TNr. 27: Organisation und Personalwirtschaft bei der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen sind unzureichend

Der ORH fordert ein professionelles Planungs-, Steuerungs- und Dokumentationssystem für den Seminarbetrieb. Die Regelungen zur Arbeitszeit und die Arbeitszeitkonten sind schnellstmöglich zu korrigieren.
Das Ministerium muss sicherstellen, dass die organisatorischen Defizite bei der ALP beseitigt werden.
27.1 Ausgangslage
Die ALP ist eine dem Kultusministerium nachgeordnete Behörde und übernimmt u. a. die Aufgabe der zentralen Fortbildung von Lehrern aller Schularten und aller Unterrichtsfächer (außer Sport und Religion) und von Führungskräften. Neben Konzeption, Organisation und Durchführung der Seminarangebote (Präsenz und online) nimmt die ALP auch eine koordinierende und steuernde Rolle hinsichtlich der anderen Ebenen der staatlichen Lehrerfortbildung wahr.In der Errichtungsverordnung sind die Aufgaben der Akademie wie folgt geregelt:
- Aufgabe der Akademie ist es, Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer aller Schulgattungen durchzuführen und dabei den steigenden fachlichen Anforderungen und der Weiterentwicklung des Schulwesens Rechnung zu tragen.[1]
- Die Akademie ist für die Beratung und Fortbildung in Medienpädagogik und Mediendidaktik sowie in Informations- und Kommunikationstechnik in Bayern zuständig.[2]
An der ALP lehren hauptamtliche Dozenten (eigenes Personal) und externe Referenten. Die hauptamtlichen Dozenten der ALP sind nahezu ausschließlich ausgebildete Pädagogen. Als externe Referenten setzt die ALP überwiegend Schul- und Hochschullehrer ein. Über deren Einsatz in den Seminaren entscheidet i. d. R. der jeweilige hauptamtliche Dozent, ggf. unter Einbeziehung der Abteilungs- oder Akademieleitung. Der Bereich Bildung ist in fünf Bildungsabteilungen mit 39 Referaten untergliedert.
Die Seminarangebote der ALP umfassen auch wiederkehrende Kurse (z. B. Führungskräftefortbildung und Beratungslehrer), Aufträge des Kultusministeriums (z. B. Multiplikatorenausbildungen zu speziellen Themen) und von Teilnehmern angeregte Kurse.
27.2 Feststellungen
27.2.1 Steuerung des Dozenteneinsatzes
Der Akademieleitung war unbekannt, inwieweit die hauptamtlichen Dozenten in den Lehrgangsbetrieb eingebunden waren, insbesondere welche Bildungsleistung sie selbst erbrachten und in welchem Umfang sie von externen Referenten unterstützt wurden.Die ALP hat für ihren Seminarbetrieb kein adäquates Planungs- und Steuerungssystem eingerichtet. Eine Planung des Dozenteneinsatzes mit messbaren Vorgaben gab es nicht. Die ALP hat weder die zu haltenden Seminarstunden festgelegt noch die Seminarstunden erfasst, in denen die Dozenten im Seminar anwesend waren.
Der Leitung der ALP war auch nicht bekannt, ob und in welchem Umfang die Dozenten weitere Aufgaben außerhalb des eigentlichen Seminarunterrichts wahrgenommen haben (z. B. Gewinnen externer Dozenten für kurzfristige Sonderaufgaben oder das Erstellen von Konzepten im Auftrag des Kultusministeriums). Die ALP konnte daher zu wesentlichen Faktoren für den Einsatz und die Auslastung der hauptamtlichen Dozenten keine konkreten Angaben machen.
27.2.2 Lehrtätigkeit
Im Rahmen der Prüfung wurde die Lehrtätigkeit der Dozenten der Abteilungen I bis IV untersucht.[3] Hier waren 32 Dozenten (29 VZK) tätig. Wegen des fehlenden Überblicks der ALP hat die Rechnungsprüfung die Seminarprogramme für zwei Halbjahre (Februar 2012 bis Januar 2013)[4] hinsichtlich der durchgeführten Seminare ausgewertet. Insoweit erfasst und bewertet wurde die reine Seminararbeit.Die Auswertung der beiden Seminarprogramme hat ergeben, dass ein Dozent, bezogen auf ein Schuljahr mit 36 Schulwochen, durchschnittlich 3 Lehrgangswochenstunden selbst unterrichtet bzw. eröffnet oder abgeschlossen hat.[5] Dabei entspricht eine Seminarstunde 45 Minuten.
Um dies zu verifizieren, wurden die Dozenten zusätzlich zum damals aktuellen Schulhalbjahr Februar bis Juli 2013[6] befragt. Die Interviews bestätigten das Ergebnis der Auswertungen von 3 Lehrgangswochenstunden.[7] Nach eigenen Angaben der Dozenten waren sie zusätzlich an durchschnittlich 11 Seminarstunden pro Woche bei Vorträgen der externen Referenten anwesend.
Ein hauptamtlicher Dozent war somit in einer Lehrgangswoche durchschnittlich 14 Seminarstunden im Seminar anwesend. Die einzelnen Werte unterschieden sich zwischen den Dozenten erheblich. Die Schwankungsbreite bei den selbst gehaltenen Seminarstunden lag zwischen 0 und 6 Stunden pro Lehrgangswoche, bei der Begleitung externer Referenten zwischen 6 und 16 Stunden pro Lehrgangswoche.
Den weit überwiegenden Teil der Seminarveranstaltungen haben bezahlte oder unentgeltliche externe Referenten abgedeckt. Allein der Einsatz der bezahlten externen Referenten betrug - bezogen auf Seminarwochenstunden - das 4,6-fache der hauptamtlichen Dozenten.
27.2.3 Arbeitszeit
An der ALP leisteten die Dozenten die tägliche Arbeitszeit im Rahmen der gleitenden Arbeitszeit mit einer Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden ab. Die Arbeitszeitverordnung sieht eine tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden innerhalb einer Rahmenzeit von täglich 14 Stunden vor.Obwohl die Akademieleitung keinen Überblick über die konkrete Auslastung der hauptamtlichen Dozenten hatte, hat sie sehr "großzügige", z. T. rechtswidrige Regelungen zur Arbeitszeiterfassung erlassen. Der ORH hat die Zeitkonten von 12 Dozenten im Kalenderjahr 2012 konkret untersucht; aus den Zeitaufschreibungen ergab sich:
- Die gesetzliche Höchstgrenze von 10 Stunden für die tägliche Arbeitszeit wurde häufig überschritten, bei einem Dozenten 71-mal und um bis zu 5 Stunden pro Arbeitstag.
- Es wurden Stunden außerhalb der bei der ALP praktizierten 14-stündigen Rahmenzeit (07:00 bis 21:00 Uhr) angerechnet.
- Die genannten Zeiten wurden ohne ausreichende Begründung anerkannt. Eine Dokumentation der konkreten Tätigkeit war nicht erforderlich. Die Dozenten mussten lediglich die Lehrgangsnummer als Antragsgrund angeben.
- Es wurden ohne hinreichende Rechtsgrundlage pauschale Zeitgutschriften für Lehrgänge gewährt (z. B. 8 Stunden pro Woche für Auswärtslehrgänge und 2 Stunden für Lehrgänge an der ALP). Damit sollte beispielsweise die Betreuung der Teilnehmer und Referenten abgegolten werden.
- Neben dem Arbeitszeitkonto wurde ein zweites Konto, das "Zeitkonto" geführt, auf dem die pauschalen Zeitgutschriften gebucht wurden. Außerdem konnten 100 Stunden (im Jahr 2012 sogar über 100 Stunden), die sonst verfallen wären, vom Arbeitszeitkonto auf das Zeitkonto umgebucht werden. Für dieses Konto galt, anders als für das Arbeitszeitkonto, weder die Kappungsgrenze von 100 Stunden noch die Begrenzung der Gleittage auf 24 Arbeitstage pro Jahr.
Im Kalenderjahr 2012 wuchs das Zeitguthaben der Abteilungsleiter und der Dozenten um 1.653 Stunden auf 6.009 Stunden an; gleichzeitig erfolgte an 555 Tagen Arbeitszeitausgleich (Gleittage und sog. Zeitkontotage). Bis zum 31.03.2013 war das Guthaben um weitere 10% auf 6.596 Stunden angestiegen. Ein Drittel der Dozenten hatte Arbeitszeitguthaben von 200 Stunden und mehr. Der höchste Einzelwert lag bei 793 Stunden. Allein dieses Drittel der 32 Dozenten hatte einen Zeitausgleichsanspruch von 470 Arbeitstagen. Dies entspricht 2,1 VZK.
Daneben hat die Rechnungsprüfung in weiteren geprüften Bereichen (z. B. Tarifbereich, Beherbergungsbetrieb, Publikationen, Vergaben) Feststellungen getroffen. Das Kultusministerium hat die Feststellungen des ORH weitgehend geteilt und die Empfehlungen bereits umgesetzt oder zumindest erste Maßnahmen ergriffen.
27.3 Würdigung
Die ALP benötigt ein professionelles Planungs-, Steuerungs- und Dokumentationssystem. Die Leitung der ALP muss konkret wissen, für welche Aufgaben und in welchem Umfang die hauptamtlichen Dozenten innerhalb und außerhalb des eigentlichen Seminarbetriebs ihre Arbeitszeit verwenden. Eine Lehrtätigkeit von durchschnittlich 3 Seminarwochenstunden ist nicht ausreichend.In Zukunft muss der Einsatz der Dozenten transparent geplant, deren Lehrtätigkeit erhöht und ihre Auslastung sichergestellt werden, evtl. im Rahmen eines Lehrdeputats. Der Dozenteneinsatz muss dokumentiert werden.
Die Regelungen zur Arbeitszeit müssen überabeitet und die Arbeitszeitkonten überprüft und ggf. korrigiert werden. Das Zeitkonto muss aufgelöst und die darauf erfassten derzeitigen Guthaben gestrichen werden, soweit sie entweder ohne Nachweis bzw. rechtswidrig gebucht wurden oder aufgrund der Kappungsgrenze verfallen wären.
27.4 Stellungnahme der Verwaltung
27.4.1 Steuerung des Dozenteneinsatzes
Das Kultusministerium stimmt dem ORH zu, dass es einer stärkeren Steuerung des Dozenteneinsatzes an der ALP bedarf. Es teilt nicht die Einschätzung des Akademiedirektors, dass die 14-tägigen Abteilungsleitersitzungen einen ausreichenden Informationsfluss zwischen der Akademieleitung und den einzelnen Referaten gewährleisten.Die ALP verfüge nach eigenen Angaben durchaus über ein Steuerungssystem (z. B. Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen, Planungssitzungen und halbjährliche Programmkonferenzen).
Die Leitung der ALP wisse, für welche Aufgaben und in welchem Umfang die Dozenten ihre Arbeitszeit verwenden würden und wer in welchem Umfang noch über freie Kapazitäten z. B. für Sonderaufgaben des Kultusministeriums verfüge. Ansonsten könnte die ALP nicht wie bisher den Sonderaufgaben für das Kultusministerium oder den kurzfristigen Zusatzveranstaltungen so gut nachkommen. Dies werde z. T. durch Umverteilung von Tätigkeiten auf Dozenten mit anderen inhaltlichen Schwerpunkten bewerkstelligt, was nicht ohne Kenntnis der bestehenden Auslastung ginge.
27.4.2 Lehrtätigkeit
Akademie und Kultusministerium weisen darauf hin, dass die Dozenten einen wesentlichen Teil ihrer Arbeitszeit auf die Auswahl geeigneter Referenten und den Kontakt zu diesen verwenden und dazu auch externe Veranstaltungen besuchen würden. Die Dozenten seien auch an der Erstellung von Konzepten im Auftrag des Kultusministeriums beteiligt. Konkrete Zahlen über die Arbeitsbelastung der einzelnen Dozenten lägen nicht vor.Weiter habe das Kultusministerium die ALP bereits im Jahr 2011 angewiesen,[8] den Eigenanteil der Dozenten in den Kursen zu erhöhen.
Das Kultusministerium habe noch nicht entschieden, ob und wenn ja in welchem Umfang und in welchem Differenzierungsgrad ein Lehrdeputat das geeignete Instrument sei, um das gemeinsame Ziel einer stärkeren Steuerung des Einsatzes der Dozenten zu erreichen. Um ein differenzierteres Bild von den tatsächlichen Tätigkeiten der Dozenten zu erhalten, würden Dozenten aller Abteilungen seit September 2014 Zeitaufschreibungen über ihre Tätigkeiten innerhalb und außerhalb des Seminarbetriebs durchführen.
Die vom ORH geforderte Erfassung aller Aufgaben der ALP in einem Gesamtkonzept ist aus Sicht des Kultusministeriums nicht erforderlich, weil die Kernaufgaben der ALP durch die bestehende Errichtungsverordnung hinreichend beschrieben seien. Dabei hätten sich die Tätigkeiten der Dozenten und der Personalbedarf an den jeweiligen Schwerpunktsetzungen und den fachlich-inhaltlichen Entwicklungen der jeweils konkreten Aufgabenstellungen zu orientieren.
27.4.3 Arbeitszeit
Zur bisherigen Handhabung der Arbeitszeit hat das Kultusministerium dargelegt, dass sich nach einer grundsätzlichen Entscheidung über die zukünftige Form der Arbeitszeit für die Dozenten (Erfassung als Gleitzeit oder Lehrdeputat) eine umfassende Überarbeitung der Regelungen anschließen solle. Erst wenn diese feststehe, würden in einem zweiten Schritt die nötigen Detailregelungen zur Arbeitszeit in einer neuen Dienstvereinbarung festgelegt werden können.Das Kultusministerium habe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ALP im Oktober 2014 über die wesentlichen Beanstandungen der Rechnungsprüfung im Hinblick auf Höchst- und Rahmenarbeitszeit informiert. Die ab 01.11.2014 und bis zum Abschluss einer neuen Dienstvereinbarung geltende Neuregelung betreffe auch pauschale Zeitgutschriften und Mehrarbeit/Überstunden.
27.5 Schlussbemerkung
Die Stellungnahme, insbesondere die Angaben der ALP, zeigen, dass die ALP ein ausgeprägtes Eigenleben führt.
Der ORH bleibt bei seiner Auffassung, dass es dringend eines Gesamtkonzepts für ein professionelles Planungs-, Steuerungs- und Dokumentationssystem bedarf. Die vom Kultusministerium genannte Verordnung über die Errichtung der ALP kann ein solches nicht ersetzen.
Der Einsatz der Dozenten ist nachvollziehbar zu planen und zu dokumentieren. Die Lehrtätigkeit muss erhöht und die Dozentenauslastung sichergestellt werden.
Die Regelungen zur Arbeitszeit und die Arbeitszeitkonten sind schnellstmöglich zu korrigieren. Der ORH hält bei der ALP ein Arbeitszeitmodell für unerlässlich, das die Regelungen zur gesetzlichen bzw. tarifrechtlichen Arbeitszeit umsetzt.
Das Kultusministerium muss sicherstellen, dass die organisatorischen Defizite bei der ALP beseitigt werden.
[1] § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Errichtung der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen vom 18.02.1971- BayRS 2238-3-K - GVBl 1971, S. 107, zuletzt geändert durch Verordnung vom 14.12.2000, GVBl S. 973.
[2]§ 2 Abs. 2 der Verordnung über die Errichtung der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen (vgl. Fußnote 1).
[3] Abteilung V ist wegen anderer Aufgaben nicht vergleichbar (Online-Seminare, Datenbanken).
[4] Nach dem Seminarturnus Halbjahre 82 und 83.
[5] 108 Seminarstunden / 36 Wochen = 3 Lehrgangswochenstunden.
[6] Halbjahr 84.
[7] 55 Seminarstunden / 18 Wochen = 3 Lehrgangswochenstunden.
[8] KMS vom 11.08.2011.