Jahresbericht 2010

TNr. 21: Veranlagungsstellen für Personengesellschaften neu strukturieren

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Durch eine Neustrukturierung der Veranlagungsstellen für Perso­nengesellschaften könnten mindestens 40 Arbeitskräfte für die Be­triebsprüfung gewonnen werden. Dadurch könnten Steuermehrein­nahmen im zweistelligen Millionenbereich erzielt werden.

Der ORH hat in den vergangenen Jahren bereits mehrfach angemahnt, dass die Steuerverwaltung ihre personellen Ressourcen gezielter einsetzen muss.[51] Der ORH hat nunmehr in den Jahren 2008 und 2009 mit einem Staatlichen Rechnungsprüfungs­amt an fünf Finanzämtern die Organisation und den Personaleinsatz in den Veran­lagungsstellen für Personengesellschaften geprüft.

 

21.1 Ausgangslage


Für die Personengesellschaften (z. B. KG, OHG, Gesellschaft bürgerlichen Rechts) sind eigene Veranlagungsstellen zuständig. Der Gewinn dieser Gesellschaften wird dabei in einem besonderen Verfahren festgestellt und auf die Gesellschafter verteilt.

Die Arbeitseinheiten dieser Veranlagungsstellen setzen sich regelmäßig aus je einem Bearbeiter des gehobenen und einem Bearbeiter des mittleren Dienstes zusammen. Die Veranlagung von Groß-, Mittel- und Kleinbetrieben übernimmt in der Regel der gehobene Dienst. Für die Kleinstbetriebe und Einkommensteuerveranlagungen von Gesellschaftern ist - abgesehen von bestimmten Sonderfällen (z. B. GmbH & Co. KG, Auslandssachverhalte) - der mittlere Dienst zuständig.

Anfang 2010 waren in den Veranlagungsstellen für Personengesellschaften 177 Beamte des gehobenen und 174 Beamte des mittleren Dienstes eingesetzt.

 

21.2 Feststellungen des ORH


21.2.1 Personaleinsatz und Mehrergebnisse


Die Veranlagungsstellen für Personengesellschaften korrigierten 2009 in 10,7% der Feststellungsfälle und in 22,8% der Einkommensteuerfälle die Angaben in den Steu­ererklärungen. Die Einkünfte wurden dabei insgesamt um 253,9 Mio. € erhöht. Bei einem angenommenen Steuersatz von 35% ergeben sich hierdurch Mehrsteuern von 88,9 Mio. €. Die Korrekturen bei den Einkommensteuerveranlagungen führten zu weiteren Mehrsteuern von 10,6 Mio. €. Im Durchschnitt erzielte demnach ein Bear­beiter Mehrsteuern von 283.000 €. Neben der Veranlagungstätigkeit haben die Bear­beiter allerdings auch eine Reihe anderer, insbesondere verwaltungstechnischer Arbei­ten zu erledigen, die zu keinem messbaren Mehrergebnis führen.

Zum Vergleich: 2009 stellten 1.731 Betriebsprüfer Mehrsteuern von 4,5 Mrd. € fest. Jeder Betriebsprüfer erzielte durchschnittlich Mehrsteuern von 2,6 Mio. €. Mehr als 80% der Mehrsteuern stammten aus der Prüfung großer Betriebe, die in der Regel lückenlos geprüft werden. Aber auch Betriebsprüfer, die überwiegend kleinere Be­triebe zu prüfen hatten, erwirtschafteten im Durchschnitt Mehrsteuern von immerhin rd. 500.000 €.

Trotz deutlich höherer Mehrergebnisse war die Betriebsprüfung wesentlich schwä­cher besetzt als die Veranlagungsstellen für Personengesellschaften. Nach dem Personalzuteilungssoll des Landesamts für Steuern betrug der Personalfehlbestand hier 1,6%. Dagegen war die Betriebsprüfung mit 15% unterbesetzt. Anfang 2010 fehlten in der Betriebsprüfung bezogen auf das Personalzuteilungssoll 319 Prüfer.

21.2.2 Aufgabenverteilung zwischen gehobenem und mittlerem Dienst

 

Im Finanzamt München erledigen die Bearbeiter des mittleren Dienstes sämtliche Vorbehaltsveranlagungen, die Auswertung von Betriebsprüfungsberichten für Mittel- und Kleinbetriebe und die Veranlagung von Kleinstbetrieben auch in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Hier bearbeitete der mittlere Dienst 62% aller Feststellungs­fälle. In den übrigen Finanzämtern, in denen der mittlere Dienst auch für die Einkom­mensteuerveranlagung der Gesellschafter zuständig ist, betrug der Anteil im Durch­schnitt nur 30%. Nach den Feststellungen des ORH bereiteten die zusätzlichen Aufgaben den Bearbeitern des mittleren Dienstes beim Finanzamt München keine besonderen Schwierigkeiten.

21.2.3 Risikofelder im Feststellungsverfahren für Personengesellschaften

Die Verteilung der Steuerfälle in den Veranlagungsstellen für Personengesellschaf­ten zwischen gehobenem und mittlerem Dienst richtet sich primär nach der Betriebs­größenklasse. Diese stellt ein relativ grobes Raster für die Unterscheidung nach Bearbeitungsschwierigkeit und Risikogehalt dar. Der ORH hat über 400 Stichproben aus den Feststellungsfällen gezogen, in denen von der Steuererklärung abgewichen wurde, um den Risikogehalt einzelner Sachverhalte zu erkennen. Danach entfielen 39% der Mehrsteuern auf Tatbestände im Zusammenhang mit der Veräußerung von Gesellschafteranteilen (§ 16 EStG). Daneben hatten Teilwertabschreibungen, Sondervergütungen an Gesellschafter, Betriebsausgaben nach erfolgloser Beleg­anforderung und Ansparabschreibungen einen bedeutenden Anteil an den Korrek­turen.

 

21.3 Anregungen des ORH

 

21.3.1 Aufgaben auf den mittleren Dienst verlagern

Die im Finanzamt München praktizierte und bewährte Übertragung von Aufgaben vom gehobenen auf den mittleren Dienst bei den Personengesellschaften sollte auch von den übrigen Finanzämtern übernommen werden. Dadurch könnte ein deutlich höherer Anteil von Feststellungsfällen durch den mittleren Dienst erledigt werden. Durch eine entsprechende Neustrukturierung der Veranlagungsstellen außerhalb Münchens könnten nach Einschätzung des ORH mindestens 40 Stellen des geho­benen Dienstes frei werden. Die Zahl der Bearbeiter des mittleren Dienstes muss dabei nicht zwangsläufig erhöht werden. Das Risikomanagement und die fortschrei­tende IT-Unterstützung werden die Bearbeiter weiter ent­lasten.

21.3.2 Steuerfälle durch besseres Risikomanagement zielgenauer zuteilen

Ziel muss auch sein, dass der gehobene Dienst seine Tätigkeiten stärker als bisher auf die schwierigen und risikoreichen Fälle konzentriert, um hier eine hohe Qualität zu erreichen. In diesen Prozess sollten auch die Feststellungen des ORH zu den Risikofeldern bei den Personengesellschaften einbezogen werden. Für Veranla­gungszeiträume bzw. Wirtschaftsjahre ab 2011 müssen Feststellungserklärungen und Bilanzen elektronisch übermittelt werden.[52] Mit Hilfe einer IT-gestützten Aus­wertung sollten eine differenziertere Risikobewertung und eine zielgenauere Zutei­lung der Steuerfälle möglich sein.

21.3.3 Betriebsprüfung durch die frei werdenden Kapazitäten verstärken

Die so freigesetzten Personalkapazitäten könnten den stark unterbesetzten Prüfungs­diensten, insbesondere der Betriebsprüfung, zugeführt werden. Wegen des Grund­satzes der gleichmäßigen Besteuerung und zur Sicherung des Steueraufkommens sollte deren Prüfungstätigkeit verstärkt werden.

21.4 Stellungnahme des Finanzministeriums

Das Finanzministerium beabsichtigt zwar, die Empfehlungen für eine Aufgabenver­lagerung auf den mittleren Dienst aufzugreifen, will aber vorerst an der gegenwärtigen Aufbauorganisation festhalten. Derzeit seien verschiedene Projekte zum Risikoma­nagement in der Entwicklung, deren personelle Auswirkungen frühestens 2015 abseh­bar seien. Erst daraus gewonnene Erkenntnisse würden eine zuverlässige Festlegung der günstigsten Organisationsstrukturen für die Veranlagung betrieblicher Einheiten ermöglichen. Derzeit würden Personalkapazitäten des mittleren Dienstes fehlen, die eine kurzfristige Umschichtung des gehobenen Dienstes in die Betriebsprüfung aus­gleichen könnten. Die zeitgerechte Bearbeitung der Steuererklärungen habe Priorität. Die vorhandenen Arbeitskräfte müssten daher vordringlich im Innendienst eingesetzt werden.

 

21.5 Schlussbemerkung des ORH


Die Finanzverwaltung muss ihre Personalressourcen so effizient wie möglich auf die Bereiche konzentrieren, in denen höhere Steuerausfälle drohen. Dazu gehört, das Personal dem Risikogehalt entsprechend einzusetzen.

Die Veranlagungsstellen für Personengesellschaften müssen zügig umstrukturiert werden. Das Risikomanagement und der IT-Einsatz müssen weiter verbessert werden. Dadurch wäre eine Umorganisation auch ohne zusätzliche Arbeitskräfte des mittleren Dienstes möglich. Die zeitgerechte Bearbeitung der Steuererklärungen würde nicht beeinträchtigt.

Dringend benötigte Personalkapazitäten des gehobenen Dienstes könnten für die Betriebsprüfung gewonnen und Mehrsteuern im zweistelligen Millionenbereich erzielt werden.

 


[51] Zuletzt im ORH-Bericht 2009 TNr. 26 zu den Körperschaftsteuerstellen und LT-Drucksache 16/4894.
[52]Steuerbürokratieabbaugesetz vom 20.12.2008.