Jahresbericht 2012

TNr. 15: Hohe Wertverluste im Stifungsvermögen

Fallender Kurs

Die Bayerische Landesstiftung wollte ihre UniCredit-Aktien bis zum Frühjahr 2007 verkaufen. Weil sie mit Kurssteigerungen rechnete, stellte sie die Verkäufe wieder ein. Da der Kurs in der Folgezeit aber stark sank, ist mittlerweile eine Wertminderung in Millionenhöhe eingetreten.

Der ORH empfiehlt, die Kompetenz und Verantwortung der Stiftungsorgane bei der Vermögensanlage zu stärken.

Bereits mehrfach hatte der ORH die Bayerische Landesstiftung geprüft und dem Landtag darüber in den Jahren 1996 und 2005 berichtet. Daraufhin beschloss der Stiftungsrat am 12.12.2005, das Vermögen der Landesstiftung nicht länger auf Aktien eines Unternehmens zu konzentrieren. Der ORH hat im Jahr 2010 die Umsetzung dieses Beschlusses geprüft.

15.1 Ausgangslage

Die Landesstiftung ist eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts und verfolgt nach Errichtungsgesetz und Satzung ausschließlich und unmittelbar öffentliche Zwecke auf sozialem und kulturellem Gebiet.[1] Sie finanziert ihre Förderaufgaben in erster Linie aus den Erträgen des Stiftungsvermögens. Ihre Organe sind der Stiftungsvorstand und der Stiftungsrat.

Der Stiftungsvorstand besteht aus drei Personen. Er vertritt die Stiftung nach außen, vollzieht die Beschlüsse des Stiftungsrats und erledigt die laufenden Angelegenheiten. Ihm obliegt die sichere und Ertrag bringende Anlage des Stiftungsvermögens.

Der Stiftungsrat hat zwölf Mitglieder. Das Errichtungsgesetz bestimmt den Ministerpräsidenten zum Vorsitzenden und den Finanzminister zum stellvertretenden Vorsitzenden. Das Gremium überwacht den Stiftungsvorstand und erlässt Richtlinien u. a. für die Verwaltung des Stiftungsvermögens. Bis zur Satzungsänderung im Dezember 2010 bedurften Umschichtungen mit einem Verkehrswert von über 511.000 € (1 Mio. DM) der Zustimmung des Stiftungsrats.

Die Landesstiftung untersteht unmittelbar der Aufsicht des Finanzministeriums. Diese Aufgabe wurde von dem für die Sitzungsvorbereitung des Finanzministers zuständigen Fachreferat gleichzeitig wahrgenommen.

Der Freistaat stattete die Landesstiftung bei ihrer Gründung zum 01.04.1972 mit Aktien der Bayerischen Vereinsbank (mittlerweile UniCredit) im Kurswert von 141 Mio. € (276 Mio. DM) und einem Geldbetrag in Höhe von 7,2 Mio. € (14,2 Mio. DM) aus. Satzung und Errichtungsgesetz legen fest, dass das Stiftungsvermögen in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten ist. Die Verpflichtung zur sicheren und wirtschaftlichen Verwaltung des Stiftungsvermögens ist ebenso in Art.6 Abs.1 und Art. 7 Satz 1 des Bayerischen Stiftungsgesetzes geregelt. Klarstellend weist die Gesetzesbegründung zum Errichtungsgesetz (zu Art. 10) darauf hin, dass „... auch Umschichtungen (der Vermögenswerte) aufgrund der Verpflichtung des Vorstands, das Stiftungsvermögen sicher und ertragreich anzulegen, notwendig sein" können.

In seinen Jahresberichten 1996[2] und 2005[3] machte der ORH auf das hohe Verlustrisiko aufmerksam, wenn das Vermögen konzentriert in Aktien eines einzigen Unternehmens angelegt wird. Er empfahl eine Umschichtung, um die erforderliche Sicherheit sowie einen stetigen Ertrag zu gewährleisten.

15.2 Prüfungsfeststellungen


15.2.1 Entwicklung von Vermögen und Erträgen

Infolge von Aktienzukäufen zur Teilnahme an Kapitalerhöhungen der damaligen Vereinsbank und durch gestiegene Börsenkurse wuchs das Stiftungsvermögen bis zum 31.12.2005 auf 885,6 Mio. € an. Der Anteil des Aktienpakets am Stiftungsvermögen betrug zu dieser Zeit noch 68%.

Nach dem Jahresbericht 2005 des ORH hatte der Stiftungsrat beschlossen, die Quote der UniCredit-Aktien am Stiftungsvermögen in einem ersten Schritt auf unter 50% zu senken. Ende 2006 betrug sie daraufhin noch 39%.

In der Stiftungsratssitzung am 06.12.2006 bat der Stiftungsvorstand um die Zustimmung des Stiftungsrats, „die noch vorhandenen UniCredit-Aktien in Abstimmung mit dem Staatsministerium der Finanzen vollständig (...) verkaufen" zu können. Nach den Vorstellungen des Finanzministers, der diese Sitzung leitete, sollte dabei eine „Berücksichtigung des Kurses und der Alternativanlagen" erfolgen. Daraufhin erteilte der Stiftungsrat dem Vorstand die „grundsätzliche" Zustimmung zu einem Verkauf des Aktienpakets.

Nach den Plänen des Vorstands sollte das Aktienpaket bis zum Frühjahr 2007 zügig und in großen Stückzahlen, gleichwohl aber marktverträglich verkauft werden. Damit wurde Mitte Dezember 2006 begonnen. Am 15.01.2007 bat das Finanzministerium die Geschäftsstelle der Landesstiftung per E-Mail, die Aktienverkäufe vorerst zu stoppen. Das Ministerium fürchte aufgrund von Analystenmeinungen, wie später ergänzt wurde , die Stiftung würde „vorschnell" verkaufen.

Der Stiftungsvorstand entsprach dieser Bitte. Er plante, „nach ersten Verkaufsschritten und spätestens bei einem Kurswert von 7,20 €" wieder das Gespräch mit dem Finanzministerium zu suchen, um eine beschleunigte Trennung von dem noch vorhandenen Aktienpaket zu erreichen. Dieses Gespräch fand jedoch nicht statt. Nach Aktenlage verfolgte der Vorstand den Plan nicht weiter.

Die Stiftung hielt folglich zum Ende des Jahres 2007 noch immer 27,7 Millionen UniCredit-Aktien zu einem Kurswert von 5,60 €. Obwohl der Kurs seither ständig fiel, wurde der Bestand nicht weiter reduziert. Der Kurswert der Aktie betrug wegen des Verfalls der Börsenkurse zum 31.12.2010 noch 1,56 €.[4] Dies entspricht einem Wertverlust im Stiftungsvermögen zum 31.12.2007 von rd. 39 Mio. € und von weiteren rd. 111 Mio. € zum 31.12.2010, jeweils verglichen mit den nach dem ursprünglichen Verkaufsplan des Vorstandes zu erzielenden Erlösen.

Bei den laufenden Erträgen musste die Stiftung Einbußen hinnehmen. In den Jahren 2007 und 2008 konnten mit Ausschüttungen von 6,0 bzw. 6,4 Mio. € noch mit konservativen Anlagen vergleichbare Dividendenerträge erzielt werden. Im Jahr 2009 gab UniCredit statt einer Bardividende Gratisaktien aus, die dem Stiftungsvermögen zugeschlagen wurden. In den Jahren 2010 und 2011 erhielt die Landesstiftung eine Ausschüttung von jeweils 835.000 €. Für 2012 ist ein Ausfall der Dividenden angekündigt.

15.2.2 Verflechtung von Verwaltung und Aufsicht

Nach Gesetz und Satzung ist der Finanzminister stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrats. In dieser Funktion leitet er die Sitzungen dieses Gremiums, sofern der Ministerpräsident verhindert ist.

Da das Finanzministerium auch die Aufsicht über die Landesstiftung ausübt, ist der stellvertretende Stiftungsratsvorsitzende gleichzeitig Minister der Aufsicht führenden Behörde.

15.3 Würdigung und Empfehlungen des ORH

Weder Gesetz noch Satzung sehen bei Anlageentscheidungen die Möglichkeit für einen Vorbehalt des Finanzministeriums vor. Wie der Beschluss des Stiftungsrats zeigt, gingen die Verantwortlichen der Landesstiftung davon aus, dass das Finanzministerium in Vermögensangelegenheiten der Stiftung stets das letzte Wort hat. Nur so ist es erklärlich, dass der Vorstand den Erwartungen des Finanzministeriums zur Kursentwicklung gefolgt ist. Dies zeigt ein unklares (Selbst-)Verständnis der Beteiligten über die jeweilige Kompetenz und Verantwortung.

Der ORH hat deshalb auf die Unabhängigkeit der Landesstiftung hingewiesen und ihr empfohlen, ihre eigene Kompetenz auf dem Gebiet der Kapitalanlagen zu stärken. Insbesondere sollte die Stiftung ein eigenes Portfolio-Management aufbauen, den Kreis der Stiftungsratsmitglieder um mindestens einen externen Kapitalanlageexperten ergänzen, im Stiftungsrat einen Ausschuss für die Anlage des Stiftungsvermögens bilden und Anlagerichtlinien beschließen.

Vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft des Finanzministers im Stiftungsrat hält der ORH im Interesse der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde eine Trennung von Entscheidungs- und Aufsichtsfunktion für angebracht.

15.4 Stellungnahmen

15.4.1 Landesstiftung

In ihrer mit dem Finanzministerium abgestimmten Erwiderung vertritt die Landesstiftung die Auffassung, dass die Entscheidungen über die Aktienverkäufe in den Jahren 2006/2007 entsprechend dem Stiftungsratsbeschluss vom 06.12.2006 erfolgt seien. Sie hätten nach dem damaligen Kenntnisstand den Grundsätzen der sicheren und wirtschaftlichen Verwaltung eines Stiftungsvermögens entsprochen. Im Übrigen sei die Stückzahl der Aktien durch Verkäufe bereits um 75% des ursprünglichen Bestandes reduziert worden.

Nach dem Stiftungsratsbeschluss hatte der Aktienverkauf in Abstimmung mit dem Finanzministerium zu erfolgen. Analystenmeinungen seien im damaligen Zeitraum ganz überwiegend von einem Kursanstieg der UniCredit-Aktie ausgegangen. Um Kurssteigerungen beim Verkauf nutzen zu können, sollte der weitere Aktienverkauf ab Mitte Januar 2007 nur mehr „schrittweise und mit für die Landesstiftung positiven Bedingungen durchgeführt werden". Diese Vorgehensweise sei zwischen Vorstand und Finanzministerium abgestimmt gewesen. Die Einstellung des Verkaufs sei einem Kursrückgang ab 07.02.2007 geschuldet; auch sollte die Dividende für das Jahr 2006 (6 Mio. €) noch vereinnahmt werden, um die Erfüllung des Stiftungszwecks zu sichern.

Nach heutigem Kenntnisstand wäre es ohne Zweifel besser gewesen, sämtliche Aktien zu verkaufen. Zu Beginn des Jahres 2007 habe sich der Vorstand aber im Interesse der Stiftung auf die Einschätzungen unabhängiger Experten verlassen müssen, die „einhellig" empfohlen hätten, die UniCredit-Aktie sogar weiterhin zu kaufen.

Die Wertsteigerung des Stiftungsvermögens seit Gründung sei im Wesentlichen auf das beharrliche Halten der Aktien zurückzuführen. Den Wertverlust der letzten Jahre sieht die Stiftung als durch das „Wesen einer Aktie", das Wertausschläge nach oben und nach unten umfasse, gerechtfertigt. Insgesamt habe die Landesstiftung eine Erfolgsgeschichte vorzuweisen und durch die bereits vorgenommenen Verkäufe den richtigen Weg eingeschlagen.

Einen ersten Schritt zur Stärkung der Kompetenz im Bereich der Vermögensverwaltung habe die Landesstiftung bereits durch die Beauftragung eines externen Beraters für die strategische Vermögenszusammenstellung unternommen. Angestrebt sei darüber hinaus ein Erfahrungsaustausch mit anderen größeren Stiftungen über Fragen der Anlagepolitik.

Über die weitergehenden Empfehlungen des ORH solle im Stiftungsrat in den nächsten Sitzungen beraten werden. Die Frage einer Erweiterung des Kreises der Stiftungsratsmitglieder um einen externen Kapitalanlageexperten sei allerdings an den Landtag zu richten, da hierfür eine Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Landesstiftung erforderlich ist.

15.4.2 Finanzministerium

Das Finanzministerium sieht keinen Zusammenhang zwischen „den von den Stiftungsorganen getroffenen Entscheidungen zum Verkauf der UniCredit-Aktien" und der Ressortierung der Stiftungsaufsicht im zuständigen Fachreferat. Dennoch hat es zum 01.09.2011 die Aufsicht einem anderen Referat übertragen und unmittelbar dem Amtschef unterstellt. Anlass für eine noch weitergehende Trennung der Funktionen sieht das Finanzministerium nicht.

15.5 Schlussbemerkung des ORH

Die Landesstiftung rechtfertigt ihre Entscheidung mit der Erwartung von Kursgewinnen bei einem verzögerten Verkauf. Der ORH kann hierin keine Abkehr von der bisherigen Anlagestrategie erkennen. Im Übrigen fand der ORH bei seinen örtlichen Erhebungen die in der Stellungnahme angeführten Analystenmeinungen weder in den Akten der Stiftung noch des Finanzministeriums dokumentiert.

Angesichts eines Vermögens von rd. 800 Mio. € bekräftigt der ORH seine Empfehlung, die Kompetenz der Landesstiftung auf dem Gebiet der Kapitalanlagen zu stärken und ggf. auch das Gesetz zu ändern.

Der ORH weist im Übrigen darauf hin, dass auch bei anderen Stiftungen und Sondervermögen in der Verwaltung der öffentlichen Hand Aufsichtsfunktionen und die Mitgliedschaft in den Entscheidungsgremien nicht klar getrennt sind.




[1]Gesetz über die Errichtung der Bayerischen Landesstiftung vom 01.04.1972 (BayRS IV, S. 474); Satzung der Bayeri­schen Landesstiftung vom 09.01.1973 (BayRS IV, S. 475).
[2]ORH-Bericht 1996 TNr. 31.
[3]ORH-Bericht 2005 TNr. 23.
[4]Im Verlauf des Jahres 2011 sank der Börsenkurs weiter ab; teilweise lag er unter 0,70  €.

 

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>Landesstiftung "Hilfe für Mutter und Kind"


>Bayerische Landesstiftung (ORH-Bericht 2005)