. Eine beihilferechtliche Abstimmung hierüber steht noch aus. Für etwaige Zahlungen des Freistaates aus der Garantie wurden die Stichtage 07.11.2011 und 07.11.2014 vereinbart.

 

23.2.1 Risiko des Freistaates aus der Garantie


Die realisierten Verluste aus dem ABS-Portfolio der BayernLB beliefen sich bis Mitte des Jahres 2010 auf rd. 380 Mio. €. Sie ergaben sich im Wesentlichen aus Kapital­abschreibungen, Zahlungsausfällen und Verkäufen. Die bilanziellen Wertminderungen liegen aber deutlich über dem vereinbarten Selbstbehalt der Bank in Höhe von 1,2 Mrd. €.

Im 2. NHG 2008 wurde als Basis für den Garantievertrag eine tatsächliche Ausfall­erwartung (Base Case) von 2,825 Mrd. € zugrunde gelegt. Im Jahresabschluss zum 31.12.2009 haben die Wirtschaftsprüfer auf der Basis ökonomischer Analysen un­abhängig von der bilanziellen Darstellung für den sog. Stress Case eine Ausfaller­wartung von bis zu 5,3 Mrd. € ermittelt. Dies würde bis zum Ende der Garantielauf­zeit eine Inanspruchnahme des Freistaates von bis zu 4,1 Mrd. € bedeuten.

Aktuell hat die BayernLB gemeinsam mit ihren Portfolioberatern eine Verlusterwar­tung für das abgeschirmte ABS-Portfolio von 2,8 Mrd. € errechnet. Die mögliche In­anspruchnahme des Freistaates würde sich damit auf 1,6 Mrd. € belaufen.

 

23.2.2 Bonität des ABS-Portfolios


Für die tatsächliche Höhe der Inanspruchnahme des Staates aus der Garantie ist die Bonität der Wertpapiere von entscheidender Bedeutung. Für deren Einstufung hat die BayernLB das jeweils niedrigste Rating durch die drei Agenturen Standard & Poor´s, Moody´s sowie Fitch herangezogen.

Gestaffelt nach der Ausfallwahrscheinlichkeit werden die Wertpapiere in einzelne Ratingklassen eingeteilt, die zwischen AAA für höchste Bonität und C oder D für die akut ausfallgefährdeten Wertpapiere liegen. Die Einstufung der ABS-Wertpapiere in die einzelnen Ratingklassen hat sich insgesamt signifikant verschlechtert, wie die nachfolgende Abbildung zeigt:

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Markante Veränderungen haben sich insbesondere bei den ABS-Wertpapieren mit dem besten und dem schlechtesten Rating ergeben. Während zum 31.12.2008 der Anteil der mit AAA eingestuften Wertpapiere am Nominal-Gesamtbestand 51,5% betrug, lag er zum 31.12.2009 nur noch bei 23,1%. Gleichzeitig stieg der Anteil der akut ausfallgefährdeten Wertpapiere (< B) von ursprünglich 7,4 auf 30,3%, d. h. von 1,46 auf 5,13 Mrd. €. Hierbei handelt es sich in erster Linie um immobilienbesicherte Wertpapiere des US-Marktes (US-Subprimes).

Aufgrund der fortschreitenden Tilgungen, die hauptsächlich bei den gut bewerteten Wertpapieren stattfinden, wird sich die Qualität des gesamten ABS-Restportfolios zwangsläufig weiter verschlechtern.

 

23.2.3 Laufzeitverlängerungen

 

Bei Abschluss der Garantie zwischen dem Freistaat und der BayernLB im Dezem­ber 2008 ging man noch davon aus, dass das Volumen im Wesentlichen bis Ende 2014 abgebaut sein wird. Aufgrund der negativen Marktentwicklung hat sich jedoch zwischenzeitlich eine Veränderung der erwarteten wirtschaftlichen Laufzeiten der ABS-Papiere ergeben: Einerseits Verkürzungen von bis zu 10 Jahren, andererseits Verlängerungen um mehr als 25 Jahre.

Den Laufzeitverlängerungen und -verkürzungen liegen insbesondere veränderte Pro­gnosen der Portfolioberater der Bank über die voraussichtlichen Laufzeiten der ABS- Wertpapiere zugrunde. Bei diesen Finanzierungen gibt es im Gegensatz zu klassi­schen Finanzierungen (Hypotheken etc.) keine von vornherein genau festgelegten Laufzeiten und Tilgungsmodalitäten. Laufzeitverlängerungen beruhen aber auch auf der mangelnden Bereitschaft US-amerikanischer Banken, für Immobilienkredite bo­nitätsschwacher Kunden eine langfristige Anschlussfinanzierung zu übernehmen. Damit kommt es zu wesentlich längeren Darlehenslaufzeiten.

Die Laufzeitveränderungen stellen sich im Einzelnen wie folgt dar:

 

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Bei gut drei Viertel des Gesamtvolumens von 17 Mrd. € hat sich die erwartete Laufzeit teilweise deutlich verlängert; 6,1 Mrd. € laufen jetzt zwischen 2 und 10 Jahren länger als geplant; 0,9 Mrd. € sogar mehr als 15 Jahre länger. Ohne diese Laufzeitverlän­gerungen wären Schuldner zum vereinbarten Rückzahlungstermin zahlungsunfähig gewesen.

 

23.3 Bewertung des ORH


Bei Abschluss der Garantie sind die Beteiligten noch von wesentlich günstigeren Rahmenbedingungen ausgegangen. Die massiven Ratingverschlechterungen bei ABS-Papieren lassen das Risiko aus der Garantie für den Staatshaushalt inzwischen wesentlich höher erscheinen. Zudem verlagern die erheblichen Laufzeitverlängerun­gen das Risiko auf künftige Jahre.

Der Garantievertrag sieht eine Barausgleichszahlung des Freistaates für Verluste aus dem ABS-Portfolio erstmals zum 07.11.2011 vor. Die bisher realisierten Verluste liegen noch weit unter dem vereinbarten Selbstbehalt der BayernLB von 1,2 Mrd. €, so dass nach Einschätzung der Bank zu diesem Zeitpunkt mit keiner Zahlungsver­pflichtung des Staates zu rechnen ist.

Zum nächsten Barauszahlungstermin am 07.11.2014 ist eine erste Inanspruchnahme des Freistaates aus der Garantie in beträchtlicher Höhe zu erwarten. Aufgrund der Laufzeitverlängerungen wird Ende 2014 noch ein wesentlich größerer Restbestand an ABS-Papieren in den Bankbüchern stehen als ursprünglich angenommen. Des­halb kann sich auch die zeitliche Inanspruchnahme des Staates aus der Garantie wesentlich verlängern. Zudem ist eine höhere Inanspruchnahme des Staates als der bisher im Haushalt ausgebrachten Verpflichtungsermächtigung nicht ausgeschlossen.

 

23.4 Stellungnahme des Finanzministeriums



23.4.1 Bonität des ABS-Portfolios

 

Das Finanzministerium hat mitgeteilt, dass für die Beurteilung des Risikos aus der Garantie in erster Linie die Fundamentalwerte der abgeschirmten Wertpapiere bzw. die Verlusterwartungen auf Basis der prognostizierten Zahlungsströme maßgeblich seien. Hierbei handele es sich nach Auffassung der beteiligten Experten um die verlässliche Prognosegröße. Die BayernLB habe zum 30.06.2010 gemeinsam mit ihren Portfolioberatern nun auf Basis prognostizierter Zahlungsströme eine Verlust­erwartung für das abgeschirmte Portfolio von rd. 2,8 Mrd. € ermittelt. Dies würde bis zum Ende der Garantielaufzeit eine Inanspruchnahme des Freistaates von ins­gesamt rd. 1,6 Mrd. € bedeuten.

Die Ratings der einzelnen Wertpapiere könnten demgegenüber nur mittelbar in Ver­lusterwartungen übersetzt werden und seien damit ein weniger geeigneter Indikator zur Verlustprojektion. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die modifizierten Annah­men der Ratingagenturen bereits zu einem großen Teil in die Fundamentalwerte der Portfolioberater der Bank eingepreist seien und damit Marktentwicklungen lediglich nachzeichnen. Somit lasse sich aus den bisherigen Ratingverschlechterungen über­wiegend keine Risikoerhöhung im Vergleich zu den bereits vorliegenden Fundamen­talwerten ableiten.

 

23.4.2 Laufzeitverlängerungen


Das Finanzministerium führt aus, dass nach den bei der EU-Kommission im Dezem­ber 2008 notifizierten Unterlagen, die der Genehmigung der Stabilisierungsmaßnah­men des Freistaates als Rettungsbeihilfe zugrunde lagen, das abgeschirmte Wert­papierportfolio bis Ende 2014 auf knapp 5 Mrd. € hätte abgeschmolzen sein sollen. Ein vollständiger Abbau des Portfolios bis zu diesem Zeitpunkt sei demnach bei Unterzeichnung der Garantieverträge nicht anzunehmen gewesen. Auch ein Verkauf der zu diesem Zeitpunkt noch im Bestand der BayernLB verbleibenden Papiere stehe keineswegs bereits fest, sondern müsse auf Grundlage der Ende 2014 herrschenden Rahmenbedingungen beurteilt werden.

Zudem sei zu berücksichtigen, dass mit der Verlängerung der Laufzeiten der abge­schirmten Wertpapiere im Vergleich zum Stand Dezember 2008 keine erhöhte Ga­rantieinanspruchnahme und damit kein zusätzliches Risiko für den Staatshaushalt einhergehe. Die Verlustprognosen würden den zu erwartenden Gesamtverlust ermit­teln, unabhängig von seinem zeitlichen Auftreten. Folglich bedeute die Verlängerung der Laufzeiten der abgeschirmten Wertpapiere nicht, dass sich die Inanspruchnahme des Freistaates insgesamt erhöhe, sondern dass die den Selbstbehalt der BayernLB übersteigenden Gesamtverluste vom Freistaat ggf. zu einem späteren Zeitpunkt zu ersetzen seien.

 

23.5 Abschließende Bemerkung des ORH


Nach Auffassung des ORH sind die massiven Ratingverschlechterungen im ABS-Portfolio aussagekräftige Indikatoren dafür, dass sich das Risiko einer Inanspruch­nahme aus der Garantie erhöht hat. Die von den Wirtschaftsprüfern zum 31.12.2009 ermittelte maximale Ausfallerwartung des Freistaates von 4,1 Mrd. € (nach Abzug des Selbstbehalts der Bank von 1,2 Mrd. €) stellt zwar den Stress Case dar. Aller­dings bedeutet eine aktuell um mehr als 50% niedriger geschätzte Ausfallerwartung nicht, dass die Annahmen des Stress Case für die Zukunft ausgeschlossen sind.

Die heute von der Bank angenommenen wirtschaftlichen Laufzeiten können auch dazu führen, dass sich die Inanspruchnahme aus der staatlichen Garantie über einen wesentlich längeren Zeitrahmen erstrecken und so den Staatshaushalt noch viele Jahre beeinträchtigen kann.

 


[53]ORH-Bericht 2009 TNr. 21.
[54]LT-Drucksache 16/4894.