Jahresbericht 2012

TNr. 16: Optimierungspotenziale beim Nationalpark Bayerischer Wald

Wald

Bei der Nationalparkverwaltung können Zielsetzung, Infrastruktur, Haushalt, Organisation und Einsatz des Personals verbessert werden. Das Umweltministerium ist aufgefordert, seine Aufsichts- und Steuerungsfunktion konsequent wahrzunehmen.

Der ORH und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter Regensburg und Bayreuth haben 2010 die Einnahmen und Ausgaben der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald geprüft.

16.1 Ausgangslage

Der Nationalpark Bayerischer Wald wurde am 07.10.1970 als erster deutscher Nationalpark eröffnet. Das Nationalparkgebiet hat eine Größe von rd. 24.000 ha, die sich fast vollständig im Eigentum des Freistaates befinden. Der Nationalpark Bayerischer Wald bildet gemeinsam mit dem direkt angrenzenden tschechischen Nationalpark „Sumava" (rd. 69.000 ha) das größte zusammenhängende Waldschutzgebiet Mitteleuropas.

 

TNr 16 Abb 4

 

Die Nationalparkverwaltung mit Hauptsitz in Grafenau ist seit 2003 eine unmittelbar nachgeordnete Behörde desUmweltministeriums. Zuvor war sie dem Landwirtschaftsministerium zugeordnet.

16.2 Feststellungen und Bewertung des ORH


16.2.1 Nationalparkplan

Die Verwaltung hat einen Nationalparkplan aufzustellen, der der Genehmigung des Ministeriums bedarf. Er soll die Ziele und Maßnahmen für die Entwicklung des Nationalparks darstellen.

Der Nationalparkplan ist der Managementplan für den Nationalpark Bayerischer Wald. Er soll der Verwaltung zum einen als Grundlage für die eigene Arbeit dienen und zum anderen die Tätigkeit für andere Behörden, Institutionen, Verbände und Einwohner nachvollziehbar machen. Im aktuellen Entwurf fehlen oft klare Ziele, die eine Erfolgsbewertung ermöglichen würden.

1993 wurde ein erster Entwurf des Nationalparkplans vorgelegt. Eine genehmigte Fassung liegt bis heute nicht vor. Der ORH fordert klare Ziele und eine effektive Überprüfung des Zielerreichungsgrads anhand von Indikatoren.

16.2.2 Walderhaltungs- und Waldpflegemaßnahmen: Vergabe von Aufträgen bei der Borkenkäferbekämpfung

Im Nationalpark gilt der Grundsatz „Natur Natur sein lassen". Daher wird der Borkenkäfer in weiten Teilen des Nationalparks nicht bekämpft. Die Nationalparkverwaltung trifft jedoch Waldschutzmaßnahmen, um den angrenzenden Wald vor Borkenkäferbefall zu bewahren.

Im Rahmen der Borkenkäferbekämpfung wurden 2009 rd. 143.000 Festmeter (fm) Holz eingeschlagen. Der größte Teil (rd. 127.000 fm) wurde aufgearbeitet und verkauft. Der Sachaufwand hierfür betrug einschließlich der Borkenkäferkontrolle 3,8 Mio. €. Mit der Aufarbeitung und Entrindung von Borkenkäferholz hatte die Nationalparkverwaltung Unternehmen beauftragt (Seilkranarbeiten, Handentrindung, Holzeinschlag, Holzaufarbeitung). Ausschreibungen wurden nicht durchgeführt.

Die tatsächlich abgerechneten Leistungen waren häufig um ein Vielfaches höher als die Vertragsmengen (Festmeter oder Stunden):

  • Beispiel A (Seilkranarbeiten): Vertragsmenge 7.000 fm, abgerechnete Menge 25.000 fm
  • Beispiel B (Handentrindung): Vertragsmenge 400 fm, abgerechnete Menge 15.000 fm
  • Beispiel C (Holzaufarbeitung und -bringung): Vertragsmenge 500 fm, abgerechnete Menge 6.800 fm

Der ORH weist darauf hin, dass bei derartig hohen Überschreitungen der vereinbarten Vertragsmengen Nachtragsverträge hätten ausgehandelt werden müssen. Auch bei einer aus Eilgründen erfolgenden Freihändigen Vergabe müssen Vergleichsangebote eingeholt werden. Es sollten realistische Mengen ausgeschrieben werden.

16.2.3 Baumwipfelpfad

Eine Aktiengesellschaft hat in Kooperation mit der Nationalparkverwaltung einen Baumwipfelpfad im Bereich zwischen Hans-Eisenmann-Haus und Tierfreigelände am Standort Neuschönau errichtet (Einstiegsturm, Baumwipfelpfad, Aussichtsturm). Als jährliches Nutzungsentgelt wurde eine Umsatzpacht vereinbart. Die Umsatzpacht wird nur dann fällig, wenn die Anlage mit Gewinn betrieben wird. Hierzu darf der private Betreiber Gemeinkosten aller seiner Standorte anteilig verrechnen. Dies kann einen erheblichen Einfluss auf die Höhe der Einnahmen des Staates haben.

Es ist eine Vertragsänderung anzustreben. Das Nutzungsentgelt sollte sich aus Sicht des ORH ausschließlich am Umsatz orientieren. Gerade die Einbeziehung der Gemeinkosten birgt ein erhebliches Risiko, auf das die Nationalparkverwaltung keinen Einfluss nehmen kann. Zusätzlich sollte ein Mindestnutzungsentgelt vereinbart werden.

16.2.4 Unterbringung im Jugendwaldheim

Die Nationalparkverwaltung betreibt ein Jugendwaldheim, in dem 55 Personen untergebracht werden können. Das Defizit 2009 im Beherbergungsbereich belief sich auf rd. 190.000 €.

Außerhalb des Nationalparks liegen einige Jugendherbergen und Schullandheime.

Die Beherbergung ist keine Aufgabe des Staates und sollte den Jugendherbergen und Schullandheimen überlassen bleiben. Die Verwaltung sollte sich hier auf die Bildungsarbeit konzentrieren.

16.2.5 Forschung

Die Nationalparkverwaltung unterhält eine Vielzahl wissenschaftlicher Projekte. Zum Stand Mai 2010 waren in ihrer Forschungsdatenbank 92 Forschungs- und Monitoringprojekte als „aktuell" benannt. 2009 beliefen sich die Ausgaben auf rd. 530.000 €.

Es wurden folgende Defizite festgestellt:

  • Die Projektbeschreibungen waren unzureichend und unklar.
  • Eine Kostenzuordnung je Projekt ist nur mit viel Aufwand manuell möglich.
  • Bei den länger laufenden Monitoringprojekten gibt es keine Zwischenevaluierungen.

Eine Vielzahl der laufenden Projekte wird finanziell und fachlich nicht ausreichend überwacht und der Projektfortschritt nicht dokumentiert. Der ORH fordert, die festgestellten Defizite zu beheben.

16.2.6 Nationalparkwacht

Im Nationalpark Bayerischer Wald ist eine Nationalparkwacht (Ranger) eingerichtet, die u. a. die Besucher im Gelände informieren und das Schutzgebiet überwachen soll. Neben dem Leiter und einem Mitarbeiter in der Verwaltung wurden hierfür 2009 27 Ranger (24,8 VZK) eingesetzt (Personalvollkosten rd. 1,6 Mio. €). Während der Woche (Montag bis Freitag) waren durchschnittlich 60% der Ranger im Dienst, am Wochenende 40%.

Obwohl das Besucheraufkommen am Wochenende deutlich höher ist als unter der Woche, sind die Ranger vor allem wochentags im Dienst. Der Personaleinsatz sollte aus Sicht des ORH nach dem Besucheraufkommen gesteuert werden.

16.2.7 Einnahmen aus Verpachtung


Die Nationalparkverwaltung verfügt nach eigenen Angaben zum Zeitpunkt der Prüfung über keine Zusammenstellung zu Umsatz- und Erbpachten. Deshalb kann die Verwaltung nicht überblicken, welche Laufzeiten die jeweiligen Vereinbarungen und Gestattungen haben. Damit sind auch rechtlich mögliche Anpassungen der Nebennutzungsentgelte nicht fristgerecht möglich. So wurde z. B. die Frist für eine rechtlich zulässige Neuvereinbarung eines Pachtzinses für einen Verkaufskiosk versäumt, da der Verwaltung die Existenz des Pachtvertrages nicht bekannt war.

Bei den derzeit bestehenden Verträgen zu den gastronomischen Einrichtungen ist Folgendes festzustellen:

  • In den Erbbaurechtsverträgen ist für den Erbbauzins eine Wertsicherungsklausel enthalten. Soweit aus den Geschäftsvorgängen erkennbar, wurde bisher keine Prüfung der Wertbeständigkeit und eine ggf. mögliche Anpassung des Erbbauzinses vorgenommen.
  • Die Umsatzpachten weisen eine Bandbreite zwischen 0,5% (Falkensteinschutzhaus) und 15% (Racheldiensthütte) auf. Sachliche Gründe für die Spreizung der Pachten konnten von der Verwaltung nicht dargelegt werden.
  • Eine Mindestumsatzpacht ist nicht in allen Fällen vereinbart.
  • Die gegenwärtige Sachbehandlung ohne fachkundige Beteiligung durch die IMBY ist nicht geeignet, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben.

Die Verwaltung muss aus Sicht des ORH die Sach- und Rechtslage dokumentieren. Auch muss sie mit der IMBY die jeweiligen Zuständigkeiten definieren und gemeinsam mit ihr eine Prüfung (Anpassung des Erbbauzinses, Angemessenheit der Höhe der Umsatzpachten, Mindestumsatzpacht) vornehmen. Finanzielle Nachteile für den Staat sind zu vermeiden.

16.2.8 Einnahmen aus der Verwertung von Holz

Die Einnahmen aus der Verwertung von Holz resultieren aus der Borkenkäferbekämpfung. Eine Auswertung der Holzeinnahmen 2006 bis 2009 hat im Vergleich zu den Ansätzen im Haushaltsplan folgende Mehreinnahmen ergeben:

TNr 16 Tab 36

Die Mehreinnahmen betragen in diesen Jahren über 25 Mio. €. Nach den Erhebungen des ORH werden rd. 65% davon für vermehrte Ausgaben im Rahmen des Holzeinschlags (z. B. für Forstunternehmer) benötigt.

Aufgrund eines Haushaltsvermerks, wonach zusätzliche Einnahmen die Ausgabebefugnis erhöhen, können die verbleibenden 35% zur Deckung von anderen Ausgaben verwendet werden.

Mit diesem Vermerk im Haushaltsplan verfügte die Nationalparkverwaltung über erhebliche zusätzliche freie Mittel (2006 bis 2009: rd. 9 Mio. €). Der Nationalparkverwaltung steht damit über Jahre hinweg ein „Sonderetat" für verschiedene Ausgaben zur Verfügung, der in dieser Form aus dem Haushaltsplan nicht ersichtlich ist. Angesichts der erheblichen Höhe dieser Einnahmen erscheint es geboten, diese Mittel ins Haushaltsverfahren einzubeziehen.

Der ORH empfiehlt die Anpassung des entsprechenden Vermerks im Haushaltsplan, damit derartige Mittel dem Staatshaushalt zufließen.

16.3 Stellungnahme der Nationalparkverwaltung

Die Nationalparkverwaltung strebt an, das Verwaltungshandeln zu optimieren und wirtschaftlicher zu gestalten.

Das Umweltministerium hat mitgeteilt, dass die Inkraftsetzung des Nationalparkplans unmittelbar bevorstehe. Er sei nicht primär ein auf die innere Steuerung gerichtetes Werkzeug zur Sicherstellung eines wirtschaftlichen und bedürfnisorientierten Handelns, sondern in erster Linie nach außen gerichtet. Da keine gültige Planfassung vorliege, habe er auch keiner Erfolgsbewertung unterzogen werden können. Bei der künftigen Fortschreibung des Nationalparkplans würden die Anmerkungen des ORH beachtet.

Bei der Borkenkäferbekämpfung will das Umweltministerium z. B. bei Überschreitung der Vertragsmengen künftig Nachtragsverträge aushandeln.

Das Ministerium meint, da der Baumwipfelpfad erfolgreich laufe, sei nicht zu erwarten, dass die Umsatzpacht nicht entrichtet würde. Verhandlungen zur Fixierung eines Mindestnutzungsentgelts liefen.

Bei den Jugendbildungsstätten seien zwischenzeitlich die Kostensätze für den Aufenthalt erhöht worden und entsprächen damit denen von Schullandheimen mit entsprechender Ausstattung. Die Vergabe des Beherbergungsbetriebs nach außen sei nicht angemessen.

Im Bereich der Forschung werde zu Beginn jeder Arbeit künftig eine Projektbeschreibung erfolgen. Insbesondere werde eine Zeit- und Finanzplanung Bestandteil der Projektbeschreibung sein. Künftig werde insbesondere bei Projekten, die über einen Zeitraum von fünf Jahren hinausgingen, eine Zwischenevaluierung erfolgen.

Es sei zwar wünschenswert, dass an Wochenenden die Präsenz der Ranger (Nationalparkwacht) im Gelände höher wäre als während der Werktage. Dem stünden allerdings Arbeitsverträge, der Tarifvertrag und Dienstvereinbarungen entgegen.

Zu den Einnahmen aus Verpachtung seien zwischenzeitlich die Verträge überprüft und teilweise die Entgelte angepasst worden. Die Verwaltung habe mit der IMBY Kontakt aufgenommen. Diese würde insoweit Unterstützung anbieten.

Für eine Änderung des Haushaltsvermerks (Einnahmen aus der Verwertung von Holz) sieht das Umweltministerium keine Veranlassung. Die Mehreinnahmen seien für Infrastrukturprojekte wie die Neugestaltung der Ausstellungen, Verbesserungen im Tierfreigehege etc. eingesetzt worden.

16.4 Abschließende Bemerkung des ORH

Die Nationalparkverwaltung ist aufgefordert, die vielfältigen hier nur beispielhaft dargestellten Defizite zu beheben. Das Ministerium sollte seiner Steuerungsfunktion stärker nachkommen. Im Entwurf des Haushaltsplans sollte der Haushaltsvermerk dem tatsächlichen Bedarf für die Borkenkäferbekämpfung angepasst werden.