TNr. 26: Staatliche Förderung landet auf hoher Kante

Das Wirtschaftsministerium hat einem Institut der Industrie Fördermittel für den Ankauf einer Liegenschaft belassen, die dafür aber nicht verwendet wurden. Stattdessen stockte der Zuwendungsempfänger damit seine Rücklagen auf. Auch für die Finanzierung weiterer Investitionen waren diese Mittel nicht erforderlich. Der ORH hält Rückforderungen für veranlasst.
Der ORH hat im Jahr 2008 Zuwendungen geprüft, die vom Staat von 2000 bis einschließlich 2005 an ein Institut der Industrie gewährt wurden. Dabei handelt es sich um ein Fördervolumen von über 1,7 Mio. €.
26.1 Ausgangslage
Das Institut ist eine Gemeinschaftseinrichtung eines Industriezweigs und wird von einem Förderverein getragen. Es befasst sich im Wesentlichen mit Aufgaben der Forschung und Entwicklung, des Technologie-Transfers sowie der Aus- und Weiterbildung und erbringt zusätzliche Dienstleistungen vorwiegend für mittelständische Unternehmen. Für Maßnahmen der beruflichen Bildung bewilligte die Regierung dem Förderverein für 2000 und 2001 insgesamt rd. 660.000 € als institutionelle Förderung. Die staatlichen Mittel waren ausschließlich zur Deckung des Fehlbetrags bei Personal- und Sachausgaben bestimmt; Rücklagen durften nicht gebildet werden.
Ab 2002 wurde die berufliche Bildung auf eine Tochter - die Trainings-GmbH - übertragen, die von der Regierung weitere 1,1 Mio. € als Projektförderung für 2002 bis 2005 erhielt. Die Förderung wird bis heute weiter gewährt.
26.2 Feststellungen des ORH
Bei seiner Prüfung stellte der ORH fest, dass der Förderverein von 1999 bis 2001 erhebliche Überschüsse erwirtschaftete und zum Jahresende 2001 einen Betrag von 1,9 Mio. € seinen Rücklagen zuführte. Dadurch stiegen die Rücklagen insgesamt auf fast 4 Mio. € an.
Dies hatte die Regierung bei ihrer Prüfung des Verwendungsnachweises zwar erkannt; sie beließ dem Förderverein aber die Fördermittel für den geplanten Ankauf einer benachbarten Liegenschaft für Lehrgangszwecke. Auch das Wirtschaftsministerium hatte in der Vergangenheit die Zuführung von Überschüssen in eine zweckbestimmte Investitionsrücklage ausnahmsweise unter der Bedingung gebilligt, dass diese alsbald für investive Zwecke verwendet wird.
Im Prüfvermerk über den Verwendungsnachweis für das Jahr 2001 bestätigte die Regierung, dass der Förderverein den Kauf und die Bezahlung der Liegenschaft nachgewiesen hat. Der Kaufpreis habe 1.687.263 € betragen und die aus den belassenen Fördermitteln gebildete (Investitions-)Rücklage sei somit verbraucht.
Die Prüfung durch den ORH ergab aber folgenden Sachverhalt:
Die Liegenschaft, die ursprünglich der Förderverein erwerben sollte, wurde nicht von diesem selbst, sondern von einer Tochter, der Dienstleistungs-GmbH, gekauft. Zu diesem Zweck gewährte der Förderverein aus seiner Rücklage der Dienstleistungs-GmbH ein Darlehen über 1.780.000 € zu einem Zinssatz von 5,2%. Die Laufzeit betrug von vornherein lediglich zwei Jahre. Danach erfolgte eine Umfinanzierung: Die Dienstleistungs-GmbH nahm ein Darlehen in gleicher Höhe bei einem Kreditinstitut auf (zu 4,95% Zins und einer Laufzeit bis 30.04.2013) und zahlte das ursprüngliche Darlehen an den Förderverein zurück.
Somit hat der Förderverein die ihm bei der institutionellen Förderung belassenen Rücklagen letztlich nicht - wie gegenüber der Regierung angegeben - für den Ankauf der Liegenschaft verwendet. Er hat der Dienstleistungs-GmbH den Kaufpreis aus der Rücklage für zwei Jahre als Darlehen zur Verfügung gestellt und den Gesamtbetrag dann wieder der Rücklage zugeführt. Damit hat er dokumentiert, dass er die aus der staatlichen Förderung in 2000 und 2001 gebildete Rücklage nicht dauerhaft für diese Investition einsetzen wollte. Im Übrigen hat der Verein aus diesen Mitteln bis 30.06.2003 sogar noch Zinsen von 34.230 € jährlich eingenommen.
26.3 Stellungnahme der Verwaltung
Das Wirtschaftsministerium weist in seiner Stellungnahme zunächst auf den anerkannten Investitionsbedarf des Instituts hin. Dafür sei auch die Bildung von Eigenkapital erforderlich gewesen.
Das Ministerium habe dem Förderverein daher auf seinen Antrag hin gestattet, die Rücklagen aus Mitteln der institutionellen Förderung zu erhöhen und für anstehende Investitionsmaßnahmen einzusetzen. Dem Institut sei dabei eingeräumt worden, die Rücklage für den Kauf der Liegenschaft oder - alternativ - für den Bau eines Technikums sowie einer Forschungsstätte zu verwenden.
In den Jahren 2001 und 2002 habe vor allem die gemeinnützige Forschungs-GmbH - eine weitere Tochtergesellschaft des Fördervereins - Investitionen von 17,2 Mio. € getätigt. Dazu gewährte der Staat Zuschüsse von 8,1 Mio. €. An Eigenmitteln habe das Institut 1,4 Mio. € eingesetzt und damit die belassenen Fördergelder entsprechend den Vorgaben des Wirtschaftsministeriums verwendet. Rückblickend seien die Rücklagen nicht in den Erwerb der Liegenschaft, sondern in das Technikum und in die Forschungsstätte geflossen, was aus Sicht des Ministeriums aber unerheblich sei.
Mit dieser Vorgehensweise habe das Ministerium lediglich die - haushaltsrechtlich vorgeschriebene - Rückforderung und anschließende Wiederbereitstellung von Fördermitteln zusammengefasst.
26.4 Würdigung und Forderungen des ORH
Die "unbürokratische" Vorgehensweise des Wirtschaftsministeriums verstößt nicht nur eklatant gegen haushaltsrechtliche Bestimmungen. Sie ist auch im Ergebnis falsch, weil dem Zuwendungsempfänger mangels Fehlbedarfs zu Unrecht die institutionelle Förderung belassen wurde.
Der Förderverein hatte bereits im Jahr 2000 Überschüsse erwirtschaftet und hätte insofern einer institutionellen Förderung nicht (mehr) bedurft. Deshalb hätte er die Mittel gar nicht erst anfordern dürfen. Die Regierung hätte dies bei der Bewilligung berücksichtigen, spätestens aber nach der Prüfung der Verwendungsnachweise die zu viel ausgereichten Mittel zurückfordern müssen.
Mit Zustimmung des Wirtschaftsministeriums genehmigte sie dem Förderverein stattdessen, aus den nicht benötigten Fördermitteln eine Investitionsrücklage zu bilden und für anstehende investive Maßnahmen zu verwenden. Dabei verzichtete die Verwaltung auf eine konkrete Zweckbindung der Mittel und damit auf eine wichtige Steuerungsmöglichkeit. Die institutionellen Zuwendungsmittel wurden somit nach und nach in Eigenmittel des Vereins umgewandelt, was wirtschaftlich einer - unzulässigen - Schenkung gleichkommt. Ferner empfand es die Verwaltung als unerheblich, ob die belassenen Mittel letztlich vom Förderverein selbst oder seinen Tochtergesellschaften, zu denen der Staat als Zuwendungsgeber aber gar keine rechtlichen Beziehungen hatte, eingesetzt wurden.
In einer Gesamtbetrachtung ergibt sich für den ORH, dass das Institut von den Ende 2001 vorhandenen Rücklagen in Höhe von 4 Mio. € für die vom Staat mitfinanzierten Investitionen lediglich 1,4 Mio. € einsetzte. Die staatlichen Förderziele hätten daher nach Einschätzung des ORH auch ohne Belassung der institutionellen Fördermittel erreicht werden können.
Im Kern hat die Verwaltung die zeitliche und sachliche Bindung der Haushaltsmittel an die einzelnen Haushaltsjahre umgangen. Sie hat die von ihr zuviel oder unzulässigerweise bewilligten Zuwendungen nicht - wie gesetzlich vorgeschrieben - zeitnah und verzinst zurückgefordert. Vielmehr hat sie diese Haushaltsmittel in Form von stillschweigend geduldeten Rücklagen beim Zuwendungsempfänger "geparkt" und erklärt jetzt, sie seien über dessen Eigenanteil in andere Förderprojekte wieder eingeflossen. Ob und inwieweit dies überhaupt geschehen ist, kann nicht mehr nachvollzogen werden, denn in den Bewilligungsbescheiden für die späteren Investitionen findet sich kein entsprechender Hinweis. Es wurde bei den staatlichen Zuwendungen keine Anrechnung der belassenen institutionellen Fördermittel vorgenommen. Dieses Vorgehen widerspricht in jeder Hinsicht einem transparenten Förderverfahren.
Diese Mittel wurden dadurch dem Staatshaushalt entzogen und standen für andere (Förder-)Zwecke nicht zur Verfügung. Während der Staat Geld am Kapitalmarkt aufnehmen musste, konnte der Förderverein diese liquiden Mittel durch ein Darlehen an seine Dienstleistungs-GmbH zinsbringend anlegen.
Der ORH hält Rückforderungen für veranlasst.