Jahresbericht 2014

TNr. 16: Förderung von Kinder- und Jugendtheatern

Eingang des Münchner Theaters für Kinder

Die einschlägigen Fördertatbestände für Kinder- und Jugendtheater sollten klar gefasst und beachtet werden.

Die Voraussetzungen für eine staatliche Förderung des Münchner Theaters für Kinder liegen nicht mehr vor. Daher sollte diese Förderung - ggf. nach einer Übergangszeit - eingestellt werden.

Der ORH hat zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Bayreuth in den Jahren 2010 bis 2013 die Verwendung der staatlichen Förderung bei sechs Kinder- und Jugendtheatern geprüft. Schwerpunkt der Prüfung war die Einhaltung der Förderkriterien sowie die Haushalts- und Wirtschaftsführung.


16.1 Ausgangslage

Der Freistaat fördert mit jährlich 65 Mio. € nichtstaatliche Theater und sonstige Einrichtungen auf dem Gebiet der darstellenden Kunst; darunter sind 14 reine Kinder- und Jugendtheater in privater Trägerschaft. Für diese 14 Theater wurden im Haushalt jährlich 1 Mio. € an Fördermitteln bereitgestellt.

Der ORH hat folgende sechs Kinder- und Jugendtheater geprüft, auf die insgesamt 75% der Fördermittel entfielen:


Die Förderung von Kinder- und Jugendtheatern dient der Erfüllung eines bildungspolitischen Auftrags und der Heranführung von Kindern und Jugendlichen an das Theater. Die Vergabe der Fördermittel erfolgt nach den allgemeinen Fördergrundsätzen für die nichtstaatlichen Theater.

Nach diesen Fördergrundsätzen[1] waren u. a. folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Kommunale Förderung: Die staatliche Förderung kommt i. d. R. nur dann in Betracht, wenn die örtlich zuständigen kommunalen Gebietskörperschaften die Einrichtung angemessen fördern und der Zuschussbedarf deren Leistungsfähigkeit übersteigt.
  • Professioneller Betrieb: Bei ganzjährigem Spielbetrieb sollen mindestens 100 Theatervorstellungen in Eigenproduktion und vier Neuproduktionen (seit 2012 zwei Theaterproduktionen für Theater in privater Trägerschaft und eine Neuproduktion für Kinder- und Jugendtheater) durchgeführt werden.
  • Eigenes Ensemble: Neben dem festangestellten ständigen Personal werden überwiegend künstlerische Mitglieder auf der Basis von zumindest produktionsbezogenen Stückverträgen mit Sozialversicherungspflicht beschäftigt.
  • Besondere überregionale Bedeutung: Grundsätzlich keine Förderung von Bühnen mit Sitz in München, es sei denn, dass diese einen überwiegenden Anteil des Spielbetriebs außerhalb Münchens bestreiten.
  • Mehrjähriger (mindestens fünfjähriger) erfolgreicher Betrieb.

Im Einzelfall können Ausnahmen von einzelnen Fördervoraussetzungen zugelassen werden, wenn dies wegen der überregionalen Bedeutung und der einzigartigen speziellen Schwerpunktsetzung vertretbar erscheint.


16.2 Feststellungen


16.2.1 Einhaltung der Fördergrundsätze


16.2.1.1 Kommunale Förderung

Außer dem Theater für Kinder in München erhalten alle Theater eine kommunale Förderung. DieLandeshauptstadt München lehnt dies mit der Begründung ab, dass sie ein eigenes Kinder- und Jugendtheater (Schauburg) betreibe. Bis in die 1990er-Jahre hatte die Landeshauptstadt München einen jährlich unterschiedlichen Zuschuss geleistet. Im Jahr 2008 hat die Stadt dem Theater letztmals eine einmalige Förderung von rd. 60.000 € für Investitionen im Brandschutzbereich und notwendige Personalmittel während der Umbauzeit gewährt. Obwohl die angemessene Förderung durch die Sitzkommune grundsätzliche Voraussetzung für die Förderung durch den Freistaat ist, wird das Münchner Theater für Kinder seit Jahren sehr hoch allein vom Freistaat bezuschusst.

Bei der Finanzierung der Theater Pfütze und Mummpitz in Nürnberg ist noch auf eine Besonderheit hinzuweisen: Das Staatstheater Nürnberg bietet kein eigenes Kinder- und Jugendtheater im Schauspielbereich an; es gibt zwischen dem Staatstheater und den beiden Theatern eine Kooperationsvereinbarung, um "hochwertiges Kindertheater für Nürnberg und die Region sicherzustellen". Dabei verpflichten sich beide Theater, pro Spielzeit - ergänzend zu ihrem sonstigen Programm - abwechselnd je eine Neuproduktion und Wiederaufnahme in Kooperation mit dem Staatstheater zu realisieren. Als Gegenleistung erhalten sie dafür eine feste Grundfinanzierung und zusätzlich verbleiben die aus den Vorstellungen erzielten Einnahmen bei den Häusern.


16.2.1.2 Anzahl der Vorstellungen und Neuproduktionen

Alle Kinder- und Jugendtheater boten im Prüfungszeitraum mindestens 100 Vorstellungen an. Die bis 2012 geltende Vorgabe, mindestens vier Neuproduktionen pro Spielzeit zu erbringen, konnten die Theater nicht oder nur durch weitere kleinere mobile Produktionen erfüllen. Durch die ab 2012 gültige Reduzierung auf eine eigene Neuproduktion für Kinder- und Jugendtheater dürfte sich dieses Problem in der Zukunft nicht mehr stellen.

Die gegenüber den (bis 2012 geltenden) Fördergrundsätzen unzureichende Anzahl an Neuproduktionen glichen alle Theater mit Ausnahme des Münchner Theaters durch theaterpädagogische Arbeit aus. Hierzu zählen Begleitmaterial für Kindergärten/ Schulen, Workshops, Informationsveranstaltungen für Lehrer, die Erarbeitung von Klassenstücken oder fremdsprachige Stücke. Das Theater Chapeau Claque hat z. B. im Jahr 2012 280 theaterpädagogische Veranstaltungen angeboten.


16.2.1.3 Haushalts- und Wirtschaftsführung

Das Münchner Theater für Kinder hat im Jahr 2009 keine und in den Jahren 2010 und 2011 nur eine Neuproduktion pro Spielzeit auf die Bühne gebracht. In den Zuschussanträgen an das Wissenschaftsministerium wurden demgegenüber bis zu elf Neuinszenierungen pro Spielzeit angekündigt. Ein derartiger Wegfall von Neuproduktionen verändert den Finanzierungsbedarf eines Theaters erheblich.

Bei allen untersuchten Bühnen konnte vom ORH die Buchführung nur mit erheblichem Zeitaufwand mit dem Verwendungsnachweis abgeglichen werden. Dabei wurde festgestellt, dass in allen Fällen Beträge ausgewiesen wurden, die nicht dem Theaterbetrieb zuzurechnen und damit nicht zuwendungsfähig waren (Ausgaben für sonstige Veranstaltungen oder Projekte, Abschreibungen, private Ausgaben u. a.). Da die Kostenansätze lt. Zuwendungsbescheid dennoch eingehalten wurden, ergaben sich keine Rückforderungstatbestände.

Beim Münchner Theater für Kinder wurden gravierende Mängel in der Haushalts- und Wirtschaftsführung festgestellt. Aufgrund der vorhandenen Belege, Übertragungsfehler in der Buchhaltung und Abweichungen zwischen dem tatsächlichen Zahlenmaterial und Angaben in den Verwendungsnachweisen konnte keine geordnete und nachvollziehbare Buchführung attestiert werden.

Das Theater hatte im Prüfungszeitraum zudem Verbindlichkeiten in beträchtlicher Höhe. Rund die Hälfte davon entfallen auf Rückstände für Sozialabgaben. Die Ergebnisse des Spielbetriebs waren in den letzten Jahren stetig rückläufig.[2]


16.3 Würdigung

Das Wissenschaftsministerium muss in den Verwendungsnachweisen auf die Abgrenzung von nicht theaterspezifischen Einnahmen und Ausgaben achten.

Das Wissenschaftsministerium hat die Zahl der erforderlichen Neuproduktionen abgesenkt und zum Ausgleich dafür theaterpädagogische Angebote als zulässig erachtet. Diese Praxis sollte in den Fördergrundsätzen verankert werden.

Der ORH hat erhebliche Zweifel, ob aufgrund der Mängel in der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Münchner Theaters für Kinder eine zweckentsprechende Verwendung der staatlichen Mittel gewährleistet ist. Im Übrigen ist der Einsatz von staatlichen Mitteln nach Auffassung des ORH nicht mit dem Umstand vereinbar, dass der Zuwendungsempfänger seinen Zahlungsverpflichtungen für Sozialabgaben nicht ordnungsgemäß nachkommt.

Das Wissenschaftsministerium begründet seine Förderung - trotz seit vielen Jahren fehlender kommunaler Zuschüsse - mit der Überregionalität des Theaters. Aufgrund des Rückgangs von Vorstellungen, Gastspielen und Besucherzahlen erfüllt das Theater das Kriterium "Überregionalität" allerdings zunehmend nicht mehr. Dadurch entfällt auch die Grundlage für eine Ausnahme in diesem Einzelfall.


16.4 Stellungnahme der Verwaltung

Das Wissenschaftsministerium stimmt dem ORH zu, dass auf eine klare Trennung der Ausgaben in den Verwendungsnachweisen zu achten sei; allerdings seien auch die Gesamtausgaben durchaus von Interesse, um sich ein Bild von der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Theaterbetriebs zu machen.

Das Wissenschaftsministerium werde den Hinweis, das Angebot von theaterpädagogischen Veranstaltungen verpflichtend in den Fördergrundsätzen zu verankern, bei der nächsten Überarbeitung der Fördergrundsätze aufgreifen.

Das Wissenschaftsministerium stimmt dem ORH zu, dass die Förderung durch die Sitzkommune wegen des Grundsatzes der Subsidiarität der staatlichen Förderung unabdingbare Voraussetzung für eine Förderung durch den Freistaat sei. Die Ausnahmeregelung für das Münchner Theater für Kinder sei zumindest in der Vergangenheit gerechtfertigt gewesen, weil viele Kinder aus dem Umland die Vorstellungen besuchten und das Theater zudem zahlreiche Gastspiele im Umland durchgeführt habe. Hinzu käme, dass in den vergangenen Jahren kein ausreichendes Angebot für Kinder im Vorschulalter bestanden habe. Dies habe sich mittlerweile durch ein erweitertes Angebot der städtischen Bühne "Schauburg", aber auch durch die Angebote der Münchner Staatstheater grundlegend gewandelt.

Zumindest für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren sollte gleichwohl beim Theater für Kinder die Förderung fortgesetzt werden. Damit solle dem Theater die Möglichkeit gegeben werden, durch Umstrukturierungsmaßnahmen auch ohne staatliche Förderung, dafür aber mit kommunalen und privaten Zuwendungen den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Das Münchner Theater für Kinder hat in einer ergänzenden Stellungnahme auf Folgendes hingewiesen:

Zukünftig werde eine kommunale Förderung angestrebt. Die Angebote des Münchner Theaters für Kinder und der Schauburg würden sich gut ergänzen. Deshalb plane das Theater, die unkoordiniert praktizierte Arbeitsteilung zwischen den beiden Theatern zu verbessern. Es strebe daher eine Kooperationsvereinbarung zwischen beiden Häusern an. Zudem solle im Jahr 2014 das Theater in eine neue Trägerschaft überführt und ein Förderverein gegründet werden, um die kommunale Förderung zu erleichtern und private Zuwendungen besser zu akquirieren.

Das Theater führt aus, dass es in der Vergangenheit zu buchungstechnischen Problemen und Fehlern gekommen sei. Ab jetzt werde das Theater auf kaufmännischer Seite fachmännisch unterstützt und die Buchhaltung in professionelle Hände überführt. Aufgrund der buchhalterischen Probleme seien die Überfälligkeit von Sozialabgaben und andere Verbindlichkeiten lange unentdeckt geblieben. Derzeit würden keine Sozialabgaben mehr ausstehen. Auch die übrigen Außenstände und Verbindlichkeiten seien vollständig beglichen oder zumindest stark reduziert worden.

Da die kaufmännische Seite unter Kontrolle sei, werde man sich künftig wieder mehr der inhaltlichen Seite widmen können. Man sei auch überzeugt, dass das Theater nach wie vor überregional beliebt sei. Künftig werde daher die Herkunft der Besucher statistisch erfasst.

Zum theaterpädagogischen Angebot merkt das Theater an, dass bislang kein Bedarf an zusätzlichem pädagogischem Lehrmaterial zugetragen worden sei. Das Theater werde aber bei den Lehrkräften der Schulklassen den Bedarf abfragen.


16.5 Schlussbemerkung ORH

Die einschlägigen Fördertatbestände für Kinder- und Jugendtheater sollten klar gefasst und auch beachtet werden.

Der ORH nimmt die beim Theater für Kinder erreichten und beabsichtigten Verbesserungen zur Kenntnis. Gleichwohl ist der ORH, in Übereinstimmung mit dem Wissenschaftsministerium, der Auffassung, dass die bisherige Ausnahmeregelung nicht mehr gerechtfertigt ist. Die Förderung des Theaters für Kinder liegt in der Entscheidung der Stadt München. Die staatliche Förderung sollte - ggf. nach einer Übergangszeit - eingestellt werden.

 



[1] StMBW: Grundsätze für die Förderung nichtstaatlicher Theater (Stand: 10.10.2013),http://www.stmwfk.bayern.de/fileadmin/user_upload/PDF/Kunst/theaterfoerderung_grundsaetze.pdf (abgerufen am 23.02.2014).
[2] Besucherzahlen ausgehend von verkauften Tickets: 2009: 66.479; 2010: 65.325; 2011: 57.847; Anzahl der Vorstellungen: 2009: 471;
2010: 473; 2011: 417; davon Gastspiele: 2009: 30; 2010: 32; 2011: 25.

 

ÄHNLICHE BEITRÄGE

>Leistungsbezogene Verteilung der staatlichen Zuschüsse im Theaterbereich