TNr. 31: Mängel in der Kosten- und Leistungsrechnung der Universitätsklinika

Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden nach landeseinheitlichen Fallpauschalen vergütet. Die Prüfung bei drei Fachbereichen hat ergeben, dass es nur teilweise Kostenträgerrechnungen gibt. Dort wurde deutlich, dass die erzielten Erlöse aus der Krankenversorgung vielfach nicht kostendeckend waren.Um die Wirtschaftlichkeit und das Leistungsspektrum der Kliniken verbessern zu können, hält der ORH eine patientenorientierte Kostenträgerrechnung bzw. als Zwischenschritt eine Datenerhebung auf Basis der aktuellen Entgelt-Systematik für erforderlich.
Der ORH hat auf Basis der Zahlen des Jahres 2007 in einer Querschnittsprüfung untersucht, inwieweit einzelne Fachrichtungen der Universitätsklinika ihre Kosten durch erzielte Einnahmen decken konnten. In die Prüfung wurden die Hautklinik, Hals-Nasen-Ohrenklinik (HNO) und Neurochirurgische Klinik einbezogen, da diese bei allen fünf Universitätsklinika vorhanden sind.
31.1 Ausgangslage
Die Universitätsklinika erzielen ihre Einnahmen - neben staatlichen Zuschüssen für Forschung und Lehre sowie sonstige Trägeraufgaben (vgl. TNr. 30) - hauptsächlich aus Erlösen aus der stationären und ambulanten Krankenversorgung. Die Erlöse aus der stationären Krankenversorgung werden seit einigen Jahren im Wesentlichen von landeseinheitlichen leistungsbezogenen Fallpauschalen (DRG - Diagnosis Related Groups) bestimmt. Alle Krankenhäuser erhalten für gleichartige Leistungen somit gleiche Vergütungen. Dadurch sind die Kliniken einerseits gefordert, ihr Leistungsportfolio und die Kosten entsprechend zu steuern, andererseits bietet sich aber auch ein Vergleichsmaßstab für die Kliniken untereinander.
Vollständige Deckungsbeitragsrechnungen waren nicht möglich, da in wesentlichen Teilbereichen (Interne Leistungsverrechnung - ILV -, Gemeinkostenumlagen) keine vergleichbare Datenbasis vorlag. Kosten und Leistungen waren zum Teil nur im Buchungskreis für das Gesamtklinikum erfasst, nicht jedoch den Kostenstellen einzelner Fachkliniken zugeordnet. Ein aussagefähiger Vergleich der einzelnen Fachdisziplinen der jeweiligen Universitätsklinika war damit nicht möglich.
31.2 Feststellungen des ORH
31.2.1 Deckungsbeiträge
Aussagen über die Deckungsbeiträge einzelner Leistungen ließen sich zuverlässig nur treffen, soweit die Kliniken über eine patientenorientierte Kostenträgerrechnung verfügten. Dies war in dem der Prüfung zugrunde liegenden Jahr nur beim Klinikum der Universität München (KUM) der Fall. Bei den örtlichen Erhebungen zeigte sich allerdings, dass die Klinikvorstände lediglich über ihr Budget informiert wurden, nicht aber darüber, ob die jeweils erbrachte Leistung für sie kostendeckend oder mit einem Fehlbetrag verbunden war. Dieses Informationsdefizit sei nach Aussage des Wissenschaftsministeriums mittlerweile abgestellt worden.
31.2.1.1 Hautklinik der KUM
Das KUM erzielte ausschließlich Erlöse aus dem Betrieb der Ambulanz, da die stationäre Krankenversorgung bei der Städtischen Klinikum München GmbH liegt. Bereits die direkt zuordenbaren Personal- und Sachkosten - ohne Berücksichtigung der ILV und Gemeinkosten - in Höhe von 6,6 Mio. € überstiegen die Erlöse aus der ambulanten Krankenversorgung von 4,5 Mio. € deutlich. Bei einer vollständigen Kostenumlage wäre die Differenz noch erheblich größer. Die Hautklinik des KUM hatte keine Refinanzierungsmöglichkeit der großen dermatologischen Ambulanz aus dem stationären Bereich. Die Kostenverrechnung zwischen den beiden Parteien erfolgt im Wesentlichen noch auf der Grundlage des Kooperationsvertrags vom 21.05.1929. Seit Vertragsabschluss wurde in 2006 lediglich erreicht, dass das Städtische Klinikum München für Laborleistungen des KUM, die für den stationären (städtischen) Bereich erbracht wurden, einen jährlichen Kostenersatz von 270.550 € leistet. Um zu einem verursachungsgerechten Kostenausgleich zu kommen, hält es der ORH für dringend erforderlich, dass die Vertragsparteien eine umfassende interne Erfassung aller personellen und sachlichen Leistungen einführen. Auf dieser Basis sind dann die Vertragsbeziehungen neu zu regeln.
Das Wissenschaftsministerium hat Neuverhandlungen mit dem Städtischen Klinikum München für Ende 2010 angekündigt. Dabei soll die vom ORH geforderte detailliertere Verrechnung der erbrachten Leistungen für das Städtische Klinikum München umgesetzt werden.
31.2.1.2 HNO der KUM
Die Erlöse aus der ambulanten und stationären Krankenversorgung in Höhe von 13,5 Mio. € überstiegen die direkt zuordenbaren Personal- und Sachkosten von 10,8 Mio. €. Bei einer Betrachtung der 10 häufigsten DRG ergibt sich allerdings ein differenzierteres Bild: Deren Deckungsbeiträge bewegten sich in einer Bandbreite von 56,3 bis 109%, der Durchschnitt lag bei 91,4%. Der volle Deckungsbeitrag (100 bzw. 109%) wurde nur bei 2 DRG erreicht. Die häufigste DRG mit 697 von insgesamt 4.752 Fällen in 2007 erreichte lediglich einen Deckungsgrad von 95,4%. Bei den beiden DRG, die einen positiven Deckungsbeitrag erreichten, handelte es sich um komplexere Eingriffe. Kleinere Eingriffe im HNO-Bereich waren durchwegs nicht kostendeckend.
31.2.1.3 Neurochirurgie der KUM
Auch bei der Neurochirurgie übertrafen die Erlöse aus der ambulanten und stationären Krankenversorgung in Höhe von 16,6 Mio. € die direkt zuordenbaren Personal- und Sachkosten von 12,3 Mio. €. Allerdings ergibt sich bei der Betrachtung der Deckungsbeiträge der 10 häufigsten DRG ein ähnliches Bild wie im Bereich der HNO: Sie erreichten einen durchschnittlichen Deckungsgrad von 96,3%. Der niedrigste Wert lag bei 70,8% und der höchste Wert bei 113,7%, wobei lediglich 3 DRG 100% erreicht bzw. überschritten haben. Bei der häufigsten DRG mit 358 von insgesamt 2.537 Fällen betrug der Deckungsgrad immerhin 106%; andererseits waren aber 60% der 10 häufigsten DRG nicht kostendeckend.
31.2.2 Interne Leistungsverrechnung/Gemeinkosten
Die beispielhafte Berechnung der Deckungsbeiträge zeigt deutlich: Zur Steuerung der Wirtschaftlichkeit eines Klinikums ist es nicht ausreichend, lediglich die den einzelnen Kliniken direkt zuordenbaren Kosten zu erfassen. Dies ergibt ein völlig verzerrtes Bild. Nur bei einer vollständigen Umlage ist erkennbar, ob eine Leistung auch kostendeckend erbracht wurde, d. h. ob die Vergütung mit der einheitlichen Fallpauschale im Einzelfall ausgereicht hat.
Dazu ist eine detaillierte Verrechnung der Internen Leistungen und Umlage der Gemeinkosten im Rahmen einer Kostenträgerrechnung unabdingbar. Diese Steuerungsmöglichkeit nutzte im Prüfungszeitraum nur ein Klinikum, das KUM. Mittlerweile sind allerdings auch die Klinika Erlangen und Würzburg dabei, eine Kostenträgerrechnung aufzubauen.
Bei der ILV wurden hauptsächlich die Kosten für Röntgen-, Labor- und Anästhesieleistungen sowie Funktions- und Diagnostikleistungen auf die Fachabteilungen umgelegt. Während eine Klinik aber z. B. nur die Röntgen- und Laborleistungen belastete, erfolgte bei einer anderen Klinik hingegen eine Verrechnung bis hin zu den Kosten für die Speise- und Textilversorgung sowie die IT-Leistungen.
Bei den Gemeinkosten, d. h. Kosten, die nicht direkt einer Leistung bzw. einer Fachrichtung zuordenbar sind, war die Spanne ebenfalls sehr weit. In einem Fall wurden Kosten der Bereiche Grundstücke und Gebäude, Wirtschafts- und Versorgungsdienst, Kaufmännische Direktion und Verwaltung usw. nach festgelegten Parametern den Kostenstellen (Kliniken, Abteilungen und sonstige klinische Einrichtungen) zugeordnet. In einem anderen Fall wurden lediglich pauschal 3,68% der Personalkosten für den Pflege- und Funktionsdienst (z. B. Personal im Operationssaal) der jeweiligen Fachrichtungen als Gemeinkosten umgelegt.
Auf diese Weise ist weder eine verlässliche Kalkulation noch ein Vergleich der einzelnen Kliniken untereinander möglich. Hier besteht aus Sicht des ORH dringender Handlungsbedarf. Ziel sollte daher in allen Kliniken die Einführung einer patientenorientierten Kostenträgerrechnung sein, auch wenn dies einen gewissen Umstellungsaufwand erfordert.
Ein möglicher und auch kurzfristig umsetzbarer Zwischenschritt wäre eine Kostenerhebung auf Basis der InEK-Kalkulationsmatrix. Das InEK - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus - erhebt von einer Vielzahl von Referenzkrankenhäusern in Deutschland mit einer einheitlich nach Kostenstellen und Kostenarten aufgeteilten Matrix, der sog. InEK-Matrix, Kostendaten. In diesen Daten sind - wenn auch in pauschalierter Form - die internen Leistungsverrechnungen und Gemeinkosten enthalten. Das InEK ermittelt diese Daten deutschlandweit und errechnet daraus die Vergütungshöhe für die Fallpauschalen.
Das KUM war bereits im Prüfungszeitraum InEK-Kalkulationskrankenhaus. Erlangen nimmt seit 2009 am InEK-System teil und Würzburg plant eine Teilnahme ab 2012. Wenn auch Regensburg und das Klinikum rechts der Isar (MRI) ihre Kostendaten zumindest auf Basis der InEK-Systematik erheben würden, wäre ein erster konkreter Vergleich der Kliniken möglich. Zudem könnten die Kliniken dann eine relativ zuverlässige Nachkalkulation ihrer Leistungen durchführen und damit auch Erkenntnisse über die Kosten-/Erlösrelation einzelner Leistungen erlangen.
31.3 Stellungnahme des Wissenschaftsministeriums
Das Wissenschaftsministerium stimmt grundsätzlich den Ausführungen und dem Tenor zu.
Ergänzend zu den bereits o. g. Aspekten bei den einzelnen Fachrichtungen weist das Wissenschaftsministerium generell darauf hin, dass ein Leistungsvergleich nur begrenzt aussagefähig sei. Die Fächer wiesen örtlich unterschiedliche Patientenpopulationen auf. Hinzu kämen die bekannten strukturellen Unterschiede in der Führungs- und Haushaltssystematik der bayerischen Universitätsklinika.
Einheitliche Datenbasen seien nicht zu realisieren. Jeder Vorstand habe seine internen Steuerungselemente so einzurichten, wie es die besonderen Bedingungen seines Klinikums und die jeweilige Führungsphilosophie erfordern. Mit der rechtlichen Verselbstständigung seien solche Unterschiede in der Führungssystematik auch politisch bewusst in Kauf genommen worden.
Einer deckungsbeitragsorientierten Gestaltung des medizinischen Leistungsportfolios könne insofern zugestimmt werden, als damit Verbesserungen möglich seien. Die DRG-Erlöse seien in der Tat der relevanteste Benchmark.
31.4 Schlussbemerkungen des ORH
Mittlerweile wurden Fortschritte erzielt. Der ORH hält es jedoch weiterhin für wichtig, einheitliche Datenbasen zu schaffen und Kosten vollständig umzulegen. Nur so lassen sich die Fächer vergleichen und Defizite beheben. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund landesweit einheitlicher Leistungsvergütungen sinnvoll, da sich damit gute Vergleichsmaßstäbe zur Steuerung der Kosten und ggf. auch des Leistungsportfolios ergeben. Trotz der vom Wissenschaftsministerium betonten Selbstverwaltung der Klinika sollte es allerdings seine Steuerungsaufgaben und -möglichkeiten über die Aufsichtsräte aktiv wahrnehmen, um die Universitätsklinika sowohl wirtschaftlich zu führen, als auch im Wettbewerb mit den privaten Klinikkonzernen optimal zu positionieren.
Zur (Nach-)Kalkulation der jeweils nach DRG vergüteten Leistungen sollte bei allen Universitätsklinika die patientenorientierte Kostenträgerrechnung eingeführt werden. Wie das Beispiel des KUM zeigt, ergab sich aufgrund dieses Steuerungssystems, dass eine Vielzahl an Behandlungsfällen nicht kostendeckend war. Nachdem inzwischen neben dem KUM auch Erlangen und in Kürze Würzburg zum Kreis der Kalkulationshäuser des InEK-Instituts gehören, könnte die einheitliche Datenerhebung nach der InEK-Systematik ein erster Zwischenschritt hin zu einer vollständigen Kostenträgerrechnung sein. Daher sollten auch die Universitätsklinika Regensburg und MRI kurzfristig die Datenerhebung nach der InEK-Systematik einführen.
Hinsichtlich der Hautklinik des KUM erwartet der ORH, dass in den für Ende 2010 angekündigten Verhandlungen mit dem Städtischen Klinikum München ein leistungsgerechter Erlös-/Kosten-Ausgleich zwischen stationärer und ambulanter Versorgung erreicht wird.