Jahresbericht 2010

TNr. 31: Mängel in der Kosten- und Leistungsrechnung der Universitätsklinika

Stethoskop auf Euroscheinen, © MP2/Fotolia.de

Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden nach landesein­heitlichen Fallpauschalen vergütet. Die Prüfung bei drei Fachbe­reichen hat ergeben, dass es nur teilweise Kostenträgerrechnun­gen gibt. Dort wurde deutlich, dass die erzielten Erlöse aus der Krankenversorgung vielfach nicht kostendeckend waren.Um die Wirtschaftlichkeit und das Leistungsspektrum der Kliniken verbessern zu können, hält der ORH eine patientenorientierte Kos­tenträgerrechnung bzw. als Zwischenschritt eine Datenerhebung auf Basis der aktuellen Entgelt-Systematik für erforderlich.

Kurzfassung
Umsetzung des Prüfungsergebnisses ORH icon abgeschlossen

Der ORH hat auf Basis der Zahlen des Jahres 2007 in einer Querschnittsprüfung untersucht, inwieweit einzelne Fachrichtungen der Universitätsklinika ihre Kosten durch erzielte Einnahmen decken konnten. In die Prüfung wurden die Hautklinik, Hals-Nasen-Ohrenklinik (HNO) und Neurochirurgische Klinik einbezogen, da diese bei allen fünf Universitätsklinika vorhanden sind.

31.1 Ausgangslage


Die Universitätsklinika erzielen ihre Einnahmen - neben staatlichen Zuschüssen für Forschung und Lehre sowie sonstige Trägeraufgaben (vgl. TNr. 30) - hauptsächlich aus Erlösen aus der stationären und ambulanten Krankenversorgung. Die Erlöse aus der stationären Krankenversorgung werden seit einigen Jahren im Wesentlichen von landeseinheitlichen leistungsbezogenen Fallpauschalen (DRG - Diagnosis Re­lated Groups) bestimmt. Alle Krankenhäuser erhalten für gleichartige Leistungen so­mit gleiche Vergütungen. Dadurch sind die Kliniken einerseits gefordert, ihr Leistungs­portfolio und die Kosten entsprechend zu steuern, andererseits bietet sich aber auch ein Vergleichsmaßstab für die Kliniken untereinander.

Vollständige Deckungsbeitragsrechnungen waren nicht möglich, da in wesentlichen Teilbereichen (Interne Leistungsverrechnung - ILV -, Gemeinkostenumlagen) keine vergleichbare Datenbasis vorlag. Kosten und Leistungen waren zum Teil nur im Buchungskreis für das Gesamtklinikum erfasst, nicht jedoch den Kostenstellen ein­zelner Fachkliniken zugeordnet. Ein aussagefähiger Vergleich der einzelnen Fachdis­ziplinen der jeweiligen Universitätsklinika war damit nicht möglich.

 

31.2 Feststellungen des ORH

 

31.2.1 Deckungsbeiträge

Aussagen über die Deckungsbeiträge einzelner Leistungen ließen sich zuverlässig nur treffen, soweit die Kliniken über eine patientenorientierte Kostenträgerrechnung verfügten. Dies war in dem der Prüfung zugrunde liegenden Jahr nur beim Klinikum der Universität München (KUM) der Fall. Bei den örtlichen Erhebungen zeigte sich allerdings, dass die Klinikvorstände lediglich über ihr Budget informiert wurden, nicht aber darüber, ob die jeweils erbrachte Leistung für sie kostendeckend oder mit einem Fehlbetrag verbunden war. Dieses Informationsdefizit sei nach Aussage des Wissen­schaftsministeriums mittlerweile abgestellt worden.

 

31.2.1.1 Hautklinik der KUM


Das KUM erzielte ausschließlich Erlöse aus dem Betrieb der Ambulanz, da die statio­näre Krankenversorgung bei der Städtischen Klinikum München GmbH liegt. Bereits die direkt zuordenbaren Personal- und Sachkosten - ohne Berücksichtigung der ILV und Gemeinkosten - in Höhe von 6,6 Mio. € überstiegen die Erlöse aus der ambu­lanten Krankenversorgung von 4,5 Mio. € deutlich. Bei einer vollständigen Kostenum­lage wäre die Differenz noch erheblich größer. Die Hautklinik des KUM hatte keine Refinanzierungsmöglichkeit der großen dermatologischen Ambulanz aus dem statio­nären Bereich. Die Kostenverrechnung zwischen den beiden Parteien erfolgt im We­sentlichen noch auf der Grundlage des Kooperationsvertrags vom 21.05.1929. Seit Vertragsabschluss wurde in 2006 lediglich erreicht, dass das Städtische Klinikum München für Laborleistungen des KUM, die für den stationären (städtischen) Bereich erbracht wurden, einen jährlichen Kostenersatz von 270.550 € leistet. Um zu einem verursachungsgerechten Kostenausgleich zu kommen, hält es der ORH für dringend erforderlich, dass die Vertragsparteien eine umfassende interne Erfassung aller per­sonellen und sachlichen Leistungen einführen. Auf dieser Basis sind dann die Ver­tragsbeziehungen neu zu regeln.

Das Wissenschaftsministerium hat Neuverhandlungen mit dem Städtischen Klinikum München für Ende 2010 angekündigt. Dabei soll die vom ORH geforderte detaillier­tere Verrechnung der erbrachten Leistungen für das Städtische Klinikum München umgesetzt werden.

31.2.1.2 HNO der KUM

Die Erlöse aus der ambulanten und stationären Krankenversorgung in Höhe von 13,5 Mio. € überstiegen die direkt zuordenbaren Personal- und Sachkosten von 10,8 Mio. €. Bei einer Betrachtung der 10 häufigsten DRG ergibt sich allerdings ein differenzierteres Bild: Deren Deckungsbeiträge bewegten sich in einer Bandbreite von 56,3 bis 109%, der Durchschnitt lag bei 91,4%. Der volle Deckungsbeitrag (100 bzw. 109%) wurde nur bei 2 DRG erreicht. Die häufigste DRG mit 697 von insge­samt 4.752 Fällen in 2007 erreichte lediglich einen Deckungsgrad von 95,4%. Bei den beiden DRG, die einen positiven Deckungsbeitrag erreichten, handelte es sich um komplexere Eingriffe. Kleinere Eingriffe im HNO-Bereich waren durchwegs nicht kostendeckend.

31.2.1.3 Neurochirurgie der KUM

Auch bei der Neurochirurgie übertrafen die Erlöse aus der ambulanten und stationä­ren Krankenversorgung in Höhe von 16,6 Mio. € die direkt zuordenbaren Personal- und Sachkosten von 12,3 Mio. €. Allerdings ergibt sich bei der Betrachtung der De­ckungsbeiträge der 10 häufigsten DRG ein ähnliches Bild wie im Bereich der HNO: Sie erreichten einen durchschnittlichen Deckungsgrad von 96,3%. Der niedrigste Wert lag bei 70,8% und der höchste Wert bei 113,7%, wobei lediglich 3 DRG 100% erreicht bzw. überschritten haben. Bei der häufigsten DRG mit 358 von insgesamt 2.537 Fällen betrug der Deckungsgrad immerhin 106%; andererseits waren aber 60% der 10 häufigsten DRG nicht kostendeckend.

 

31.2.2 Interne Leistungsverrechnung/Gemeinkosten


Die beispielhafte Berechnung der Deckungsbeiträge zeigt deutlich: Zur Steuerung der Wirtschaftlichkeit eines Klinikums ist es nicht ausreichend, lediglich die den ein­zelnen Kliniken direkt zuordenbaren Kosten zu erfassen. Dies ergibt ein völlig ver­zerrtes Bild. Nur bei einer vollständigen Umlage ist erkennbar, ob eine Leistung auch kostendeckend erbracht wurde, d. h. ob die Vergütung mit der einheitlichen Fallpau­schale im Einzelfall ausgereicht hat.

Dazu ist eine detaillierte Verrechnung der Internen Leistungen und Umlage der Ge­meinkosten im Rahmen einer Kostenträgerrechnung unabdingbar. Diese Steuerungs­möglichkeit nutzte im Prüfungszeitraum nur ein Klinikum, das KUM. Mittlerweile sind allerdings auch die Klinika Erlangen und Würzburg dabei, eine Kostenträgerrechnung aufzubauen.

Bei der ILV wurden hauptsächlich die Kosten für Röntgen-, Labor- und Anästhesie­leistungen sowie Funktions- und Diagnostikleistungen auf die Fachabteilungen um­gelegt. Während eine Klinik aber z. B. nur die Röntgen- und Laborleistungen belas­tete, erfolgte bei einer anderen Klinik hingegen eine Verrechnung bis hin zu den Kosten für die Speise- und Textilversorgung sowie die IT-Leistungen.

Bei den Gemeinkosten, d. h. Kosten, die nicht direkt einer Leistung bzw. einer Fach­richtung zuordenbar sind, war die Spanne ebenfalls sehr weit. In einem Fall wurden Kosten der Bereiche Grundstücke und Gebäude, Wirtschafts- und Versorgungsdienst, Kaufmännische Direktion und Verwaltung usw. nach festgelegten Parametern den Kostenstellen (Kliniken, Abteilungen und sonstige klinische Einrichtungen) zugeord­net. In einem anderen Fall wurden lediglich pauschal 3,68% der Personalkosten für den Pflege- und Funktionsdienst (z. B. Personal im Operationssaal) der jeweiligen Fach­richtungen als Gemeinkosten umgelegt.

Auf diese Weise ist weder eine verlässliche Kalkulation noch ein Vergleich der ein­zelnen Kliniken untereinander möglich. Hier besteht aus Sicht des ORH dringender Handlungsbedarf. Ziel sollte daher in allen Kliniken die Einführung einer patienten­orientierten Kostenträgerrechnung sein, auch wenn dies einen gewissen Umstellungs­aufwand erfordert.

Ein möglicher und auch kurzfristig umsetzbarer Zwischenschritt wäre eine Kosten­erhebung auf Basis der InEK-Kalkulationsmatrix. Das InEK - Institut für das Entgelt­system im Krankenhaus - erhebt von einer Vielzahl von Referenzkrankenhäusern in Deutschland mit einer einheitlich nach Kostenstellen und Kostenarten aufgeteilten Matrix, der sog. InEK-Matrix, Kostendaten. In diesen Daten sind - wenn auch in pau­schalierter Form - die internen Leistungsverrechnungen und Gemeinkosten enthalten. Das InEK ermittelt diese Daten deutschlandweit und errechnet daraus die Vergütungs­höhe für die Fallpauschalen.

Das KUM war bereits im Prüfungszeitraum InEK-Kalkulationskrankenhaus. Erlangen nimmt seit 2009 am InEK-System teil und Würzburg plant eine Teilnahme ab 2012. Wenn auch Regensburg und das Klinikum rechts der Isar (MRI) ihre Kostendaten zumindest auf Basis der InEK-Systematik erheben würden, wäre ein erster konkreter Vergleich der Kliniken möglich. Zudem könnten die Kliniken dann eine relativ zuver­lässige Nachkalkulation ihrer Leis­tungen durchführen und damit auch Erkenntnisse über die Kosten-/Erlösrelation ein­zelner Leistungen erlangen.

 

31.3 Stellungnahme des Wissenschaftsministeriums


Das Wissenschaftsministerium stimmt grundsätzlich den Ausführungen und dem Tenor zu.

Ergänzend zu den bereits o. g. Aspekten bei den einzelnen Fachrichtungen weist das Wissenschaftsministerium generell darauf hin, dass ein Leistungsvergleich nur begrenzt aussagefähig sei. Die Fächer wiesen örtlich unterschiedliche Patientenpo­pulationen auf. Hinzu kämen die bekannten strukturellen Unterschiede in der Füh­rungs- und Haushaltssystematik der bayerischen Universitätsklinika.

Einheitliche Datenbasen seien nicht zu realisieren. Jeder Vorstand habe seine inter­nen Steuerungselemente so einzurichten, wie es die besonderen Bedingungen sei­nes Klinikums und die jeweilige Führungsphilosophie erfordern. Mit der rechtlichen Verselbstständigung seien solche Unterschiede in der Führungssystematik auch po­litisch bewusst in Kauf genommen worden.

Einer deckungsbeitragsorientierten Gestaltung des medizinischen Leistungsportfolios könne insofern zugestimmt werden, als damit Verbesserungen möglich seien. Die DRG-Erlöse seien in der Tat der relevanteste Benchmark.

 

31.4 Schlussbemerkungen des ORH


Mittlerweile wurden Fortschritte erzielt. Der ORH hält es jedoch weiterhin für wichtig, einheitliche Datenbasen zu schaffen und Kosten vollständig umzulegen. Nur so las­sen sich die Fächer vergleichen und Defizite beheben. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund landesweit einheitlicher Leistungsvergütungen sinnvoll, da sich da­mit gute Vergleichsmaßstäbe zur Steuerung der Kosten und ggf. auch des Leistungs­portfolios ergeben. Trotz der vom Wissenschaftsministerium betonten Selbstverwal­tung der Klinika sollte es allerdings seine Steuerungsaufgaben und -möglichkeiten über die Aufsichtsräte aktiv wahrnehmen, um die Universitätsklinika sowohl wirtschaft­lich zu führen, als auch im Wettbewerb mit den privaten Klinikkonzernen optimal zu positionieren.

Zur (Nach-)Kalkulation der jeweils nach DRG vergüteten Leistungen sollte bei allen Universitätsklinika die patientenorientierte Kostenträgerrechnung eingeführt werden. Wie das Beispiel des KUM zeigt, ergab sich aufgrund dieses Steuerungssystems, dass eine Vielzahl an Behandlungsfällen nicht kostendeckend war. Nachdem inzwi­schen neben dem KUM auch Erlangen und in Kürze Würzburg zum Kreis der Kalku­lationshäuser des InEK-Instituts gehören, könnte die einheitliche Datenerhebung nach der InEK-Systematik ein erster Zwischenschritt hin zu einer vollständigen Kostenträ­gerrechnung sein. Daher sollten auch die Universitätsklinika Regensburg und MRI kurzfristig die Datenerhebung nach der InEK-Systematik einführen.

Hinsichtlich der Hautklinik des KUM erwartet der ORH, dass in den für Ende 2010 an­gekündigten Verhandlungen mit dem Städtischen Klinikum München ein leistungs­gerechter Erlös-/Kosten-Ausgleich zwischen stationärer und ambulanter Ver­sorgung erreicht wird.