Jahresbericht 2016

TNr. 32: Ganztagsangebote an Schulen

Kreidetafel mit bunter Kreide und "Ganztagsbetreuung"; Bild: stockWERK - Fotolia.com
Die Betreuung von Schulkindern an staatlichen Grund- und Mittelschulen verursacht einen erheblichen Koordinierungs- und Verwaltungsaufwand. Die Ausdehnung der offenen Ganztagsschule auf den Bereich der Grundschulen wird den Aufwand weiter erhöhen.

Das Ministerium sollte den Verwaltungsaufwand reduzieren und den Vollzug vereinheitlichen.

Der ORH hat 2013 und 2014 mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Ansbach gebundene und offene Ganztagsangebote sowie die Mittagsbetreuung an 18 staatlichen Schulen - 9 Grund- und 9 Mittelschulen - an 14 Standorten und 4 Regierungen geprüft.

Der ORH hat insbesondere untersucht, ob die vom Ministerium festgelegten Genehmigungsvoraussetzungen für das jeweilige Ganztagsangebot vorlagen und die Richtlinien zur Personalausstattung und zur Finanzierung eingehalten wurden.

32.1 Ausgangslage

Der Freistaat bietet an Grund- und Mittelschulen den gebundenen und den offenen Ganztag sowie die Mittagsbetreuung an. Der gebundene Ganztag sieht die verpflichtende Anwesenheit der Schüler an mindestens vier Nachmittagen pro Woche vor. Die Unterrichtsgestaltung ist rhythmisiert (Phasen der Anstrengung und der Erholung). Der offene Ganztag an Mittelschulen wird ebenfalls an vier Tagen angeboten. Jedoch erstreckt sich die Teilnahmeverpflichtung nur auf mindestens zwei Nachmittage.

Die Mittagsbetreuung ist auf die Grundschule beschränkt.

32.1.1 Gebundener Ganztag in der Grund- oder Mittelschule

Grund- und Mittelschule haben für die Errichtung einer gebundenen Ganztagsklasse bestimmte Genehmigungsvoraussetzungen zu erfüllen, wie u. a. zeitliche Mindestanforderung (an mindestens vier Wochentagen von 08.00 bis 16.00 Uhr), rhythmisierte Tages- und Unterrichtsgestaltung, tägliche Mittagsverpflegung, Wahlfreiheit der Schüler zwischen Ganztagsklasse und Regelangebot, Kostenfreiheit des gebundenen Ganztags mit Ausnahme der Mittagsverpflegung.

Der Antrag auf Einrichtung eines gebundenen Ganztagsangebotes ist bei staatlichen Grund- und Mittelschulen durch den Schulaufwandsträger[1] (Kommune) zu stellen; die Genehmigung wird vom Kultusministerium erteilt.

Das gebundene Ganztagsangebot findet in der Verantwortung der Schule und unter Aufsicht der Schulleitung statt. Zur Abdeckung des zusätzlichen Personalaufwands einer Ganztagsklasse an Grund- und Mittelschulen werden zwölf zusätzliche Lehrerstunden zugewiesen.[2] Weiterhin stand im Schuljahr 2013/14 je gebundener Ganztagsklasse und Schuljahr zur Abdeckung des zusätzlichen Personalaufwands ein Budget in Höhe von 6.000 €[3] zur Verfügung. Dieses Budget ist für den Abschluss von Kooperations- und Einzelverträgen mit externem Personal bzw. externen Kooperationspartnern einzusetzen.[4]

Der Schulaufwandsträger leistet eine Pauschale zur Mitfinanzierung der Personalkosten in Höhe von 5.000 € je gebundener Ganztagsklasse und Schuljahr an den Freistaat Bayern.

32.1.2 Offener Ganztag in der Mittelschule

Das offene Ganztagsangebot stellte im Prüfungszeitraum ein Angebot für Schüler der Jahrgangsstufen fünf bis zehn dar. In begründeten Ausnahmefällen konnten auch Schüler der Jahrgangsstufen eins bis vier aufgenommen werden. Das offene Ganztagsangebot in der Mittelschule setzt voraus, dass an mindestens vier Wochentagen ein ganztägiges Angebot bereitgestellt wird, das wöchentlich mindestens zwölf Stunden umfasst und eine Betreuung bis mindestens 16.00 Uhr gewährleistet.

Der Antrag auf Einrichtung eines offenen Ganztagsangebotes ist bei staatlichen Mittelschulen durch den Schulaufwandsträger zu stellen; die Genehmigung wird von der Regierung erteilt.

Die Zahl der Gruppen bestimmt sich nach der Zahl der angemeldeten Schülerinnen und Schüler, die entsprechend den gebuchten Teilnahmetagen ganz oder anteilig berücksichtigt werden. Die Bildung einer Gruppe ist bei mindestens 14 bis 25 Schülern, zwei Gruppen bei 26 bis 45 Schülern, drei Gruppen bei 46 bis 65 Schülern usw. möglich.[5] Abgestellt wird auf die verbindliche Anmeldung durch ihre Erziehungsberechtigten und Teilnahme der Schülerinnen und Schüler.

Der Freistaat Bayern stellte im Schuljahr 2013/14 für jede gebildete Gruppe im offenen Ganztag in der Mittelschule pro Schuljahr ein Budget in Höhe von 26.500 € für den zusätzlichen Personalaufwand zur Verfügung.[6]

Die Bewirtschaftung der Mittel obliegt der zuständigen Regierung. Die Durch-führung der Bildungs- und Betreuungsangebote kann der Kommune oder einem freien gemeinnützigen Träger als Kooperationspartner übertragen werden. Der Kooperationsvertrag wird auf Vorschlag der Schule zwischen dem Träger und dem Freistaat, vertreten durch die jeweils zuständige Regierung, geschlossen.

Der Schulaufwandsträger leistet eine Pauschale zur Mitfinanzierung der Betreuungskosten in Höhe von 5.000 € je Gruppe und Schuljahr an den Freistaat.

32.1.3 Mittagsbetreuung in der Grundschule

Die Mittagsbetreuung soll die Erziehungsarbeit des Elternhauses und der Schule unterstützen und eine Betreuung von Schülerinnen und Schülern der Grundschule mit sozial- und freizeitpädagogischer Zielrichtung ermöglichen. Sie ist eine eigenständige Einrichtung des Schulaufwandsträgers oder eines privatrechtlichen Trägers. Die festgelegte Mindestgröße von Mittagsbetreuungsgruppen liegt bei zwölf Schülern.

Die Mittagsbetreuung (an mindestens vier Schultagen der Unterrichtswoche) wird in drei Formen angeboten:
  • Mittagsbetreuung bis etwa 14.00 Uhr
    (Zuschuss pro Gruppe: 3.323 €).
  • Verlängerte Mittagsbetreuung bis mindestens 15.30 Uhr
    (Zuschuss pro Gruppe: 7.000 €)
    Dieses Angebot sieht zusätzlich eine verlässliche Hausaufgabenbetreuung vor.
  • Verlängerte Mittagsbetreuung bis mindestens 16.00 Uhr
    (Zuschuss pro Gruppe: 9.000 €).
    Hier müssen Gelegenheit zu einem Mittagessen gegeben und Lern- und Förderangebote eingerichtet sein. Bei Antragstellung ist ein vom Träger mit der Schulleitung abgestimmtes pädagogisches Konzept der Betreuungsangebote vorzulegen.

32.1.4 Betreuung von Schulkindern in Horten, Kindergärten und Häusern für Kinder

Die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz (BayKiBiG) liegt in der Zuständigkeit des Sozialministeriums. Kindertageseinrichtungen sind außerschulische Tageseinrichtungen wie Kindergärten, Horte oder Häuser für Kinder. Horte sind Kindertageseinrichtungen, deren Angebot sich überwiegend an Schulkinder richtet. Häuser für Kinder sind Kindertageseinrichtungen, deren Angebot sich an Kinder verschiedener Altersgruppen richtet.

Nach Art. 7 BayKiBiG entscheiden die Gemeinden, welchen örtlichen Bedarf sie unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Eltern und ihrer Kinder für eine kindgerechte Bildung, Erziehung und Betreuung sowie sonstiger bestehender schulischer Angebote anerkennen.

Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe[7] tragen nach Art. 6 BayKiBiG die Gesamtverantwortung für die Versorgung mit Plätzen in Kindertageseinrichtungen. Die Planung der Plätze für Schulkinder ist seit dem 01.01.2013 mit der Schulaufsicht abzustimmen.

32.1.5 Neuerungen ab dem Schuljahr 2015/16

Staatsregierung und kommunale Spitzenverbände haben am 24.03.2015 vereinbart,[8] dass ab dem Schuljahr 2015/16 u. a. die offene Ganztagsschule auf die Grundschule ausgedehnt wird. Zunächst sind in einer Modellprojektphase 300 Gruppen, ab dem Schuljahr 2016/17 1.000 Gruppen geplant. Zudem sollen neue Kombi-Modelle die Betreuung nach 16.00 Uhr und in den Ferien ermöglichen.

32.2 Feststellungen

32.2.1 Gruppenbildung im offenen Ganztag und in der Mittagsbetreuung

Bei 11 von 18 der geprüften Schulen wurden mehr offene Ganztagsgruppen bzw. mehr Mittagsbetreuungsgruppen genehmigt und finanziert als aufgrund der tatsächlich teilnehmenden Schüler erforderlich gewesen wären.

Die Ursachen waren beispielsweise:
  • Schüler wurden für den offenen Ganztag oder die Mittagsbetreuung gemeldet, die bereits eine gebundene Ganztagsklasse besuchten.
  • Es gab eine hohe Fluktuation bei den Schülern sowohl zu Schuljahresbeginn als auch während des Schuljahres.
  • Die tatsächliche Anwesenheitszeit der Kinder erfüllte nicht die Mindestbetreuungszeit der einzelnen Formen der Mittagsbetreuung.
Anwesenheits- bzw. Abwesenheitslisten wurden von den Kooperationspartnern z.T. nicht geführt, obwohl für die Schüler Anwesenheits- und Teilnahmepflicht entsprechend der Schulordnung besteht.

32.2.2 Bewirtschaftung der Budgets

Das Budget für den offenen und gebundenen Ganztag steht ausschließlich zur Abdeckung des zusätzlichen Personalaufwands für die Ganztagsklassen bzw. -gruppen zur Verfügung. Beim Abschluss der Kooperationsverträge hat die jeweilige Regierung zu berücksichtigen, dass das Budget vom Kooperationspartner ausschließlich für Bildungs- und Betreuungsangebote verwendet werden darf und dieser - dem verfügbaren Budget entsprechend - adäquates Personal einsetzt.

Beim offenen Ganztag z. B. beträgt das Budget höchstens 26.500 € je Gruppe. Das Kultusministerium sieht einen Orientierungswert von 1.000 € pro Jahreswochenstunde[9] vor. Rechnerisch genügt ein Angebot des Kooperationspartners im Umfang von 26,5 Wochenstunden, um das Budget auszuschöpfen. Die Qualifikation des eingesetzten Personals findet dabei i. d. R. keine Berücksichtigung.

Die Regierungen wenden diesen Orientierungswert nicht einheitlich an:
  • Teilweise wurde in der Leistungsbeschreibung nicht die erforderliche Mindestanzahl an Wochenstunden angeboten, gleichwohl kürzte nur eine Regierung das Budget.
  • Personal, das von Kooperationspartnern im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres bzw. eines Bundesfreiwilligendienstes eingesetzt wurde, wurde bei einer Regierung mit rd. 150 € für die Jahreswochenstunde, bei den übrigen geprüften Regierungen mit 1.000 € berücksichtigt.
  • Von den Kooperationspartnern geltend gemachte Zeiten für Verwaltung, Vor- und Nachbereitung wurden von den Regierungen in unterschiedlichem Umfang berücksichtigt.

32.2.3 Kooperationsverträge

Der Umfang der tatsächlich vom Kooperationspartner erbrachten Leistungen stimmte in mehreren Fällen nicht mit den geschlossenen Verträgen überein. Insbesondere wichen die Angaben in den Leistungsbeschreibungen (Bestandteil der Verträge) oft zeitlich und inhaltlich vom Angebot vor Ort ab.

So wurde beispielsweise festgestellt, dass
  • die in der Leistungsbeschreibung benannten Personen überhaupt nicht/noch nicht oder zum Prüfungszeitpunkt nicht mehr im Ganztagsangebot der Schule eingesetzt waren.
  • die tatsächliche Dienstaufnahme und Dienstbeendigung einzelner Personen nicht den in den Leistungsbeschreibungen festgelegten Beschäftigungszeiträumen entsprach.
  • Personal in den Leistungsbeschreibungen für den Ganztag aufgeführt war, welches in den angegebenen Zeiträumen vom Kooperationspartner (teilweise) auch anderweitig (z. B. in der Mittagsbetreuung) oder ausschließlich zur Essensausgabe eingesetzt wurde.
Es ist nicht eindeutig geregelt, wer überwacht, ob die im Kooperationsvertrag vereinbarten Leistungen an der Schule tatsächlich erbracht werden.

32.2.4 Konkurrenzsituation der Ganztagsangebote

Die Bedarfsermittlung findet je nach Organisationsstruktur des Schulträgers teilweise gemeinsam für die Bereiche Kinderbetreuung und Schulen statt oder wird jeweils eigenständig erhoben. Die 2013 neu eingeführte Abstimmung mit der Schulaufsicht erfolgte bei rd. 50% der im Rahmen der Prüfung abgefragten Schulträger. Die anderen Schulträger gaben an, dass dies zukünftig vorgesehen sei.

Bei den geprüften Schulen traten Konkurrenzsituationen zwischen schulischen Ganztagsangeboten, aber auch zwischen schulischen und außerschulischen Angeboten auf. Das BayKiBiG sieht eine Kooperation der Kommunen mit der Schulaufsicht vor. Eine Abfrage bei 13 Schulträgern zum Thema Betreuungskonkurrenzen hat ergeben, dass es in vier Fällen im Zusammenhang mit dem Ausbau des gebundenen Ganztags zu Hortgruppenschließungen kam. Auch die umgekehrte Entwicklung, nämlich die rückläufige Entwicklung des gebundenen Ganztags zugunsten der anderen Angebote, war festzustellen.

32.3 Würdigung

32.3.1 Gruppenbildung im offenen Ganztag und der Mittagsbetreuung

Aus Sicht des ORH sollten klarere Regeln geschaffen werden. Insbesondere ist festzulegen, wie mit sich verändernden Gruppenstärken verfahren werden soll und ab wann Änderungen zu melden sind, die sich auf die Form und/oder Anzahl der Gruppen auswirken.

Ebenso sollten Kooperationspartner verpflichtet werden, Anwesenheitslisten zu führen. Es ist auch festzulegen, wer die Verantwortung für die abgerechneten Schülerzahlen der Regierung gegenüber trägt.

32.3.2 Bewirtschaftung des Budgets

Bei der Abwicklung der Budgets für die Ganztagsangebote besteht bei den Regierungen kein einheitlicher Vollzug.

Aus Sicht des ORH sind die für den offenen und gebundenen Ganztag maß-geblichen Regelungen anzupassen, um einen bayernweit einheitlichen Vollzug zu ermöglichen. Insbesondere sind
  • Voraussetzungen festzulegen, um Kürzungen des Budgets zu regeln und
  • Regelungen zur Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands der Kooperationspartner zu treffen.

32.3.3 Kooperationsverträge

Aus Sicht des ORH sind Zuständigkeiten, beispielsweise bezüglich Abrechnung, Koordination und Aufsicht durch Schulleitungen, staatliche Schulämter und Regierungen konkret festzulegen.

32.3.4 Konkurrenzsituation

Um eine ausreichende Auslastung der verschiedenen Betreuungsangebote zu erzielen, empfiehlt der ORH, auf eine verbesserte Abstimmung vor Ort hinzuwirken.

32.4 Haltung des Kultusministeriums

Das Kultusministerium hat Verbesserungspotenzial im Verwaltungsvollzug und bei der Durchführung der Ganztagsangebote grundsätzlich eingeräumt. Die im Jahr 2009 neu geschaffene Struktur der Ganztagsangebote an Schulen habe zunächst einige Jahre erprobt werden müssen, bevor grundlegende Anpassungen vorgenommen werden.

32.5 Schlussbemerkung

Die Vielfalt der Angebote führt zu unterschiedlichsten Arbeitsprozessen und verursacht einen erheblichen Koordinierungsaufwand. Die Ausdehnung der offenen Ganztagsschule auf den Bereich der Grundschulen verschärft die aufgezeigte Situation.

Um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren und den einheitlichen Vollzug bei den Regierungen zu erreichen, sollte das Kultusministerium die Regeln klarer fassen, insbesondere zur Gruppenbildung, zu den Budgets und zu den Kooperationsverträgen.


[1] Vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BaySchFG.
[2] Nr. 2.3.1 Abs. 1 der KMBek. vom 08.07.2013 (Gz. III.5-5 O 4207-6a.70 200) zum GGT (KWMBl. S. 238).
[3] Für die 1. und 2. Jahrgangsstufe werden um 4.500 bzw. 3.000 € erhöhte Budgets gewährt.
[4] Zum Schuljahr 2014/15 haben sich die staatlichen Finanzierungsanteile an den Budgets um rd. 10% erhöht.
[5]Nr. 2.5.1 der KMBek. vom 08.07.2013 (Gz. III.5-5 O 4207-6a.70 201) zum offenen Ganztag (KWMBl. 2013, S. 247).
[6] Zum Schuljahr 2014/15 haben sich die staatlichen Finanzierungsanteile an den Budgets um rd. 10% erhöht.
[7] Kreisjugendamt bzw. Stadtjugendamt.
[8] http://www.km.bayern.de/download/11467_informationen_zum_ganztagsgipfel_2015_final.pdf
[9] Stunde à 60 Minuten x Anzahl Schulwochen pro Jahr.

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