TNr. 13: Bayerische Polizei auf den Bundeswasserstraßen
Die Landespolizei nimmt für den Bund aufgrund einer Vereinbarung seit über 55 Jahren die schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben an den Bundeswasserstraßen wahr. Obwohl es Bundesaufgaben sind, trägt der Freistaat Bayern die vollen Kosten. Allein die Personalkosten betragen 4,2 Mio. € im Jahr. Mittelfristig stehen Investitionen in Höhe von 3,3 Mio. € für neue Streckenboote an.
Die Kostenübernahme steht im Widerspruch zu Art. 104a GG. Wenn der Freistaat diese Aufgabe weiterhin wahrnehmen will, hält der ORH den zeitnahen Abschluss eines Staatsvertrages zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern für geboten. Es muss verhindert werden, dass der Freistaat diese Bundesaufgabe weiter finanziert.
Im Jahr 2010 hat der ORH mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Ansbach, Bayreuth und Regensburg die Wasserschutzpolizei in Bayern (WSP) geprüft. Neben der allgemeinen Organisationsstruktur und dem Dienstbetrieb der WSP war der Aufgabenvollzug an den Bundeswasserstraßen ein Schwerpunkt der Prüfung.
13.1 Ausgangslage
13.1.1 Aufgaben der Wasserschutzpolizei an den Bundeswasserstraßen
Die (Landes-)Polizei hat den gesetzlichen Auftrag der Gefahrenabwehr. Dies gilt grundsätzlich auch auf den bayerischen Seen und Fließgewässern.
In Bayern sind 705 km von Main, Main-Donau-Kanal und Donau Bundeswasserstraßen. Bei diesen ist nach Art. 89 GG der Bund Eigentümer.
Die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen und der Betrieb der bundeseigenen Schifffahrtsanlagen sind Hoheitsaufgaben des Bundes.[1] Dies schließt auch die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie die Verhütung von der Schifffahrt ausgehender Gefahren auf den Bundeswasserstraßen ein (schifffahrtspolizeiliche Vollzugsaufgaben).[2]
Allerdings nimmt die Landespolizei neben den Sicherheitsaufgaben auf den bayerischen Gewässern auch diese wasserschutzpolizeilichen Aufgaben an den Bundeswasserstraßen wahr.
Grundlage dieser Praxis ist eine vom Bund mit den Ländern geschlossene Vereinbarung über die Ausübung der schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben aus dem Jahr 1954/1955.[3] Nach § 2 dieser Vereinbarung nimmt das Land auch die Aufgaben der Schifffahrtspolizei durch seine Polizeikräfte wahr. Nach § 9 tragen der Bund und das Land die Kosten des schifffahrtspolizeilichen Vollzugs auf den Wasserstraßen, soweit sie diese Aufgaben durch ihre Beamten ausüben. Weiter ist in § 3 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarung geregelt, dass das Land den Vollzug der schifffahrtspolizeilichen Aufgaben mit einer Ankündigungsfrist von sechs Monaten gegenüber dem Bundesminister für Verkehr einstellen darf.
Durch das Binnenschifffahrtsaufgabengesetz (BinSchAufgG) des Bundes vom 15.02.1956 wurde festgelegt, dass auch die schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben zu den Bundesaufgaben zählen.[4]
13.1.2 Personalkosten
In Bayern werden die Bundeswasserstraßen an Main, Main-Donau-Kanal und Donau von neun Wasserschutzpolizei-Gruppen (WSP-G) betreut. Die WSP-G der Landespolizei nehmen ‑ neben den allgemeinpolizeilichen Aufgaben ‑ originär die schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben einschließlich der Überwachung des Transportes gefährlicher Güter wahr. Der Anteil dieser wasserschutzpolizeilichen Aufgaben liegt bei rd. 70 %. Darüber hinaus obliegen ihnen sonstige Aufgaben, die den originären Landesaufgaben zuzurechnen sind, insbesondere die Sicherstellung der Einhaltung der umwelt- und fischereirechtlichen Vorschriften.
Im Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen waren an den Bundeswasserstraßen 82 Beamte eingesetzt, die Personalvollkosten in Höhe von rd. 6 Mio. € jährlich verursachen. Die vom Bund übernommenen schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben nehmen somit entsprechend der Aufgabenverteilung 57 Vollzugsbeamte mit Personalvollkosten in Höhe von 4,2 Mio. € jährlich wahr.
13.1.3 Sachkosten
Die WSP verfügt an den Bundeswasserstraßen neben einer Reihe kleinerer, offener Boote über neun größere Streckenboote. Fünf der in Anschaffung und Instandhaltung kostenintensiven Streckenboote sind älter als 25 Jahre. Für ein 35 Jahre altes Streckenboot ist eine Ersatzbeschaffung beauftragt.
Bedingt durch das hohe Durchschnittsalter ist insbesondere bei den Streckenbooten der Instandhaltungsaufwand beträchtlich. Zusätzlich sind für die Modernisierung bzw. Ersatzbeschaffung dieses Bootstyps in absehbarer Zeit Investitionen von rd. 3,3 Mio. € notwendig.
Streckenboot der Wasserschutzpolizei Abbildung 4
Bild: Wasserschutzpolizei - Zentralstelle Bayern
13.2 Zusammenfassende Wertung des ORH
Die derzeit in der Praxis gehandhabte "Bund-Länder-Vereinbarung" verstößt aus mehreren Gesichtspunkten gegen Verfassungsrecht.
Anders als in einigen anderen Ländern gibt es in Bayern keinen Staatsvertrag (Art. 72, 77 BV).
Dieser Vertragsform und damit einer Einbindung des Landtags hätte es bedurft, weil die Aufgabenübernahme durch den Freistaat Haushaltsrelevanz entfaltet und damit das Budgetrecht des Landtags unmittelbar betroffen ist.
Inhaltlich wird gegen Art. 104a GG verstoßen, wonach im Verhältnis von Bund zu Ländern diejenige Körperschaft die Kosten zu tragen hat, die zuständig ist.
Es sind weder sachliche Gründe noch sonstige Notwendigkeiten erkennbar, warum der Freistaat seine Personal- und Sachmittel dem Bund ohne angemessene Kostenerstattung zur Erfüllung von Bundesaufgaben zur Verfügung stellen sollte.
Der ORH hält eine Neuregelung durch Staatsvertrag für erforderlich.
13.3 Stellungnahme des Innenministeriums
Das Ministerium hat im Prüfungsschriftwechsel mitgeteilt, dass es auf der Grundlage der Hinweise des ORH an den Bund herantreten werde, um die Kostenlast zu überprüfen und zu klären, ob die Vereinbarung durch einen Staatsvertrag ersetzt werden solle. Über das Ergebnis werde der ORH zu gegebener Zeit informiert. Zum Entwurf des Jahresberichtsbeitrags wurde keine Stellungnahme abgegeben.
13.4 Schlussbemerkung des ORH
Die Übernahme der wasserschutzpolizeilichen Aufgaben durch den Freistaat Bayern aufgrund der seit mehr als fünf Jahrzehnten unverändert bestehenden Bund-Länder-Vereinbarung bedarf einer Neuregelung. Es ist davon auszugehen, dass die Verhandlungen einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen werden. Daher sollte vorab eine gesonderte Kostenübernahmeerklärung durch den Bund für die Erfüllung der Bundesaufgaben angestrebt werden, sofern nicht der Vollzug gem. § 3 Abs. 1 der Vereinbarung an den Bund zurückgegeben wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Freistaat erst ab dem noch nicht absehbaren Zeitpunkt des endgültigen Vertragsschlusses die laufenden Kosten vom Bund ersetzt bekommt.
(1) § 7 Abs. 1 Bundeswasserstraßengesetz.
(2) § 1 Abs. 1 Nr. 2 BinSchAufgG.
(3) Bund-Länder-Vereinbarung über die Ausübung der schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben des Bundes; Vereinbarung mit Bayern unterzeichnet vom Bundesminister für Verkehr am 14.12.1954, vom Staatsminister des Innern am 18.04.1955.
(4) § 1 Abs. 2 Nr. 2 BinSchAufgG.