Jahresbericht 2016

TNr. 37: Defizite bei der Außenprüfung von bargeldintensiven Betrieben

Münzen und Scheine in einer Registrierkasse; Bild: Robert Hoetink - Fotolia.com
Die Betriebseinnahmen bargeldintensiver Betriebe werden in jedem dritten Fall unzureichend geprüft. Es bestehen große Unterschiede in der Bearbeitungsqualität zwischen einzelnen Betriebsprüfungsstellen. Steuerverkürzungen bleiben so unentdeckt.

Der ORH hat 2014/2015 in sechs Finanzämtern Arbeitsweise und Arbeitsqualität bei der Außenprüfung von bargeldintensiven Betrieben untersucht.

37.1 Ausgangslage

In vielen Branchen und Unternehmen zahlen Kunden überwiegend bar, etwa in der Gastronomie, im Einzelhandel oder im Taxi- bzw. Friseurgewerbe. Die meisten Unternehmer nutzen Registrierkassen oder PC-Kassensysteme. Für die Kassenführung gelten gesetzliche Vorschriften, die in mehreren Verwaltungsanweisungen konkretisiert sind.

Anders als z. B. Banküberweisungen lassen sich Bargeschäfte nicht ohne weiteres nachverfolgen. Die Erfassung kann nur anhand eigener Aufzeichnungen des Unternehmers (elektronisch oder manuell) und mittelbar durch Plausibilisierungen kontrolliert werden. Neben dem schlichten Nichtverbuchen von Bareinnahmen bieten moderne elektronische Kassensysteme die Möglichkeit, in die Programmierung einzugreifen und Erlösdaten zu manipulieren. In den Medien wurde in letzter Zeit verstärkt auf diese Art des Steuerbetrugs hingewiesen.

Um Erlösverkürzungen aufzudecken, setzt die Finanzverwaltung vermehrt auf die digitale Prüfung von Kassendaten. Ein 2010 in Bayern gestartetes spezielles Schulungskonzept "Neue Prüfungstechnik" soll den Außenprüfern die hierbei notwendigen Fertigkeiten vermitteln.

Bei Betrieben bargeldintensiver Risikobranchen handelt es sich häufig um Klein- und Mittelbetriebe. 2014 betrug der Prüfungsturnus bei diesen Betriebsgrößen in Bayern 40,6 bzw. 22,4 Jahre.[1]

37.2 Feststellungen

Der ORH untersuchte 647 abgeschlossene Außenprüfungen von bargeldintensiven Betrieben. Allein bei 40% dieser Fälle hatte die Betriebsprüfung die Betriebs­einnahmen durchschnittlich um etwa 50.000 € erhöht.

37.2.1 Beanstandungen

In jedem dritten Fall beanstandete der ORH Ergebnisse und Abläufe bei der Außenprüfung durch die Steuerverwaltung. Mögliche Steuerausfälle wurden nicht quantifiziert, da für entsprechende Schätzungen Anhaltspunkte fehlten.
  • Voraussetzung für eine qualifizierte Prüfung ist, dass die grundlegenden Strukturen des Betriebs bekannt sind. Bei jedem fünften Fall war aus den Akten das betriebliche Geschehen nicht erkennbar. Es waren keine Ermittlungen hierzu dokumentiert, z. B. eine Besichtigung des Betriebs.
  • Nur eine formell ordnungsmäßige Buchführung der Betriebe und entsprechende Aufzeichnungen haben Beweiskraft. In 16% der Fälle war in den Akten nicht dokumentiert, ob alle erforderlichen Aufzeichnungen vorgelegt worden waren.
  • Systemprüfungen von elektronischen Registrierkassen durch eine sog. Kassenauswertung wurden selten vorgefunden. Insoweit war z. T. vermerkt, dass eine Auswertung nicht möglich gewesen sei. Nach Aussage der Steuerpflichtigen sei die während des Prüfungszeitraums eingesetzte Kasse zum Zeitpunkt der Außenprüfung nicht mehr vorhanden gewesen.
  • Die Aufzeichnungen sind auf Schlüssigkeit zu prüfen. Bei jedem vierten Fall waren hierzu entweder keine entsprechenden Kontrollrechnungen oder aber keine aussagekräftigen Schlussfolgerungen dokumentiert.
  • Wird die Beweiskraft der Aufzeichnungen im Zuge der Außenprüfung widerlegt, hat das FA die Befugnis zur Schätzung. In fast jedem vierten Fall waren die Schätzungsgrundlagen nicht dokumentiert. Nicht selten war ein Sicherheitszuschlag vorgenommen worden, dessen Höhe im Verhältnis zu den festgestellten Mängeln willkürlich und unangemessen niedrig erschien.
Die Prüfungsqualität zwischen den einzelnen Betriebsprüfungsstellen war auffällig unterschiedlich. Dies wurde sowohl in den Änderungsquoten der Betriebsprüfungsstellen von 24 bis 51% als auch in den Beanstandungsquoten des ORH von 21 bis 49% deutlich.

Zwei Drittel aller Fälle wurden von den vorgesetzten Sachgebietsleitern mitgezeichnet. Eine Qualitätsverbesserung bei deren Einbindung konnte der ORH nicht feststellen.

37.2.2 Neue technische Standards

Im Mai 2014 wurde auf Beschluss der Finanzminister von Bund und Ländern eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Ordnungsmäßigkeit digitaler Grundaufzeichnungen eingerichtet. In der Finanzministerkonferenz Ende 2014 befürworteten die Finanzminister der Länder folgende Maßnahmen zur Bekämpfung der Manipulation von Buchführungs- und Kassendaten:
  • gesetzliche Konkretisierung der Aufzeichnungspflichten
  • gesetzliche Standards für die Führung des Nachweises der ordnungsgemäßen Aufzeichnung einzelner Geschäftsvorfälle
  • gesetzliche Einführung einer Kassen-Nachschau
  • Verschärfung von Sanktionsmöglichkeiten
Das unter Leitung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt entwickelte INSIKA-Verfahren gilt als ein mögliches technisches Konzept gegen Datenmanipulationen. Dieses basiert auf einer digitalen, von einer Smartcard erzeugten Signatur. Die Smartcard kann in Registrierkassen, Taxameter und ähnliche Systeme eingebunden werden. Die signierten, fortlaufend nummerierten Buchungsdaten können nicht unerkannt verändert werden. Die Signatur wird außerdem auf dem zugehörigen Beleg abgedruckt und beweist die ordnungsgemäße Erfassung des Umsatzes.

37.3 Würdigung

Die Vollständigkeit der Betriebseinnahmen sollte bei der Außenprüfung bargeldintensiver Betriebe einen besonderen Prüfungsschwerpunkt darstellen. Dabei geht es nicht nur darum, in den geprüften Fällen Steuerverkürzungen aufzudecken. Ebenso wichtig ist die Präventionswirkung, die angesichts der geringen Prüfungsdichte bei kleineren Betrieben notwendig ist. Eine solche lässt sich nur mit einer qualitativ guten, effektiven Außenprüfung erreichen.

In vielen Fällen sind die Betriebseinnahmen jedoch nicht ausreichend und zu oberflächlich geprüft worden. Die großen Unterschiede in der Bearbeitungsqualität zwischen einzelnen Betriebsprüfungsstellen sind auch aus Gründen der Steuergerechtigkeit nicht akzeptabel.

Der ORH hat daher Folgendes empfohlen:

37.3.1 Qualitätssicherung in den Betriebsprüfungsstellen intensivieren

Die Sachgebietsleiter sollten ihre Mitarbeiter stärker für die Thematik sensibilisieren und für die Umsetzung der "Neuen Prüfungstechnik" Sorge tragen. Entscheidend hierbei ist eine gut strukturierte Prüfungsmethodik, die von einer genauen Analyse der Betriebsabläufe ausgeht (z. B. Betriebsbesichtigung) und sich an den individuellen Verhältnissen und Risiken des Betriebs ausrichtet.

Die Prüfungsqualität kann durch intensivere Kommunikation zwischen den Außenprüfern verbessert werden. Zum einen sollte der Wissenstransfer durch die in der "Neuen Prüfungstechnik" geschulten Prüfer gestärkt werden, indem sie häufiger bei der Prüfung bargeldintensiver Risikobranchen eingesetzt werden. Zum anderen sollten die Betriebsprüfungsstellen untereinander besser vernetzt werden.

37.3.2 Qualitätskontrolle verbessern

Die Unterschiede in der Bearbeitungsqualität sollten verringert werden. Das LfSt als Dienst- und Fachaufsichtsbehörde sollte bei den internen Geschäftsprüfungen künftig verstärkt die materiellrechtliche Arbeitsqualität der Betriebsprüfungsstellen untersuchen. Dies sollte sich nicht nur auf Einzelfälle beziehen, sondern strukturiert und damit vergleichbar durchgeführt werden.

37.3.3 Gesetzgeberische Maßnahmen unterstützen

Die Bekämpfung der Manipulation von Kassendaten sollte durch gesetzgeberische Maßnahmen unterstützt werden. Die Finanzminister des Bundes und der Länder haben hierzu bereits Vorschläge entwickelt. Die Staatsregierung sollte sich nachdrücklich für deren gesetzliche Umsetzung einsetzen.

37.4 Stellungnahme der Verwaltung

Die Steuerverwaltung ist bereit, die Forderungen des ORH zur Qualitätssicherung und zur Qualitätskontrolle umzusetzen. Branchenspezifische Workshops zur Prüfung von Warenwirtschaftssystemen bei Apotheken, von Gewinnspielgerätebetreibern sowie von Taxiunternehmen würden angeboten bzw. seien in der Planungsphase. Mittelfristig würden sich auch Kommunikationsnetzwerke unter den Experten ausbilden. Es sei zudem beabsichtigt, künftig vermehrt und in kürzeren Abständen Geschäftsprüfungen bei den FÄ durchzuführen, die sich ausschließlich mit der Abwicklung und Durchführung von Prüfungen von bargeldintensiven Betrieben auseinandersetzten.

Die Beratungen zu möglichen gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Kassenmanipulationen seien noch nicht abgeschlossen. An einem mit dem Bundesministerium der Finanzen abgestimmten Bericht werde noch gearbeitet. Eine abschließende Bewertung der Vorschläge könne erst bei Vorliegen der endgültigen Entscheidungsgrundlage getroffen werden. Das INSIKA-Verfahren verpflichtend als einzig zulässiges Verfahren vorzugeben, begegne im Hinblick auf die Wettbewerbsfreiheit Bedenken. Weitere Gespräche auf Fachebene auf Grundlage der Offenheit eines technischen Konzepts seien vorgesehen.

37.5 Schlussbemerkung

Die Verkürzung von Betriebseinnahmen führt zu hohen Steuerausfällen. Die Manipulation von Kassendaten ist sehr schwer nachweisbar. Daher muss die Qualität der Außenprüfungen gesteigert und die Außenprüfung auch durch zielführende gesetzliche Maßnahmen unterstützt werden. Die Staatsregierung sollte auf eine zügige gesetzgeberische Lösung drängen.

[1] Vgl. hierzu auch schon ORH-Bericht 2011 TNr. 19: "Nach wie vor Defizite in der betriebsnahen Veranlagung".

Bildnachweis: Robert Hoetink - Fotolia.com