Jahresbericht 2010

TNr. 27: Waldbauförderung effektiver und effizienter gestalten

Zaun schützt Neubepflanzung © ORH

Bis 2020 sollen 100.000 ha gefährdete Fichtenbestände in klima­tolerante Mischwälder umgebaut werden. Dieser aktive Umbau wird mit jährlich rd. 7 Mio. € gefördert.Der ORH hat festgestellt, dass der Verwaltungsaufwand bei fast 40% der ausgereichten Fördermittel liegt. Die Empfänger der För­derung sind mit hohen Kosten für Zäune gegen Wildverbiss be­lastet. Es ist fraglich, ob das Umbauziel zeitgerecht erreicht wer­den kann.Der ORH fordert, dass die Forstverwaltung ihre Verantwortung für den Waldumbau noch stärker wahrnimmt und den Verwaltungsauf­wand bei den Fördermaßnahmen reduziert. Die Forstverwaltung muss die Jagdbehörden anhalten, ausreichende Abschüsse durch­zusetzen. Nur dadurch können Belastungen der Waldbesitzer durch Kosten für zusätzliche Zäune zurückgeführt und Anreize für den Waldumbau erhöht werden.

Der ORH hat mit zwei Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Wirksamkeit und Ver­waltungsaufwand bei derWaldbauförderung geprüft. Untersucht wurden vor Ort 267 Wiederaufforstungsmaßnahmen im Privat- und Kommunalwald. Die Prüfung erfolgte an 16 Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF) bei 42 Forstrevieren.

 

27.1 Ausgangslage


Aus den Programmen "Waldbauförderung" und "Zukunft Bayern 2020" wurden 2008 insgesamt rd. 7,5 Mio. € und 2009 rd. 6,8 Mio. € für Waldumbau einschließlich Wie­deraufforstung an Privatwaldbesitzer und Kommunen ausgereicht. Davon stammen zu 50% aus EU-Mitteln.

Gefördert werden

  • Baumartengruppe 1 (Tanne, Eibe, sonstiges Laubholz) pro Hektar mit bis zu 2.100 €,
  • Baumartengruppe 2 (Edellaubholz wie Esche, Ahorn, Ulme) pro Hektar mit bis zu 3.400 € und
  • Baumartengruppe 3 (Buche, Eiche) pro Hektar mit bis zu 5.200 €.

Der Empfänger der Förderung muss dafür Sorge tragen, dass die Aufforstung gelingt.

Im "Klimaprogramm Bayern 2020" hat die Staatsregierung 2007 für den Waldumbau konkrete Ziele vorgegeben. Von den insgesamt 260.000 ha akut gefährdeten Fichten­beständen sollen danach rd. 100.000 ha bis 2020 in klimatolerante Mischwälder um­gebaut werden. Es gibt Baumarten, die besser an das künftige Klima angepasst sind als die Fichte, wie z. B. Eiche, Buche, Esche, Ahorn, Tanne. Entscheidend ist, für jeden Standort die geeigneten Baumarten auszuwählen.

Die Forstverwaltung soll die 700.000 Privatwaldbesitzer und die Kommunen (über 3.000 Betriebe) dabei unterstützen, ihre Wälder fit für den Klimawandel zu machen.

 

27.2 Prüfungsfeststellungen

 

27.2.1 Hohe Zaunkosten belasten die Empfänger der Förderung


Von den 267 geprüften Aufforstungsmaßnahmen der Jahre 2003 bis 2006 war der größte Teil (74%) gezäunt worden, um sicherzustellen, dass die Kulturen aufwach­sen können, also nicht verbissen werden. Bei Annahme einer Zäunung von 74%, einer Zaunlänge von 600 m je ha und Kosten von 7 € je laufendem Meter errechnen sich Zaunbaukosten von 6,2 Mio. € (bei 2.000 ha in 2008). Die Kosten müssen die Empfänger der Förderung selbst tragen. Bei aktiven Waldumbaumaßnahmen auf 100.000 ha ergäben sich somit bis 2020 für den Zaunbau und -unterhalt Ausgaben von rd. 300 Mio. €, wenn der Verbissdruck nicht sofort deutlich gesenkt werden kann.

Die restlichen Flächen (26%) wurden bis auf wenige Ausnahmen mit Pflanzen über Verbisshöhe ("Heister") bestockt, was ebenfalls Mehrkosten bei den Empfängern der Förderung verursacht.

Die Zäunung von Laubbäumen und Tannen bzw. die Verwendung von (Laubbaum-) Heistern sind wegen des hohen Verbissdruckes notwendig. Die von der Forstverwal­tung in den sog. "Vegetationsgutachten 2009" ermittelte Zahl, wonach bei zwei Drittel der Waldflächen in Bayern die Verbissbelastung hoch bzw. deutlich zu hoch ist, wird hierdurch untermauert.

Wie der ORH bereits mehrfach in Jahresberichtsbeiträgen[56] dargelegt hat, muss das Ziel, den durch Wildverbiss verursachten Schaden zu vermeiden, durch die Jagd er­reicht werden. Der Landtag hat die Staatsregierung ersucht, die eingeleiteten Maß­nahmen zum Schutz des Waldes mit Nachdruck fortzuführen.[57]

 

27.2.2 Zielerreichung fraglich


Um die Ziele des Klimaprogramms 2020 zu erreichen, müssen im Privat- und Kom­munalwald jährlich 7.700 ha umgebaut werden.

2008 wurden rd. 2.000 ha mit Fördermitteln aktiv - ohne Naturverjüngung - umgebaut (2009 rd. 1.800 ha).

Die ÄELF gehen von einem jährlich realisierbaren Umbau von rd. 3.000 ha aus (ohne Naturverjüngung). DasForstministerium sieht die Zielerreichung allerdings als ge­sichert an. Es rechnet nicht nur die tatsächlich geförderten aktiv umgebauten Flächen (mit Laubholz und Tanne), sondern auch geförderte Naturverjüngung und Nadelholz­flächen (Nadelholznaturverjüngung) in die Zielhektarzahl ein ("Mischwald"). Es hat jedoch keine Daten, ob die geförderten Naturverjüngungsflächen tatsächlich in den 100.000 ha umzubauenden Nadelholzbeständen (Fichten, Kiefern) liegen.

 

27.2.3 Verwaltungsaufwand hoch


Nach den Feststellungen des ORH bei den geprüften ÄELF betragen

  • die durchschnittliche Fläche je Förderfall 0,28 ha und
  • die dafür ausgereichte Fördersumme im Schnitt 1.464 €.

Der Zeitbedarf für die Abwicklung eines Zuwendungsfalles beim Amt betrug im Durch­schnitt 13 Stunden. Dies entspricht Personalvollkosten von rd. 545 € je Förderfall (Sachbearbeiter in Besoldungsgruppe A 11); das sind 37% der Fördersumme.

Der Aufwand entsteht durch

  • das Besichtigen und Vermessen der geförderten Fläche sowie Beratung der Waldbesitzer durch den Revierleiter (6 Std.),
  • die Bearbeitung des Förderantrags durch den Sachbearbeiter (2,5 Std.) und
  • die abschließende Prüfung und Vermessung der geförderten Fläche vor Ort durch den Qualitätsbeauftragten Förderung (4,5 Std.).

Die Ursache für den hohen Aufwand liegt auch an den von der EU vorgeschriebenen Regelungen für die Gewährung von staatlichen Beihilfen. Nach einschlägigen Ver­ordnungen ist bei Investitionen (Waldbaumaßnahmen gelten als solche) mindestens eine Besichtigung der geförderten Vorhaben vorzusehen. Hinzu kommen noch Vor-Ort-Kontrollen durch Bereichsleiter der ÄELF auf 5% der Flächen p. a.

 

27.3 Bewertung und Vorschläge


Nach den vorliegenden Zahlen steht infrage, ob die Ziele des Waldumbaus bis 2020 erreicht werden können. Gründe dafür sind lt. Umfragen bei den ÄELF u. a.

  • hoher Verwaltungsaufwand,
  • Wildverbiss und
  • die fehlende Bereitschaft der Waldbesitzer.

Der ORH ist der Auffassung, dass der hohe Verwaltungsaufwand deutlich verringert werden muss. Eine deutliche Entlastung würde sich z. B. ergeben, wenn die Antrag­stellung nicht über den staatlichen Revierleiter, sondern über die Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse abgewickelt würde. Diese Zusammenschlüsse sind bereits nach der Gemeinsamen Erklärung zwischen Staatsregierung, Waldbesitzerverband und Bauernverband vom 28.09.2004 aufgefordert, effiziente und zukunftssichere Struk­turen aufzubauen, um so u. a. auch die Beratung des Kleinstprivatwaldes sicherzu­stellen.

Da dem hohen Personalaufwand zum großen Teil EU-Recht zugrunde liegt (verpflich­tende 100%-Vor-Ort-Einsichtnahme durch den Qualitätsbeauftragten Förderung), sollte angestrebt werden, bei der EU Erleichterungen im Vollzug zu erreichen. Der ORH hält dies für notwendig, da die Mitgliedstaaten aufgefordert sind, Vereinfachun­gen bei der Umsetzung der Regelungen für Beihilfen vorzuschlagen.[58]

Die Prüfungsergebnisse untermauern auch die Forderung des Landtags, dass bei der Jagd deutlich mehr Steuerung durch die Oberste Jagdbehörde und die Regie­rungen erreicht werden muss. Ein geringerer Verbiss führt zu weniger Zäunungs­kosten. Für Waldbesitzer wird es wirtschaftlich interessanter, Waldumbaumaßnah­men durchzuführen, wenn sie nicht in hohem Umfang mit Zäunungskosten belastet werden. Außerdem wird die Akzeptanz zum aktiven Umbau größer, je geringer das Risiko des Misslingens wird und damit auch das Risiko zur Rückzahlung der Förde­rung.

Die Forstverwaltung muss ihre Anstrengungen verstärken, um die Bereitschaft der Waldbesitzer für den Umbau zu erhöhen. Das Forstministerium sollte insoweit ver­mehrt die Verbände einbeziehen, zumal der Bayerische Bauernverband, der Baye­rische Waldbesitzerverband und die Forstwirtschaftlichen Vereinigungen in Bayern in einer Resolution zur forstlichen Förderung darauf hingewiesen haben, dass die Forcierung des Waldumbaus die zentrale Maßnahme zur Bewältigung des Klimawan­dels ist.

Laut Saatguterzeugern wird von den gewerblichen Forstbaumschulen im Wesent­lichen Fichtensamen bestellt. Rund 70% der verkauften Pflanzen sind Fichten (lt. Aussage der Erzeugergemeinschaft für Qualitätspflanzen Süddeutschland und des Zertifizierungsrings für überprüfbare forstliche Herkunft Süddeutschland e. V.). Dies zeigt, dass noch kein ausreichendes Problembewusstsein vorhanden ist.

Die Forstverwaltung muss belegen, inwieweit die geförderten Naturverjüngungsflä­chen tatsächlich in den 100.000 ha umzubauenden Nadelholzbeständen (Fichten, Kiefern) liegen. Denn nur mit der Einbeziehung dieser Flächen (3.000 ha in 2009) er­rechnet die Forstverwaltung derzeit das Erreichen der Ziele.

 

27.4 Stellungnahme der Verwaltung


Bei den Förderzielen (Gesamtumbaubedarf) handele es sich um Schätzzahlen. Die Realisierbarkeit dieses Umbaubedarfs hänge von zahlreichen Faktoren ab. Außer­halb chronischer Hauptschadensgebiete der Fichte müsse eine langjährige Überzeu­gungsarbeit erfolgen, die durch ungünstige Besitzstrukturen und mangelnde Walder­schließung zusätzlich erschwert werde. Die Fortschritte beim Waldumbau seien be­achtlich. Es sei eine deutlich steigende Tendenz der Akzeptanz erkennbar. Unter Berücksichtigung eines angemessenen Nadelholzanteils sei davon auszugehen, dass mithilfe staatlicher Förderung mindestens die doppelte Waldfläche als umgebaut zu betrachten sei. Die geförderte Naturverjüngung sei hinzuzurechnen. Im Übrigen lägen dem Staatsministerium keine Zahlen vor, in welchem Umfang aufgrund staat­licher Beratung Waldumbau auch ohne Förderung erfolge.

Bezüglich der Erfolgswirksamkeit der Maßnahmen äußert sich das Forstministerium dahingehend, dass im Rahmen der Abschussplanung an Kreisverwaltungsbehörden und Forstverwaltung appelliert worden sei, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Generelles Verbesserungspotenzial sei im Rahmen von Dienstbesprechungen mit den höheren und unteren Jagdbehörden aufgezeigt worden.

Das Staatsministerium sei sich des relativ hohen Verwaltungsaufwands bewusst und suche nach Wegen, diesen Aufwand zu reduzieren. Man wolle z. B. Fördermaßnah­men aus der EU-Kofinanzierung herausnehmen, um den Aufwand zu verringern.

 

27.5 Erwiderung des ORH


Der ORH verkennt nicht die Schwierigkeiten (kleinteilige Besitzstruktur, Wunsch nach Fichte), die die Arbeit der Forstverwaltung zur Umsetzung des Klimaprogramms er­schweren. Das Ziel ist erst dann erreicht, wenn sich der Umbau auf die gefährdeten Fichten-/Kiefernbestände konzentriert. Die Forstverwaltung muss auch ihre Verant­wortung für den Waldumbau noch stärker wahrnehmen und bei Waldbesitzern und Jagdbehörden alle Anstrengungen unternehmen, die Ziele ohne teure Zäunungen und mit einem reduzierten Verwaltungsaufwand zu erreichen. Dabei muss auch ver­sucht werden, zu EU-rechtlichen Erleichterungen zu kommen.


[56] ORH-Berichte, zuletzt 1995 TNr. 24, 1999 TNr. 41 und 2009 TNr. 28.
[57]LT-Drucksache 16/4894 Nr. 2 r.
[58]
Rahmenregelung der Gemeinschaft für Staatliche Beihilfen im Agrar- und Forstsektor 2007 bis 2013 (2006/C319/01).