TNr. 24: Bayerisches Technologieförderungs-Programm

Das Wirtschaftsministerium sollte beim Vollzug des Bayerischen Technologieförderungs-Programms stärker auf das staatliche Förderinteresse achten, Mitnahmeeffekte vermeiden und Rückforderungsansprüche konsequent verfolgen.
Der ORH hat mit drei Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern im Jahr 2008 Maßnahmen im Rahmen des Bayerischen Technologieförderungs-Programms (BayTP) geprüft. Dazu wurden aus den Förderlisten desWirtschaftsministeriums (in den beiden Vorjahren geprüfte Verwendungsnachweise) insgesamt zehn Unternehmen verschiedener Branchen und Regionen ausgewählt, denen Zuschüsse von insgesamt rd. 3,2 Mio. € bewilligt wurden. Dies entspricht einem Anteil von etwa einem Drittel der Fälle und der Hälfte des Fördervolumens. Die Prüfung sollte zeigen, ob und inwieweit beim Vollzug des Förderprogramms die Kriterien der Richtlinien angewendet und die haushaltsrechtlichen Bestimmungen eingehalten wurden.
24.1 Ausgangslage
Zur Förderung von einzelbetrieblichen Vorhaben mittelständischer Unternehmen, die der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien in Produkten und in der Produktion dienen, gewährt der Staat Zuschüsse im Rahmen des BayTP. Das Programm ist im Haushalt 2010 mit 3,2 Mio. € und zusätzlich mit einer Verpflichtungsermächtigung von 2,7 Mio. € dotiert.
Die Förderung soll dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhalten, Wachstum und Beschäftigung zu sichern und die moderne Wirtschaftsstruktur in Bayern fortzuentwickeln. Dabei dürfen Zuwendungen nur gewährt werden, wenn der Staat an dem geförderten Zweck ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann (Art. 44, 23 BayHO). Bei dem geprüften Programm ist die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens ein wesentliches Kriterium.
24.2 Prüfungsfeststellungen
24.2.1 Mittelfristiger Erfolg am Markt
Das Vorhaben muss im Hinblick auf die Marktgegebenheiten zumindest mittelfristig wirtschaftlich Erfolg versprechend sein.
Zwei der geprüften Unternehmen sind im Bereich Biotechnik tätig. Sie analysieren Wirkungszusammenhänge und entwickeln Medikamente. Der ORH hat festgestellt, dass es sich bei beiden geförderten Vorhaben um längerfristig (d. h. auf jeweils mehr als zehn Jahre) ausgerichtete Entwicklungen handelt, deren Realisierungschancen und damit auch wirtschaftlichen Erfolgsaussichten schwer kalkulierbar sind.
Nach Auffassung des ORH handelt es sich bei den geförderten Vorhaben im Bereich Biotechnik um marktferne Entwicklungen. Sie lassen zumindest mittelfristig keinen wirtschaftlichen Erfolg erwarten. Die Vorhaben entsprechen damit nicht den Programmkriterien des BayTP. Für die Bio- und Gentechnik stehen spezifische Förderinstrumente zur Verfügung, wie z. B. Venture Capital und Zuschüsse zur Förderung der Biotechnologie (Kap. 07 03 Tit. 686 64).
24.2.2 Bayern-Effekt
Das Vorhaben muss in Bayern durchgeführt und im Wesentlichen hier auch umgesetzt werden (Bayern-Effekt).
Ob die Entwicklungsergebnisse (z. B. Patente und Lizenzen) in Bayern verwertet und damit die vom Staat gesetzten Ziele erreicht werden, wird vom Wirtschaftsministerium bisher in einem Zeitraum von drei Jahren beobachtet. Danach kann das geförderte Unternehmen über die Ergebnisse frei verfügen.
Im Rahmen dieser Prüfung hat der ORH angeregt, einen längeren Zeitraum festzulegen, weil schon das Patentverfahren mehr Zeit beanspruchen kann.
Das Wirtschaftsministerium ist bereit, diese Anregung aufzugreifen und bei der Förderung von Vorhaben des Bio- und Gentechnik-Bereiches im Rahmen des BayTP den Zeitraum auf fünf Jahre zu verlängern. Sollte während dieses Zeitraums eine Verwertung außerhalb Bayerns stattfinden, so wäre dies ein Auflagenverstoß, der zu einem Widerruf des Zuwendungsbescheides führen kann.
Unabhängig davon, dass das Vorhaben des Bio- und Gentechnik-Bereiches nicht im Rahmen des BayTP gefördert werden kann, ist der ORH der Auffassung, dass der Zeitraum generell auf fünf Jahre erhöht werden sollte.
24.2.3 Subsidiarität
Zuwendungen dürfen nach Haushaltsrecht nur gewährt werden, wenn sie zur Erreichung des staatlichen Förderziels erforderlich sind. Gerade bei mittelständischen Programmen soll ein Ausgleich für die verminderte finanzielle Leistungsfähigkeit geboten werden.
Bei zwei Unternehmen hat die LfA Förderbank Bayern in ihrer Stellungnahme auf die gute wirtschaftliche Situation hingewiesen. Einem davon bewilligte das Wirtschaftsministerium einen Zuschuss von 220.000 €, obwohl es einen Jahresüberschuss von rd. 13 Mio. € und einen Cashflow von rd. 19,3 Mio. € auswies. Bei derart gut situierten Firmen muss auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips geachtet werden. Es fehlte aber jede Aussage dazu, ob die Unternehmen ihre Vorhaben auch aus eigener Kraft finanzieren könnten.
Nach Auffassung des ORH muss sich die LfA hierzu künftig eindeutig äußern.
Den Aussagen zur Subsidiarität stimmt das Wirtschaftsministerium grundsätzlich zu; wegen anderer Forschungs- und Entwicklungsvorhaben und Investitionsmaßnahmen hätten den geprüften Unternehmen für Entwicklungsvorhaben aber nur begrenzt liquide Mittel zur Verfügung gestanden. Das Ministerium habe aufgrund der Prüfungsmitteilungen des ORH mit der LfA vereinbart, in ihren Gutachten zukünftig auch die Möglichkeiten des Unternehmens zur Eigenfinanzierung des Vorhabens darzustellen. Die Gesamtsituation des Unternehmens werde nach den Bestimmungen des europäischen Beihilferechts wie auch des bayerischen Haushaltsrechts geprüft und gewürdigt. Daneben sei aber auch die Erreichung des eigentlichen Förderzwecks, nämlich die Entwicklung und beschleunigte Einführung und Verbreitung moderner Technologien, zu beachten.
Der ORH sieht grundsätzlich keinen Gegensatz zwischen den technologieorientierten Förderzielen und dem Aspekt der Subsidiarität bei der Gewährung staatlicher Zuwendungen. Auch nach den europäischen Beihilfebestimmungen muss die Beihilfe notwendig sein, um einen Anreizeffekt zu erzielen. Das Eigeninteresse und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Zuwendungsempfängers müssen daher in jedem Fall berücksichtigt werden. Andernfalls werden lediglich Mitnahmeeffekte, aber kein zusätzlicher Erfolg erzielt.[55] Das Ministerium hat diese Aspekte durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.
24.2.4 Projektstunden-Aufzeichnungen
Laut Zuwendungsbescheid sind die geförderten Unternehmen verpflichtet, die beim Projekt angefallenen Personalkosten durch tägliche Stundenaufzeichnungen nachzuweisen. Dabei sind auch Urlaubs- und Krankheitstage der Projektmitarbeiter zu erfassen. Personalkosten sind bei Entwicklungsvorhaben die weitaus bedeutendste Kostenart.
In einem Fall stellte der ORH bei einem Abgleich der Stundenaufschreibungen mit den im Zeiterfassungssystem der Firma festgehaltenen Urlaubs-, Zeitausgleichs- und Krankheitstagen diverse Ungereimtheiten fest. Mehr als 1.000 Projektstunden entfielen auf Abwesenheitszeiten beteiligter Mitarbeiter. Eine schlüssige Erklärung konnte auch die Leitung des Unternehmens nicht liefern.
Über die möglichen Folgen unzutreffender Angaben im Förderverfahren werden die Zuwendungsempfänger u. a. im Bewilligungsbescheid eingehend informiert. Aufgrund seiner möglichen strafrechtlichen Relevanz hat der ORH den Sachverhalt der zuständigen Staatsanwaltschaft angezeigt. Nachdem die Beschuldigten eine Geldauflage akzeptiert hatten, wurde das Strafverfahren schließlich eingestellt.
Erst nach wiederholter Aufforderung durch den ORH hat das Wirtschaftsministerium am 01.07.2010 schließlich einen Widerrufs- und Rückforderungsbescheid über 50% der geltend gemachten Personalkosten erlassen. Um den Fortbestand des Unternehmens nicht zu gefährden und weil der Förderzweck erreicht worden sei, verzichtete es darauf, die Bewilligung vollständig zu widerrufen.
24.3 Empfehlungen des ORH
Der ORH empfiehlt,
- bei Vorhaben aus dem Bereich der Bio- und Gentechnik nur die speziell dafür geschaffenen Förderinstrumente einzusetzen,
- die Bewilligungen konsequent auf die Fälle zu konzentrieren, die den Zielen des Programms und den haushaltsrechtlichen Voraussetzungen entsprechen,
- Mitnahmeeffekte zu vermeiden und
- Rückforderungsansprüche konsequent zu verfolgen.
So ließe sich im Programmvollzug der gerade vom Wirtschaftsministerium häufig beklagten Fördermittelknappheit begegnen.
[55] Vgl. ORH-Bericht 2006 TNr. 15.