TNr. 25: Zentrum ohne Gründer?

Bei der Förderung eines Gründerzentrums mit 1,4 Mio. € hat der ORH gravierende Mängel bei Konzeption, Abwicklung und Überwachung festgestellt. Bisher wurde nicht einmal geprüft, ob sich dort überhaupt Existenzgründer angesiedelt haben. Das Ministerium muss die Prüfung der bestimmungsgemäßen Mittelverwendung nachholen, den Finanzierungsbedarf konkret ermitteln und auf dieser Grundlage Konsequenzen ziehen.
Ein Staatliches Rechnungsprüfungsamt hat im Auftrag des ORH 2009/2010 die Förderung eines Gründerzentrums für Energie und Telekommunikation geprüft.
25.1 Ausgangslage
Ein Immobilien-Konzern vermietete in Ottobrunn ein Gebäude mit rd. 5.000 m² Nutzfläche. Auf diesen Flächen sollte ein technologieorientiertes Gründerzentrum eingerichtet werden. Damit sollte mit staatlicher Hilfe am Standort vorhandenes Know-how genutzt und erhalten werden, nachdem ein großes Technikunternehmen Unternehmensteile verlagert hatte.
Die Grundstücke und Gebäude übertrug der Immobilien-Konzern auf ein Tochterunternehmen. Dieses Besitzunternehmen vermietete die Räumlichkeiten an ein weiteres Konzernunternehmen, das Betriebsunternehmen. Dieses wiederum sollte die Gewerbeflächen an verschiedene Gründerfirmen weitervermieten und zusätzliche Service-Leistungen anbieten. Die Vermietung an die Gründerfirmen sollte zu einem gegenüber der Marktmiete reduzierten Mietpreis erfolgen.
Das Wirtschaftsministerium förderte die Maßnahme mit einem Betriebskostenzuschuss von 1,4 Mio. € für die Jahre 1999 bis 2002. Der Zuschuss sollte den Fehlbedarf des Betriebsunternehmens als Differenz zwischen dessen gesamten Kosten und den Mieteinnahmen ausgleichen.
Im Doppelhaushalt 1999/2000 wurde dafür "eine Förderung für die Einrichtung eines von der Wirtschaft getragenen energietechnologischen Gründerzentrums in Ottobrunn-Süd als ein überregional wirksames Projekt in Aussicht genommen".
Mittlerweile wird die Immobilie für allgemeines Gewerbe genutzt.
25.2 Prüfungsfeststellungen
25.2.1 Fehlende Fördervoraussetzungen
Die Finanzierung des Gründerzentrums für die Bereiche Energie und Telekommunikation sollte jungen, innovativen Unternehmern ermöglichen, Räume zu vergleichsweise günstigen Bedingungen anzumieten und zum Aufbau einer eigenen Existenz zu nutzen.
Der ORH hat festgestellt, dass über diese allgemeine Zielsetzung hinaus kein schlüssiges Konzept vorlag. Es fehlten wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg technologieorientierter Gründerzentren, wie die Anbindung an ein wissenschaftlich-unternehmerisches Umfeld und belastbare Aussagen über potenzielle Interessenten aus der Gründerszene. Darüber hinaus gab es keine inhaltlichen Abgrenzungen und Abstimmungen mit bestehenden Einrichtungen. Diese Bedenken waren dem Wirtschaftsministerium bekannt, es hat sie aber nicht aufgegriffen.
25.2.2 Fehler bei der Bemessung der Förderung
Die Zuwendung sollte den Fehlbetrag ausgleichen, den die Zuwendungsempfängerin in der Anlaufphase tragen musste.
Das Wirtschaftsministerium hat jedoch gar nicht ermittelt, wie und durch welche Leistungen (Geschäftsführung, Gebäudemanagement, fiktive Darlehenszinsen und sonstige Leistungen verbundener Unternehmen etc.) der geltend gemachte Fehlbetrag zustande gekommen ist. Es hat nicht einmal versucht, Informationen über die Belegung und die Mieteinnahmen zu erhalten, obwohl die Höhe der Förderung direkt von den Einnahmen abhing (Fehlbedarfsfinanzierung). Die Bewilligung orientierte sich stattdessen weitgehend am finanziellen Konzept der Zuwendungsempfängerin und am finanziellen Rahmen des Haushaltsplans.
25.2.3 Vernachlässigung des Förderzwecks
Um den Zuwendungszweck nachhaltig erreichen zu können, ist es erforderlich, im Bewilligungsbescheid eine Frist festzulegen, wie lange das Objekt mindestens als Gründerzentrum zu nutzen ist. Dies hat das Wirtschaftsministerium unterlassen.
Die Zuwendungsempfängerin war verpflichtet, dem Wirtschaftsministerium regelmäßig über den Projektfortschritt und über die Auslastung des Zentrums zu berichten. In der Auswahl der Existenzgründer war sie aber frei. Die Aufenthaltsdauer der Gründerfirmen war grundsätzlich auf einen Zeitraum von fünf Jahren begrenzt.
Die Zuwendungsempfängerin hat nur für das erste Förderjahr konkrete Angaben über ihre Mieter gemacht. Von den vier genannten Firmen waren zwei Ausgründungen aus dem früheren Mieter-Unternehmen. Ansonsten erfolgten eher vage Angaben zur Auslastung, nähere wurden auch nicht verlangt.
Das Wirtschaftsministerium hat auch nicht festgestellt, welche der Mieter förderfähige Gründerfirmen waren und welche sonstige gewerbliche Mieter. Auch die Einhaltung der maximalen Mietdauer von fünf Jahren ist nicht dokumentiert.
25.2.4 Mangelhafte Prüfung des Verwendungsnachweises
Spätestens sechs Monate nach Ablauf des Förderzeitraums hat ein Zuwendungsempfänger einen Verwendungsnachweis vorzulegen, der sodann unverzüglich zu prüfen ist.
Der Förderzeitraum endete 2002. Das Wirtschaftsministerium erhielt den Verwendungsnachweis im März 2007 und prüfte ihn im August 2008.
Das Ergebnis der Prüfung bestand aus folgenden drei Sätzen:
"Die Zuwendung wurde angewiesen, eine zeitnahe Verwendung ist gegeben. Die Prüfung bezieht sich nur auf die vorhandenen Unterlagen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Mittel zweckentfremdet wurden."
Das Wirtschaftsministerium ermittelte auch bei der Prüfung des Verwendungsnachweises nicht die konkreten Einnahmen und Ausgaben des Betriebsunternehmens. Differenzen zwischen dem Verwendungsnachweis und den Jahresabschlüssen klärte es nicht auf.
Ferner wurde nicht festgestellt, ob und inwieweit durch die Förderung Existenzgründer in den Bereichen Energie und Telekommunikation tatsächlich angesiedelt werden konnten.
25.3 Stellungnahme der Verwaltung
Das Wirtschaftsministerium bestätigt, dass der Zweck der Förderung die Übernahme des Fehlbedarfs (Mietausfall) aus der Vermietung an Gründerfirmen zu günstigen Konditionen in einer Anlaufphase bis zu vier Jahren war. Die Festlegung einer Bindungsfrist sei haushaltsrechtlich aber nicht zwingend erforderlich gewesen.
Hinsichtlich der Verwendungsnachweisprüfung räumt das Ministerium Versäumnisse ein; Grund sei ein Personalwechsel gewesen. Inzwischen seien aber organisatorische Änderungen vorgenommen worden, um vergleichbare Probleme künftig zu vermeiden.
Das Ministerium räumt ferner die Belegung des Gründerzentrums mit nichtförderfähigen Firmen ein, sah aber aufgrund der Berichte des Zuwendungsempfängers über eine (nahezu) vollständige Auslastung keinen Anlass zu weiteren Nachfragen. Derzeit prüfe es eine anteilige Rückforderung der Fördermittel und habe dazu vom Zuwendungsempfänger eine detaillierte Aufschlüsselung der Vermietflächen angefordert und auch den fehlenden Sachbericht angemahnt.
Aus Sicht des Ministeriums sei der Förderzweck zumindest zum Teil erreicht worden. Hervorzuheben sei die positive Entwicklung einer Gründerfirma, die bereits im Gründerzentrum 130 Arbeitsplätze geschaffen habe und jetzt Weltmarktführer für Methanol-Brennstoffzellen sei.
25.4 Zusammenfassende Würdigung des ORH
Das Wirtschaftsministerium hat bei der Förderung des Gründerzentrums über nahezu alle haushaltsrechtlichen Anforderungen an einen wirtschaftlichen und ordnungsgemäßen Fördervollzug großzügig hinweggesehen.
Nach Auffassung des ORH hätte eine Förderung angesichts der konzeptionellen Mängel des Vorhabens nicht erfolgen dürfen. So waren die Förderziele nicht klar definiert und wesentliche Fördervoraussetzungen für ein technologieorientiertes Gründerzentrum am vorgesehenen Standort nicht hinreichend abgeklärt. Auch der finanzielle Fehlbedarf wurde nicht konkret ermittelt.
Das Wirtschaftsministerium hat versäumt, im staatlichen Interesse den Betrieb des Gründerzentrums für eine angemessene Zeitspanne sicherzustellen und dies auch zu überwachen. Insbesondere hat es nicht hinterfragt, ob die vom Betriebsunternehmen ausgewählten Mieter den vorgegebenen Kriterien entsprachen.
Der Verwendungsnachweis wurde zu spät angefordert und mit großer Verzögerung geprüft. Den Förderzweck allein in der Anweisung und zeitnahen Verwendung der Mittel zu sehen, hält der ORH für völlig unzureichend. Bei der Prüfung des Verwendungsnachweises hätte der förderfähige Fehlbedarf aus den Einnahmen und anrechenbaren Kosten detailliert ermittelt werden müssen.
Insgesamt bleibt ungewiss, ob durch den Einsatz von 1,4 Mio. € Fördermitteln das angestrebte Ziel, ein technologieorientiertes Gründerzentrum zu schaffen, überhaupt erreicht wurde.
Das Wirtschaftsministerium will immerhin organisatorische Vorkehrungen treffen, um Fehler und Versäumnisse wie im vorliegenden Fall künftig zu vermeiden. Das Ministerium muss die Prüfung der bestimmungsgemäßen Mittelverwendung nachholen, Auflagenverstöße bewerten, den Finanzierungsbedarf konkret ermitteln und auf dieser Grundlage Konsequenzen ziehen.